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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 2 U 449/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 Ziff. 1
BGB § 123
Es stellt eine Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht bei der Prüfung einer arglistigen Täuschung eine umfangreiche Beweisaufnahme zu einem Komplex durchführt, die Entscheidung letztlich auf einen anderen, aufklärungsbedürftigen Komplex gestützt wird, der nicht Gegenstand der Beweisaufnahme und Erörterungen im Termin war (im Anschluss an BVerfGE 84, 188; BGH NJW 1989, 2757; 1993, 667; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 1489, NJW-RR 1992, 1268).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 449/06

Verkündet am 22. März 2007

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Künzel, die Richterin am Oberlandesgericht Au und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach - Einzelrichter - vom 2. März 2006 und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache an die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach zurückverwiesen.

Das Landgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger kaufte von den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 09.07.2003 den Reiterhof "Waldhof" in Bruchweiler bestehend aus Wohnhaus, Reithalle, Stallungen, vier Schulpferden, einem Traktor, einem Getreidesiloanhänger und Sattelzeug für einen Kaufpreis von 450.000,-- EUR. In dem notariellen Vertrag findet sich folgende Vereinbarung:

"§ 7 Gewährleistung

(...)

3. Die Rechte des Käufers wegen eines sichtbaren oder unsichtbaren Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn der Verkäufer handelt vorsätzlich.

Der Verkäufer versichert aber, dass ihm verborgene Sachmängel nicht bekannt sind.

Der Verkäufer hat nach eigener Angabe einen Unterstellschuppen ohne Baugenehmigung errichtet. Dies ist dem Käufer bekannt. Er wird, soweit erforderlich alles notwendige auf seine Kosten veranlassen. Desweiteren ist dem Käufer bekannt, dass in der Halle noch die Windverbände angebracht werden müssen. Dies wird der Käufer auf seine Kosten veranlassen, falls erforderlich.

Dem Verkäufer ist weiter nichts darüber bekannt, dass das verkaufte Anwesen nicht nach den baurechtlichen Vorschriften errichtet ist.

Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt und übernimmt es in dem gegenwärtigen gebrauchten Zustand, in dem es sich derzeit befindet. Etwaige in der Zeit ab heute bis zur Besitzübergabe entstehende Mängel hat der Verkäufer auf seine Kosten zu beseitigen auf die einschneidenden Rechtsfolgen des vorstehenden Haftungsausschlusses des Verkäufers wies der Notar hin. Dies wurde mit den Beteiligten erörtert.

Der Verkäufer wird auf seine Kosten noch eine neue Wasserzuleitung zum nächstmöglichen Termin verlegen. Der Verkäufer verpflichtet sich, dass die neue Wasserleitung direkt an die Hauptwasserleitung angeschlossen wird, um so den höchst möglichen Druck zu ermöglichen.

Nach Angabe des Verkäufers ist eine Dachrinne verbogen, da die Halterung von der Rinne gebrochen ist. Dadurch läuft Regenwasser in die Reithalle. Der Verkäufer wird diesen Schaden auf seine Kosten noch beheben. Die Dachrinne ist bis zum 30.10.2003 zu reparieren."

Zwischen der Kreisverwaltung Birkenfeld und den Beklagten war in den vor dem Kaufvertrag liegenden Jahren regelmäßiger Schriftverkehr geführt worden über noch durchzuführende Maßnahmen an der Halle.

Die Baugenehmigung der Halle wurde am 16.03.1994 erlassen (Anlage G1). In einem ersten Prüfbericht vom 18.05.1994 (Anlage K 3) wies der Prüfingenieur für Baustatik Dipl.-Ing. Horst E. darauf hin, dass eine Prüfung der Halle ohne Vorlage von Konstruktionszeichnungen nicht möglich sei. In dem Schreiben vom 14.12.1995 (Anlage K4) forderte die Kreisverwaltung den Beklagten zu 1) auf, die Konstruktionszeichnungen vorzulegen. In seinem 2. Prüfbericht vom 15.05.1996 (Anlage K 16) wies Dipl.-Ing. E. darauf hin, dass vorgesehene Verstärkungen und zusätzliche Verbände aus Gründen der Sicherheit kurzfristig einzubauen seien. Die Kreisverwaltung forderte daraufhin den Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 15.10.1996 (Anlage K 5) auf, die Verstärkungen im Dachverband entsprechend dem Prüfbericht einzubauen und erforderliche Unterlagen vorzulegen. Mit Schreiben vom 10.08.1997 (Anlage K 17) wies Dipl.-Ing. E. die Kreisverwaltung darauf hin, dass die Verstärkungen bisher nicht ausgeführt wurden. Mit Schreiben vom 21.10.1997 (Anlage K18) fasste Dipl.-Ing. E. gegenüber der Kreisverwaltung die Vereinbarungen einer Ortsbesichtigung vom 13.10.1997 zusammen. Es seien bei den Dachverbänden in den Endfeldern zusätzliche Diagonalen einzubauen, fehlende Wandverbände entsprechend der statistischen Berechnung seien zu montieren, Einspannung von Stützen sei auszuführen, anschließend sei die Endabnahme durch den zuständigen Mitarbeiter der Kreisverwaltung durchzuführen. Mit Schreiben vom 31.10.1997 (Anlage K 6) forderte die Kreisverwaltung den Beklagten zu 1) - unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 21.10.1997 - auf, die Mängel zu beheben. Mit Schreiben vom 17.06.1998 (Anlage K 7) setzte die Kreisverwaltung dem Beklagten zu 1) Frist zur Behebung der Mängel bis Oktober 1998 und drohte ansonsten Baunutzungsuntersagung an. Mit Schreiben vom 08.09.2000 (Anlage K 9) forderte die Kreisverwaltung den Beklagten zu 1) auf, Unterlagen zum Nachweis der Mängelbeseitigung vorzulegen und setzte eine Frist. Mit Schreiben vom 07.03.2002 (Anlage K 10) wurde der Beklagte zu 1) von der Kreisverwaltung nochmals zum Nachweis der Mängelbeseitigung aufgefordert und ihm eine zweiwöchige Frist gesetzt.

Mit Schreiben der Kreisverwaltung Birkenfeld vom 30.01.2004 (Anlage K 2) erfuhr der Kläger von dieser Problematik.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2004 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und setzte den Beklagten Frist zur Rückzahlung des Kaufvertrages bis 31.12.2004. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Nach Vorlage einer Nachtragsstatik des Dipl.-Ing. S. vom 09.11.2004 (Anlage G 11) durch den Beklagten zu 1) wies die Kreisverwaltung Birkenfeld gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 25.11.2004 (Anlage G 2) darauf hin, dass nach Einbau einer Aussteifung der Halle und entsprechender Bescheinigung durch Herrn S. "die Angelegenheit dann erledigt (wäre)". Mit einem auf den 09.03.2004 datierten Schreiben bestätigte Dipl.-Ing. S., dass die Aussteifung abgeschlossen sei. Mit Schreiben vom 10.03.2005 (Anlage G 5) wies die Kreisverwaltung den Kläger darauf hin, dass für sie die Angelegenheit bezüglich der Hallenaussteifung nunmehr erledigt sei.

Der Kläger holte daraufhin ein Privatgutachten des Dipl.-Ing. (FH) Sch. vom 02.05.2005 (Anlage K 11) ein. Dieser kam nach Überprüfung der Prüfberichte sowie der Nachtragsstatik des Dipl.-Ing. S. vom 09.11.2004 zu dem Ergebnis, dass die Standsicherheit der Halle nicht gewährleistet sei. Daraufhin erteilte die Kreisverwaltung am 10.05.2005 eine Nutzungsuntersagung im Hinblick auf die Reithalle.

Der Kläger hat vorgetragen,

Der Beklagte habe bewusst die bestehende Problematik im Hinblick auf die baurechtlichen Probleme in dem Kaufvertrag verschwiegen. Zudem hätten in der Wohnung verschiedene Feuchtigkeitsschäden vorgelegen. So sei eine Wand feucht, aus einer anderen Wand sei die Heizung herausgebrochen, da die Wand verfault und marode war. Schließlich tropfe es bei starkem Regen durch das Dach.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 450.000,-- EUR (in Worten: vierhundertfünfzigtausend Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückauflassung und Rückübertragung der im Grundbuch von B. Blatt 688 eingetragenen Grundstücke Gemarkung B., Flur xyz ... Gebäude- und Freifläche, an die Beklagten zu je hälftigem Miteigentum einschließlich folgender Gegenstände:

4 Schulpferde mit den Namen H., M., M., L. nebst Sattelzeug; einen Traktor der Marke Mc-Cormick, ein mobiles Sackgetreibesilo, Fassungsvolumen 3 t; ein Anhänger Westfalia Holz-Polyhänger,

2) die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 2.181,61 EUR zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen,

für die Errichtung der Halle sei eine ordnungsgemäße Baugenehmigung erteilt worden. Mit Einverständnis des Klägers sei nach Abschluss des Kaufvertrages alles Erforderliche veranlasst worden sowie die notwendigen Unterlagen der Kreisverwaltung vorgelegt worden und diese sei damit zufrieden gewesen. Die Problematik der fehlenden Statik sei ihnen nicht bekannt gewesen. Während der Zeit, in der die Beklagten im Haus gewohnt hätten, seien keine Feuchtigkeitsschäden erkennbar gewesen.

Das Landgericht hat Beweis zu dem Komplex Feuchtigkeitsschäden im Wohnhaus durch Vernehmung der Zeugen V., O., O. und K. erhoben (Protokoll vom 26.01.2006).

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 450.000,--€ Zug um Zug gegen Rückauflassung und Rückübereignung der im Tenor seines Urteils genannten Grundstücksflächen sowie der vier Schulpferde, dem Traktor, dem mobilen Sackgetreidesilo sowie dem Anhänger Westfalia. Dieser Anspruch ergebe sich aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Beklagten erhielten den Kaufpreis ohne Rechtsgrund, da der Kläger wirksam den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Die Beklagten hätten wahrheitswidrig im notariellen Kaufvertrag versichert, dass ihnen verborgene Sachmängel nicht bekannt seien sowie im Hinblick auf die baurechtliche Problematik lediglich ein Unterstellschuppen ohne Baugenehmigung errichtet worden sei sowie in der Halle noch Windverbände angebracht werden müssten. Weiterhin sei nichts darüber bekannt, dass das verkaufte Anwesen nicht nach den baurechtlichen Vorschriften errichtet worden sei.

Diese Angaben hätten nicht der Wahrheit entsprochen. Anhand der zur Gerichtsakte gelangten Schreiben der Kreisverwaltung Birkenfeld sowie der Stellungnahme des Dipl.-Ing. E. sei ersichtlich, dass seit Mitte der 90er Jahre ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen den Beteiligten geführt worden sei, aus dem für die Beklagten klar hervorgegangen sei, dass im Hinblick auf die Statik sowie die Verstärkung der Dachkonstruktion der Halle noch notwendige Maßnahmen vorzunehmen seien, die jedoch von den Beklagten nicht durchgeführt worden seien.

Unerheblich sei, dass 1 Woche nach dem Anfechtungsschreiben des Klägers die Untere Bauaufsichtsbehörde dem Kläger mitgeteilt habe, dass sie- die Untere Bauaufsichtsbehörde - sich mit der durch den Beklagten zu 1) am 23.11.2004 zu den Akten gereichte Nachtragsstatik für die Hallenaussteifung zufrieden gebe und ihrer Ansicht nach die Problematik damit erledigt sei. Die spätere Nutzungsuntersagung durch die Kreisverwaltung zeige, dass der fehlenden Statik sowie der Verstärkung der Dachkonstruktion erhebliche Bedeutung zukomme. Die Beklagten hätten eine besondere Aufklärungspflicht getroffen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie lediglich eine fehlende Baugenehmigung für den Unterstellschuppen sowie die fehlenden Windverbände erwähnt hätten. Entscheidender Mangel sei vor allem die auf nicht ausreichende Aussteifungsverbände zurückzuführende fehlende Standsicherheit der Halle. Den Beklagten (LU, S. 9 fälschlicherweise "Kläger") sei die Problematik der fehlenden Standsicherheit bekannt gewesen und sie hätten diesen Punkt ausdrücklich erwähnen müssen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie tragen vor: Das Urteil beruhe zum einen auf einem gravierenden Verfahrensfehler, weil es nach durchgeführter Beweisaufnahme über behauptete Mängel am Wohnhaus, die im Ergebnis die Behauptungen des Klägers nicht bestätigt habe, ohne weitere rechtliche Erörterungen über den zweiten Teilaspekt überraschend zu dem angefochtenen Urteil gekommen sei. Es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Das Urteil sei auch materiell falsch, weil das Landgericht zu Unrecht eine arglistige Täuschung angenommen habe.

Die Beklagten beantragen nunmehr,

unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichens Urteils und Verfahrens an das Landgericht Bad Kreuznach zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen. Nach Auffassung des Klägers weist das erstinstanzliche Urteil weder Verfahrensfehler noch Fehler des materiellen Rechts auf.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung hat derzeit vorläufigen Erfolg.

Soweit die Beklagten in erster Linie beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, ist die Sache noch nicht entscheidungsreif, da es einer erneuten bzw. weitergehenden Beweisaufnahme durch das Landgericht bedarf.

Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet jedoch an einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich, so dass die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens auf Antrag der Beklagten an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Im Hinblick auf den Umfang der Beweisaufnahme (erneute Vernehmung der bereits vernommenen Zeugen zu dem Komplex Feuchtigkeitsschäden im Wohnhaus und Beweiswürdigung der Bekundungen der Zeugen; erstmalige Beweiserhebung zu dem Komplex Verschweigen von statischen Problemen der Reithalle durch Zeugenvernehmung und ggf. anschließend Einholung eines Sachverständigengutachtens) sieht der Senat davon ab, die Beweisaufnahme selbst durchzuführen. Insbesondere zu dem zweiten Komplex würde den Parteien bei einer erstmaligen Beweiserhebung durch den Senat eine Tatsacheninstanz genommen werden.

Der Kläger hat die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) auf zwei Anfechtungstatbestände gestützt, zum einen auf den Vorwurf, die Beklagten hätten Feuchtigkeitsschäden im Haus verschwiegen, zum anderen auf den unterlassenen Hinweis im Hinblick auf die statischen Probleme der Reithalle und die vorausgegangene umfangreiche Vorkorrespondenz mit der Bauaufsichtsbehörde in den ca. 9 Jahren vor Kaufvertragsabschluss.

Das Landgericht hat mit der Ladungsverfügung vom 16.12.2005 (GA 66) die Zeugen V., O., C. O. und K. gemäß § 273 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO beigeladen und in der Beweisaufnahme vom 26.01.2006 (GA 101) zu dem ersten Komplex (Feuchtigkeitsschäden im Wohnhaus) vernommen. Zu dem zweiten Komplex (statische Probleme der Reithalle) ist weder eine Beweisaufnahme nach § 273 ZPO angeordnet noch ein Beweisbeschluss ergangen bzw. durchgeführt worden.

Das Landgericht hat die Bekundungen der vernommenen Zeugen nicht gewürdigt und seine Entscheidung zur Arglist ausschließlich auf den zweiten Komplex des Arglistvorwurfs (statische Probleme der Reithalle) gestützt. Das Urteil stellt eine Überraschungsentscheidung dar und verletzt die Beklagten in ihrem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1GG, BVerfGE 84, 188). Parteien dürfen nicht erst im Urteil von einer bis dahin nicht erörterten Fallbewertung erfahren (BGH NJW 1989, 2757; 1993, 667). Eine Entscheidung darf nicht auf einen Sachverhalt gestützt werden, den keine Partei vorgetragen hat (OLG Düsseldorf, NJW 1989, 1489) oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den beide Parteien für unerheblich gehalten haben (Zöller/Gummler/Heßler, ZPO, 26. Aufl. § 538 Rn. 21; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 1268).

Aufgrund der prozessleitenden Verfügung und der durchgeführten Beweisaufnahme konnte die Beklagte davon ausgehen, dass sich das Landgericht zumindest zunächst ausschließlich mit dem ersten Komplex des Arglistvorwurfs befassen würde, der zweite Komplex (Vorwurf des unterlassenen Hinweises statischer Probleme der Reithalle) für die Begründung des Arglisteinwandes entweder aus Sicht des Landgerichts nicht ausreichte oder eine weitere Beweisaufnahme erforderlich wäre. Hätte bereits der Vortrag zu dem zweiten Komplex, wie vom Landgericht mit Urteil angenommen, für die Begründung des Arglistvorwurfes genügt, hätte es der Beweisaufnahme zu dem ersten Komplex nicht bedurft, der Rechtsstreit wäre ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif gewesen. Die Berufung hat hierzu vorgetragen (BB 4, GA 178), dass der Vorsitzende nach Durchführung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2005 erklärt habe, dass das Prozessverfahren durch ihn nicht mehr abschließend entschieden werde, weil seine "Versetzung an ein anderes Gericht" bereits verfügt sei.

Die Berufung führt deshalb nachvollziehbar aus, dass in dem anberaumten Spruchtermin mit einem weiteren Beweisbeschluss bzw. zumindest einer weiteren Erörterung zur Klärung der baurechtlichen bzw. statischen Fragen der Reithalle oder aus Sicht der Beklagten, welche die Beweisbehauptungen zu den Feuchtigkeitsschäden am Wohnhaus als nicht bestätigt ansahen (eine Auseinandersetzung mit diesem Komplex und eine Beweiswürdigung des Landgerichts fehlt), mit einem klageabweisenden Urteil zu rechnen gewesen wäre.

Bei einem entsprechenden Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts, dass ungeachtet der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Komplex "Feuchtigkeitsschäden am Wohnhaus" die Sache aufgrund des weiteren Arglistvorwurfs zu dem Komplex "unterlassener Hinweis der statischen Probleme der Reithalle" entscheidungsreif im Sinne eines klagestattgebenden Urteils wäre, hätten die Beklagten die nunmehr im Berufungsverfahren benannten Zeugen R. und S. zu der Behauptung benennen können, dass der Kläger anlässlich einer Begehung der Reithalle ausführlich über die Probleme mit der Unteren Bauaufsichtsbehörde informiert und auch mitgeteilt worden sei, dass seit annähernd 10 Jahren eine Korrespondenz geführt werde, die noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis geführt habe (BB 6/7, GA 180, 181). Die Berufung hat schließlich vorgetragen, dass sich der Streit mit der Unteren Bauaufsichtsbehörde zuletzt auf die Anbringung von Dach- und Wandverbänden, um die Standfestigkeit der Halle zu gewährleisten, reduziert habe. Der Kläger habe auf eine Fixierung bzw. Auflistung der Punkte verzichtet. Für eine indizielle Richtigkeit dieser Angabe könnte sprechen, dass in dem notariellen Kaufvertrag der Passus aufgenommen worden ist, dass dem Käufer bekannt ist, dass in der Halle noch Windverbände angebracht werden müssen. Das Landgericht wird diesem Aspekt in der durchzuführenden Beweisaufnahme nachgehen müssen.

Außerdem haben die Beklagten dargelegt, dass sie vor dem Notar den Stand der Verhandlungen vor der Unteren Bauaufsichtsbehörde geschildert hätten. Auch diesen Punkt wird das Landgericht aufzuklären haben.

Die Beklagten sind mit ihrem Vortrag und Beweiserbieten im jetzigen Berufungsverfahren auch nicht nach § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO präkludiert, da sie aufgrund der prozessleitenden Verfügung des Vorsitzenden vom 16.12.2005 (GA 66) und der sich anschließenden Beweisaufnahme zu dem ersten Komplex (Feuchtigkeitsschäden) nicht damit rechnen mussten, dass das Landgericht den Vortrag des Klägers zu dem Komplex "statische Probleme der Reithalle" ausreichen lassen würde, um hierauf eine arglistige Täuschung zu stützen. Das Landgericht hat das Verfahren durch die der Prozessbeschleunigung dienende vorbereitende Maßnahme nach § 273 Abs.2 Nr. 4 ZPO in eine Richtung gelenkt (Konzentration auf Feuchtigkeitsschäden im Wohnhaus), so dass die Beklagten nicht annehmen mussten, dass das Landgericht seine Entscheidung ausschließlich auf den zweiten Komplex stützen würde, der nicht Gegenstand der Beweisaufnahme war. Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine Partei grundsätzlich gehalten ist, ihren Prozessvortrag und Beweisangebote so früh wie möglich zu bringen, und Beweiserbieten nicht zurückhalten darf.

Das Landgericht wird nach Vernehmung der Zeugen ggf. prüfen müssen, ob die vom Kläger behaupteten statischen Probleme der Reithalle überhaupt einen Sachmangel darstellen. Die Beklagten haben ein Schreiben der Unteren Bauaufsichtsbehörde vom 25.11.2004 vorgelegt, wonach nach Einbau einer Aussteifung der Halle und entsprechender Bescheinigung durch Herrn S. "die Angelegenheit erledigt sei". Ob die vom Privatgutachter des Klägers, Dipl.-Ing. (FH) Sch., erhobenen Bedenken, die letztlich zu der Nutzungsuntersagung der Reithalle führten, berechtigt sind, ist ggf. durch gerichtliches Sachverständigengutachten zu klären.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des Landgerichts und das zugrunde liegende Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 450.000,--€ festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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