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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 23.09.2009
Aktenzeichen: 2 U 423/09 (1)
Rechtsgebiete: BDSG, BGB


Vorschriften:

BDSG § 27
BDSG § 35
BDSG § 28 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 824
BGB § 826
1) Die Übermittlung von Negativdaten bedarf grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung, wobei zwischen sog. "harten" und "weichen" Negativmerkmalen zu unterscheiden ist. Bei weichen Negativmerkmalen wie einer Kreditkündigung ist im Zuge einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden, ob die Datenübermittlung zulässig ist, was in der Regel der Fall ist, wenn das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsunwilligkeit beruht. Der Umstand, dass eine Forderung bestritten ist, führt allerdings nicht "automatisch" dazu, dass ein Speichern unzulässig wäre, denn dies wäre ein zu einfaches Mittel, um die Speicherung von Daten mit negativen wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen zu verhindern

2) Der Gesetzgeber hat die Anforderungen für die Kreditinstitute niedrig angesetzt. Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist bereits zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Das bedeutet, dass nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung eine Eintragung nur unzulässig ist, wenn die Interessen des Betroffenen an der Nichteintragung überwiegen.


Oberlandesgericht Koblenz

2 U 423/09

Hinweisverfügungen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

vom 23.09.2009 und 03.11.2009

rechtskräftig durch Rücknahme der Berufung

Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 15. Oktober 2009. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen.

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.

Der Beklagte ist Inhaber einer Fahrschule in M.. Die Klägerin gewährte dem Beklagten auf den Darlehensantrag vom 02.07.2002 ein Darlehen für den Kauf eines VW Golf Spezial 1, 9 I TDI (K 1, GA 12). Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 14.10.2002 die Annahme des Darlehensantrags (K 2, GA 14). Der Kauf des VW Golf erfolgte über die Firma H. in B.. Der Beklagte zahlte vereinbarungsgemäß die erste bis 35. Rate, nicht jedoch die am 01.10.2005 fällige Schlussrate in Höhe von 6.069,60 €. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung der Schlussrate in Anspruch.

Die Firma H. hatte sich gegenüber dem Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate zurückzukaufen (verbrieftes Rückgaberecht) und den Kaufpreis an die Klägerin zur Tilgung der Restforderung aus dem Darlehensvertrag abzuführen. Ende 2003 wollte sich der Beklagte von dem VW Golf trennen und ihn durch einen wiederum von der Firma H. zu erwerbenden Neuwagen ersetzen. Der Rücknahmezeitpunkt sollte dementsprechend vom Oktober 2005 auf den Januar 2004 vorgezogen werden. Tatsächlich erwerben sollte den VW Golf aber eine Firma F. Fahrschulwagen-Service GmbH zum Preis von 12.000,-- €. Ein Mitarbeiter der Firma F. sollte den VW Golf bei dem Beklagten in M. abholen, anschließend bei der Firma H. in B. den Kaufpreis von 12.000,-- € entrichten und im Gegenzug dort den Kfz-Brief erhalten. Am 17.01.2004 holte Andreas F. den VW Golf bei dem Beklagten ab und fuhr anstatt nach B. jedoch unverzüglich zum Sitz der Firma F. nach G. bei M. zurück. Die Firma F. veräußerte anschließend den PKW ohne Übergabe des Kfz-Briefes und KfZ-Scheins an einen Herrn S.. Zahlungen an den Beklagten erfolgten nicht. Die Firma F. stellte in der Folge Insolvenzantrag, der im September 2004 mangels Masse abgewiesen wurde. Andreas F. befindet sich zurzeit in Haft.

Der Beklagte hat versucht, vor dem Landgericht M. im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die Herausgabe des Fahrzeugs zu erreichen. Nachdem die Kammer mitgeteilt hatte, der Erwerber S. habe das Fahrzeug wohl gutgläubig erworben, nahm der Beklagte seinen Antrag zurück. Eine negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Braunschweig (7 0 1867/06), dass der Klägerin keine Darlehensansprüche mehr zustehen, hat der Beklagte zurückgenommen, nachdem die Klägerin gegen ihn im hiesigen Verfahren einen Mahnbescheid erwirkt hatte.

Mit Schreiben vom 01.06.2005 schlug der Prozessbevollmächtigte des Beklagten der Klägerin vor, diese solle auf die Hälfte des "Restwertes" verzichten, dem S. den Ankauf des Wagens also für 3.000,-- € anbieten, während S. die restlichen Raten bis zum Laufzeitende übernehme. Der Beklagte sollte sodann aus dem Vertrag entlassen werden. Die Klägerin hat hierauf mit Schreiben vom 06.06.2006 geantwortet:

"Hiermit wird das Fahrzeug VW Golf ..., Fahrgestell-Nr. ... auf unseren Kunden Herrn J. K., geb. ...zurückübereignet. Wir verzichten auf sämtliche Rechte an dem Fahrzeug. Der Kunde kann im eigenen Namen sein alleiniges Eigentum einklagen oder das Fahrzeug verkaufen. Die Aushändigung des Kfz-Briefes durch die Stadtverwaltung M. an Herrn K. haben wir veranlasst."

Herr S. hat den Kfz-Brief schließlich erhalten und daraufhin 3.000,-- € an den Beklagten gezahlt, wie dieser allerdings erst in der mündlichen Verhandlung offenbart hat.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe zu dem Verkauf des Fahrzeuges (an einen anderen als die Firma H.) nie ihr Einverständnis erklärt. Mit dem Schreiben vom 06.06.2005 habe sie zwar auf ihr Sicherungseigentum verzichtet, nicht aber auf ihre Restforderung aus dem Darlehensvertrag. Ihr Mitarbeiter E. habe bei den Verhandlungen stets darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf das Sicherungseigentum nicht den Verzicht auf die Restrate umfasse.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.362,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.069,60 € seit dem 06.07.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und im Rahmen der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen,

1. die Meldung eines "Saldo" zu Lasten des Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. ... an die Schufa zu widerrufen und die Löschung des "Saldo" bei der Schufa zu veranlassen.

2. an ihn 1.606,86 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins hieraus ab Klagezustellung zu zahlen.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Der Beklagte erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, die der Schufa ... AG, in W. übermittelten Daten des Beklagten wegen der am 02.10.2005 fällig gestellten Forderung der Klägerin in Höhe von 6.301,65 € (Kto.-Nr.: 58347113), zu widerrufen und die Löschung des Saldos bei der Schufa zu veranlassen, hilfsweise, die Meldung eines Saldos zu Lasten des Beklagten aus vorbezeichneten Darlehensvertrag an die Schufa zu widerrufen und die Löschung des Saldos bei der Schufa zu veranlassen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg.

1) Das Landgericht hat unter Abweisung der Widerklage zu Recht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 6.362,28 € nebst Zinsen zu zahlen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Schlussrate aus dem Darlehensvertrag zu. Das Schreiben der Klägerin vom 06.06.2006 beinhaltet lediglich einen Verzicht auf sämtliche Rechte an dem Fahrzeug, nicht aber einen Verzicht auf die Geltendmachung der noch ausstehenden Raten. Es ist kein sachlicher Grund dafür vorhanden, dass die Klägerin sich an dem Verlustrisiko des Beklagten beteiligen sollte. Der Beklagte hatte die Absicht, sich von dem finanzierten VW Golf zu trennen, um einen Neuwagen zu erwerben. Er hat sich mit der Firma F. in Verbindung gesetzt, um diesen PKW zu veräußern. Die konkrete Abwicklung des Geschäfts (Abholung des PKW beim Beklagten, Zahlung des Kaufpreises von 12.000,--€ durch die Firma F. bei der Firma: H. in B., Aushändigung des Kfz-Briefes) war zwischen dem Beklagten und der Firma F. abgesprochen. Hiermit hatte die Klägerin nichts zu tun.

Der Beklagte hat auch nicht den Nachweis dafür erbracht, dass die Klägerin bereit gewesen wäre, auf die Hälfte des Restwertes zu verzichten.

Es kann auch dahinstehen, ob der Käufer S. zunächst ohne Aushändigung des Kfz-Briefes durch die Firma F. den VW Golf gutgläubig erwerben konnte, wie es wohl der Auffassung des Landgerichts München I im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens des Beklagten gegen S. entsprach. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeuges nur dann als gutgläubig anzusehen ist, wenn er sich zumindest den Kraftfahrzeugbrief aushändigen lässt (BGHZ 68, 323 = NJW 1977 1240)). Jedenfalls hat der Käufer S. spätestens nach Aushändigung des Kfz-Briefes durch den Beklagten Eigentum an diesem erlangt, nachdem die Klägerin zuvor den PKW' an den Beklagten zurückübereignet hat. Der Käufer S. hat schließlich nach Aushändigung des KfZ-Briefes 3.000,--€ an den Beklagten gezahlt.

Selbst wenn der Käufer S. den PKW von der Firma F. gutgläubig erworben hätte, könnte der Klägerin nicht - wie die Berufung meint - vorgehalten werden, sie habe ihre Verpflichtung nicht erfüllt, nämlich bei vollständiger Bezahlung des Kaufpreises den VW Golf an den Beklagten zu übereignen. Die vorzeitige Freigabe des PKW's durch die Klägerin zum Zwecke der Veräußerung entsprach dem Wunsch des Beklagten. Es lag in seinem Risiko und Verantwortungsbereich, wenn er den PKW einem nicht seriösen Händler übergab und dieser in "betrügerischer Weise" den ihm nicht gehörenden PKW an einen Dritten veräußerte. Entgegen der Auffassung der Berufung hatte nicht die Klägerin das Risiko des Verlustes des VW Golf wirtschaftlich zu tragen.

2) Das Landgericht hat auch zu Recht die Widerklage abgewiesen. Dem Beklagten steht kein Recht gegen die Klägerin zu, den Widerruf und Löschung des Saldos bei der Schufa zu veranlassen. Dieser Anspruch ergibt sich weder aus §§ 824, 826 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und §§ 27, 35, 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG. Die Übermittlung von Negativdaten bedarf grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung nach § 28 BDSG, wobei zwischen sog. "harten" und "weichen" Negativmerkmalen zu unterscheiden ist (BGH Urteil vom 07.07.1983 - III ZR 159/82 - NJW 1984, 436). Bei weichen Negativmerkmalen wie einer Kreditkündigung ist im Zuge einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden, ob die Datenübermittlung zulässig ist, was in der Regel der Fall ist, wenn das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsunwilligkeit beruht. Der Umstand, dass eine Forderung bestritten ist, führt allerdings nicht "automatisch" dazu, dass ein Speichern unzulässig wäre, denn dies wäre ein zu einfaches Mittel, um die Speicherung von Daten mit negativen wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen zu verhindern (vgl. OLG Franfurt a.M. NJW-RR 2008, 1228 m.w.N.; ZIP 2005, 654; AG Hamm Urteil vom 14.10.2008 - 16 C 127/08 - RDV 2009, 124).

Die Darlegungs- und Beweislast für ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung trägt das übermittelnde Kreditinstitut (BGH NJW 1984, 436 Juris Rn. 20; OLG Frankfurt a.M. NJW -RR 2008, 1228 m.w.N.). Hat eine Bank eine unrichtige Information an die SCHUFA weitergegeben, so ist diese zu widerrufen (BGH WM 1983, 1188).

Die Klägerin hat vorliegend keine unrichtigen Informationen an die Schufa weitergegeben. Die Darlehensforderung bzw. die Schlussrate war zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig. Die Beklagte hat lediglich die Auffassung vertreten, dass die Klägerin einen Verzicht auf diese Forderung erklärt habe. Hierfür liegen aber, wie ausgeführt, keine Anhaltspunkte vor.

Die Klägerin hat wirksam und korrekt die Schufa-Mitteilungen an die Schufa ... übermittelt. Die Klägerin hat am 14.10.2002 das Merkmal "KR" gemeldet. Dies bedeutet, dass der Beklagte einen Kredit aufgenommen hat. Die Gesamtfälligstellung des Kredits ist am 06.07.2006 gemeldet worden unter dem Zusatz "SG". Erst am 17.07.2006 äußerte der Beklagte gegenüber der Klägerin telefonisch seine Verwunderung über den Schufa-Eintrag und bestritt die Berechtigung der Schlussrate. Dementsprechend hat die Klägerin am 18.04.2007 das Merkmal "WS" gemeldet. Dies bedeutet, dass ein Widerspruch gegen den gemeldeten Saldo eingegangen ist. Die Eintragungen waren dementsprechend richtig.

Die Veranlassung der Schufa-Eintragung stellt auch keinen Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG dar. Danach ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.

Die Meldung an die Schufa dient der Wahrung der berechtigten Belange der Schufa und der Allgemeinheit. Die Schufa hat die Aufgabe, ihren Vertragspartner Informationen zu verschaffen, um sie vor Verlusten im Kreditgeschäft mit Konsumenten zu schützen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, ihren Kunden durch Beratung vor übermäßiger Verschuldung zu bewahren. Vorliegend hat der Beklagte keine berechtigten Einwände gegen die Forderung der Klägerin, so dass die Eintragung aufrechterhalten bleiben muss.

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das schutzwürdige Interesse des Beklagten an der Geheimhaltung seiner Negativmerkmale überwiegt. Die Darlehensrestforderung war rechnerisch unstreitig. Berechtigte Einwände gegen diese Forderung hat der Beklagte nicht, da kein Verzicht der Klägerin vorliegt. Die Anforderungen an den Nachweis eines Verzichts sind hoch. Auch die Tatsache, dass der Beklagte zunächst den Erhalt der 3000,--€ durch den Käufer S. nicht offenbarte, sondern dies erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingeräumt hat, spricht gegen seine Zahlungswilligkeit bzw. Zahlungsfähigkeit.

Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 9.069,60 € (6.069,60 € Forderung ohne Zinsen + 3.000 Widerklage für Haupt- und Hilfsantrag) festzusetzen.

Oberlandesgericht Koblenz

2. Zivilsenat

23.09.2009

Dr. Reinert



Ende der Entscheidung

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