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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 12.01.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 10/04
Rechtsgebiete: StPO, GKG


Vorschriften:

StPO § 467 I
StPO § 464 III 1
StPO § 35 a
StPO § 44 S. 2
StPO § 311 II
StPO § 473 VII
GKG § 8 I 1
Legt das Gericht im Falle eines Freispruchs die Kosten des Verfahrens gemäß § 467 I StPO der Staatskasse auf, werden hiervon nicht die notwendigen Auslagen des Angeklagten miterfasst. Eine entsprechende Ergänzung ist nur auf eine sofortige Beschwerde gemäß § 464 III 1 StPO hin möglich. Eine solche kann in der Regel noch nicht in einem nachfolgenden Kostenfestsetzungsantrag gesehen werden. Ist eine Rechtsmittelbelehrung betreffend die Kosten- und Auslagenentscheidung unterblieben, kommt gegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Geschäftsnummer: 2 Ws 10/04 8007 Js 31435/01 - Ds (234/02) - 7 Ns - StA Trier

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafsache

wegen falscher Verdächtigung hier: sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Berufungsurteils

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens

am 12. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Der (vormaligen) Angeklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 17. Januar 2003 von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Kosten für die Wiedereinsetzung werden nicht erhoben.

2. Auf die sofortige Beschwerde wird die Kostenentscheidung in dem Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 17. Januar 2003 dahin ergänzt, dass der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten zur Last fallen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Das Amtsgericht Prüm verurteilte die Angeklagte am 24. September 2002 wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 €. Auf ihre Berufung hat die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Trier mit Urteil vom 17. Januar 2003 die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Angeklagte rechtskräftig freigesprochen. Die "Kosten des Verfahrens" hat sie der Staatskasse auferlegt. Eine (ausdrückliche) Entscheidung über die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen enthält das Urteil nicht. Mit Schriftsatz an das Amtsgericht Prüm vom 22. Januar 2003 hat der Verteidiger beantragt, Gebühren, Auslagen, Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von insgesamt 1.261,12 € gegen die Staatskasse festzusetzen. Unter dem 16. Juli 2003 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts Prüm bei dem Verteidiger angefragt, ob er den Antrag zurücknehme, da die notwendigen Auslagen der Mandantin von der Kostenentscheidung des Berufungsurteils nicht umfasst seien. Mit Antwortschreiben vom 11. November 2003 hat der Verteidiger nochmals beantragt, auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Zur Begründung hat er ausgeführt, sein Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Januar 2003 sei in eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts umzudeuten gewesen. Zudem sei mit der Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung die unterbliebene Auslagenentscheidung gemäß § 33 a StPO nachzuholen.

Das Begehren der (vormaligen) Angeklagten hat Erfolg.

Zwar verbleiben bei Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind. Die - wie hier erfolgte - Auferlegung der "Kosten des Verfahrens" auf die Staatskasse im Fall des § 467 Abs. 1 StPO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten umfasse. Eine nachträgliche Ergänzung der Entscheidung durch das erkennende Gericht ist unzulässig. Erreichbar ist eine Ergänzung jedoch durch eine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 464 Rdn. 12 und § 467 Rdn. 20; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 464 Rdn. 24 und 25).

Entgegen der Auffassung der Verteidigung kann die sofortige Beschwerde hier allerdings nicht bereits in dem Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Januar 2003 gesehen werden. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Antrag zweifelsfrei der Wille des Antragstellers entnommen werden könnte, überhaupt ein Rechtsmittel einlegen zu wollen. Einem Kostenfestsetzungsantrag ist jedoch in der Regel nur der Wille des Antragstellers zu entnehmen, die ihm nach seiner Meinung zustehenden Gebühren zugesprochen zu erhalten, nicht aber der Wille, eine (ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung oftmals noch nicht bewusste) fehlerhafte Kostengrundentscheidung anzufechten (vgl. Beschluss des Senats vom 23. Oktober 2003 - 2 Ws 740/03 - unter gleichzeitiger Darstellung der Gegenmeinung).

Als sofortige Beschwerde wertet der Senat hier indes in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft den Schriftsatz der Verteidigung vom 11. November 2003, mit dem inhaltlich die Ergänzung der ursprünglichen Kostenentscheidung begehrt wird. Zwar ist diese Eingabe nicht gemäß § 311 Abs. 2 StPO innerhalb einer Woche nach Verkündung der Entscheidung am 17. Januar 2003, sondern erst am 17. November 2003 (Eingangsstempel Bl. 274 d.A.) bei dem Landgericht Trier eingegangen. Insoweit ist der Beschwerdeführerin jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls eine Belehrung über die Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung seinerzeit nicht erfolgt war. Die fehlende Belehrung ist in der Folgezeit auch nicht nachgeholt worden. Zwar hatte der Rechtspfleger des Amtsgerichts Prüm seiner Erledigungsanfrage an den Verteidiger vom 20. August 2003 Kommentarablichtungen beifügen lassen, aus denen sich das Erfordernis der Einlegung einer sofortigen Beschwerde entnehmen ließ. Ungeachtet dessen, dass die Rechtsmittelbelehrung Sache des Landgerichts Trier gewesen wäre, hätte die Form der Unterrichtung aber auch nicht dem an eine Rechtsmittelbelehrung zu stellenden Erfordernis der Klarheit, Unmissverständlichkeit und Vollständigkeit entsprochen (vgl. Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 35 a Rdn. 13, 14 und 21). Gemäß §§ 44 S. 2, 35 a StPO war die Fristversäumung mithin mangels Rechtsmittelbelehrung als unverschuldet anzusehen (vgl. Hilger, a.a.O., Rdn. 24).

Der Zulässigkeit der danach als rechtzeitig anzusehenden sofortigen Beschwerde steht auch nicht die Ausschlussregelung aus § 464 Abs. 3 S. 1 2. HS StPO entgegen, wonach die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung unzulässig ist, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Denn diese Vorschrift erfasst nicht die Fälle, in denen der Beschwerdeführer - wie hier bei einem Freispruch - die Hauptentscheidung nur mangels Beschwer im Einzelfall nicht anfechten kann (vgl. Hilger, a.a.O., Rdn. 24, 52 und 57; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464 Rdn. 19).

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache den erstrebten Erfolg. Gemäß § 467 Abs. 1 StPO hätte das Landgericht der Staatskasse nicht nur die Kosten des Verfahrens, sondern auch die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen auferlegen müssen. Die Voraussetzungen zwingender oder im Ermessen des Gerichts liegender Ausnahmeregelungen nach § 467 Abs. 2 - 5 StPO sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Gemäß § 309 Abs. 2 StPO hat der Senat die erforderliche Ergänzung der Entscheidung selbst ausgesprochen.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden, hat der Senat in Abweichung von § 473 Abs. 7 StPO davon abgesehen, die Kosten der Wiedereinsetzung der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

In entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschwerdeführerin dieserhalb entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdn. 2).

Ende der Entscheidung

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