Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 206/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 322 I
StPO § 314 I
Leitsatz:

Wird gegen ein Urteil, das gegen zwei Angeklagte ergangen ist, Berufung eingelegt, muss aus der Berufungsschrift eindeutig hervorgehen, ob das Urteil hinsichtlich beider oder nur eines Angeklagten angefochten wird. Ist im Rubrum der Berufungsschrift nur der Name eines von zwei Angeklagten angeführt und fehlt auch der Zusatz "und andere", hat die Berufungsschrift den Erklärungsinhalt, dass die Berufung nur hinsichtlich des namentlich genannten Angeklagten eingelegt wird. Das Rubrum dient in einem solchen Fall nicht lediglich der Bezeichnung der Sache, sondern vielmehr des Angeklagten, auf den sich die Berufung bezieht; insoweit gehört es zum Inhalt der Rechtsmittelerklärung.


2 Ws 206/01 8014 Js 3551/00 - 6 Ns - StA Trier

In der Strafsache

wegen Körperverletzung

hier: Verwerfung der Berufung der Staatsanwaltschaft nach § 322 Abs. 1 Satz 1 StPO

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens am 29. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Trier gegen den Beschluss der 6. Strafkammer des Landgerichts Trier vom 13. Februar 2001 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten Wieczorrek dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Mit Urteil vom 19. Oktober 2000 verhängte der Strafrichter bei dem Amtsgericht Trier gegen den Angeklagten F. D. R. wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 DM. Der Mitangeklagte J. H. W. wurde dagegen freigesprochen.

Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft mit Telefax vom 23. Oktober 2000 Berufung ein. Die Berufungsschrift hatte folgenden Wortlaut:

"Staatsanwaltschaft Trier 54290 Trier, den 23.10.2000 - 8014 Js 3551/00 - 2 Ds -

An das Amtsgericht - Strafrichter -

54290 Trier

In der Strafsache

gegen F. D. R.

wegen gefährlicher Körperverletzung

lege ich gegen das Urteil des Amtsgerichts -Strafrichter- Trier vom 19.10.2000 das Rechtsmittel der

Berufung

ein.

(R.)

Leitender Oberstaatsanwalt"

Aufgrund dieses Inhalts der Berufungsschrift ging das Amtsgericht davon aus, dass die Berufung nur bezüglich des Angeklagten R. eingelegt worden sei. Bezüglich des Angeklagten W. wurde daraufhin die Rechtskraft des Urteils zum 27. Oktober 2000 in einem auf der Urteilsurkunde angebrachten Rechtskraftvermerk bescheinigt. Hinsichtlich des Angeklagten R. wurden die Akten der Staatsanwaltschaft Trier gemäß § 320 StPO übersandt. Mit Anschreiben vom 4. Dezember 2000 beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht Trier, den Rechtskraftvermerk (bezüglich des Angeklagten W.) zu löschen, weil das Urteil insgesamt, also ohne Beschränkung auf den Angeklagten R. mit der Berufung angefochten worden sei. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht nicht, weil es die Auffassung vertrat, nach dem Inhalt der Berufungsschrift sei die Berufung eindeutig nur bezüglich des Angeklagten R. eingelegt worden.

Durch Verfügung vom 11. Dezember 2000 sandte die Staatsanwaltschaft die Akten gemäß § 317 StPO unter Bezugnahme auf die als Anlage beigefügte, bezüglich der Angeklagten R. und W. gefertigte Berufungsbegründung vom 11. Dezember 2000 an das Amtsgericht zurück. In der Berufungsbegründung wurde zur Frage des Umfangs der Berufungseinlegung ausgeführt, das Urteil des Amtsgerichts sei bezüglich des Angeklagten W. nicht rechtskräftig geworden. Eine Beschränkung der Berufung auf den Angeklagten R. sei nicht erfolgt. Bei der Einlegung der Berufung sei lediglich bei der Bezeichnung der Sache der Zusatz "u.a." oder "und W." versehentlich unterblieben. Das Urteil sei, dem Willen der Staatsanwaltschaft entsprechend, insgesamt, ohne ausdrückliche Beschränkung auf den Angeklagten R., angefochten worden. Das Amtsgericht legte daraufhin die Akten dem Landgericht Trier zur Entscheidung vor.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2001 hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Trier die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das den Angeklagten W. freisprechende Urteil des Amtsgerichts Trier vom 19. Oktober 2000 als unzulässig verworfen. Die Strafkammer hat ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die Staatsanwaltschaft nach dem Inhalt ihrer Berufungsschrift das Rechtsmittel nur bezüglich des Angeklagten R. eingelegt habe. Hinsichtlich des Angeklagten W. mangele es der Berufungseinlegung an der von § 314 StPO geforderten Schriftform bzw. der Rechtzeitigkeit der Einlegung der Berufung. Die Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2000 enthalte nicht den Hinweis, dass auch die Entscheidung, soweit sie den Angeklagten W. betreffe, Gegenstand des Rechtsmittels sein solle. Zur Schriftform gehöre aber unter anderem, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden solle, hinreichend zuverlässig entnommen werden könne. Zum Inhalt der Erklärung gehöre demnach auch, dass erkennbar sei, auf wen sich diese Erklärung, hier die Berufung, beziehen solle. Das sei indes im Hinblick auf den Angeklagten W. nicht der Fall.

Soweit der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 4. Dezember 2000 und der Berufungsbegründung vom 11. Dezember 2000 der Wille der Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, auch bezüglich des Angeklagten W. Berufung einlegen zu wollen, wäre die darin eventuell zu sehende Berufungseinlegung verspätet, da die Einlegungsfrist bereits am 26. Oktober 2000 abgelaufen gewesen sei.

Gegen diese ihr am 16. Februar 2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 22. Februar 2001 bei dem Landgericht Trier eingegangene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die sie unter dem 8. März 2001 näher ausgeführt hat. Die Staatsanwaltschaft hält an ihrer Auffassung fest, ihre Berufung sei auch gegen den Angeklagten W. eingelegt worden. Mit ihrem Schreiben vom 23. Oktober 2000 habe sie "gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Trier vom 19. Oktober 2000 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt". Da das Urteil des Amtsgerichts Trier gegen die Angeklagten R. und W. ergangen sei, richte sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft folglich auch gegen beide. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Staatsanwaltschaft eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Angeklagten R. erklärt hätte. Dies sei indes nicht der Fall. Zwar sei der Angeklagte W. in der Rechtsmitteleinlegungsschrift bei der Bezeichnung der Strafsache nicht ausdrücklich benannt worden. Dies sei aber unschädlich; denn das Rubrum diene nur der Bezeichnung der Strafsache. Es sei weder Inhalt noch Teil der Prozesserklärung, so dass ihm eine beschränkende Wirkung nicht zukomme. Überdies wäre eine Rechtsmittelbeschränkung nur wirksam, wenn sie eindeutig erklärt wäre. Auch daran würde es vorliegend fehlen.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung der Strafkammer entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Senat ist ebenfalls der Rechtsauffassung, dass mit der - oben inhaltlich wiedergegebenen - Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2000 Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 19. Oktober 2000 nur hinsichtlich des Angeklagten R. eingelegt worden ist. Nach § 314 Abs. 1 StPO kann die Berufung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. Wird sie - wie vorliegend - schriftlich eingelegt, so muss sie den an die Schriftform zu stellenden Anforderungen genügen. Dazu gehört vor allem, dass - worauf die Strafkammer zutreffend hingewiesen hat - der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, aus dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden kann (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes [GmS-OGB in NJW 1980, 172, 174; auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., Einl. Rdnr. 128 m.w.N. zur Rechtsprechung). Dem Inhalt der Berufungseinlegungsschrift der Staatsanwaltschaft vom 23. Oktober 2000 kann zuverlässig nur die Erklärung entnommen werden, dass die Berufung bezüglich des Angeklagten R. eingelegt werden sollte. Dies folgt daraus, dass im Rubrum der Berufungsschrift allein der Angeklagte R. genannt ist. Wird Berufung gegen ein Urteil eingelegt, das - wie vorliegend - gegen zwei Angeklagte ergangen ist, dient die Namensangabe im Rubrum der Berufungseinlegungsschrift nicht - wie die Staatsanwaltschaft meint - lediglich der Bezeichnung der Strafsache, sondern der Bezeichnung desjenigen Angeklagten, gegen den sich die Berufung richtet. Der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung der Staatsanwaltschaft, das Rubrum sei weder Inhalt noch Teil der Prozesserklärung, vermag der Senat nicht zu folgen. Worauf die Staatsanwaltschaft ihre Auffassung stützt, das Rubrum sei nicht Teil einer Rechtsmittelerklärung, ist nicht ersichtlich. Der Inhalt einer schriftlich abgegebenen Erklärung ist vielmehr nach dem Gesamtinhalt des Schriftstücks zu beurteilen. Hiernach ist auch das Rubrum einer Rechtsmittelschrift als Teil der Rechtsmittelerklärung anzusehen, der maßgebende Bedeutung zukommt. Hätte die Staatsanwaltschaft daher Berufung auch hinsichtlich des Angeklagten W. einlegen wollen, hätte dies durch die Angabe seines Namens im Rubrum der Berufungsschrift, zumindest aber durch den Zusatz "u.a." deutlich gemacht werden müssen. Ohne diese Angaben ist der Berufungseinlegungsschrift nicht zu entnehmen, dass das Rechtsmittel sich auch gegen den Angeklagten W. richten sollte. Der in der Beschwerdebegründung vertretene Rechtsstandpunkt, die Berufung habe sich gegen beide Angeklagte gerichtet, weil die Berufung "gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - vom 19. Oktober 2000 "eingelegt worden sei, das beide Angeklagten betreffe, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Angabe des angefochtenen Urteils zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört. Ohne die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung eingelegt wird, wäre das Rechtsmittel unzulässig. Für den Umfang der Anfechtung kann aus der Bezeichnung des angefochtenen Urteils daher nichts entnommen werden.

Der Einwand, die Beschränkung der Berufung auf den Angeklagten R. sei mangels Eindeutigkeit der Erklärung nicht wirksam gewesen, greift ebenfalls nicht durch. Vorliegend geht es nicht um die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung, sondern um den Erklärungsinhalt der nach dem Wortlaut der Rechtsmittelschrift nur auf einen von zwei Angeklagten beschränkten Berufungseinlegung, mithin um den Umfang der Berufung.

Die Verwerfung der hinsichtlich des Angeklagten W. eingelegten Berufung der Staatsanwaltschaft als unzulässig, weil in Bezug auf ihn eine fristgerechte Berufung nicht eingelegt wurde, war mithin rechtens. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft war deshalb als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück