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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: 2 U 462/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1023
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 U 462/02

Verkündet am: 14. November 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Entfernung eines Leitungsmastes.

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Henrich sowie der Richter am Oberlandesgericht Künzel und Henrich

auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.3.2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Trier abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 4.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Beseitigung eines Strommastes, der auf seinem Grundstück steht. In den Jahren 1971-1973 schlossen der Rechtsvorgänger (Vater) des Klägers und die Beklagte Vereinbarungen über die Errichtung eines Leitungsmastes (20-kV-Freileitung) durch die Beklagte auf dem Grundstück des Rechtsvorgängers des Klägers in H.......... Die Vereinbarungen sahen die Errichtung eines Schutzstreifens auf dem Grundstück vor. Der Rechtsvorgänger des Klägers bewilligte in den Vereinbarungen eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit dieses Inhalts. Für den Fall von deren Nichteintragbarkeit sollten die Vereinbarungen gelten als Grundstücksbenutzungsvertrag für die Dauer des Bestehens der Leitung, mindestens aber 30 Jahre und sich dann um jeweils 5 Jahre verlängern, wenn nicht von einer Partei mindestens 12 Monate vor dem jeweiligen Ablauf schriftlich gekündigt wurde. In Durchführung der Vereinbarungen wurde der Beklagten am 23.11.1973 eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit an dem Grundstück des Klägers eingeräumt und im Grundbuch eingetragen. Als Gegenleistung für das Leitungsrecht wurden einmalige Zahlungen von 552 DM und 525 DM geleistet.

Mit Schreiben vom 28.3.2000 kündigte der Kläger den von seinem Vater mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag. Die Beklagte hat unter Hinweis auf die beschränkt persönliche Dienstbarkeit erklärt, dass der Vertrag nicht gekündigt werden könne.

Der Kläger macht geltend,

das Verbleiben des Leitungsmastes an seinem bisherigen Standort sei für ihn unzumutbar, da er beabsichtige, auf seinem Grundstück ein Wohnhaus zu errichten, was unter den gegebenen Umständen jedoch nicht möglich sei. Zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag mit seinem Vater geschlossen worden sei, habe es sich bei dem Grundstück um Weideland gehandelt. Jetzt sei es Bauland, weshalb auch die geleistete Abfindung völlig unzureichend sei. Der damalige Vertrag sei durch die Bestimmungen der AVB-EltV ergänzt worden, wonach gemäß § 8 Abs. 3 der Grundstückseigentümer auf Kosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens eine Verlegung der Einrichtungen verlangen könne, wenn sie an der bisherigen Stelle für ihn nicht mehr zumutbar seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den auf seinem Grundstück (Gemarkung H.......... Flur .., Flurstück ../l) befindlichen Leitungsmast (20-kV-Freileitung) kostenpflichtig zu entfernen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 30.528 DM als Entschädigung für die Duldung des Leitungsmastes auf seinem Grundstück zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie macht geltend,

die Kündigung bleibe ohne Erfolg. Aufgrund der eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit bestehe ihr Grundstücksbenutzungsrecht, für das damals die übliche Entschädigung gezahlt worden sei, fort. Die mit einer Verlegung verbundene Kostentragung richte sich nicht nach den AVBEltV, sondern nach § 1023 BGB, so dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks diese zu tragen habe. Ein Fäll des Wegfalls der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Eine Änderung der Grundstückspreise liege im Risikobereich des Klägers.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Entfernung des Mastes verurteilt. Es hat einen Anspruch des Klägers gemäß § 242 BGB i.V. mit den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bejaht.

Auf die weiteren Ausführungen im Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen.

Die Beklagte begehrt Abänderung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung. Sie wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung des Landgerichts. Ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage liege nicht vor, weil keine Vorstellung der Vertragsschließenden bestanden habe, die Nutzungsqualität des Grundstücks bleibe in Zukunft unverändert.

Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren mit Haupt- und Hilfsantrag weiter. Hier liege die Situation des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor, da die Vertragsschließenden davon ausgegangen seien, dass sich die Grundstücksnutzungsmöglichkeit (damals Weideland) auf unabsehbare Zeit nicht ändere.

Die Berufung hat Erfolg.

Das Entfernungsbegehren ist ebenso unbegründet wie das hilfsweise geltend gemachte Zahlungsbegehren.

Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung bleibt ohne Wirkung.

Die in den Vereinbarungen von 1971/1973 vorgesehene Laufzeitbegrenzung von 30 Jahren - allerdings mit Verlängerungsoption von jeweils 5 Jahren - mit Kündigungsmöglichkeit galt dem ausdrücklichen Wortlaut nach nur für den Fall, dass die vom Eigentümer bewilligte beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht hätte eingetragen werden können. Hier ist indes eine Eintragung erfolgt. Damit erfolgte die Inanspruchnahme des Grundstücks seitens des Elektrizitätsversorgungsunternehmens durch die Vereinbarung über die Einräumung einer Dienstbarkeit und deren Eintragung im Grundbuch. Das hat zur Folge, dass bei der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit diese nicht durch die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AvBEltV) ergänzt wird.

Vielmehr wird die Bestimmung des § 8 Abs. 3, der vorsieht, dass der Eigentümer auf Kosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens die Verlegung der Einrichtungen verlangen kann, wenn sie an der bisherigen Stelle für ihn nicht zumutbar sind, durch die beschränkt persönliche Dienstbarkeit ersetzt. Damit gilt § 1023 BGB, wonach der die Verlegung der Ausübung der Grunddienstbarkeit auf eine andere Stelle fordernde Eigentümer die Kosten der Verlegung zu tragen und vorzuschießen hat.

Das Klägerbegehren ist aber allein auf Entfernung auf Kosten der Beklagten gerichtet.

Ein Anspruch auf Entfernung auf Kosten der Beklagten, hilfsweise auf nachträgliche Zahlung einer höheren Entschädigung, ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegeben.

Zwischen der Leistung der dem Rechtsvorgänger des Klägers gewährten Entschädigung und der Pflicht des Klägers, im Rahmen der Sozialbindung seines Eigentums gemäß Art. 14, GG (vgl. hierzu auch BGHZ 66, 63, 65 f; BGH MDR 1991, 637) den Strommast auf seinem Grundstück zu dulden, besteht kein Äquivalenzverhältnis. Die Grundsätze, die der BGH unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage z.B. für die Erhöhung eines Erbbauzinses entwickelt hat, sind daher nicht anwendbar (vgl. BGH NJW-RR 1991, 1291).

Im Übrigen kann auch die vom Kläger geltend gemachte Geschäftsgrundlage, wonach die Vertragsschließenden davon ausgegangen seien, dass sich die Grundstücksnutzungsmöglichkeit (als Weideland) auf unabsehbare Zeit nicht ändere, nicht festgestellt werden. Insoweit fehlt es bereits an überprüfbarem Sachvortrag mit geeigneten Beweisangeboten. Anlass, der Auffassung des Klägers folgend nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen> dass nur die von ihm geltend gemachte Vertragsgrundlage in Betracht komme (§ 286 ZPO), besteht nicht. Mit ihrem Vortrag, es habe keine Vorstellung der Vertragsschließenden bestanden, die Nutzungsguälität des Grundstücks bleibe in Zukunft unverändert, hat die Beklagte die andere in Betracht kommende Möglichkeit geltend gemacht und hierbei Gesichtspunkte wie den, dass im Laufe von Jahrzehnten immer mit Änderungen mit Bauplanungsrecht zu rechnen sei, aufgeführt, die diese Möglichkeit sogar als nahe liegender erscheinen lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert der Berufung beträgt 35.000 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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