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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 2 U 80/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 531 Abs. 2 Ziffer 3
BGB § 1590
BGB § 2270 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 2 U 80/06

In dem Rechtsstreit

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, die Richterin am Oberlandesgericht Au und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert

13. Dezember 2006

einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier - Einzelrichter - vom 15. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisverfügung des Vorsitzenden vom 11.10.2006 (GA 130) darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch sind die Erfolgsaussichten der Berufung verneint worden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Hinweisverfügung vom 11.10. 2006 (GA 130) Bezug.

Die Beklagte hat gemäß Schriftsatz vom 24.11.2006 (GA 138) der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Die Berufung greift die vom Landgericht und vom Senat vorgenommene Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute Sch. ohne Erfolg an. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 enthält keine Anordnung zur Wechselbezüglichkeit der darin getroffenen Verfügungen. Die Erblasserin war durch das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 nicht gehindert, die Kläger als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Soweit die Berufung unter Bezugnahme auf § 2270 Abs. 2 BGB darauf verweist, dass diese Vorschrift nicht nur auf das Verwandtschaftsverhältnis des Bedachten zum Erblasser hinweist, sondern auch sonst nahe stehende Personen erfasst, ist dies zutreffend. § 2270 Abs. 2 BGB enthält eine Auslegungsregel, die allerdings nur dann Anwendung findet, wenn die Auslegung keine Klarheit über den Verknüpfungswillen gebracht hat (Bamberger/Roth-Litzenburger, § 2270 Rn. 9; BayOblGZ 1982, 474). Im Rahmen der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments muss der gesamte Inhalt der Erklärungen einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden. Bei der Ermittlung des Erblasserwillens muss auch die Lebenserfahrung berücksichtigt werden, dass beim Fehlen verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen dem zuerst verstorbenen Ehemann und dem eingesetzten Schlusserben dem Längstlebenden das Recht zustehen soll, die Erbfolge anderweitig festzulegen (vgl. Bamberger/Roth-Litzenburger, BGB, 2003, § 2270 Rn. 8 m.w.N.). Das Landgericht hat diese Umstände berücksichtigt und hat danach eine Wechselbezüglichkeit der testamentarischen Verfügung nicht feststellen können, so dass für die Auslegungsregel nach § 2270 Abs. 2 BGB kein Raum mehr besteht.

Ungeachtet dessen kann die durch ein gemeinschaftliches Testament bedachte Person aufgrund der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nur dann als dem Erblasser nahe stehende Person angesehen werden, wenn ein solches Näheverhältnis besteht, dass dieses einem Verwandtschaftsverhältnis gleichkommt (Bamberger/Roth-Litzenburger, § 2270 Rn. 11; KG DNotZ 1993, 825 = FamRZ 1993, 366). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um die Ausnahme nicht zur Regel werden zu lassen (Bamberger/Roth-Litzenburger, ebd.; BayOblGZ 1982, 474). Als "nahe stehende Personen" sind außer den im Gesetz generell genannten Verwandten die Personen zu verstehen, zu denen der betreffende Ehegatte enge persönliche Beziehungen und innere Bindungen gehabt hat, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu Verwandten entsprechen. Als solche "nahe stehende Personen" können Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder, verschwägerte Personen, enge Freunde und langjährige Angestellte in Betracht kommen, insbesondere wenn eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Im Allgemeinen ist jedoch bei nicht verwandten Personen eine restriktive Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB geboten. Es muss auch bedacht werden, dass die Ehegatten die Beerbung des Längstlebenden von ihnen häufig nur vorsorglich regeln wollen, ohne den längstlebenden Ehegatten in seiner Freiheit, eine anderweitige Regelung zu treffen, beeinträchtigen zu wollen (BayOBLGZ 1982, 474).

Die Beklagte war mit dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin gemäß § 1590 BGB verschwägert. Ein Verwandtschaftsverhältnis der Beklagten mit dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin hat nicht bestanden. Wenn nach § 2270 Abs. 2 BGB der überlebende Ehegatte im Zweifel an die Schlusserbeneinsetzung gebunden ist, wenn er Verwandte des anderen Ehegatten eingesetzt hat, so kann daraus im Umkehrschluss gefolgert werden, dass er an die Schlusserbeneinsetzung eigener Verwandter im Grundsatz nicht gebunden ist (KG DNotZ 1993, 825. 827 m.w.N.). Da die eigenen Verwandten des überlebenden Ehegatten mit dem anderen gemäß § 1590 BGB verschwägert sind, ergäbe sich in diesen Fällen über den Begriff des Nahestehens in Zweifelsfällen immer eine Bindung des überlebenden Ehegatten an die Einsetzung seiner eigenen Verwandten, wollte man - ohne Prüfung im Einzelfall - annehmen, verschwägerte Personen stünden einander nahe. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Bestimmung, da nach § 2270 Abs. 2 BGB Verschwägerte den Verwandten nicht gleichgestellt sind (KG ebd.).

Die Aufstellung der Auslegungsregel in § 2270 Abs. 2 BGB beruht auf der Erwägung, dass der eine Ehegatte in der Verfügung, die zugunsten einer ihm nahestehenden Person von dem anderen Ehegatten getroffen wird, eine Art Gegenleistung dafür zu sehen pflegt, dass er seinerseits dem letzteren eine Zuwendung macht. Daraus rechtfertigt sich regelmäßig die Folgerung, dass er ohne die Verfügung des anderen Ehegatten seine Verfügung nicht getroffen hätte. Dies kann jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn - wie hier - die Erblasserin ihre Nichte im gemeinschaftlichen Testament eingesetzt hat, solange der vorverstorbene Erblasser (Dr. Sch.) zu der Nichte keine anderen Bindungen hat, als sie üblicherweise aufgrund der durch die Ehefrau, Margarete Sch., vermittelten schwägerschaftlichen Beziehung bestehen. In einem solchen Fall hat es deshalb bei dem sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebenden Grundsatz zu verbleiben, dass der überlebende Ehegatte an die Schlusserbeneinsetzung eigener Verwandter nicht gebunden ist.

Der nunmehrige Vortrag der Beklagten zu dem angeblichen besonderen Näheverhältnis zu dem vorverstorbenen Ehemann ihrer Tante (Seite 2/3 Schriftsatz vom 24.11.2006, GA 139) ist erstmals in der Berufungsinstanz neu vorgebracht worden und nach § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO verspätet. Der Vortrag zu den gesamten Lebensumständen der Beklagten und das Näheverhältnis zu dem vorverstorbenen Erblasser, die über das Verhältnis als Nichte der Ehefrau des Onkels Dr. Sch. hinausgegangen seien, hätte ohne Nachlässigkeit auch bereits in erster Instanz gebracht werden können. Die Berufung ist mit den jetzigen Beweisangeboten (Seite 3 des Schriftsatzes vom 24.11.2006, GA 140) ausgeschlossen. Was die Beklagte hierzu Bl. 116 GA vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, reichte zur Annahme eines besonderen Näheverhältnisses nicht aus. Eines Hinweises bedürfte es nicht, da der Vortrag nicht unsubstantiiert, sondern unzureichend war.

Der Senat hat in seiner Hinweisverfügung vom 11.10.2006 dargelegt, dass die Testierfähigkeit der Erblasserin aufgrund der im Jahre 1999 erlittenen Hirnschläge nicht beeinträchtigt war. Die Berufung bietet hierzu erneut die Vernehmung des Internisten Dr. R. an. Der Senat hat hierzu in seiner Hinweisverfügung bereits dargelegt, dass die Beklagte zwar Beweis darüber angeboten hat, dass die Erblasserin mehrere Hirnschläge erlitten habe, nicht aber das sie testierunfähig gewesen sei. Soweit jetzt die Testierunfähigkeit durch sachverständiges Zeugnis Dr. R. angeboten wird, ist das Beweiserbieten gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO verspätet.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.225,84 € festgesetzt.

Vfg.:

1) Schreiben an Partei-Vertreter, Beklagten-Vertreter - EB -

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 7. November 2006. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

Das Landgericht hat zu Recht der Klageforderung entsprochen. Die Erblasserin war durch das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 nicht gehindert, die Kläger als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Dies wäre, wie das Landgericht zu Recht ausführt, nur der Fall, wenn die unbedingte Schlusserbeneinsetzung der Beklagten im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich zu einer Verfügung des vorverstorbenen Dr. J.Sch. wäre. Wechselbezüglich sind Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde (BGH NJW-RR 1987, 1410; RGZ 170, 163, 172; BayOblGZ 1983, 213, 216 f.; BayObLG NJWE-FER 1999, 216). Da über die Wechselbezüglichkeit der Wille der Testierenden entscheidet, muss er in Zweifelsfällen mit dem Mittel der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen erforscht werden (BGH NJW-RR 1987, 1410 m.w.N.). Eine erneute Verfügung von Todes wegen nach § 2271 Abs. 1 BGB wäre dann ausgeschlossen. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 enthält keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit der darin getroffenen Verfügungen. Bei Ermittlung des Erblasserwillens muss auch die Lebenserfahrung berücksichtigt werden, dass beim Fehlen verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen dem zuerst verstorbenen Ehemann und dem eingesetzten Schlusserben dem Längstlebenden das Recht zustehen soll, die Erbfolge anderweitig festzulegen (Bamberger/Roth-Litzenburger, BGB Kommentar 2003, § 2270 Rn. 8; BayObLG NJWE-FER 2001, 128, 129). Der Umstand, dass die Eheleute Scheer ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, reicht nicht für die Annahme der Wechselbezüglichkeit der darin enthaltenen Verfügungen. Bei der Beklagten handelt es sich um die Nichte der Erblasserin Margarete Sch.. zu deren vorverstorbenen Ehemann Dr. J.Sch. bestand kein Verwandtschaftsverhältnis. Es ist deshalb nicht nahe liegend, dass die Erbeinsetzung der Erblasserin Margarete Sch. durch ihren vorverstorbenen Ehemann Dr. J. Sch. nur deshalb erfolgte, weil diese wiederum ihre Nichte als Schlusserbin eingesetzt hatte. Die Schlusserbenstellung der Beklagten in dem gemeinschaftlichen Testament ist unabhängig von einer letztwilligen Verfügung des Vorverstorbenen Dr. J.Sch. zu sehen. Der Erblasserin stand es frei, ihre frühere gemeinschaftlich mit ihrem vorverstorbenen Ehemann getroffene Verfügung durch eine neue Verfügung abzuändern.

Die von der Berufung gegen diese Auslegung vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dass die Erblasserin vor der Ehe angeblich so gut wie kein Vermögen hatte, ist für die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments unerheblich, ebenso dass die Eltern und die Erblasserin vor der Eheschließung in Vermögensverfall geraten seien. Dem Beweisangebot, Vernehmung der Zeugen Neuburger und Fries, ist nicht nachzugehen. Auch die (bestrittene) Behauptung der Beklagten, das gemeinschaftliche Testament vom 29.10.1980 sei nach dem Tod von Dr. Sch. im Jahre 1985 nur teilweise eröffnet worden, ihre Schlusserbenstellung sei ihr nicht bekannt gewesen, ist unerheblich. Es bedarf hierzu nicht der Vernehmung des Zeugen Notar K.. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte sich dazu geäußert hat, ob sie mit der Vermächtniseinsetzung der Kläger einverstanden sei. In welchem Umfang die Klägerin zu 1) im Haushalt der Erblasserin tätig war, diese Tätigkeiten ordnungsgemäß verrichtete, die Befugnis hatte, Geld von der Bank abzuheben oder Blankoschecks einzulösen, ist für die Frage der Berechtigung der Erblasserin, die Kläger als Vermächtnisnehmer einzusetzen, irrelevant. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahre 1980 lässt keine Rechtsfehler erkennen.

Die von der Berufung gegen die Testierfähigkeit der Erblasserin vorgebrachten Bedenken sind nicht überzeugend. Der beurkundende Notar hat sich anlässlich der Verhandlungen vom 18.03.1998, 12.08.1999 und 23.05.2000 jeweils zweifelsfrei von der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin überzeugt und diese bestätigt. Soweit die Berufung nunmehr vorträgt, die Erblasserin habe seit 1999 mehrere Hirnschläge erlitten und es sei eine fortschreitende Demenz in der Folge eingetreten, bietet dies keine zureichenden Anhaltspunkte für eine mangelnde Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Beklagte hat aussagekräftige medizinische Unterlagen nicht vorgelegt, die eine nachträgliche Einschätzung der Testierfähigkeit durch einen Sachverständigen erlauben. Die Beklagte bietet im Übrigen lediglich Beweis durch Vernehmung der Zeugen Dres. M., R. und Prof. Dr. M. an, dass diese Erblasserin im Jahre 1999 mehrere Hirnschläge erlitten habe, nicht aber dafür dass diese testierunfähig gewesen sei. Dass Notar Klinkhammer sich mit dem Hausarzt Dr. H. fernmündlich in Verbindung setzte und Erkundigungen über den Krankheitszustand der Erblasserin einholte, möglicherweise zunächst Bedenken hatte, rechtfertigt ebenfalls keine Beurteilung. Es ist denkbar, dass sich etwaige Bedenken zerschlagen haben und der Notar hinsichtlich der Verhandlungen vom 12.8.1999 und 23.5.2000 eine Testierfähigkeit der Erblasserin zweifelsfrei als gegeben ansah.

Der Senat beabsichtigt den Streitwert auf 20.451,68 festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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