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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 2 U 541/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 339 Satz 2
1. Schließen zwei Unternehmen auf dem Gebiet des Werkstoffrecyclings im Rahmen eines Entsorgungsvertrages eine Kundenschutzvereinbarung, wonach sich der Bezieher der Ware - hier PP-Verschlusskappen - verpflichtet, weder unmittelbar noch über Dritte mit in einer Kundenliste genannten Kunden und Coca-Cola Konzessionären in geschäftlichen Kontakt zu treten, so beinhaltet eine solche Regelung keinen allgemeinen (vorbeugenden) Konkurrentenschutz, sondern nur den (berechtigten) Schutz des tatsächlichen Kundenstamms der Klägerin.

2. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die Verwirkung einer Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung ein. Entgegen dem Wortlaut der Bestimmung genügt nicht nur die objektive Zuwiderhandlung, sondern es bedarf auch eines Verschuldens. Der Schuldner wird frei, wenn er beweist, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Die Kundenschutzvereinbarung enthält keine garantieähnliche, vom Verschulden losgelöste Vertragsstrafe.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 541/06

Verkündet am 26.10.2006

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, die Richter am Oberlandesgericht Künzel und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung

vom 21. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. März 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verwirkung einer Vertragsstrafe.

Beide Parteien sind auf dem Gebiet des Werkstoffrecyclings tätig. Die Klägerin sammelt u. a. bei Getränkeherstellern sogenannte PP-Verschlusskappen ein, um diese einer ordnungsgemäßen Verwertung zuzuführen. Die Entsorgung bzw. das Recycling der Verschlusskappen nimmt die Klägerin allerdings nicht vollumfänglich selbst wahr, sondern bedient sich hierzu auch anderer Unternehmen.

Am 18.02.2002 schlossen die Parteien einen bis zum 31.12.2003 befristeten Entsorgungsvertrag, wegen dessen Inhalt auf Bl. 17 ff. GA verwiesen wird. Im März 2003 ergänzten die Parteien den Vertrag um eine "Kundenschutzvereinbarung" (B1. 25/26 GA), in der u. a. folgendes geregelt ist:

1. Die P. verpflichtet sich ab 01. April 2003 für die Dauer des Verwertungsvertrages bzw. 8 KW nach Ablauf/Beendigung des Vertragsverhältnisses den/die Namen des/der Kunden (s. Anlage Kundenliste) oder kundenbezogene Daten in keiner Weise für sich zu verwenden oder an Dritte weiterzugeben.

2. Die P. verpflichtet sich insbesondere, nicht selbst zu Kunden der R. (s. Anlage Kundenliste) in direkten geschäftlichen Kontakt zu treten und weder unmittelbar noch über Dritte für sie tätig zu werden.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung ist eine Konventionalstrafe in Höhe von 25.000,--€ an die R. zu zahlen. Das Recht der R., gegen entsprechenden Nachweis Schadenersatzansprüche geltend zu machen, bleibt hiervon unberührt.

Die Klägerin hat vorgetragen,

sie habe im März 2004 erfahren, dass die Beklagte von Dezember 2003 bis einschließlich Januar 2004 über die Rohstoffkontor-B. GmbH PP-Verschlusskappen von der Nord-Ostsee Getränke in M. bezogen habe. Bei dieser Firma handele es sich um eine Coca-Cola Konzessionärin, die in Ziffer 1 der Kundenliste aufgeführt sei und somit unter die vereinbarte Kundenschutzvereinbarung falle. Der Beklagten seien komplette, intakte Coca-Cola Verschlüsse geliefert worden, die bereits aufgrund ihrer Farbe sowie des Aufdrucks als solche Ware zu erkennen gewesen sei, die unter die Kundenschutzvereinbarung fiel. Der Beklagten seien am 19. und am 29.01.2004 solche Verschlüsse geliefert worden. Darüber hinaus habe die Beklagte bereits im Dezember 2003 unmittelbar Vertragsverhandlungen mit der N.-O. Getränke in M. aufgenommen mit dem Ziel, den Zuschlag für die Entsorgung der PP-Verschlusskappen zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin selbst in geschäftlichem Kontakt mit der vorgenannten Firma gestanden und für sie PET-Verschlüsse, Etiketten sowie Glas entsorgt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

sie habe nicht die Rohstoff-Kontor B. GmbH eingeschaltet, um Materialien von Unternehmen zu erhalten, die der Kundenschutzvereinbarung unterlägen. Vielmehr habe diese Firma ihr, der Beklagten, Materialien angeboten, ohne dass sie gewusst habe, von welchem Kunden die Materialien bezogen würden. Außerdem habe sie lediglich Mahlgut bezogen, das nicht derart identifizierbar gewesen sei, dass es einem Kunden der Klägerin habe zugerechnet werden können. Zum Zeitpunkt der vermeintlichen Verstöße habe die Klägerin mit der N.-O. Getränke in M. nicht in Geschäftsverbindung gestanden. Sie, die Beklagte, habe mit dieser Firma im Dezember 2003 keine Vertragsverhandlungen geführt. Vielmehr sei es im Februar 2003 zu Kontakten mit der N.O. Getränke gekommen, die jedoch bereits im März 2003 beendet gewesen seien.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung der Klage entsprochen. Der Klägerin stehe aus der Kundenschutzvereinbarung ein Anspruch auf Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe zu. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe zur sicheren Überzeug des Gerichts fest, dass am 19. und 29.01.2004 intakte PP-Verschlüsse von der N.-O. Getränke in M. an die Beklagte geliefert worden seien. Durch dieses Verhalten habe die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt. Sinn und Zweck der Kundenschutzvereinbarung sei es, dass die Beklagte nicht in Konkurrenz zu der Klägerin trete, indem sie von den in der Kundenliste genannten Firmen verwertbares Material beziehe, sei es unmittelbar oder über einen Dritten. Unerheblich sei, ob die Klägerin aktuell eine vertragliche Beziehung zu dem Kunden hinsichtlich der Verwertung von PP-Verschlusskappen habe. Eine derartige Einschränkung ergebe sich aus dem Wortlaut der Kundenschutzvereinbarung nicht. Da die Verwirkung der Vertragsstrafe an ein Unterlassen anknüpfe, müsse der Schuldner für eine Haftungsbefreiung den Nachweis erbringen, dass ihn kein Verschulden treffe. Hierzu habe die Beklagte nichts vorgetragen. Ein entsprechender Nachweis erscheine angesichts des Inhalts der von dem Zeugen Mattijessen vorgelegten Urkunden auch ausgeschlossen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, sie sei nach der Kundenschutzvereinbarung nur verpflichtet, nicht selbst zu Kunden der Klägerin in direkten geschäftlichen Kontakt zu treten und weder unmittelbar oder über Dritte tätig zu werden. Sie sei nicht aktiv an einen Kunden herangetreten, sondern vielmehr habe ihr die Rohstoff-Kontor B. GmbH Material angeboten. Sie habe nicht gewusst, von welchem Kunden die Materialien bezogen worden seien. Von der Rohstoff-Kontor B. GmbH sei zu keinem Zeitpunkt gefordert worden, bei einem Coca-Cola Konzessionär PP-Produkte zu erwerben. Das Landgericht habe zudem gegen seine Hinweispflicht verstoßen. Sie habe schriftsätzlich vorgetragen, dass die Klägerin die Beweislast für ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten trage. Wäre sie vom Landgericht darauf hingewiesen worden, dass sie einen Entlastungsbeweis führen müsse, hätte sie den Beweis dafür geführt, dass sie kein Verschulden getroffen habe. Die im Verantwortungsbereich ihres Unternehmens stehenden Personen hätten keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei dem angelieferten Material um das eines Coca-Cola Konzessionärs gehandelt habe (Beweis: V., K.). Sie habe nicht gegen die Kundenschutzvereinbarung verstoßen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Vertragsstrafe zugesprochen. Die Beklagte habe gegen die Kundenschutzvereinbarung verstoßen. Danach sei es der Beklagten untersagt, mit einem in der Kundenschutzliste genannten Unternehmen in geschäftlichen Kontakt zu treten. Unerheblich sei dabei, ob die Initiative von der Beklagten ausgegangen sei. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. § 339 BGB i. V. m. Ziffer 1 Abs. 2, Ziffer 3 der Kundenschutzvereinbarung kein Anspruch auf Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe zu. Ein derartiger Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe lässt sich der Kundenschutzvereinbarung vom 20.03/25.03.2003 (Anlage 3, GA 25) nicht entnehmen. Nach Ziffer 1 Absatz 2 der Kundenschutzvereinbarung verpflichtete sich die Beklagte, nicht selbst zu Kunden der Klägerin gemäß der anliegenden Kundenliste in direkten geschäftlichen Kontakt zu treten und weder unmittelbar noch über Dritte für sei tätig zu werden. In der als Anlage 4, GA 27 beigefügten Kundenliste werden als Kunden alle Coca-Cola Konzessionäre in Deutschland erwähnt. Bei verständiger Auslegung der Ziffer 1 Absatz 2 der Kundenschutzvereinbarung kann diese Regelung nur so verstanden werden, dass Coca-Cola Konzessionäre nur insoweit erfasst sind, soweit die Klägerin mit diesen in Geschäftsbeziehungen gestanden hat. Die Regelung beinhaltet keinen allgemeinen (vorbeugenden) Konkurrentenschutz, sondern den (berechtigten) Schutz des tatsächlichen Kundenstamms der Klägerin. Bedenken bestehen bereits, ob die Firma N.-O. Getränke M., bei der es sich zwar um eine Coca-Cola Konzessionärin gehandelt hat, tatsächlich als Kunde im Sinne der Kundenschutzvereinbarung anzusehen ist. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie seit Dezember 2003/Januar 2004 (GA 53) mit dieser Firma geschäftlich verbunden gewesen sei. Sie habe für diese Firma PET-Verschlüsse, Etiketten und Glas entsorgt. Die Entsorgung der PP-Verschlusskappen hat die Firma N.-O. Getränke M. jedoch nicht über die Klägerin vorgenommen. Die Klägerin hat dies mit Schreiben vom 24.03.2004 (GA 46) gegenüber der Beklagten selbst eingeräumt und ihre Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie eigentlich die Zusage des Kunden gehabt habe, auch die "PP-Fraktion" ab 2004 entsorgen zu dürfen, da ansonsten bereits alle Massenströme des Kunden entsorgt würden. Letztlich kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Fa. N.-O. Getränke M. als Kundin im Sinne der Kundenschutzvereinbarung anzusehen ist.

Die Verpflichtung der Beklagten in der Kundenschutzvereinbarung beinhaltete nur die Pflicht der Beklagten, nicht selbst zu Kunden der Klägerin in direkten geschäftlichen Kontakt zu treten und weder unmittelbar oder über Dritte für sie tätig zu werden. Der Senat legt diese Vereinbarung so aus, dass der Beklagten nur untersagt wird, aktiv auf eine Kundin der Klägerin zuzugehen, sei es unmittelbar oder durch einen Dritten. Hier ist der Kontakt aber über die Rohstoff-Kontor B. GmbH zustande gekommen, die der Beklagten das Material angeboten hat. Die Rohstoff-Kontor B. GmbH war in der Kundenliste nicht erwähnt. Die Beklagte hat nicht aktiv auf die Rohstoff-Kontor B. GmbH eingewirkt, um über diese an Coca-Cola Konzessionäre heranzukommen, die sie, die Beklagte, mit PP-Produkten beliefert. Es liegt bereits nach dem Wortlaut der Kundenschutzvereinbarung kein objektiver Verstoß gegen das "Kontaktverbot" vor.

Darüber hinaus lässt sich ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht feststellen. Zwar trägt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Klägerin die Beweislast dafür, dass die Beklagte schuldhaft gegen die Pflicht zur Kontaktaufnahme mit der Fa. N.-O. Getränke M. getreten ist. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein (§ 339 Satz 2 BGB). Entgegen dem Wortlaut der Bestimmung genügt nicht nur die objektive Zuwiderhandlung, sondern es bedarf auch eines Verschuldens. Der Schuldner wird frei, wenn er beweist, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat (BGH NJW 1972, 1893/2264; Palandt-Heinrichs, § 339 Rn. 4). Die Kundenschutzvereinbarung enthält keine garantieähnliche, vom Verschulden losgelöste Vertragsstrafe.

Nach Auffassung des Senats ist der Beklagten vorliegend der Entlastungsbeweis gelungen. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass die im Verantwortungsbereich ihres Unternehmens stehenden Personen keine Kenntnis davon hatten, dass die PP-Verschlüsse von einer Coca-Cola Konzessionärin der Klägerin stammten. Dem stehen nicht die von der Klägerin vorgelegten Begleit- und Frachtscheine (19.1.2004, GA 72; Nr. 613282, GA 73; Anlagen 3 bis 7 Nr. 616077, GA 74-77) entgegen. Diese Lieferungen sind von Mitarbeitern der Logistikabteilung der Beklagten entgegengenommen worden, ohne dass die Verantwortlichen des Unternehmens Kenntnis davon erlangen konnten, von wem die Ware stammte. Da die Lieferungen in einer sehr kurzen Zeitspanne erfolgten, nämlich am 19.1 und 29.1.2004, konnte dies den mit den Vertragsangelegenheiten betrauten Personen auch nicht auffallen. Danach sind keine Lieferungen mehr erfolgt, die von der Kundin der Klägerin stammten.

Die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme ist für die Frage, ob ein schuldhafter Verstoß gegen die Kundenschutzvereinbarung vorliegt, ohne Bedeutung. Der Zeuge W. M., seinerzeit Divisionsmanager bei der Fa. E. und mit Recycling Logistikarbeiten betraut, konnte nur etwas über die Geschäftsbeziehungen zur Fa. Rohstoff-Kontor GmbH und zur Firma E. in M. bekunden, nichts aber, was das Verhältnis der Fa. N.-O. Getränke M. zur Beklagten betrifft. Der Zeuge vermochte lediglich zu bestätigen, dass die Fa. E. in zwei Fällen von der Rohstoff-Kontor B. GmbH den Auftrag erhalten hatte, Rohstoffkappen an die Beklagte zu liefern.

Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,-- € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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