Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: 2 W 402/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 421
BGB § 426
BGB § 745 Abs. 2
1. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB lebt nach Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft - ebenso wie bei der ehelichen Lebensgemeinschaft - wieder auf. Es bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung des ausgleichsberechtigten Ehegatten, er werde die Lasten nicht allein tragen.

2. Gemäß § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen, sofern die Verwaltung oder Benutzung nicht durch Mehrheitsbeschluss oder Vereinbarung geregelt ist. Auch bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gilt, dass der ausziehende Partner ein Entgelt verlangen kann, allerdings muss er es zuvor ausdrücklich gefordert haben.


Oberlandesgericht Koblenz Beschluss

Aktenzeichen: 2 W 402/09

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eck, die Richterin am Oberlandesgericht Au und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert am 08.09.2009 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 04. Mai 2009 zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht der Beklagten die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt, da ihre Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

I.

Die Parteien waren Miteigentümer des Anwesens S. in R.. Die Finanzierung des Objekts erfolgte über ein Darlehen bei der ... Bauspar AG. Für dieses Darlehen hafteten die Parteien als Gesamtschuldner. Die monatliche Annuität belief sich auf 750,32 €. Die Beklagte zog im Sommer 2006 aus dem gemeinsamen Anwesen aus und stellte ab April 2007 ihre Zahlungen ein. Der Kläger trug bis August 2008 die monatliche Annuität von 750,32 € allein. Für insgesamt 17 Monate ergibt dies einen Betrag von 12.755,44 €. Der Kläger hat hiervon den hälftigen Betrag von 6.377,72 € im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs gegen die Beklagte geltend gemacht.

Darüber hinaus hat der Kläger die hälftigen Kosten hinsichtlich der Grundsteuer (185,02 € jährlich) sowie der Gebäudeversicherung (103,46 € jährlich) für die Kalenderjahre 2007 und 2008 geltend gemacht, insgesamt 288,48 €, die die Beklagte außergerichtlich anerkannt hat. Ferner hat der Kläger die anteiligen Kosten für die Schornsteinfegergebühren (52,31 € pro Kalenderjahr), Entsorgungsgebühren (142,80 € pro Kalenderjahr) sowie anteilige Schmutzwasser- und Niederschlagsgebühren für 2008 in Höhe von 48,20 € verlangt. Er hat den hälftigen Betrag von 219,21 € geltend gemacht.

Am 15.11.2005 trafen die Parteien eine Vereinbarung, wonach die Beklagte sich beim Verkauf der Immobilie verpflichtete, dem Kläger 17.953,--€ zu zahlen (Anlage K 1, GA 6).

Mit Schreiben vom 29.07.2008 machte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte M., Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich für den Zeitraum von April 2007 bis August 2008, die Ansprüche aus Grundsteuer und Gebäudeversicherung sowie aus der Vereinbarung vom 15.11.2005 geltend (Anlage K 2, GA 7). Die Beklagte hat teilweise die Ansprüche des Klägers durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte G, , vom 08.08.2008 (Anlage K 3, GA 3) anerkannt, Ansprüche aus dem Gesamtschuldnerausgleich im Hinblick auf eine Nutzungsentschädigung in gleicher Höhe abgelehnt.

Im Sommer 2008 wurde das Hausgrundstück veräußert. Es wurde ein überschießender Verkaufserlös von 17.637,81 € zugunsten der Parteien erzielt. Die Hälfte des überschießenden Verkaufserlöses in Höhe von 8.818,91 € hat die Beklagte dem Kläger zur Anrechnung auf dessen Ansprüche überlassen.

Der Kläger hat ausgehend von der aus seiner Sicht bestehenden Gesamtforderung von 24.838,41 € (6.377,72 € Gesamtschuldnerausgleich Zahlungen auf monatliche Annuität; 288,48 € anteilige Grundsteuer und Gebäudeversicherung, 219,21 € anteilige Schornsteinfegergebühren, Entsorgungskosten und Schmutz- und Niederschlagswasser sowie 17.953,--€ aus der Vereinbarung vom 15.11.2005) unter Anrechnung des Betrages von 8.818,91 € eine Forderung von 16.019,50 € geltend gemacht, worauf er je 20,--€, die am 15.12.2008 und 15.01.2009 gezahlt wurden, in Abzug gebracht hat. Die Klageforderung hat sich demnach auf 15.979,50 € nebst außergerichtlichen Anwaltskosten belaufen.

Hinsichtlich von 3 weiteren Zahlungen in Höhe von je 20,--€ am 1302., 13.03. sowie 16.04.2009 ist teilweise Erledigung eingetreten.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.03.2009 (GA 25) die Forderung von 17.953,--€ gemäß der Vereinbarung vom 15.11.2005 abzüglich des hälftigen Betrages aus dem überschießenden Verkaufserlös von 8.818,91 €, insgesamt 9.134,09 € anerkannt.

Das Landgericht hat die Beklagte aufgrund Teilanerkenntnisurteils vom 04.05.2009 (GA 41) zur Zahlung von 9.134,09 € verurteilt.

Zwischen den Parteien im Streit stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 6.785,50 € (15.979,50 € ./. 60 € ./. 9.134,09 €) sowie die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beklagte kann dem geltend gemachten Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB keine Nutzungsentschädigungsansprüche entgegenhalten. Auch vermag sich die Beklagte nicht darauf zu berufen, dass wirksam ein Schuldübernahme- bzw. Erfüllungsübernahmevertrag zustande gekommen ist.

Der Kläger hat nach dem Auszug der Beklagten aus dem gemeinsamen Anwesen für einen Zeitraum von 17 Monaten die Finanzierungskosten und auch die öffentlichen Abgaben allein getragen. Die Parteien hatten ursprünglich beabsichtigt, dass die Beklagte ihren Miteigentumsanteil an dem Anwesen auf den Kläger überträgt und dieser den Kredit allein abträgt. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Das Objekt ist im August 2008 an einen Dritten veräußert worden. Der Umstand, dass dem Kläger das Hausanwesen nach Auszug der Beklagten im Sommer 2006 zur alleinigen Verfügung zugestanden hat, führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB entfallen wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt für die eheliche Lebensgemeinschaft, dass mit dem Scheitern der Ehe und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Grund für die alleinige Haftung eines Ehegatten entfällt. Spätestens von diesem Zeitpunkt an lebt der aus § 426 Abs. 1 BGB resultierende Ausgleichsanspruch wieder auf, ohne dass es irgendeines Handelns des die Unkosten tragenden Ehegatten bedarf (BGH NJW-RR 1993, 386; OLG Brandenburg, Urteil vom 12.03.2008 - 13 U 68/07 - ; OLG Celle NJW 2000, 1425). Ebenso wenig bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des ausgleichsberechtigten Ehegatten, er werde die Lasten nicht allein tragen, selbst dann nicht, wenn er zuvor die Lasten allein getragen hat (BGH NJW 1995, 653; OLG Brandenburg, ebd.). Nach § 426 Abs. 1 BGB sind dann die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander entsprechend ihrer Miteigentumsanteile an dem Anwesen verpflichtet, die Lasten und die Hauskosten zu tragen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Diese für die eheliche Lebensgemeinschaft entwickelten Grundsätze sind erst recht auf die nicht eheliche Lebensgemeinschaft anzuwenden.

Vorliegend haben die Parteien keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 421 Abs. 1 BGB getroffen. Der Beklagten steht insbesondere kein Nutzungsentschädigungsanspruch gemäß § 745 Abs. 2 BGB gegen den Kläger zu. Gemäß § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen, sofern die Verwaltung oder Benutzung nicht durch Mehrheitsbeschluss oder Vereinbarung geregelt ist. Für die eheliche Lebensgemeinschaft hat der BGH ausgesprochen, dass bei einem Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung die nächstliegende Neureglung nach § 745 Abs. 2 BGB diejenige ist, dass die Wohnung nunmehr dem zurückbleibenden Ehegatten gegen Zahlung eines entsprechenden Entgeltes zur alleinigen Benutzung überlassen wird, womit in der Regel ein Mietverhältnis zustande komme (BGH Urteil vom 04.02.1982 - XI ZR 88/80 NJW 1982, 1753 m.w.N.). Voraussetzung ist aber, dass der ausgezogene Ehegatte bzw. hier Lebensgefährtin eine andere Art der Benutzung des gemeinsamen Anwesens bzw. ein dafür entsprechendes Entgelt gefordert hat. Dies ist aber nicht der Fall. Die Beklagte ist im Sommer 2006 aus dem gemeinschaftlichen Anwesen ausgezogen und zu einem anderen Mann nach K. gezogen (GA 54/55). Sie hatte an der eigenen Nutzung des früheren Anwesens kein Interesse. Es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, wie der frei gebliebene Wohnraum anderweitig, etwa durch Untermiete etc., hätte genutzt werden können. Die Beklagte hat diesbezüglich den Kläger nicht aufgefordert, das Anwesen anteilig einer anderen Nutzung zuzuführen. Auch hat die Beklagte kein Entgelt als Ausgleich für die nunmehr alleinige Nutzung des Anwesens durch den Kläger gefordert. Vielmehr hat die Beklagte bis März 2007 die Finanzierungskosten anteilig getragen. Die Beklagte hat sich mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.12.2007 (Anlage K 7, GA 60) zwar auf eine angebliche Schuldübernahme berufen, aber keine Nutzungsentschädigung gefordert. Sie hat vielmehr erstmals nach Zahlungsaufforderung des Klägers vom 29.07.2008 (Anlage K 2, GA 7) mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 08.08.2009 (Anlage K 3, GA 9) gewissermaßen rückwirkend eine Nutzungsentschädigung in Höhe der geltend gemachten Ausgleichsansprüche gefordert.

Der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung nach § 745 Abs. 2 BGB kann aber erst ab dem Zeitpunkt verlangen werden, zu dem er erstmals gefordert worden ist. Wird eine bestimmte Nutzung jedoch gar nicht gefordert, so kann sich kein Entgeltanspruch ergeben (BGH NJW 1982, 1753 Rn. 15/16; BGH Urteil vom 04.02.1982 - IX ZR 88/80 - NJW 1982, 1753 Rn. 9). Entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt eine konkludente Vereinbarung hinsichtlich einer Nutzungsentschädigung ab dem Zeitpunkt der Trennung der Parteien im April 2007 nicht in Betracht (GA 48). Schließlich ist im Rahmen des billigen Ermessens auch zu berücksichtigen, dass die Alleinnutzung dem Bleibenden nicht gegen seinen Willen aufgedrängt worden sein darf (Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10.02.2006 - 10 U 18/05 - OLGR Hamburg 2006, 512 Rn. 19).

Der Beklagten steht auch nicht nach den Grundsätzen des Eigentümer-Besitzerverhältnisses eine Nutzungsentschädigung gemäß §§ 987 ff. ZPO gegenüber dem Kläger zu, da dieser nach Auszug durch die Beklagte berechtigter Besitzer war und keine Vindikationslage bestanden hat.

Der Senat übersieht nicht, dass die Parteien ursprünglich die Übertragung des hälftigen Anteils der Beklagten auf den Kläger vorgesehen haben, mit Schuldübernahme durch den Kläger und einhergehender Schuldhaftentlassung der Beklagten. Durch die Veräußerung des Objekts im Sommer 2008 ist eine andere Situation eingetreten. Die Beklagte hätte aber nach Scheitern der Übernahme des Objekts durch den Kläger unverzüglich eine Neuregelung gemäß § 745 Abs. 2 BGB fordern können, was sie unterlassen hat. Spätestens ab Oktober 2007 stand fest, dass die Übernahme der Immobilie durch den Kläger zu Alleineigentum gescheitert war. Dies lässt sich dem Schreiben der Signal Iduna vom 30.11.2007 an den Kläger (Anlage K 5, GA 58) entnehmen. Deshalb kommt auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls bzw. Anpassung der Geschäftsgrundlage nach billigem Ermessen keine nachträglich in Ansatz zu bringende Nutzungsentschädigung in Betracht.

Die Beklagte kann ihren Anspruch auch nicht darauf stützen, dass zwischen den Parteien ein Schuldübernahme- bzw. Erfüllungsübernahmevertrag geschlossen worden wäre. Aus dem Scheiben des Steuerberaters König vom 22.03.2009 (Anlage K 4, GA 57) lässt sich nicht das Zustandekommen eines Schuldübernahmevertrages entnehmen. Ein Schuldübernahmevertrag ist bereits mangels Genehmigung durch die Gläubigerin, die ... Bauspar AG, nicht erfolgt (§ 415 Abs. 1 BGB). Auch kann die gescheiterte Schuldübernahme im Verhältnis der Parteien nicht gemäß § 415 Abs. 3 BGB im Zweifel als Erfüllungsübernahme gesehen werden, wonach sich der Kläger als Übernehmer der Beklagten als Schuldnerin gegenüber verpflichtet hätte, die Gläubigerin, die Signal Iduna Bauspar AG, zu befriedigen. Der Abschluss eines Schuldübernahmevertrages stand im Zusammenhang mit der Absicht der Parteien, dass der Kläger Alleineigentümer des Anwesens werden sollte. In diesem Falle wären eine Übernahme der Darlehensverpflichtungen und eine Schuldhaftentlassung der Beklagten erfolgt. Dieses Vorhaben ist aber gescheitert, so dass der Auszug der Beklagten aus dem gemeinschaftlichen Anwesen und die Nichtbedienung der Darlehensraten und öffentlichen Abgaben ab April 2007 nicht die Annahme eines "Schuldübernahme" - bzw. Erfüllungsübernahmevertrages rechtfertigen.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück