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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 23.04.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 150/01
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 146
Leitsatz:

Eine offensichtliche Rechtsverletzung liegt nicht vor, wenn eine vom Gesetzgeber ausdrücklich offen gelassene Rechtsfrage bisher obergerichtlich noch nicht entschieden ist.


2 Ws 150/01 34 Gs 2670/00 AG Trier SV 1204 B - B 3 Hauptzollamt Trier

In dem Grenzbeschlagnahmeverfahren nach § 146 MarkenG

wegen Verletzung von Markenrechten

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Mertens und Henrich am 23. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen Beschwerden der Drittbeteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 30. Januar 2001 werden jeweils als unbegründet verworfen.

Die Drittbeteiligten haben die Kosten ihrer Beschwerden und die der Erstbeteiligten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Die in den USA ansässige Erstbeteiligte erwarb von einer russischen Firma Parfumeriewaren der Marken "P., P.-Sp.", "A.", "E.A.", "G.A.", "S.", "T.", "P.", "D.N.", die von den Drittbeteiligten als Markeninhabern bzw. Lizenznehmern hergestellt und vertrieben werden. Die Parfumeriewaren waren von den Drittbeteiligten bzw. ihren Lizenzgebern in Rußland in den Verkehr gebracht worden; die Erstbeteiligte will sie in die USA importieren. Während des Transits in die USA beschlagnahmte die Zweitbeteiligte auf Antrag des Drittbeteiligten die Waren durch Verfügung vom 15. August 2000 unter Hinweis auf §§ 146 ff. MarkG mit der Begründung, es liege eine "ungenehmigte Paralleleinfuhr" vor. Durch Beschluss vom 30. Januar 2001 hat das Amtsgericht Trier die Beschlagnahme aufgehoben, nachdem das Landgericht Koblenz drei von den Drittbeteiligten gegen die Erstbeteiligte am 11. September 2000 erwirkte Unterlassungsverfügungen durch Urteile vom 17. Januar 2001 aufgehoben hatte. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts richten sich die sofortigen Beschwerden der Drittbeteiligten.

Die Rechtsmittel - sofortige Beschwerden gemäß § 148 Abs. 3 Satz 3 und 4 MarkG - haben keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Es mag offen bleiben, ob überhaupt eine Rechtsverletzung im Sinne des § 146 Abs. 1 MarkG zu bejahen ist; jedenfalls fehlt es an dem Erfordernis der Offensichtlichkeit.

Das Erfordernis der offensichtlichen Rechtsverletzung dient dem Zweck, sicherzustellen, dass die Beschlagnahme von Waren, die einen erheblichen Eingriff in den Warenverkehr bedeutet, bei unklarer Rechtslage unterbleibt und ungerechtfertigte Beschlagnahmen weitestgehend ausgeschlossen werden (vgl. Fezer MarkG 2. Aufl. § 146 Rdnr. 7 unter Hinweis auf die Begründung zum PrPG, BT-Drucksache 11/4792 vom 15. Juni 1989, S. 41). Die Zollbehörde soll Waren nur beschlagnahmen können, wenn die Rechtsverletzung durch importierte oder exportierte Waren auf der Hand liegt (Althammer/Ströbele/Klaka, MarkG 6. Aufl. § 146 Rdnr. 17 m.w.N.). Aus dem Vortrag des Antragstellers muss sich eine Rechtsverletzung "verhältnismäßig leicht und eindeutig" erkennen lassen (BFH MarkR 2000, 52, 55). Danach steht für den Senat außer Zweifel, dass von einer offensichtlichen Rechtsverletzung keine Rede sein kann, wenn eine vom Gesetzgeber ausdrücklich offen gelassene Rechtsfrage bisher obergerichtlich nicht entschieden ist. So aber liegt der Fall hier.

Die Zweitbeteiligte hat ihre Beschlagnahmeverfügung vom 15. August 2000 darauf gestützt, dass eine ungenehmigte Paralleleinfuhr vorliege. Im Falle eines ungenehmigten Parallelimports wäre eine offensichtliche Rechtsverletzung tatsächlich zu bejahen. Die von dem Landgericht Koblenz in den Urteilen vom 17. Januar 2001 vertretene Auffassung, es liege eine Erschöpfung des Markenrechts vor, ist unzutreffend. Eine Erschöpfung gemäß § 24 MarkG tritt nur ein, wenn die Ware innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums auf den Markt gebracht worden ist (BGH GRUR 1996, 271 - gefärbte Jeans -, Althammer/Ströbele/Klaka a.a.0. § 24 Rdnr. 21, 22 m.w.N.). Dies ist hier aber gerade nicht der Fall.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Parfumeriewaren von der Erstbeteiligten nicht nach Deutschland eingeführt werden sollten, sondern sich vielmehr zum Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme auf der Durchfuhr in die USA befanden. Soweit ersichtlich und für den Senat nachprüfbar, liegt bisher keine Entscheidung vor, die sich mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Umständen § 146 MarkG auch auf die Durchfuhr von Waren anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hatte die Frage ausdrücklich offen gelassen, in der Literatur ist sie umstritten (vgl. u.a. Althammer/Ströbele/Klaka a.a.0. § 14 Rdnr. 88; Fezer a.a.0. § 14 Rdnr. 483; Sack RiW 1995, 177, 183). Zu §§ 15, 24 WZG hatte der BGH die Auffassung vertreten, dass die Vorschriften nicht auf den reinen Transit anzuwenden seien (BGHZ 23, 100).

Zu der für den Tatbestand der Markenpiraterie geltenden EG-VO Nr. 3295/94 vom 22. Dezember 1994 hat der EuGH entschieden, dass sie auch für den Fall der Durchfuhr gelte (WRP 2000, 713). Der Auffassung der Drittbeteiligten, damit liege auch für § 146 MarkG eine verbindliche Entscheidung vor, dass die Vorschrift die Durchfuhr erfasse, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Die Entscheidung des EuGH ist nicht etwa mit allgemeinen Erwägungen zum Markenrecht und dem von ihm bezweckten Schutz begründet, die durchaus auch Bedeutung für die Auslegung innerstaatlichen Rechts haben könnten. Vielmehr beruht die Entscheidung maßgeblich auf der Auslegung des Wortlauts der VO, insbesondere der Definition des Begriffes "Nichterhebungsverfahren" (EuGH WRP 2000, 713, 715). Deshalb kann aus der Entscheidung des EuGH nicht ohne weiteres hergeleitet werden, dass § 146 MarkG in jedem Fall auf den Tatbestand der Durchfuhr anzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 472 b Abs. 1 Satz 2, 473 StPO.

Ende der Entscheidung

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