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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 322/02
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70 II
1. Der Versagungsgrund der Gefährdung von Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG setzt eine konkrete Gefahr voraus, deren Vorliegen in nachprüfbarer Weise festgestellt werden muss.

2. Soweit die Gefährdung daraus hergeleitet wird, dass ein Gefangener, der die ihm erteilte Genehmigung zur Einbringung eines privaten Fernsehgerätes an sich nicht missbrauchen würde, von anderen Insassen der JVA unter Druck gesetzt und dadurch zum "Einschleusen eines manipulierten Gerätes" veranlasst werden könnte, handelt es sich ersichtlich um eine hypothetische (abstrakte) Gefahr, die konkreter Anknüpfungspunkte entbehrt und daher die Versagung der in Rede stehenden Genehmigung nicht zu rechtfertigen vermag.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 2 Ws 322/02

In der Strafvollzugssache

wegen Diebstahls u.a. hier: Genehmigung des Besitzes eines von Angehörigen übersandten eigenen Fernsehgerätes

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens

am 15. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier vom 27. Februar 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 250 € festgesetzt.

Gründe:

Mit Antrag vom 26. Januar 2002 bat der Strafgefangene, der zur Zeit eine wegen Diebstahls gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten in der JVA Trier verbüßt, um Erteilung der Genehmigung, sich ein Fernsehgerät von Zuhause zusenden lassen zu dürfen. Zugleich erklärte er sich bereit, Kosten für die Überprüfung des Fernsehgerätes durch einen Fachhandel zu bezahlen. Diesen Antrag lehnte der zuständige Vollzugsabteilungsleiter am 28. Januar 2002 mit der Begründung ab, alle Geräte, die sich als Versteckmöglichkeiten für das Einschleusen von sicherheitsrelevanten Gegenständen eigneten, also auch Fernsehgeräte, dürften aus Sicherheitsgründen nur durch Vermittlung der Anstalt beschafft werden. Eine Überprüfung der auf anderem Wege beschafften Geräte sei wegen der Personalsituation, der Überbelegung und des Kontrollaufwandes nicht möglich.

Gegen den ablehnenden Bescheid der Anstalt stellte der Gefangene mit Schreiben vom 30. Januar 2002 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 ff. StVollzG, mit dem er die Verpflichtung der JVA zur Erteilung der beantragten Genehmigung der Übersendung des Fernsehgerätes und die Feststellung der Rechtswidrigkeit deren Ablehnung erstrebte.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2002 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier den Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes in der Justizvollzugsanstalt setze nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG voraus, dass die Sicherheit der Anstalt dadurch nicht gefährdet werde. Dem Einbringen eines Fernsehgerätes, das nicht über die Anstalt oder durch deren Vermittlung bezogen werde, stehe die Gefährdung der Anstaltssicherheit entgegen. Zur Begründung dieser Auffassung hat sie folgendes ausgeführt:

"Nach § 69 Abs. 2 StVollzG werden eigene Fernsehgeräte in Justizvollzugsanstalten nur unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen. Der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung setzt danach u.a. voraus, dass die Sicherheit der Anstalt dadurch nicht gefährdet wird, § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht dem Einbringen eines Fernsehgerätes in die Justizvollzugsanstalt Trier, welches nicht über die Anstalt oder deren Vermittlung bezogen wird, der Aspekt der Gefährdung der Anstaltssicherheit entgegen.

Fernsehgeräte bieten bauartbedingt und auf Grund ihrer komplexen Konstruktion nicht nur die Möglichkeit für technische Manipulationen, z.B. zum Empfang und auch zur Übermittlung von Nachrichten. Während derartige technische Eingriffe im Zuge einer Überprüfung durch einen zuverlässigen Fachbetrieb aufgedeckt werden können, besteht daneben die Gefahr, dass ein Fernsehgerät auch wegen der in ihm vielfältig vorhandenen Versteckmöglichkeiten zu Zwecken benutzt wird, die mit einem ordnungsgemäßen Strafvollzug und den zu beachtenden Sicherheitsanforderungen nicht zu vereinbaren sind. So können beispielsweise Gegenstände oder Stoffe in durch Sicht - und technische Überprüfung nicht zugänglichen Stellen der Geräte verborgen werden oder aber Informationen, die die Sicherheit der Anstalt gefährden, im Gerät versteckt überbracht werden. Während derartige Eingriffe bei fabrikneuen über die Anstalt oder durch deren Vermittlung bezogenen Geräten nicht zu befürchten sind, ist dies sehr wohl der Fall, wenn ein Fernsehgerät aus dem privaten Bereich eines Gefangenen in die Justizvollzugsanstalt eingebracht wird. In einem solchen Fall können durch unter Umständen zeitaufwendige oder fantasievolle Eingriffe Manipulationen erfolgen, die bei einer Überprüfung durch anstaltsinterne Fachbetriebe nicht aufgedeckt werden können. Zutreffend weist die Justizvollzugsanstalt Trier in diesem Zusammenhang darauf hin, dass außenstehende Betriebe mit den sicherheitsrelevanten Aspekten, die in der Justizvollzugsanstalt zu beachten sind, nicht vertraut sind. Deren Fachkenntnisse betreffen nur den technischen Bereich.

Dass unter Umständen von dem einzelnen Antragsteller eine spezielle Missbrauchsgefahr nicht ausgeht, ändert nichts am Erfordernis des Verbots des Einbringens privateigener Fernsehgeräte. In der Justizvollzugsanstalt Trier sind neben Strafgefangenen auch Untersuchungshäftlinge untergebracht, denen erhebliche Straftaten zur Last gelegt werden, bis hin zur Begehung von Kapitalverbrechen. Es besteht die begründete Gefahr, dass auch derjenige Gefangene der die Genehmigung zur Einbringung eines privaten Fernsehgerätes an sich nicht missbrauchen würde, unter Umständen dem Einfluss anders gesonnener Insassen der Justizvollzugsanstalt ausgesetzt ist, die ihn beispielsweise unter Druck zum Einschleusen eines manipulierten Gerätes veranlassen."

Gegen den ihm am 6. März 2002 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8. April 2002 (Montag) zu Protokoll der Rechtspflegerin des Landgerichts Trier eingelegte Rechtsbeschwerde des Gefangenen, mit der er die Verletzung des § 116 Abs. 2 StVollzG rügt und die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt. Er hält die von der Strafvollstreckungskammer vertretene Rechtsansicht, dass von einem nicht über die Anstalt oder durch deren Vermittlung beschafften Fernsehgerät grundsätzlich eine Missbrauchsgefahr ausgehe und daher eine spezielle Prüfung, ob im Einzelfall eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt vorliege, nicht erfolgen müsse, für rechtsfehlerhaft.

Dem in formaler Hinsicht nicht zu beanstandenden Rechtsmittel des Strafgefangenen kann ein jedenfalls vorläufiger Erfolg nicht versagt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Denn ohne eine Überprüfung durch den Senat ist zu besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer auch künftig gleichermaßen fehlerhafte Entscheidungen zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG trifft.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Versagungsgrund der Gefährdung von Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG setzt nach allgemeiner Rechtsansicht eine konkrete Gefahr voraus, deren Vorliegen in nachprüfbarer Weise festgestellt werden muss (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Auflage, § 70, Rdn. 5 m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Der angefochtene Beschluss lässt indes eine tragfähige Begründung für die angenommene Gefährdung der Anstaltssicherheit vermissen. Soweit die Gefährdung daraus hergeleitet wird, dass ein Gefangener, der die ihm erteilte Genehmigung zur Einbringung eines privaten Fernsehgerätes an sich nicht missbrauchen würde, von anderen Insassen der JVA unter Druck gesetzt und dadurch zum "Einschleusen eines manipulierten Gerätes" veranlasst werden könnte, handelt es sich ersichtlich um eine hypothetische (abstrakte) Gefahr, die konkreter Anknüpfungspunkte entbehrt und daher die Versagung der in Rede stehenden Genehmigung nicht zu rechtfertigen vermag. Aber auch die von der Strafvollstreckungskammer in erster Linie für die Annahme der Sicherheitsgefährdung angeführte Erwägung, bei einem dem Gefangenen von privater Seite zugesandten Fernsehgerät bestehe im Gegensatz zu fabrikneuen, über die Anstalt oder durch deren Vermittlung bezogenen Fernsehgeräten wegen der bauartbedingten Versteckmöglichkeiten stets die Gefahr des Einbringens unerlaubter Gegenstände, der mittels einer Überprüfung durch anstaltsinterne Fachbetriebe nicht wirksam begegnet werden könne, vermag eine konkrete Gefährdung nicht zu begründen. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Besitz von Elektrogeräten, die aufgrund ihrer Bauart (Hohlräume) Versteckmöglichkeiten bieten, nicht wegen Gefährdung der Anstaltssicherheit zu versagen ist, wenn der Gefahr des Missbrauchs der Geräte als Versteck für unerlaubte Gegenstände durch eine von einem Fachbetrieb angebrachte Verplombung der Geräte begegnet werden kann (vgl. die Auflistung der jeweiligen Geräte bei Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 70 Rdn. 5 unter Hinweis auf die jeweiligen Gerichtsentscheidungen). Soweit die Strafvollstreckungskammer demgegenüber die Auffassung vertritt, die Missbrauchsgefahr könne weder durch eine Überprüfung der Fernsehgeräte in anstaltsinternen Fachbetrieben noch in Fachbetrieben außerhalb der Anstalt beseitigt werden, weil die anstaltsinternen Fachbetriebe zur Aufdeckung der ggf. "zeitaufwendig und fantasievoll vorgenommenen Eingriffe" nicht in der Lage seien und die Fachbetriebe außerhalb der Anstalt mit den in der Anstalt zu beachtenden sicherheitsrelevanten Aspekten nicht vertraut, sondern lediglich auf den technischen Bereich beschränkt seien, stellt sie - abgesehen davon, dass die Art der für möglich gehaltenen Eingriffe nicht näher angegeben wird - überzogene Anforderungen an die für einen Ausschluss der Gefährdung erforderlichen Maßnahmen. Die Strafvollstreckungskammer hat insoweit nicht berücksichtigt, dass die von einem Fachhandel vorgenommene Verplombung eines Elektrogerätes von der Anstalt selbst als ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Missbrauchsgefahr angesehen wird, wie aus den von ihr ausgegebenen Antragsformularen für die Benutzung von eigenen Elektrogeräten ersichtlich ist. In der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Gefangene insoweit zutreffend geltend gemacht, die Anstalt weise in ihren Mitteilungen selbst auf die Möglichkeit einer entsprechenden Überprüfung verplombter Elektrogeräte hin und auch ein über den Anstaltskaufmann oder den Versandhandel bezogenes Fernsehgerät weise bauartbedingte Versteckmöglichkeiten auf, jedoch bei diesen Geräten eine Missbrauchsgefahr aufgrund der durch den Fachhandel unverzüglich vorgenommenen Verplombung und die Durchführung der üblichen Kontrollen nicht angenommen werde. Da die Strafvollstreckungskammer den bestehenden Möglichkeiten der Reduzierung der Missbrauchsgefahr nicht ausreichend Rechnung getragen hat, beruht ihre Annahme, durch die Einbringung eines dem Gefangenen von privater Seite übersandten Fernsehgerätes sei die Sicherheit der Anstalt grundsätzlich gefährdet und die Erteilung der beantragten Genehmigung ohne Einzelfallprüfung stets zu versagen, nicht auf einer tragfähigen Grundlage.

Hiernach war der angefochtene Beschluss gemäß § 119 Abs. 4 S. 1 StVollzG aufzuheben. Da mangels tatsächlicher Feststellungen zur Möglichkeit des Ausschlusses einer Missbrauchsgefahr durch Maßnahmen anstaltsinterner oder externer Fachbetriebe noch keine Spruchreife gegeben ist, war die Sache gemäß § 119 Abs. 4 S. 3 StVollzG zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier zurückzuverweisen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 48 a, 13 GKG.

Ende der Entscheidung

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