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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 30.12.2008
Aktenzeichen: 2 U 664/06 (1)
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 3 Abs. 3
BRAGO § 11
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 118 Abs. 1 Satz 2
Zur Frage der Angemessenheit eines Anwaltshonorars bei einem komplexen und schwierigen Fall mit Auslandsberührung (Durchsetzung von Erbansprüchen aufgrund Vermögens in der NS-Zeit vor britischen Behörden) (anknüpfend an rechtskräftiges Teil-, Grund- und Endurteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18.01.2007 - 2 U 664/06 - Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH hatte keinen Erfolg - OLGR 2007, 521).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Schlussurteil

Geschäftsnummer: 2 U 664/06

Verkündet am 30. Dezember 2008

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eck, die Richterin am Oberlandesgericht Au und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 04. Dezember 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichter - vom 11. April 2006, soweit die Berufung nicht durch Teil-, Grund- und Endurteil des Senats vom 18. Januar 2007 zurückgewiesen wurde, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage bezüglich der noch anhängigen Restforderung wird abgewiesen.

2. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Senat hat durch Teil-, Grund- und Endurteil vom 18.01.2007 (GA 253) die Berufung des Beklagten gegen das angefochtene Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. April 2006 insoweit zurückgewiesen, als der Beklagte verurteilt worden ist, an die Erbengemeinschaft von C., bestehend aus:

1. Prinz von ...

2. Prinz von ...

3. Frau B.

4. Freifrau von ...

5. Gräfin von ...,

6. Prinz von ...

7. Prinz ...

8. Freifrau von ...

einen Betrag von 16.019,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. November 2005 durch Hinterlegung bei dem Amtsgericht 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler zu zahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Anspruchs ist die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet worden. Die verbleibende Restforderung, über die zu entscheiden ist, beläuft sich auf 4.932,27 € nebst Zinsen (20.951,50 € abzüglich rechtskräftig zuerkannter 16.019,13 €). Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen im Senatsurteil Bezug.

Mit dem Teil-, Grund- und Endurteil ist ein Beweisbeschluss verkündet worden (GA 268). Der Senat hat Beweis über die Behauptungen des Beklagten erhoben, das aufgrund der Honorarvereinbarung in Ansatz gebrachte Anwaltshonorar in Höhe von 64.323,75 € sei im Hinblick auf die Auslandsberührung des Falles angemessen. Der Senat hat hierzu ein Gutachten der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer in Hamburg eingeholt. Der Rechtsanwaltskammer ist aufgegeben worden, darüber Auskunft zu geben, ob es grundsätzlich üblich sei, in Fällen wie beim hier vorliegenden mit Auslandsberührung eine Honorarvereinbarung zu treffen oder nach BRAGO abzurechnen; falls eine Honorarvereinbarung nicht üblich sei, welches Honorar dann nach BRAGO angefallen wäre. Bei der Bestimmung der Höhe des angemessenen Honorars - entweder aufgrund der üblichen Vereinbarung oder nach BRAGO - sollten nur die erforderlichen Tätigkeiten berücksichtigt werden, die bei der Durchführung des Einspruchsverfahrens vor den britischen Behörden angefallen seien, nicht aber die Tätigkeit für ein etwaiges gerichtliches Verfahren, wie in der Klageerwiderung vorgetragen (S. 5, GA 29).

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hat unter dem 08.09.2008 (GA 289 ff.) ein Gutachten erstattet.

Der Beklagte trägt nunmehr vor,

das Kammergutachten bestätige, dass das von Rechtsanwalt T. geforderte Honorar angemessen und eine entsprechende Vereinbarung in Fällen mit Auslandsberührung üblich sei. Er habe Rechtsanwalt T. aufgrund einer Empfehlung des gemeinsamen Bruders Fritz beauftragt, weil dieser Rechtsanwalt Erfahrungen mit Auslandsmandaten habe. Er, der Beklagte, sei mit Rechtsanwalt T. weder verwandt noch verschwägert. Ohne Einsatz eines auslandserfahrenen Anwalts wäre das Einspruchsverfahren ebenso ungünstig verlaufen wie das Erstverfahren. Das Gutachten der Anwaltskammer bestätige den hohen Schwierigkeitsgrad der Sache. Wenn ohne diese Anwaltseinschaltung kein Anspruch durchgesetzt werden konnte, erscheine es unbillig, allein ihn, den Beklagten, mit den notwendigen Kosten zu belasten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit nicht bereits durch Teil-, Grund- und Endurteil vom 18.01.2007 entschieden worden sei. Der Kläger beantragt, die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen. Der Kläger trägt vor,

der Begründung im Gutachten der Anwaltskammer könne nicht gefolgt werden. Die Honorarvereinbarung sei überzogen. Sie stehe nicht in einem vernünftigen und angemessenen Verhältnis zum Aufwand. Er, der Kläger, und die übrigen Erben seien an die Honorarvereinbarung nicht gebunden. Der Beklagte habe Rechtsanwalt T. ohne jede Absprache mit den übrigen Erben beauftragt. Demgemäß müsse nur er und nicht die übrigen Miterben ausschließlich hinsichtlich der Kosten haften. Er, der Kläger, habe sich ausdrücklich bei dem Beklagten abgesichert, dass er mit entsprechenden Kosten nicht vor einer eindeutigen Absprache belastet werden könne. Der Beklagte habe ohne eine solche Absprache Rechtsanwalt T. beauftragt. Er sei deshalb verpflichtet, alles herauszugeben, was er durch den Auftrag an entsprechendem Vermögen erhalten habe.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die noch anhängige Berufung, soweit nicht rechtskräftig über sie durch Teil-, Grund- und Endurteil entscheiden worden ist, ist begründet.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hat in ihrem Gutachten vom 08.09.2008 (GA 289) ausgeführt, dass die mit Honorarvereinbarung vom 13./17.05.2005 (GA 12) in Ansatz gebrachte Vergütung in Höhe von 64.323,75 € jedenfalls nicht unangemessen sei. Die Kammer hat hierzu ausgeführt, dass nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ein Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber eine von den Vorschriften der Gebührenordnung abweichende Gegenleistung oder Berechnungsart vereinbaren könne. Dies gelte auch für erhebliche Abweichungen von den Höchstsätzen der Gebührenordnung. Nur dann, wenn eine Vergütung sich nach Abschluss der anwaltlichen Tätigkeit als unangemessen hoch erweise, komme eine Herabsetzung nach dem seinerzeit noch gültigen § 3 Abs. 3 BRAGO in Betracht. Danach genüge nicht jedes Überschreiten der angemessenen Vergütung. Vielmehr müsse zwischen der Vergütung und der Tätigkeit des Rechtsanwalts ein auffälliges Missverhältnis, d.h. ein nicht zu überbrückender Zwiespalt bestehen (BGH NJW 2000, 2669, 2671). Es müsse als unerträglich angesehen werden, den Auftragnehmer an seinem Honorarversprechen festzuhalten. Eine vereinbarte Vergütung sei auch nicht ohne weiteres deshalb unangemessen, weil sie die gesetzlichen Gebühren um ein Vielfaches übersteige (BGH NJW 1980, 1960, 1962; BGH vom 03.04.2003 - IX ZR 113/02 sowie 24.03.2003 - IX ZR 131/00). Auch nach der Rechtsprechung des BGH deckten die gesetzlichen Gebühren nicht immer den mit der anwaltlichen Tätigkeit verbundenen Aufwand angemessen ab (BGH NJW 2002, 2774, 2775).

Gemäß § 3 Abs. 3 BRAGO könne eine vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände nur herabgesetzt werden, wenn sie unangemessen hoch sei. Hierbei seien maßgeblich die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Leben des Auftraggebers sowie der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen, wobei insbesondere der Zeit- und Arbeitsaufwand eine Rolle spiele. Daneben seien auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers für die Frage der Unangemessenheit von Bedeutung (BGH NJW 2000, 2669, 2671).

Die Anwaltskammer verwies dabei auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 1980, 1962, 1963), wonach ein vereinbartes Honorar nicht schon deshalb als unangemessen hoch anzusehen sei, weil es das Zehnfache des gesetzlichen Gebührensatzes erreiche. Es wird ferner Bezug genommen auf die Grundsatzentscheidung des OLG Köln (NJW 1998, 1960), wonach eine vereinbarte Vergütung im Allgemeinen selbst dann nicht als unangemessen hoch anzusehen sei, wenn die BRAGO-Gebühren um mehr als das 5-7-fache überschritten werden.

Die Anwaltskammer hat ausgeführt, dass der Rechtsanwalt nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO eine 5/10 bis 10/10 Geschäftsgebühr, außerdem eine Besprechungsgebühr von 5/10 bis 10/10 nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BRAGO verlangen könne. Eine mittlere Gebühr betrage jeweils 7,5/10. Daneben könne eine außergerichtliche Vergleichsgebühr von 15/10 nach §§ 11, 23 Abs.1 Satz 1, 2 BRAGO anfallen.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg ist im konkreten Fall von einer Entschädigungssumme von 554.515,05 € ausgegangen. Darauf basiere die Höhe des pauschalen Honorars. Die Anwaltskammer betonte dabei jedoch, dass die Entschädigungssumme nicht unbedingt als Streitwert zugrunde zu legen sei, denn es handele sich hierbei nur um die tatsächlich erhaltene Entschädigung, der Streitwert könne deshalb durchaus höher anzusetzen sein. Gehe man von einem niedrigeren Streitwert von nur 554.515,05 € aus, wäre bei Abrechnung der Angelegenheit nach BRAGO ohne Zugrundelegung der Honorarvereinbarung eine Geschäftsgebühr von 9/10, eine Besprechungsgebühr von 9/10 und eine Vergleichsgebührt von 15/10 angemessen. Dies ergebe sich aus der hypothetischen Anwendung der drei nach ständiger Praxis der Rechtsanwaltskammern und bereits nach BRAGO-Tatbeständen zugrunde zu legenden Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der Angelegenheit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zur Festlegung der Rahmengebühr.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat hierzu ausgeführt, dass die Bedeutung der Angelegenheit als überdurchschnittlich zu beurteilen sei, weil es sich um eine Erbschaftsangelegenheit gehandelt und die Möglichkeit der Freigabe des zur Zeit des zweiten Weltkrieges in England beschlagnahmten Feindvermögens bestanden habe.

Bei dem Kriterium Umfang und Schwierigkeit sei jedenfalls die Schwierigkeit der Angelegenheit als überdurchschnittlich einzuschätzen, weil es sich um die Beurteilung komplexer Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Erbrecht und dem Nachweis der jeweiligen Erbberechtigung vor Englischen Behörden gehandelt habe (GA 26). Da der Umfang der Angelegenheit aufgrund des Auslandsbezugs (GA 29, 30, 151 ff.) und der geschichtlichen Hintergründe (GA 28) ebenfalls als überdurchschnittlich zu bewerten sei, wäre das wichtige tätigkeitsbezogene Kriterium Umfang und Schwierigkeit insgesamt als überdurchschnittlich zu beurteilen.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten seien im Vergleich zu denen eines durchschnittlichen Arbeitnehmers ebenfalls als durchschnittlich einzustufen, da der Beklagte nach den Angaben in der Klageerwiderung kein Vermögen habe und von seiner Rente lebe.

Nach Auffassung der Anwaltskammer wäre daher eine Abrechnung auf der Basis einer 9/10-Geschäftsgebühr (2.966,40 €), sowie einer 9/10 Besprechungsgebühr (2.966,40 €) und einer 15/10 Vergleichsgebühr (4.944--€), also insgesamt 10.876,80 € angemessen, insgesamt 12.617,09 € incl. MWSt.

Da die vereinbarte Vergütung in Höhe von 64.323,75 € incl. MWSt. sich im Bereich des knapp 6-fachen (richtig 5 bis 6 fachen) der gesetzlichen Gebühr bei einem mit (nur) 545.515,05 € angesetzten Streitwert befinde, sei das vereinbarte Honorar in Höhe von 64.323,75 € "jedenfalls angemessen" (GA 295) bzw. "jedenfalls nicht unangemessen" (GA 289).

Nach Kenntnis der Kammer sei es durchaus üblich oder zumindest aber nicht ungewöhnlich, in Fällen wie bei dem hier vorliegenden mit Auslandsberührung eine Honorarvereinbarung zu treffen.

Der Senat hat keinen Anlass, an den von Sachkunde getragenen Ausführungen der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer zu zweifeln. Sachdienliche Angriffe gegen diese Ausführungen werden von beiden Parteien nicht vorgebracht. Der allgemein gehaltene Hinweis des Klägers, dem Gutachten könne nicht gefolgt werden, da der Honoraransatz überzogen sei, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die übrigen Argumente waren bereits Gegenstand der Ausführungen im rechtskräftigen Teil-, Grund- und Endurteil des Senats.

Danach verbleibt es letztlich bei der Berechnung, wie sie in dem rechtskräftigen Teil-, Grund- und Endurteil des Senats vom 18.01.2007 festgehalten wurde (dort Seite 14/15, GA 266/267). Dem Kläger steht über den rechtskräftig ausgeurteilten Betrag von 16.019,13 € nebst Zinsen, der an die Erbengemeinschaft von C...durch Hinterlegung bei dem Amtsgericht in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu zahlen ist, kein weitergehender Anspruch zu. Auf die Berufung war das angefochtene Urteil des Landgerichts daher teilweise abzuändern und die weitergehende Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.951,50 €,-- €, ab 18.01.2007 auf 4.932,27 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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