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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 03.02.2006
Aktenzeichen: 2 U 786/05
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO


Vorschriften:

ZPO § 62
ZPO § 233
ZPO § 516 Abs. 3
ZPO § 517 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 5
1. Die Wirksamkeit einer Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist hängt nicht davon ab, dass ein wirksamer Antrag gestellt worden ist. Mängel bei der Antragstellung sind grundsätzlich unbeachtlich. Bei gewährten Fristverlängerungen ist grundsätzlich der Wortlaut der gerichtlichen Entscheidung maßgebend ist (insoweit in Anknüpfung an BGH NJW 1988, 1156; BGHZ 93, 300, 304 = NJW 1985, 1558; NJW 1999, 1036).

2. Ist dem Fristverlängerungsschreiben jedoch ein Antrag des Prozessgegners auf Fristverlängerung beigefügt und wurde die Frist der Partei zuvor bereits verlängert, so kann diese aufgrund der Gesamtschau beider Urkunden - gerichtliche Fristverlängerung unter Beifügung des Fristverlängerungsgesuchs des Prozessgegners - nicht davon ausgehen, dass ohne eigenen Antrag für alle Prozessbeteiligten die Frist einheitlich verlängert worden ist.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Geschäftsnummer: 2 U 786/05

Beschluss gemäß § 522 Abs. 1Satz 2 ZPO

in dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, den Richter am Oberlandesgericht Künzel und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert

am 3. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 4) gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19. Mai 2005 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Die Beklagten zu 3) bis 7) tragen die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Kläger gesamtschuldnerisch. Die Gerichtskosten tragen die Beklagten zu 3) bis 7) gesamtschuldnerisch zur Hälfte, der Beklagte zu 4) darüber hinaus die weitere Hälfte.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten zu 4) ist unzulässig.

I.

Gemäß § 517 Abs. 1 ZPO beträgt die Berufungsfrist für die Einlegung der Berufung einen Monat. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. Gemäß § 520 Abs. 2 ZPO beträgt die Frist für die Berufungsbegründung zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Ohne Einwilligung des Gegners kann die Frist bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

Das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19.5.2005 (GA 319) ist dem Beklagten zu 4) am 25.5.2005 (GA 350) zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 4) hat mit Schriftsatz vom 18.7.2005 (GA 394) beantragt, die Berufungsbegründungsfrist wegen Arbeitsüberlastung und andauernder Vergleichsverhandlungen der Parteien um einen Monat zu verlängern. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.7.2005 ist die Berufungsbegründungsfrist bis 25.8.2005 (GA 395) letztmals verlängert worden. Die Verfügung wurde laut Vermerk vom 20.7.2005 mit Durchschrift an sämtliche Prozessbevollmächtigten dieses Verfahrens ausgeführt. Mit Schriftsatz vom 21.7.2005, Eingang 22.7.2005, (GA 398) beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 6) und 7), Rechtsanwalt Dr. B., die Berufungsbegründungsfrist bis 24.9.2005 zu verlängern (GA 398). Der Vorsitzende hat daraufhin mit Verfügung vom 22.7.2005 (GA 400) die Frist für die Beklagten zu 6) und 7), Rechtsanwalt B., mit Zustimmung des Gegners letztmals bis 26.9.2005 verlängert. Die Verfügung ist am 25.7.2005 mit Durchschrift des Antrags des Rechtsanwalts Dr. B. an sämtliche Prozessvertreter ausgeführt worden. Mit Schriftsatz vom 1.8.2005 (GA 412) hat Rechtsanwalt D. für den Beklagten zu 5) ebenfalls beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 2.8.2005 (GA 413) ist die Berufungsbegründungsfrist mit Zustimmung des Gegners bis 26.9.2005 verlängert worden. Die Verfügung wurde am 3.8.2005 mit Abschriften an sämtliche Prozessbevollmächtigten ausgeführt.

Rechtsanwalt K. hat mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 26.9.2005 (GA 426) die Berufung für den Beklagten zu 4) begründet. Der Vorsitzende hat mit Schreiben vom 27.9.2005 (GA 429 a) auf die Bedenken hinsichtlich der fristgerechten Begründung der Berufung des Beklagten zu 4) hingewiesen.

Rechtsanwalt K. hat mit Schriftsatz vom 9.10.2005 (GA 448) unter Bezugnahme des an ihn gerichteten gerichtlichen Schreibens vom 22.7.2005 (GA 451) darauf verwiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden mit Zustimmung des Gegners letztmals bis 26.9.2005 verlängert worden sei. Der Senat hat mit Schreiben vom 24.10.2005 auf die Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen (GA 459). Rechtsanwalt K. hat hierzu mit Schriftsätzen vom 8.11.2005 (GA 463) und 21.11.2005 (GA 466) Stellung genommen.

II.

Die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 4) ist versäumt worden. Auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten vom 18.7.2005 ist die Berufungsbegründungsfrist bis 25.8.2005 verlängert worden (GA 394, 395). Die Berufungsbegründungsfrist ist entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) nicht bis zum 26.9.2005 verlängert worden. Das an ihn gerichtete gerichtliche Schreiben vom 22.7.2005 (GA 447) konnte nach seinem objektiven Erklärungsgehalt nicht dahingehend verstanden werden, dass die Berufungsbegründungsfrist für alle Prozessbeteiligten einheitlich bis zum 26.9.2005 verlängert worden wäre. Das Fristverlängerungsgesuch des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) vom 18.7.2005 war bereits beschieden. Ein weiteres Fristverlängerungsgesuch hat er bei Gericht nicht eingereicht. Zwar hängt die Wirksamkeit einer Fristverlängerung nicht davon ab, dass ein wirksamer Antrag gestellt worden ist (BGH NJW 1988, 1156; BGHZ 93, 300, 304 = NJW 1985, 1558). Mängel bei der Antragstellung sind unbeachtlich. Zutreffend ist auch, dass nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1999, 1036) bei gewährten Fristverlängerungen grundsätzlich der Wortlaut der gerichtlichen Entscheidung maßgebend ist. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass dem gerichtlichen Schreiben vom 22.7.2005 (GA 497) als Anlage ein Verlängerungsgesuch des Rechtsanwalts B. vom 21.7.2005 beigefügt war, der Fristverlängerung bis zum 24.9.2005 (GA 398) beantragt hat, worauf der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 22.7.2005 Fristverlängerung bis zum 26.9.2005 gewährt hat (GA 400). Aus dem Gesamtzusammenhang beider Urkunden war deutlich erkennbar, dass die gewährte Fristverlängerung nur den Antrag des Rechtsanwalts B. betrifft, zumal der Antrag des Prozessbevollmächtigten zu 4) auf Fristverlängerung vom 18.7.2005 bereits mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.7.2005 mit gewährter Fristverlängerung bis 25.8.2005 beschieden (GA 395) war und kein offener Fristverlängerungsantrag ausstand. Auch konnten dem gerichtlichen Schreiben vom 22.7.2005 entnommen werden, dass die auf Antrag von RA B. erfolgte Verlängerung der Berufungsbegründung bis zum 26.9.2005 "mit Zustimmung des Gegners letztmals" erfolgte, während dem Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) keine Zustimmung des Gegners vorausgegangen ist.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 4) hat auf Vorhalt des Senats, warum weder im Fristenkalender noch bei Durchsicht der Akte bemerkt worden sei, dass der Antrag vom 18.7.2005 bereits am 20.7.2005 mit Fristverlängerung bis zum 25.8.2005 beschieden worden war und zwei aus Sicht des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) widersprechende Fristverlängerungen (25.8. und 26.9.2005) vorgelegen haben, die zur Nachfrage bei Gericht hätten Anlass geben müssen, sich mit Schriftsatz vom 8.11.2005 (GA 461) dahingehend geäußert, dass er persönlich die ursprüngliche Frist durch die neue Frist ersetzt habe, weil er davon ausgegangen sei, dass aus pragmatischen Gründen einheitlich für alle Berufungskläger die Frist bis zum 26.9.2005 verlängert worden sei. Davon konnte der Prozessbevollmächtigte zu 4) jedoch nicht ausgehen.

Wie bereits ausgeführt, hat der Prozessbevollmächtigte in seinem Antragsschreiben vom 18.7.2005 (GA 394) keine Zustimmung des Gegners für sein Fristverlängerungsgesuch eingeholt. Dementsprechend erfolgte die durch den Vorsitzenden erfolgte Fristverlängerung bis zum 25.8.2005 (GA 395) auch "ohne Zustimmung des Gegners" mit dem Hinweis "letztmalig". Wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 4) nunmehr mit Schriftsatz vom 8.11.2005 (GA 461) vorträgt, die von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 6) und 7) vorgelegte Zustimmung sei nicht übersandt worden, die Anlagen der Mitteilung seien offensichtlich unvollständig gewesen, ist ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle vom 25.7.2005 (GA 400) jedenfalls der Antrag auf Fristverlängerung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 6) und 7) (RA Dr. B. und G.) vom 21.7.2005 (GA 398) dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) übersandt worden. Dass er die Antragsschrift als Durchschrift erhalten hat, bestreitet der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 4) nicht. Das bedeutet wiederum, dass der Wortlaut des gerichtlichen Schreibens vom 22.7.2005 (GA 447) mit dem Zusatz "mit Zustimmung des Gegners" in Verbindung mit der übersandten Antragsschrift der Prozessbevollmächtigten zu 6) und 7) (RA Dr. B. und G.) keinesfalls eindeutig war. Es war vielmehr deutlich zu erkennen, dass nur über den Antrag der RAe. B. pp. entschieden wurde. Die Frist zur Begründung der Berufung war danach nicht eingehalten.

Die Versäumung der eigenen Frist ist auch nicht durch den Fristverlängerungsantrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 6) und 7) geheilt worden. Dies wäre denkbar, wenn zwischen den Beklagten zu 3) bis 7) eine notwendige Streitgenossenschaft gemäß § 62 ZPO bestünde (BGH VersR 1985, 548 f.). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Es entspricht der anerkannten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 54, 251, 254 f.; 63, 51, 54 f.), dass bei einer Klage wegen einer Gesellschaftsschuld, die sowohl gegen den persönlich handelnden Gesellschafter als auch gegen die Gesellschaft gerichtet ist, keine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Beklagten besteht.

Die Berufung des Beklagten zu 4) war demnach gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

III.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 233 ZPO ist einer Partei, die ohne Verschulden gehindert war, eine Notfrist oder Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die vom Berufungsführer dargelegten Gründe rechtfertigten es nicht, ein nicht schuldhaftes Verhalten anzunehmen. Bereits aus § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergibt sich, dass die Verlängerung der Berufungsbegründung nur auf eigenen Antrag, nicht aber auf Antrag einer anderen Partei erfolgen kann. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 4) konnte deshalb ohne schuldhaftes Verhalten nicht hat davon ausgehen, dass nach Bewilligung seines Fristverlängerungsgesuchs bis zum 25.8.2005 (GA 395) ohne eigenen neuen Antrag die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 6) und 7) einheitlich für alle Prozessbeteiligten bis zum 26.9.2005 verlängert worden wäre. Zumindest hätte der Prozessbevollmächtigte bei Gericht nachfragen müssen, da offenkundig war, dass eine etwaige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.9.2005 in Widerspruch zu der Fristverlängerung bis zum 25.8.2005 gestanden hat. Die mit dem übersandten gerichtlichen Schreiben vom 22.7.2005 (GA 447) übersandte Antragsschrift der Rechtsanwälte der B. und G. vom 21.7.2005 (GA 398, 400) hätte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) Anlass geben müssen, bei Gericht nachzufragen.

Die vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 4) übermittelte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2004 - 1 BvR 1892/03 - (GA 470) gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. In dem dortigen Fall hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Rechtssuchende im Falle des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO zwar mit einer sprachlich eindeutigen, aber der Sache nach nicht ohne weiteres nachvollziehbaren gesetzlichen Regelung konfrontiert gewesen sei. In dem dortigen Fall seien die gerichtlichen Hinweise zweier Gerichte und des Senatsvorsitzenden so eindeutig gewesen, dass bei den Prozessbevollmächtigten der dortigen Beschwerdeführer der Eindruck entstehen musste, sie bräuchten sich nicht nach der Rechtslage und der Belehrung zu richten. Eine derartige Situation liegt im vorliegenden Fall nicht vor.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Nachdem dem die Beklagten zu 3), 5), 6) und 7) ihre Berufungen zurückgenommen haben und gemäß § 516 Abs. 3 ZPO jeweils des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt worden sind (Beschluss vom 12.9.2005 für den Beklagten zu 5), GA 416; vom 20.9.2005 für die Beklagten zu 6) und 7), GA 424; vom 27.9.2005 für den Beklagten zu 3) ) war unter Berücksichtigung der §§ 97 Abs.1, 516 Abs. 3 ZPO eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen. Dabei war zu berücksichtigen, dass ohne die Weiterverfolgung des Rechmittels durch den Beklagten zu 4) nur 2 Gerichtsgebühren, anstatt 4 Gerichtsgebühren angefallen wären, Ziffer 7120, 7122 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz i.V.m. Gebühr nach § 34 GKG).

Ende der Entscheidung

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