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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 2 U 690/04
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, SGB III, SGB VI, BGB


Vorschriften:

InsO § 129
InsO § 131 Abs. 1
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 142
InsO § 143
InsO § 143 Abs. 1 Satz 2
InsO § 143 Abs. 2
ZPO § 108
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
SGB III § 183
SGB III § 183 Abs. 1
SGB III § 208
SGB VI § 203 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288
BGB § 292
BGB § 818 Abs. 4
BGB § 819 Abs. 1
BGB § 889
Die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber aufgrund angedrohter oder durchgeführter Zwangsvollstreckung unterliegt aus dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO.

Die Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987 EWG) steht dem nicht entgegen; das gilt jedenfalls nach In-Kraft-Treten der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 80/987 EWG (Richtlinie 2002/74 EWG).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 690/04

Verkündet am 27. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, die Richterin am Oberlandesgericht Au und den Richter am Amtsgericht Ickenroth auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichter - vom 10. Mai 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab 5. November 2003 zu zahlen sind.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens des Klägers durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung gemäß § 108 ZPO in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leisten, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A) Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der G..... S...... GmbH, fordert unter Berufung auf die Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO von der beklagten Krankenversicherung Sozialversicherungsbeiträge zurück, die teilweise im letzten Monat vor dem Antrag vom 30. Oktober 2002 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, teilweise nach diesem Antrag, an die Beklagte geflossen sind. Nachdem der Arbeitgeber, die Gemeinschuldnerin, mit der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Monate Juni bis September 2002 in Verzug geraten war, betrieb die Beklagte die Zwangsvollstreckung, worauf ein Teilbetrag gezahlt wurde. Nachdem keine weiteren Zahlungen erfolgten, stellte der Beklagte Insolvenzantrag; darauf erfolgten weitere Zahlungen. Schließlich wurde mit Beschluss vom 1. Februar 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Der Kläger ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Auffassung, die Zahlungen aufgrund angedrohter und durchgeführter Zwangsvollstreckung seien inkongruent und unterlägen deshalb der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Die Beklagte verweist auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Mai 2003 (ZInsO 2003, 514 f.), wonach gemäß den Richtlinien 80/987/EWG und 2002/74/EG zu gewährleisten sei, dass die Arbeitnehmer und damit auch die Sozialversicherungsträger vom Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an rückwirkend 3 Monate für Lohn und Versicherungsbeiträge abgesichert sein müssten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit von durch die Krankenversicherung vereinnahmten Beiträgen (ZInsO 2003, 755 f.) und zur inkongruenten Deckung bei Zahlung unter Druck der Zwangsvollstreckung widerspreche dieser Garantie. Da die Arbeitnehmeranteile der Beiträge bei ihrer Fälligkeit durch die erbrachte Arbeit bereits verdient seien, würden sie im Übrigen aus dem Vermögen der Arbeitnehmer gezahlt. Es handele sich deshalb um Bargeschäfte, die nur unter den - nicht vorliegenden - Voraussetzungen von § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar seien. Auch seien keine Gläubiger benachteiligt.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach Maßgabe der Ausführungen im Folgenden gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 36.170,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2002 zu zahlen.

In den Gründen ist dargelegt, es handele sich bei den vom Konto der Schuldnerin geflossenen Zahlungen um eine inkongruente Leistung, die die Gläubiger benachteiligt habe. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gläubigerbenachteiligung bei Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber in bestimmten Zeiträumen und zur Inkongruenz von Leistungen unter dem Eindruck einer Zwangsvollstreckung stehe nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, betreffend die Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG); die von der Richtlinie vom 20. Oktober 1980 geforderte Sicherstellung des Arbeitsentgelts und der Leistungsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber den Versicherungsträgern sei durch die Absicherung durch das Insolvenzgeld gewährleistet.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie den Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

Sie betont, die ungeachtet der Änderungsrichtlinie 2002/74/EG vom 23. September 2002 verbindliche Richtlinie 80/987 garantiere die Befriedigung der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin und der Sozialversicherungsträger und damit das Recht auf Behalt der vereinnahmten Beträge. Diese Richtlinie sei nicht umgesetzt. Im Übrigen seien die Zahlungen, die aus dem Vermögen des Geschäftsführers der Beklagten erbracht worden seien, auch nicht inkongruent; auch sei sie als Einzugsstelle nicht Anfechtungsgegnerin und nicht mehr bereichert.

Der Kläger, der Zurückweisung der Berufung beantragt, hält daran fest, die Richtlinie sei in nationales Recht umgesetzt; auch könne eine Nichtumsetzung allenfalls Ansprüche gegen den Mitgliedsstaat begründen und nichts an den Bestimmungen des Insolvenzrechts ändern.

Im Übrigen verweist er darauf, dass die im Hinblick auf mögliche Vollstreckungsmaßnahmen erfolgten Zahlungen unstreitig von den Geschäftskonten der Gemeinschuldnerin geflossen seien, in Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung inkongruent seien und auch soweit von der Beklagten erstattet werden müssten, als sie von dieser als Einzugsstelle weitergeleitet worden seien.

B) Die Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich eines Teils des Zinsausspruchs begründet. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

Die streitgegenständlichen Zahlungen der Gemeinschuldnerin an die beklagte Krankenversicherung unterliegen der Rückgewähr aus dem Gesichtspunkt der insolvenzrechtlichen Anfechtung nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 InsO.

I. Die streitgegenständlichen, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Zahlungen benachteiligen im Sinne von § 129 InsO die Insolvenzgläubiger.

1. Ohne Erfolg verweist die Beklagte in der Berufungsbegründung darauf, die fraglichen Zahlungen seien aus dem Vermögen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin geleistet worden. Es war in erster Instanz unstreitig, dass die Zahlungen vom Konto der GmbH erfolgten. Die Beklagte trägt keinen nachvollziehbaren Vorgang vor, wonach diese Beträge nicht dem Vermögen der Gemeinschuldnerin zuzuordnen wären. Im Übrigen wäre ein solcher Vortrag auch neu im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO und nicht zuzulassen.

2. Zu Recht auch hat das Landgericht festgestellt, dass die weiteren Insolvenzgläubiger durch die Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge benachteiligt wurden, und zwar bezogen sowohl auf die Arbeitnehmerbeiträge, als auch, soweit solche noch Gegenstand des Rechtsstreits sind, die Arbeitgeberbeiträge.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich mehrfach und intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob Beitragszahlungen des späteren Insolvenzschuldners an einen Sozialversicherungsträger die anderen Insolvenzgläubiger benachteiligen. Er hat dies bejaht und zwar regelmäßig auch insoweit, als die Zahlungen auf Arbeitnehmeranteile zu verrechnen sind (vgl. BGH ZinsO 2003, 755 f.; BGHZ 149, 100 ff.). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Sie beruht auf der Ablehnung einer Sonderstellung der Sozialkassen in der Insolvenz. Die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bilden nicht zugunsten des Sozialversicherungsträgers einen besonderen Bestandteil des Gesamtvermögens des Arbeitgebers, ehe dieser seine Zahlungspflicht tatsächlich erfüllt. Auch begründet das Interesse der Arbeitnehmer daran, dass die auf sie entfallenden vom Arbeitgeber einzubehaltenden Sozialversicherungsanteile tatsächlich an den Sozialversicherer abgeführt werden, in der Insolvenz des Arbeitgebers nicht ohne weitere eine rechtlich geschützte Position. Dies könnte allenfalls im Rahmen eines konkreten Treuhandsverhältnisses geschehen. Eine treuhänderische Mitberechtigung der Arbeitnehmer ist vorliegend aber ebensowenig ersichtlich wie eine entsprechende Position des Arbeitgebers.

Auch die strafrechtlichen Bestimmungen bei Nichterfüllung der Beitragspflicht durch den Arbeitgeber rechtfertigen keine andere Beurteilung. Wie vom Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen aufgezeigt, ergeben sich Anhaltspunkte für eine derartige Sicht weder aus den Gesetzesmotiven noch aus der strafrechtlichen Rechtsprechung. Die dort erfolgte Gewichtung persönlicher Schuldnerpflichten zur Zeit der Zahlung besagt insbesondere, wie ausdrücklich hervorgehoben, auch nicht, dass der Sozialversicherungsträger im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers eingezogene Beiträge auch behalten darf (vgl. BGH ZInsO 2003, 755 f., III 1 a). Vielmehr unterliegt der Sozialversicherer genau so wie der Arbeitnehmer selbst im Insolvenzverfahren dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger.

3. Die Beklagte betont demgegenüber, die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin, die Beklagte und die übrigen beteiligten Sozialversicherungsträger hätten nach der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG) ein Recht auf Behalt der Leistungen; die von der Richtlinie geforderte Sicherstellung des Arbeitsentgelts und der Leistungsansprüche der Arbeitsnehmer gegenüber den Versicherungsträgern sei nicht durch die Absicherung durch das Insolvenzausfallgeld gewährleistet, wie es das Landgericht angenommen habe.

a) Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass § 183 SGB III der Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht dient. Nach § 183 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Die Beklagte meint aber - und nur dahin geht in diesem Zusammenhang der Angriff gegen die Argumentation des Landgerichts -, § 183 SGB III sei nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Mai 2003 (ZInsO 2003, 514 f.) wegen Verstoßes gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht unwirksam.

Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in dieser Entscheidung greifen jedoch, der Argumentation des Gerichts folgend, wegen zwischenzeitlicher Änderung der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht mehr ein.

Der Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof hat sich aufgrund folgender Bestimmungen der Richtlinie 80/987/EWG entfacht:

"Abschnitt I. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art. 1. (1) Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 sind. ...

Art. 2. (1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig,

a) wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaats vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der in Art. 1 Abs. 1 genannten Ansprüche gestattet, und

b) wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

- entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat,

- oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

...

Abschnitt II. Vorschriften über die Garantieeinrichtung

Art. 3. (1) Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Art. 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen.

(2) Der in Absatz 1 genannte Zeitpunkt ist nach Wahl der Mitgliedsstaaten

- entweder der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers,

- oder der Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers,

- oder der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrages oder des Arbeitsverhältnisses des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers."

Die Bundesrepublik hat bei Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als Zeitpunkt den der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers gewählt.

Art. 4 der fraglichen Richtlinie lautet auszugsweise:

"(1) Die Mitgliedsstaaten können die in Art. 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen.

(2) Machen die Mitgliedsstaaten von der Möglichkeit des Absatzes 1 Gebrauch, so müssen sie Folgendes sicherstellen:

- In dem Fall des Art. 3 Abs. 2 1. Gedankenstrich die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die 3 letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen;

..."

Im Rahmen der Klage einer Arbeitnehmerin auf Zahlung von Insolvenzgeld hat das Sozialgericht Leipzig dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. EuGH ZInsO 2003, 514 f.). Dabei ging es u.a. um den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Der Europäische Gerichtshof hat bei Beantwortung dieser Fragen ausgeführt, der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne der Art. 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 RL 80/987/EWG sei als der Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung auszulegen. Folglich seien die vorgenannten Artikel der Richtlinie dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung nationalen Rechts wie § 183 Abs. 1 SGB III entgegenstünden, in der der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers als der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht als der Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags definiert wird.

Art. 3 und 4 der Richtlinie 80/987 haben aber zwischenzeitlich durch die Richtlinie 20002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 23. September 2002 eine Änderung erfahren. Sie lauten nunmehr im maßgeblichen Passus:

"Art. 3. Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Art. 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, eine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Ansprüche, deren Befriedigung die Garantieeinrichtung übernimmt, sind die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedsstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt.

Art. 4 (1) Die Mitgliedsstaaten können die in Art. 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen.

Machen die Mitgliedsstaaten von der in Abs. 1 genannten Möglichkeit Gebrauch, so legen sie die Dauer des Zeitraums fest, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat. Diese Dauer darf jedoch einen Zeitraum, der die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses und die damit verbundenen Ansprüche auf Arbeitsentgeld umfasst und der vor und/oder nach dem Zeitpunkt gemäß Art. 3 liegt, nicht unterschreiten...."

Nach Art. 3 der Änderungsrichtlinie tritt diese am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft; diese erfolgte am 8. Oktober 2002. Die Zahlungsvorgänge, die Gegenstand der Anfechtung und der Rückgewähr sind, liegen, wie im Übrigen auch die fraglichen Insolvenzereignisse, sämtlich nach dem Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie, weshalb vorliegend deren Bestimmungen maßgeblich sind.

Diese Änderungsrichtlinie eröffnet dem nationalen Recht erheblich weitergehende Möglichkeiten. Insbesondere ist diesem die Bestimmung des Zeitraums überlassen, für den die Garantieeinrichtung die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche auf Arbeitsentgelt übernimmt. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen durch die Regeln des deutschen Rechts ist nicht ersichtlich (vgl. Gagel-Peters-Lange, § 183 SGB III Rdnr. 4 a, 4 b, 84 ff.).

Wenn die Beklagte in ihren Ausführungen zum Hinweis des Senats auf diese Problematik meint, die Richtlinie 80/987 habe in den maßgeblichen Passagen keine Änderung erfahren, so verkennt sie, ebenso wie Berscheid in dem von der Beklagten herangezogenen Aufsatz (ZInsO 2003, 498, 501), dass der Europäische Gerichtshof bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Frage von Art. 3 und 4 der Richtlinie 80/987 gerade nicht an Art. 2 der Richtlinie anknüpft, der im Wesentlichen nicht geändert wurde. Der Europäische Gerichtshof hat vielmehr in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2003 ausdrücklich zu der Frage, wann die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eintritt, auf seine frühere Rechtsprechung Bezug genommen. Dort wiederum knüpft er an die Regelung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie an und stellt fest, dass 2 Ereignisse stattgefunden haben müssen, damit die Richtlinie Anwendung finden kann. Anschließend hält er jedoch fest, dass der Eintritt dieser beiden in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie angeführten Ereignisse zwar die in der Richtlinie vorgesehene Garantie auslöse, jedoch nicht zur Bestimmung der unbefriedigten Ansprüche dienen könne. Diese Frage regele sich nach Art. 3 und 4 der Richtlinie, für die die Zahlungsunfähigkeit nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags zu bestimmen sei (vgl. EuGH, ZInsO 2003, 515, 516 - Nr. 22 -, ZIP 1997, 1658, 1662 - Nr. 45, 46, 51, 52, 54). Mit der Änderung der Art. 3 und 4 ist somit auch die Bestimmung der Richtlinie entfallen, aufgrund derer der Europäische Gerichtshof von der Unvereinbarkeit des § 183 SGB III mit Gemeinschaftsrecht ausging (vgl. insoweit Peters-Lange, ZIP 2003, 1877, 1879).

Die Eröffnung eines so weiten Ermessensspielraums, wie geschehen, macht die Richtlinie 2002/74 nicht unbestimmt und deshalb unbeachtlich, wie die Beklagte meint. Der Inhalt der Richtlinie ist klar, lediglich der gesteckte Rahmen ist sehr weit.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Änderung der Richtlinie auch nicht erst dann für das deutsche Gericht beachtlich, wenn sie in nationales Recht umgesetzt ist. Soweit ein solcher Einwand zugunsten einer Partei unmittelbar im Verfahren des nationalen Gerichts Anwendung findet, muss dies auch zugunsten der Gegenpartei gelten, wenn die Richtlinie wieder aufgehoben wurde. Im Übrigen ist nur schwer vorstellbar, wie eine Richtlinie, die eine Anforderung einer vorangegangenen Richtlinie aufhebt, umgesetzt werden sollte.

Dass § 183 SGB III der Richtlinie 80/987 in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung widerspräche, ist nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nach Hinweis des Senats nicht dargetan. Schon deshalb kann somit die Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten, die Richtlinie sei nicht fristgerecht oder nur unzulänglich umgesetzt.

b) Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die Richtlinie überhaupt dem Kläger als Privatem entgegengehalten werden könnte mit der Folge der Klageabweisung.

Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass insoweit erhebliche Bedenken bestehen. Grundsätzlich können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 5. Oktober 2004, ZIP 2004, 2342 ff.) selbst klare, genaue und unbedingte Richtlinien mit denen dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits einem Privaten nicht unmittelbar entgegengehalten werden. Allerdings weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, das in dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, auch den nationalen Gerichten als Träger öffentlicher Gewalt obliegt. Daraus leitet er den Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts her. Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dabei knüpft der Europäische Gerichtshof aber an eine Richtlinie an, von der er ausdrücklich feststellt, dass sie alle Voraussetzungen erfülle, um unmittelbare Wirkung zu entfalten. Hinsichtlich der Richtlinie 80/987/EWG hat der Europäische Gerichtshof dies ausdrücklich verneint (NJW 1992, 165 f.), weil Art. 5 der Richtlinie den Schuldner im Sinne dieser Bestimmung nicht hinreichend bezeichne. Dieser Artikel ist nicht nachträglich geändert worden.

c) Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass aus den fraglichen Richtlinien auch keine Anhaltspunkte für eine Regelung ersichtlich sind, wie sie die Beklagte im Wege der Auslegung für möglich hält. Die von ihr angestrebte Folge der Klageabweisung setzt eine Auslegung des nationalen Rechts im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie in dem Sinne voraus, dass ein Anspruch auf Rückerstattung gezahlter Sozialversicherungsbeiträge ausgeschlossen sein soll, jedenfalls aber der Sozialversicherungsträger die Beträge behalten soll, die er, gleich durch welche Umstände, erlangt hat. Nirgends in den Richtlinien befindet sich ein Hinweis auf einen derartigen Schutz des Sozialversicherungsträgers.

Dies gilt auch, soweit die Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 16. Dezember 2004 auf Art. 6 und Art. 7 der Richtlinie verweist, die ebenfalls nicht geändert wurden, ohne dass aber die daraus gezogenen Folgerungen aufgezeigt werden. Deshalb besteht auch kein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Unergiebig ist insoweit der Hinweis auf Art. 6 der Richtlinie, die den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Beiträge von den Regelungen, wie sie Art. 3, 4 und 5 der Richtlinie vorsehen, auszunehmen. Art. 7 sieht die Sicherung der Leistungsansprüche der Arbeitnehmer gegen Nachteile bei Nichtzahlung von Pflichtbeiträgen vor und schützt nicht den Versicherungsträger, abgesehen davon, dass durch § 203 Abs. 2 SGB VI und § 208 SGB III Schutzbestimmungen existieren.

II. Die fraglichen Rechtshandlungen sind auch anfechtbar im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

1. Unstreitig sind sie in dem in der Regelung genannten Zeitraum vorgenommen worden.

2. Sie sind auch inkongruent im Sinne der Bestimmung.

Inkongruent ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat teilt, eine Befriedigung, die in der im Gesetz genannten Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung erlangt wird (vgl. BGHZ 136, 309 ff.). Gleiches gilt, wenn der Schuldner zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags leistet, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat (vgl. BGH NJW 2004, 1385 ff.).

Dass die Zahlung infolge derartiger Vorgänge bewirkt wurde, hat die Beklagte in erster Instanz ausdrücklich im Schriftsatz vom 8.1.2004 eingeräumt. Ihr bestrittener Vortrag in der Berufungsinstanz, die Beträge seien freiwillig gezahlt worden, ist nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser neue Vortrag nicht bereits in erster Instanz gehalten wurde. Im Übrigen ist der Vortrag aber auch nicht substantiiert.

Auch der Einwand, diese Rechtsprechung verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes, greift nicht. Der Bundesgerichtshof schränkt das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip bewusst ein, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen Forderung zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück (vgl. BGH NJW 2004, 1385). Die gleichen Grundsätze werden angewandt, wenn unter dem Eindruck eines Insolvenzantrags gezahlt wird, da es den mit einem Insolvenzantrag verfolgten Zielen zuwiderläuft, den Antrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers zu nutzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antrag gestellt oder nur angedroht wird. Ebenso ist nicht entscheidend, welche Absicht der Gläubiger im Einzelfall mit der Antragstellung verbindet (vgl. BGH aaO, 1386). Diese Grundsätze beruhen auf Abwägung des gesetzgeberischen Zweckes und der Interessen der Gläubiger und sind somit durch sachliche Gesichtspunkte gerechtfertigt.

Andererseits kommt es in Konsequenz dieser Rechtsprechung nicht darauf an, dass die Beklagte als Einzugsstelle gehalten ist, die Beiträge beizutreiben. In diesem Zusammenhang liegt der Schwerpunkt darauf, der Gläubigergesamtheit nicht eine verringerte Masse zur Verfügung zu stellen.

Auch in diesem Zusammenhang wirkt sich die Richtlinie 80/987/EWG in der Fassung der Richtlinie vom 2002/74/EG nicht aus. Auf die Ausführung unter I. wird in vollem Umfang Bezug genommen. Dies gilt für die Umsetzung dieser Richtlinie sowie die Auslegung des nationalen Rechts im Hinblick auf diese Richtlinie.

Ergänzend ist auch hier insbesondere darauf hinzuweisen, dass aus der herangezogenen Richtlinie keinerlei Anhaltspunkte für deren Zielsetzung entnommen werden können, dass der Sozialversicherungsträger Beiträge, die in Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren erlangt wurden, unabhängig davon solle behalten dürfen, wie er sie erlangt hat.

III. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, es handele sich vorliegend um ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO, so dass die Anfechtbarkeit nur unter den - nicht gegebenen - Voraussetzungen von § 133 Abs. 1 InsO bestünde.

§ 142 InsO definiert das Bargeschäft als eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Das bedeutet, dass eine Verknüpfung der ausgetauschten Leistungen im Verhältnis zwischen Insolvenzschuldner und Anfechtungsgegner bestehen müsste (vgl. BGH NJW 1993, 3264, 3268). Die Beklagte beruft sich aber auf eine Arbeitsleistung, die auf dem Vertrag der Insolvenzschulnderin mit den Arbeitnehmern beruht.

Jedenfalls scheitert der Einwand des Bargeschäfts aber daran, dass es sich vorliegend um einen Fall inkongruenter Deckung handelt, wie oben dargelegt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 3267 f.) hat unter Geltung der Konkursordnung klargestellt, dass Bargeschäfte wegen ihres Charakters bei inkongruenter Deckung nicht vorliegen. Dem schließt der Senat sich an (vgl. auch Uhlenbruck-Hirte, 12. Aufl., § 142 InsO Rdnr. 4; Münchener Kommentar-Kirchhof, § 142 InsO Rdnr. 7; Braun-Riggert, 2. Aufl., § 142 Rdnr. 12).

IV. Die beklagte Krankenversicherung ist auch insoweit Anfechtungsgegner und Rückzahlungsschuldner, als die vereinnahmten Beträge an andere Versicherungsträger weitergeleitet wurden. Sie kann sich insoweit auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.

a) Der Bundesgerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung den Sozialversicherungsträger auch insoweit als passivlegitimiert an, soweit er die Beträge nur vereinnahmt hat (vgl. BGHZ 149, 100 f.; 178 f.). In jüngster Zeit hat er in zwei Verfahren gegen eine Zusatzversorgungskasse die Problematik erörtert, eine umfassende anfechtungsrechtliche Interessenabwägung vorgenommen und diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt (vgl. Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 146/03; BGH NJW 2004, 2163 f.). In diese Gesamtabwägung sind nicht nur die sozialversicherungsrechtlichen Auffassungen, sondern auch die Zuständigkeiten der Beiträge einziehenden Sozialversicherungsträger für Empfang und Durchsetzung der Leistungen sowie die Lösung bei vergleichbarer Problematik in anderen Rechtsgebieten, z.B. im Bereicherungsrecht, eingeflossen. Auch dort wird die Passivlegitimation eines Vollstreckungsgläubigers bei Rückforderung durch den Drittschuldner bejaht, wenn die zur Einziehung überwiesene Forderung nicht besteht. Der Senat teilt diese Auffassung. In Abwägung aller Gesichtspunkte ist die einziehungsermächtigte Kasse auch insoweit selbst als Empfänger und damit als Anfechtungsgegner anzusehen, als keine eigenen Beitragsrückstände vereinnahmt wurden.

b) Auch soweit derart eingezogene Zahlungen weitergeleitet wurden, liegt kein Wegfall der Bereicherung vor. Nach §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 889 BGB ist der Einwand im Regelfall, und damit auch hier, ausgeschlossen. Auch handelt es sich nicht um eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 143 Abs. 2 InsO. Der Ausnahmefall des uneigennützigen Treuhänders liegt ebenfalls nicht vor, weil die Beklagte im Verhältnis zum leistenden Arbeitgeber, der die Zahlung endgültig aus seinem Vermögen ausscheidet, nicht einem solchen gleichgestellt werden kann (vgl. BGH NJW 2004, 2164).

V. Der Zinsanspruch ist hingegen nach §§ 286 Abs. 1, 288 BGB erst ab Rechtshängigkeit begründet. Es ist nicht dargetan, dass die Verzugsvoraussetzungen hinsichtlich des Rückgewähranspruchs vorliegen würden. Dies ist aber notwendig, da die Verweisung in § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die ungerechtfertigte Bereicherung nur den Umfang der Haftung auf Wertersatz betrifft, nicht aber die Voraussetzungen des Verzugs entbehrlich macht (vgl. Münchener Kommentar-Kirchhof, § 143 InsO Rdnr. 58).

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII. Die Revision gegen diese Entscheidung, deren Zulassung die Beklagte anregt, ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen unter Berücksichtigung aller von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte in jüngster Zeit entschieden wurden. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, ergeben sich auch aus der von der Beklagten herangezogenen Europäischen Richtlinien keine Anhaltspunkte, die eine erneute Überprüfung rechtfertigen würden. Auf diesem Hintergrund erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Den Streitwert für die Berufungsinstanz hat der Senat auf 36.170,69 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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