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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 2 U 564/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
BGB § 397
Der (formfreie) Erlass setzt den rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten. An die Feststellungen eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist ein Erfahrungssatz, dass ein Erlass nicht zu vermuten ist. Eine Willenserklärung oder ein konkludentes Verhalten ist im Zweifel eng auszulegen. Auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevanten Begleitumstände berücksichtigt worden sind. erforderlich ist ein unzweideutiges Verhalten, das vom Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden kann.
Gründe:

Vfg.:

1) Schreiben an Partei-Vertreter, Beklagten-Vertreter - EB -

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten-Vertreter wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 22. Dezember 2006. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

Das Landgericht hat zu Recht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 6.855,68 € nebst Zinsen zu zahlen. Es mag dahinstehen, ob zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Darlehensvertrag zustande gekommen ist. Der Beklagte ist der Klägerin auch bei Nichtzustandekommen des Darlehensvertrages, wie das Landgericht zutreffend ausführt, aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückzahlung des an ihn überwiesenen Betrages verpflichtet. Dem steht nicht der Vortrag des Beklagten entgegen, dass die Überweisung des Betrages auf sein Konto auf Veranlassung der Klägerin und Wunsch seiner früheren Ehefrau erfolgt sei und keine Not für die Ablösung des laufenden Kredits bestanden habe, vielmehr der Zweck der Überweisung darin bestanden habe, das Leben der Familie zu erleichtern. Die Zeugin I. G. hat in der Beweisaufnahme bekundet, dass sie und ihr früherer Ehemann, der Beklagte, gemeinsam überlegt hätten, die Klägerin um Geld zu bitten. Darauf hin habe die Klägerin einen Kredit aufgenommen, der für die Ablösung des Darlehens des Beklagten gegenüber der Commerzbank bestimmt gewesen sei. Der Beklagte habe auch erklärt, den Betrag zurückzuzahlen. Er sei später verschiedentlich auf die Rückzahlung angesprochen worden und habe geäußert, dass er den Betrag jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern später zurückzahlen werde. Auch habe er in Erwägung gezogen, seine Cousine um ein Darlehen zu bitten, damit der Betrag der Klägerin abgelöst werden könne. Schließlich habe der Beklagte erklärt, er würde den Betrag nicht zurückzahlen, andernfalls würde er keinen Unterhalt mehr für seine Kinder zahlen. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Klägerin dem Beklagten den Betrag geschenkt hat.

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, die Rückzahlung des überwiesenen Betrages sei dem Beklagten gemäß § 397 BGB erlassen worden, das Landgericht habe das Beweisangebot "N. Sch." in verfahrensfehlerhafter Weise übergangen. Der Erlass setzt den rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten. An die Feststellungen eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist ein Erfahrungssatz, dass ein Erlass nicht zu vermuten ist. Eine Willenserklärung oder ein konkludentes Verhalten ist im Zweifel eng auszulegen (BGH NJW 1984, 1346; 1996, 588; NJW-RR 1996, 237; 2000, 130; Palandt-Grüneberg, BGB, § 397 Rn. 4). Auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevanten Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH NJW 2002, 1044). Da es auf die objektive Erklärungsbedeutung ankommt, kann ein Erlass auch dann zu bejahen sein, wenn der Gläubiger subjektiv keinen Erlasswillen hatte. Das gilt aber nur dann, wenn er bei pflichtgemäßer Sorgfalt die mögliche Deutung seines Verhaltens als Erlass hätte erkennen können (BGH NJW 1990, 454; Palandt-Grüneberg, ebd.). Der Erlass ist formfrei, und zwar auch dann, wenn er schenkweise erfolgt. Erforderlich ist aber ein unzweideutiges Verhalten, das vom Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden kann (BGHZ FamRZ 1981, 763; Palandt-Grüneberg, § 397 Rn. 5)

Unter Berücksichtigung vorgenannter Anforderungen an das Zustandekommen eines Erlassvertrages kann ein Erlass vorliegend nicht angenommen werden.

Die Berufung hat in ihrer Berufungsbegrünung vorgetragen (BB 2 GA 112), am 22.09.2002 habe ein Gespräch stattgefunden, im Zuge dessen der Ehemann der Klägerin erklärt habe, die Forderung sei erledigt. Diese Erklärung habe die Klägerin gehört und zustimmend mit dem Kopf genickt. Zum Nachweis des Vortrags sei der Zeuge N. Sch. benannt worden. Die Berufung hat hierbei insbesondere auf den Schriftsatz vom 03.03.2006 (GA 80 ff.) Beug genommen, wo ausgeführt wird, der Zeuge Sch. habe gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin am 22.9.2002 eine Ferrarichallenge auf dem Nürburgring besucht. Anschließend habe man sich in der Gaststätte der Kägerin, H. C., in K. bei einem Bier zusammengesetzt. Im Rahmen der sich anschließenden Unterhaltung sei das Gespräch auch auf die Ablösung des Kredits des Beklagten bei der C. bank durch die Klägerin gekommen. Der Ehemann der Klägerin habe darauf hin sinngemäß erklärt, der Beklagte brauche sich nicht in Abhängigkeit zu ihm und seiner Ehefrau zu fühlen, eine Rückzahlung des Geldes werde nicht verlangt. Die Angelegenheit sei erledigt. Die Klägerin habe zugehört und bejahend mit dem Kopf genickt.

Nachdem die Klägerin in ihrer Anschlussberufung bestritten hat, dass am 22.09.2002 ein derartiges Gespräch stattgefunden habe, da sie sich zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Ehemann und Schwiegermutter in Berlin aufgehalten habe, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 19.09.2006 das Datum auf den 08.09.2002 korrigiert.

Demgegenüber wird in der Klageerwiderung der Vorgang in der Gaststätte auch hinsichtlich des zeitlichen Rahmens anders geschildert (Seite 2 f.; GA 12 f.). Dort wird ausgeführt, der Beklagte sei nach der erfolgten Zahlung (16.11.2000) von dem Ehemann der Klägerin abends am Tresen darüber informiert worden, dass die Klägerin auf Bitten der Ehefrau des Beklagten den Betrag überwiesen habe. Der Ehemann der Klägerin habe den aufgebrachten Beklagten mit dem sinnngemäßen Hinweis beruhigt, dies hätten die Frauen nun einmal so vereinbart, eine Abhängigkeit zu den Schwiegereltern werde hierdurch nicht begründet, denn das Geld bräuchten er und seine Ehefrau natürlich nicht zurückzuzahlen. Hierfür ist der Zeuge Sch, benannt worden. Die Klägerin hat dies bestritten und mit Schriftsatz vom 15.03.2005 (Seite 3 GA 20) vorgetragen, der Zeuge Norbert XX. habe erstmals die Gaststätte der Klägerin im Dezember 2001 oder im Januar 2002 aufgesucht.

In dem vorgerichtlichen gewechselten Schriftverkehr der Parteien, wird ein Gespräch, bei dem es zu einem Erlass der Forderung der Klägerin gekommen sei, nicht erwähnt. So wird in dem außergerichtlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 18.05.2004 (5-12) lediglich darauf verwiesen, der Betrag sei geschenkt worden.

Nachdem die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 10.05.2004 (5-10) die vom Beklagten in Aussicht gestellte Rückzahlung am 15.02.2004 angesprochen hat, hätte es nahe gelegen, dass der Beklagte sich unverzüglich darauf berufen hätte, am 08.09.2002 sei in Anwesenheit des Zeugen Sch. erklärt worden, die Klägerin verzichte auf die Rückzahlung. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin den Verzicht auf die Forderung und die Abläufe am 08.09.2002 bestritten hat, sprechen die gesamten Begleitumstände gegen die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Erlassvertrages. Die Tatsache, dass die Klägerin nach dem 08.09.2002 weiterhin auf die Rückzahlung des Geldbetrages bestanden hat, spricht gegen einen Erlassvertrag.

Die Zeugin Grosse hat demgegenüber in der Beweisaufnahme (GA 73) eindeutig bekundet, der Beklagte habe die Rückzahlung des Betrages, jedenfalls für einen späteren Zeitraum versprochen. Er sei nach der Trennung der Eheleute G. (September 2003, Scheidungsfolgenvereinbarung 23.09.2003) verschiedentlich auf die Rückzahlung angesprochen worden. Er habe erklärt, er könne jetzt nicht, eventuell später. Wiederum später habe er erklärt, er würde das nicht einsehen, ansonsten würde er keinen Unterhalt für die Kinder zahlen.

Aus den Bekundungen der Zeugin ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Beklagte geäußert habe, die Klägerin habe auf die Rückzahlung verzichtet. Dies hätte aber nahe gelegen, wenn es tatsächlich am 08.09.2002 zu einem stillschweigenden Erlassvertrag gekommen wäre, in dem die Klägerin durch bejahendes Kopfnicken konkludent auf ihre Rückforderung verzichtet hätte. Angesichts des wechselnden Parteivortrags des Beklagten hinsichtlich der Gespräche in der Gaststätte "H. C." und des zeitlichen Rahmens, des vorgelegten außergerichtlichen Schriftverkehrs der Parteien und der Bekundungen der Zeugin G., bedurfte es nicht der Vernehmung des Zeugen Sch.. Von einem Erlass der Forderung der Klägerin ist nicht auszugehen.

Über die Anschlussberufung ist in diesem Verfahrensstadium nicht zu entscheiden. Sie wird bei Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO oder Rücknahme der Berufung wirkungslos (§ 524 Abs.4 ZPO).

Koblenz, den 22.11.2006

Ende der Entscheidung

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