Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 2 U 715/09 (2)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 917 Abs. 1
BGB § 918 Abs. 2
BGB § 1004
Das gesetzliche Notwegerecht führt nicht zwingend zu einer Pflicht, auch das Befahren mit Kraftfahrzeugen (Rettungsdienst, Feuerwehr ausgenommen) zu dulden. Die gesetzliche Notwegeregelung gestattet dem Eigentümer eines Grundstücks, das von ihm unbeeinflusst nicht mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden ist, die Verbindung über ein Nachbargrundstück herzustellen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Benutzung des verbindungslosen Grundstücks notwendig ist. Angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, sind bei der Beurteilung der Frage, ob eine notwendige Verbindung fehlt, strenge Anforderungen zu stellen. Ein Bedürfnis für einen Notweg zur Gewährleistung einer Zufahrt mit PKW besteht nur ausnahmsweise (in Anknüpfung an BGHZ 75, 315, 318; BGH Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 106/07).
Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Den Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 31. Januar 2009. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung hinsichtlich des Befahrens eines Zugangs zu dem Hausgrundstück der Beklagten mit Kraftfahrzeugen in Anspruch.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ...Nr. 14, Parzellen Nr. 161/8. Die Beklagten sind Miteigentümer zu 1/ 2 des Hinterliegergrundstücks ... 14 a, Parzellen Nr. 161/7. Die beiden Grundstücke bildeten früher einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Alleineigentümerin die Mutter des Klägers und des Beklagten zu 1) war. Diese ist 1995 verstorben.

Im Jahr 1979 war eine Vereinigungsbaulast im Baulastenverzeichnis eingetragen worden, wonach die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke verpflichtet sind, die Grundstücke für die Dauer als Einheit zu belassen. Bei dem Grundstück das nunmehr im Eigentum der Beklagten steht, handelt es sich um die frühere eigentliche Hofstelle, von der aus der Betrieb bewirtschaftet wurde. Hierauf befinden sich noch die alten landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude sowie ein vom Beklagten errichtetes neueres Wohnhaus. Im Jahr 1999 errichteten die Beklagten mit Zustimmung des Klägers auf ihrem Grundstück einen landwirtschaftlichen Geräteschuppen. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich das ehemalige Altenteilerhaus, das der Kläger nunmehr bewohnt. Das Grundstück der Beklagten hat keinen direkten Zugang zur Schlossgasse hat. Der Zugang erfolgt über die Parzelle des Klägers entlang zum Nachbargrundstück Nr. 162/3. Diesen befahren die Beklagten auch mit Kraftfahrzeugen. Ferner besteht die Möglichkeit, das Grundstück der Beklagten über den angrenzenden D. Weg zu erreichen. Hierbei handelt es sich um einen teilweise ausgebauten landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg, der an der engsten Stelle 3,20 m breit ist.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, das Befahren des Grundstückes des Klägers ...14 in N., Parzelle Nr. 161/8 mit Kraftfahrzeugen zu unterlassen und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, das zweihundert-fünfzigtausend Euro nicht überschreiten darf, ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Jahren oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Darüber hinaus sind die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt worden, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 461,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.03.2007 zu zahlen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie erstreben unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Anweisung der Klage.

II.

Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB zugesprochen. Der Kläger ist nicht verpflichtet, das Überfahren seines Grundstücks mit Kraftfahrzeugen zu dulden.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass den Beklagten ein Notwegerecht zusteht, die Ausübung des Notwegerechts erfordert jedoch nicht das Befahren des Zugangs zu dem Hausgrundstück der Beklagten mit einem Kraftfahrzeug. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass eine diesbezügliche vertragliche Duldungspflicht des Klägers nicht besteht. Die Beklagten haben eine behauptete (schuldrechtliche) Vereinbarung mit der Mutter der Parteien, an welche der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger gebunden sein könnte, nicht unter Beweis gestellt. Dass die bereits im Jahre 1995 verstorbene Mutter der Parteien das Überfahren des jetzt klägerischen Grundstücks geduldet bzw. hingenommen hat, bindet den Kläger nicht. Aus dieser faktischen Duldung kann nicht auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen für die Zukunft geschlossen werden. Auch kann aus der baurechtlichen Zustimmung des Klägers zu Bau eines Schuppens durch die Beklagten nicht auf Duldungspflicht hinsichtlich des Überfahrens seines Grundstücks geschlossen werden.

Das Landgericht hat zutreffend unter Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung des BGH in BGHZ 75, 315 ausgeführt, dass das gesetzliche Notwegerecht nicht zwingend zu einer Pflicht führt, auch das Befahren mit Kraftfahrzeugen (Rettungsdienst, Feuerwehr ausgenommen) zu dulden. Die gesetzliche Notwegeregelung des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB gestattet dem Eigentümer eines Grundstücks, das von ihm unbeeinflusst nicht mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden ist, die Verbindung über ein Nachbargrundstück herzustellen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Benutzung des verbindungslosen Grundstücks notwendig ist. Ob bei einem Grundstück, auf dem Wohnhaus steht, eine im Sinne des § 917 BGB ordnungsgemäße Benutzung nur dann gewährleistet ist, wenn Personenkraftwagen auf das Grundstück fahren und dort abgestellt werden können, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt (vgl. Nachweise in BGHZ 75, 315, 318; Bamberger/Roth-Fritzsche, 2. Aufl., § 917 Rn. 16). Ein Bedürfnis für einen Notweg zur Gewährleistung einer Zufahrt mit PKW besteht nur ausnahmsweise (Bamberger/Roth-Fritzsche, aaO; OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042, 1053). Mit Recht führt das Landgericht aus, dass angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, Einigkeit darüber besteht, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine notwendige Verbindung fehlt, strenge Anforderungen zu stellen sind. Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit rechtfertigen noch nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Ein Notwegerecht zum Befahren eines PKW kann dann nicht zugebilligt werden, wenn Kraftfahrzeuge in der nächsten Umgebung, z.B. auf einer Straße, abgestellt werden können. Hier besteht unstreitig die Möglichkeit die PKWs der Beklagten in der nahe gelegenen Schlossgasse abzustellen (vgl. auch OLG Celle, MDR 2003, 25) . Soweit die Beklagten vortragen, dass sie das Befahren des klägerischen Grundstücks benötigen, um ihren landwirtschaftlichen Betrieb auszuüben, ist bereits zweifelhaft, ob von einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgegangen werden kann, allenfalls von einer Nebenerwerbslandwirtschaft. Das Halten einiger Streuobstwiesen und das Betreiben einer geringfügigen Holzwirtschaft rechtfertigt nicht die Annahme der Aufrechterhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebs. Der Beklagte zu 1) ist hauptberuflich als Polizist tätig, der frühere landwirtschaftliche Betrieb ist nicht mehr in der Höferolle eingetragen. Letztlich kommt es hierauf nicht entscheidend an, da Beklagten mit ihrem Schlepper den um ihr Hausgrundstück führenden D. Weg benutzen können, bei dem es sich um einen landwirtschaftlichen Weg handelt.

Die Angriffe der Berufung führen nicht zum Erfolg.

Soweit die Beklagten mit ihrer Berufung (BB 2, GA 126) vortragen, die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung in BGHZ 75, 315 sei zwischenzeitlich 30 Jahre alt und werde den heutigen Anforderungen an die Nutzung bzw. Ausnutzung eines Grundstücks nicht mehr gerecht, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Der BGH hat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1979 der besonderen Bedeutung der Nutzung der Kraftfahrzeuge für die Bevölkerung Rechnung getragen. Dies gilt selbstverständlich auch für den ländlichen Raum. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass der Zugang zu einem Wohnhaus über ein Notwegerecht, auch die Zufahrt mit einem Kfz beinhalten muss. Die Beklagten haben die Möglichkeit in der nahe gelegenen Schlossgasse ihren PKW abzustellen und zusätzlich über den landwirtschaftlich genutzten D. Weg ihr Anwesen zu erreichen.

Die Beklagten greifen das landgerichtliche Urteil auch ohne Erfolg mit der Begründung an, es handele sich bei ihrem Grundstück nicht um ein reines Wohngrundstück, sondern um ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude. Die landwirtschaftliche Nutzung beschränkt sich im Wesentlichen auf einen Geräteschuppen. Für den landwirtschaftlichen Nebenerwerb des Beklagten zu 1), der sich im Wesentlichen auf das Mähen und Mulchen von Streuobstwiesen und das Vorbereiten und Vorrätighalten von Brennholz beschränkt, bedarf es nicht zwingend des klägerischen Grundstücks.

Der Hinweis auf die Vorschrift des § 918 Abs. 2 BGB geht fehl. Es geht nicht um den Ausschluss eines Notwegs bzw. welche Folgen bei Veräußerung eines Teils eines Grundstücks erfolgen, das Bestehen des Notwegerechts steht außer Streit. Strittig ist lediglich, ob dass Notwegerecht auch die Duldung des Befahrens mit einem PKW zwingend erfordert. Es ist auch nicht von einer stillschweigenden (schuldrechtlichen) Wegegrunddienstbarkeit auszugehen. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis erfordert auch nicht die Duldung des Befahrens des klägerischen Grundstücks.

Ebensowenig folgt aus der im Jahre 1979 erteilten Vereinigungsbaulast, wonach die Eigentümer der Grundstücke Flurstücke 161/10, 161 5/10, 161 6/10 und 160 sich verpflichten, dass für die Dauer der Bebauung die 4 Parzellen als eine Grundschuld zusammengefasst werden, nicht, dass damit eine Einigung des Beklagten zu 1) mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Mutter zustande gekommen wäre, dass auch der Hausneubau über die gesamte Hofseite von der Gemeindestraße aus angefahren werden könne und müsse. Eine Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit, die bei dieser Absicht nahe gelegen hätte, ist jedenfalls nicht erfolgt.

Die von einem Grundstückseigentümer zu Gunsten eines anderen Grundstücks übernommene Baulast bewirkt im Übrigen nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die weder dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks einen Nutzungsanspruch gewährt noch grundsätzlich den Baubelasteten verpflichtet, die Nutzung zu dulden (BGHZ 88,97). Der BGH hat in der zitierten Entscheidung dargelegt, dass die öffentlich-rechtliche Baulast kein Recht begründet, dass von einem Dritten geltend gemacht werden kann. Inhalt und Umfang einer Baulast lassen sich nicht generell festlegen. Sie sind vielmehr unter Berücksichtigung der besonderen baurechtlichen Zielsetzung, die öffentlich-rechtlich gesichert werden soll, festzustellen (BGH ebd. m.w.N.). Die Berufungserwiderung weist zutreffend darauf hin (BE 3, GA 143), dass hier eine Vereinigungs- und gerade keine Zufahrts- oder Wegbaulast bestanden hat. Die Vereinigungsbaulast ist nachvollziehbarer Weise nur deshalb bestellt worden, damit die Beklagten für ihren Neubau die Grenzabstandsvorschriften nicht einhalten mussten. Dass die Beklagten das klägerische Grundstück seit vielen Jahren überfahren, führt noch nicht zu Duldungspflicht des Klägers aufgrund einer langjährigen Übung (OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.1999 - 5 U 542/99; GA 29).

Der Hinweis der Berufung (BB 5/6, GA 135/136, dass ihnen ggf. ein Anspruch gegen die Untere Bauaufsichtsbehörde auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten zustehe, rechtfertigt nicht die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers, weil er die Nutzung der Zufahrt für die Beklagten hindert.



Ende der Entscheidung

Zurück