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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 13.10.2009
Aktenzeichen: 2 U 200/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2325 Abs. 1
BGB § 2329 Abs. 1
Ob im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs eine gemischte Schenkung vorliegt, bestimmt sich danach, welchen Wert die Parteien bei den auszutauschenden Leistungen im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit selbst bestimmen. Gemischte Schenkungen, bei denen der Wert der Leistung dem der Gegenleistung nur zum Teil entspricht, sind zwar heranzuziehen, aber nur mit dem überschießenden unentgeltlichen Teil (in Anknüpfung an BGH NJW 1995.1349; NJW -RR 1996, 754).

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Den Klägern wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 29. Oktober 2009. Der Senat regt zur Vermeidung weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung an.


Gründe:

I.

Die Kläger machen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beklagten geltend.

Am 31.05.2004 verstarb die am 04.05.1924 geborene und zuletzt in W. wohnhaft gewesene G. L., geb. .... Die Kläger sind leibliche Abkömmlinge der Verstorbenen. Die Verstorbene errichtete am 18.05.2004 ein eigenhändiges Testament, in dem sie den Beklagten, der ebenfalls leiblicher Abkömmling der Verstorbenen ist, als Alleinerben einsetzte. Der Beklagte sowie dessen einzige Tochter, M. L., schlugen die Erbschaft aus. Durch die Ausschlagung des gesamten Stammes des Beklagten sind die übrigen Abkömmlinge der Verstorbenen, die Kläger, Erben geworden.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13.09.2002 und der darauffolgenden Eintragung im Grundbuch war das Eigentum an dem Hausgrundstück in W., ..., von der Erblasserin auf den Beklagten übertragen worden. In der notariellen Urkunde wurde ein Verkehrswert des Hausgrundstücks in Höhe von 40.000,00 € angegeben sowie ein Kaufpreis in Höhe von 20.000,00 €. Zusätzlich zum Kaufpreis wurde der Erblasserin vom Beklagten ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Wegen der Einzelheiten der Urkunde vom 13.09.2002 wird auf die Anlage K 3, GA 34 bis 40, Bezug genommen.

Die Kläger haben bereits im Jahr 2005 gegen den Beklagten Klage auf Zahlung von 22.500,00 EUR als Pflichtteilsergänzungsanspruch erhoben. Die Klage ist durch Urteil vom 12.10.2006 im Verfahren 9 0 ..., LG Koblenz, rechtskräftig abgewiesen worden.

Die Kläger haben vorgetragen, das dem Beklagten übertragene Hausgrundstück habe einen Verkehrswert von mindestens 100.000,00 € gehabt. Unter Berücksichtigung des lebenslangen Wohnrechts der Erblasserin sei dem Beklagten das Hausgrundstück für 40.000,00 € überlassen worden mit der Folge, dass eine gemischte Schenkung vorliege und der Beklagte in Höhe von 60.000,00 € als Differenz zum Verkehrswert zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet sei. Der Pflichtteil der Kläger betrage jeweils 1/8, so dass sich ein Betrag in Höhe von insgesamt 22.500,00 € für die Kläger ergebe.

Die Kläger haben zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück ...., W. wegen eines Betrages in Höhe von 8.212,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu dulden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, die Klage sei schon wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils vom 12.10.2006 im Verfahren 9 0 ..., LG Koblenz, unzulässig. Im Hinblick auf den notariellen Vertrag vom 13.09.2002 liege keine gemischte Schenkung vor. Die Immobilie habe keinen höheren Wert als 40.000,00 € gehabt.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Den Klägern stehe kein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück des Beklagten wegen eines Betrages von 8.212,50 € gemäß §§ 2325 Abs. 1, 2329 Abs. 1 BGB zu. Der notarielle Kaufvertrag vom 13.09.2002 beinhalte keine gemischte Schenkung. In dem notariellen Kaufvertrag sei der Wert des Hausgrundstücks mit 40.000,--€ angegeben worden. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Sch. sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass das Hausgrundstück im Jahre 2002 unter Berücksichtigung eines 40 prozentigen Marktabschlages einen Wert von nur 37.500,--€ gehabt habe (62.500,--€ ./. 25.000,--€ Marktabschlag). Unter Berücksichtigung des Wohnrechts habe der Beklagte sogar noch eine höhere Gegenleistung erbracht als die Leistung, die er erhalten habe.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Die Kläger beantragen unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück ..., W. wegen eines Betrags in Höhe von 11.812,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu dulden.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Klage nicht die Rechtskraft des Urteils vom 12.10.2006 in dem Verfahren 9 O ... entgegen steht. Dem Verfahren 9 O .... hat ein anderer Streitgegenstand zugrunde gelegen. Zwar lag dem Verfahren der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde, nicht aber der gleiche Klageantrag. In dem Vorprozess haben die Kläger einen Zahlungsantrag verfolgt, in diesem Verfahren wird ein Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück gestellt. Unter Berücksichtigung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs unterscheiden sich die Streitgegenstände.

Den Klägern steht gemäß §§ 2325 Abs. 1, 2329 Abs. 1 BGB kein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück wegen eines Betrages in Höhe von zuletzt 11.812,50 € zu. Bei der Übertragung des betreffenden Hausgrundstücks handelt es sich nicht um eine gemischte Schenkung. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs liegen nicht vor. Gemischte Schenkungen, bei denen der Wert der Leistung dem der Gegenleistung nur zum Teil entspricht, sind zwar heranzuziehen, aber nur mit dem überschießenden unentgeltlichen Teil. Ob bei ihnen der Wert der auszutauschenden Leistungen gleichwertig ist oder nicht, hängt von der subjektiven Bewertung der Parteien ab, die den jeweiligen Wert im Rahmen der Vertragsfreiheit selbst bestimmen (BGH Urteil vom 01.02.1994 - IV ZR 36/94 -NJW 1995.1349; Urteil vom 06.03.1996 - IV ZR 374/94 - NJW -RR 1996, 754; Palandt-Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2325 Rn. 19). Bei gemischten Schenkungen ist es zunächst Sache der Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung zu bewerten. Deren Bewertungen in einem Versorgungs- oder Übergabevertrag müssen grundsätzlich anerkannt werden (BGH NJW 1982, 43), weil es ihnen aufgrund ihrer Privatautonomie grundsätzlich freisteht, auch die objektiv wesentlich geringere Gegenleistung subjektiv noch als gleichwertig anzusehen (vgl. im Übrigen zum Pflichtteilsergänzungsanspruch auch OLG Koblenz Urteil vom 13.07.2006 - 7 U 1801/05 - FamRZ 2006, 1789). Nach der Rechtsprechung des BGH kann auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung nach der allgemeinen Lebenserfahrung aber dann geschlossen werden, wenn ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen ist (BGH NJW-RR 1996, 754; BGHZ 82, 274, 281, 282 m.w.N.). Maßgebend ist hierfür der Zeitpunkt der Zuwendung.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme liegen hier keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erblasserin und der Beklagte bei dem notariellen Kauf- und Übergabevertrag vom 13.09.2002 einen im groben Missverhältnis zum wirklichen Verkehrswert stehenden Verkehrswert bzw. Kaufpreis angesetzt hätten, so dass teilweise faktisch von einer gemischten Schenkung auszugehen wäre. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Sch. hat in seinem Gutachten vom 22.04.2008 bezogen auf das Jahr einen Verkehrswert von 62.500,--€ bestimmt, wobei allerdings ein Marktabschlag von 40 %, mithin 25.000,--€ in Abzug zu bringen sei. Danach hat der bereinigte Verkehrswert ohne weiteren Abschlag für das Wohnrecht der Erblasserin 37.500,--€ betragen. Dieser Betrag lag bereits unterhalb des festgesetzten Verkehrswerts von 40.000,--€. Berücksichtigt man zudem das Wohnrecht der Erblasserin, das unter Berücksichtigung der Sterbetafel 2000 und einer noch zu erwartenden Lebenszeit von 9,64 Jahren einen wirtschaftlichen Wert von 32.900,--€ darstellte, lag diese Betrag ebenfalls über den von den Parteien für das Wohnrecht pauschal in Ansatz gebrachten Betrag von 20.000,--€ bzw. jährlich 3.000,--€ (§ 3 des notariellen Vertrages; GA 12). Das Landgericht führt dementsprechend zu Recht aus, dass der Beklagte nach dem Ergebnis des Gutachtens sogar eine höhere Gegenleistung erbracht habe als die Leistung, er erhalten habe.

Die Berufung greift die Bewertung des Hausgrundstücks durch den Sachverständigen ohne Erfolg an. Die Kläger wenden sich gegen den vom Sachverständigen vorgenommen Marktabschlag von 40 %. Der Gutachter stelle die Behauptungen in den Raum, ohne diese im Einzelnen zu belegen. Die Berufung ist der Auffassung, dass unter Bezugnahme auf den Grundstücksmarktbericht 2003 des Gutachterausschusses im Bereich des Westerwaldkreises bei einem Objekt mit einem niedrigen Sachwert ein Zuschlag zum Sachwert vorgenommen werden müsse (BB 2, GA 159), weil für billige Objekte der Interessentenkreis größer sei. Die Kläger verweisen auf den als Anlage überreichten Grundstücksmarktbericht (GA 263). Dabei geht die Berufung von einem Bodenpreisniveau von 60 €/m² aus. Sie greift zwar den Bodenwert von 21,--€/m² nicht an, beanstandet jedoch, dass der Sachwertfaktor zu niedrig bemessen sei. Der Niederstwert von 61.500,--€ sei mit dem Faktor 1,04 zu multiplizieren. Der Sachverständige hat wie folgt gerechnet (20 € x 103 geteilt durch 98 = 21 € m²). Die Berufung will einen Verkehrswert von 51.500,--€ unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % (wohl Reparatur- bzw. Investitionsstau) in Ansatz bringen.

Diese Ausführungen der Berufung sind unerheblich. Selbst wenn der Verkehrswert zum damaligen Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % bei 51.500,--€ gelegen hätte, läge immer noch keine gemischte Schenkung vor. Denn die Vertragsparteien bestimmen zunächst einmal selbst, wie sie Leistung und Gegenleistung bewerten. Nur wenn erkennbar ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorläge, könnte von einer gemischten Schenkung ausgegangen werden. Dafür gibt es hier aber keine Anhaltspunkte.

Der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert weicht im Übrigen deutlich von dem von den Klägern ursprünglich behaupteten Verkehrswert von mindestens 100.000,--€ ab. Für die Einholung eines Obergutachtens besteht keine Veranlassung. Der Sachverständige hat für den Senat unter Beifügung von Lichtbildern nachvollziehbar dargelegt, dass das Hausgrundstück erhebliche Mängel aufweist. So sei ein Investitions- und Reparaturstau zu verzeichnen. Es lägen gravierende Konstruktionsmängel vor. Der Sachverständige beanstandete die fehlende Deckenisolierung im Bereich des Obergeschosses, die ungenügende Dämmung der Außenwände, die Feuchtigkeit im Kellergeschoss, die Risse in den Wänden. Der Sachverständige sprach von einem Nachkriegsbau bzw. Behelfsheim (GA 154).

Die Berufung ist zu Unrecht der Auffassung (BB 6, GA 261), dass das lebenslange Wohnrecht im Hinblick darauf, dass die Mutter 20 Monate nach der notariellen Beurkundung verstorben ist, außer Betracht zu bleiben habe. Sie bezieht sich auf die Rechtsprechung, wonach in Härtefällen der Abzug des kapitalisierten Wertes ausnahmsweise zu unterbleiben habe. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es nicht an. Maßgebend ist die Vorstellung der Parteien zum Zeitpunkt der Zuwendung.

Der Senat vermag dem Ansatz der Berufung, einen Verkehrswert von 51.000,--€ ohne Marktabschlag und ohne Abzug für das lebenslange Wohnrecht zugrunde zu legen, lediglich den Kaufpreis von 20.000,--€ abzuziehen, darauf beruhend einen Wert für den Schenkungsanteil von 31.500,--€ zu bemessen, nicht zu folgen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.812,50 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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