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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 2 W 327/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 a
ZPO § 402
ZPO § 379
ZPO § 127
ZPO § 240
ZPO § 404 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 2 W 327/01 2 OH 18/97 LG Mainz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

in dem selbständigen Beweisverfahren

wegen Mängelfeststellung an einem Fertighaus,

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen die Zurückweisung des Antrags, den Sachverständigen zur Schadensbeseitigung anzuweisen.

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Henrich sowie der Richter am Oberlandesgericht Künzel und Kieselbach am 27. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 17.4.2001 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 16.3.2001 aufgehoben.

Der Sachverständige W....... M....... wird, angewiesen, die von ihm durch Begutachtung veranlassten Schäden gemäß Aufstellung im Ergänzungsgutachten vom 10.1.2001 auf Kosten der. Staatskasse beseitigen zu lassen.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 2.12.1997 auf Antrag der Antragsteller, die Mängel eines von der Antragsgegnerin erworbenen Fertighauses rügen, die Durchführung eines selbständigen. Beweisverfahrens angeordnet. Den Antragstellern wurde für das Verfahren Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlungsanordnung bewilligt.

Zur Ermöglichung der Begutachtung der Fundamenttiefen und deren Aufbaustärke hatte der vom Gericht bestellte Sachverständige M. ...... den Randbereich im Übergang der Terrassenfliesung zu den Außenwänden und einen Teil des Wandbereichs selbst öffnen lassen. Die Öffnungen wurden nicht verschlossen, da der Sachverständige von der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen ausging. Nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Antragsgegnerin teilte das Landgericht dem Sachverständigen mit, dass weitere kostenträchtige Maßnahmen zurzeit nicht vorgenommen werden sollten. Der Sachverständige hat daraufhin von einer weiteren Begutachtung abgesehen. Das Beweisverfahren wurde nicht weitergeführt.

Die Antragsteller haben in mehreren Schreiben an das Gericht und den Sachverständigen unter Hinweis darauf, dass das Beweisverfahren noch nicht abgeschlossen sei, um Veranlassung der Beseitigung der durch die Begutachtung entstandenen Schäden gebeten.

Sie haben beantragt,

den Sachverständigen M....... anzuweisen, die von ihm veranlassten und für die Gutachtenserstellung offensichtlich notwendigerweise verursachten Schäden auf Kosten der Staatskasse beseitigen zu lassen.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da keine Anspruchsgrundlage ersichtlich sei, aufgrund deren einmal der Sachverständige vom Gericht zu der verlangten Handlung verpflichtet werden könne und ebenso wenig eine Anspruchsgrundlage, woraus sich die Verpflichtung der Staatskasse zur Tragung der für die Verschließung der geöffneten Bereiche erforderlichen Kosten ergebe. Aus dem Umstand, dass den Antragstellern für die Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe gewährt worden sei, könne nicht hergeleitet werden, dass die Staatskasse auch die Kosten zu tragen habe, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der untersuchten Sache aufzuwenden seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller.

II. Die Beschwerde hat Erfolg.

1. Sie ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft.

Der Sache nach wenden sich die Beschwerdeführer dagegen, dass das Landgericht es ablehnt, die Verpflichtung der Staatskasse zur Tragung der Kosten für die Beseitigung der durch die Begutachtung veranlassten Schäden anzunehmen, obwohl den Antragstellern zur Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Sie berufen sich damit im Ergebnis auf die aus der Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO folgende Befreiung von der Vorschusspflicht nach §§ 402, 379 ZPO und machen deren Nichtbeachtung geltend. In einer Nichtbeachtung liegt aber eine teilweise Entziehung der gewährten Prozesskostenhilfe (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 21, Aufl., § 379 Rn. 4), was auch im Fall ausdrücklicher Vorschussanforderung trotz PKH-Bewilligung zur Statthaftigkeit einer Beschwerde gemäß § 127 ZPO führt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 379 Rn. 3).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Die Staatskasse hat die für die Beseitigung der durch die Begutachtung verursachten Schäden erforderlichen Kosten zu verauslagen. Aufgrund der Gewährung von Prozesskostenhilfe sind die Antragsteller gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO vom "Vorstrecken" entstehender Gerichtskosten befreit. Zu den Gerichtskosten zählt auch die Entschädigung für einen Sachverständigen (vgl. GKG KostVerz. Nr. 9005, Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl., zu KV 9005 Rn. 1). Die Aufwendungen, die erforderlich sind, die durch die Tätigkeit des Sachverständigen zwangsläufig hervorgerufenen Schäden zu beseitigen, sind Kosten der Begutachtung (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 402 Rn. 11) und damit Gerichtskosten im Sinn des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auch im Hinblick auf die Ausführungen im Ergänzungsgutachten des Sachverständigen M....... vom 10.1.2001 bestehen keinerlei Zweifel daran, dass es hier um Schäden geht, die notwendige Folge der Begutachtung sind.

Das "Vorstrecken" der Schadensbeseitigungskosten durch die Staatskasse entspricht der Pflicht, die Folgen des durch die gerichtliche Anordnung der Begutachtung verursachten Eingriffs in das Eigentum (der Antragsteller) möglichst umgehend wieder zu beheben (vgl. OLG Düsseldorf, OLG-Report 1997, 198, 199).

An dieser Pflicht ändert auch der Umstand nichts, dass das Beweisverfahren wegen Insolvenz der Antragsgegner von den Antragstellern aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterbetrieben wurde. Selbst wenn ab Insolvenz der Antragsgegnerin wegen § 240 ZPO, der allerdings nach herrschender Meinung weder für das PKH-Verfahren noch für das selbständige Beweisverfahren gilt (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., vor § 239 Rn. 8; vor § 485 Rn. 6), weitere Beweiserhebung nicht möglich wäre, wären dennoch die Folgen zu beseitigen, die auf die ursprüngliche Beweisanordnung zurückzuführen sind. Die Beweisanordnung steht nämlich mit ihren regelmäßigen Folgen, wie hier der notwendigen Herbeiführung von Schäden zur Ermöglichung der Begutachtung, in untrennbarem Zusammenhang, so dass der Hilfsbedürftige auch von sämtlichen hierdurch veranlassten Kosten (vorläufig) zu befreien ist.

b) Der Antrag der Antragsteller ist auch insoweit begründet, als zur Umsetzung ihres Schadensbeseitigungsbegehrens das Tätigwerden des vom Gericht bestellten Sachverständigen M. ...... angewiesen werden soll.

Der Sachverständige ist derjenige, der die Schäden verursacht hat. Er hat auch unstreitig andere durch die Begutachtung veranlasste Schäden bereits beseitigt. Seinen Ausführungen ist im Übrigen zu entnehmen, dass der Beseitigung der hier geltend gemachten Schäden wohl allein die fehlende Erklärung der Kostenübernahme durch die Staatskasse entgegenstand. Mag die auszusprechende Anweisung somit im Ergebnis auch nur eher deklaratorische Wirkung haben, so ist (zur Klarstellung) jedenfalls darauf hinzuweisen, dass es entgegen der Auffassung des Landgerichts eine Anspruchsgrundlage gibt, wonach der Sachverständige vom Gericht zur Schadensbeseitigung verpflichtet werden kann (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 402 Rn. 11). Diese Verpflichtung, auf die auch der Senat seine Entscheidung stützt, folgt aus der in § 404 a Abs. 1 ZPO geregelten umfassenden Leitungs- und Weisungsbefugnis des Gerichts gegenüber dem Sachverständigen (vgl. OLG Düsseldorf, OLG-Report 1997, 198; OLG Celle, OLG-Report 1998, 71).

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich hat Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben.

Ende der Entscheidung

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