Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 396/01
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 19
Ist ein Gegenstand in die Formularliste zur "Refa-Haftraumkontrolle" aufgenommen, hat ein Strafgefangener grundsätzlich einen Anspruch auf Erwerb des Gegenstandes, sofern - ggf. durch Herausgabe sonstiger Gegenstände - der Gesamtkontrollaufwand von 2.400 Punkten nicht überschritten wird.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ws 396/01

In der Strafvollzugssache

wegen Mordes hier: Genehmigung einer Topfpflanze,

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Pott, Mertens und Henrich

am 23. August 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen werden der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 20. März 2001 und der Bescheid der Justizvollzugsanstalt Diez vom 19. Dezember 2000 aufgehoben.

Die Justizvollzugsanstalt Diez wird angewiesen, den Antrag des Strafgefangenen auf Genehmigung einer Topfpflanze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Strafgefangenen fallen der Staatskasse zur Last.

Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 100 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Strafgefangene verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Diez eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 beantragte er unter Bezugnahme auf die Formularliste zur sogenannten "REFA-Haftraumkontrolle" die Genehmigung zum Erwerb einer Topfpflanze; er werde dafür Gegenstände mit einem Kontrollwert von insgesamt 16 Punkten entsprechend der Formularliste herausgeben. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 wies die JVA den Antrag mit der Begründung zurück, Topfpflanzen würden in der JVA Diez aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen. Durch Beschluss vom 20. März 2001 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten. Denn ohne eine Überprüfung der Entscheidung durch den Senat ist zu besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer auch in Zukunft gleichermaßen fehlerhafte Entscheidungen hinsichtlich der Genehmigung von Gegen-ständen trifft, die in die Formularliste zur "REFA-Haftraumkontrolle" aufgenommen sind.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Die in der Justizvollzugsanstalt Diez angewandte "REFA-Haftraumkontrolle" stellt eine taugliche Methode zur Feststellung der Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit eines Haftraumes dar (vgl. Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - 1 Ws 605/00 - Vollz). Dem ist der Senat mehrfach gefolgt, indem er gegen die "REFA-Haftraumkontrolle" gerichtete Rechtsbeschwerden von Strafgefangenen gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig verworfen hat.

Das "REFA"-Formular enthält eine übersichtliche und leicht verständliche Aufstellung der üblichen Haftraumeinrichtung und - ausstattung, wobei für jeden Gegenstand (abstrakt) ein "Einzelkontrollaufwand" und (konkret) ein "Gesamtkontrollaufwand" jeweils in Punkten bemessen aufgelistet sind. Der "Einzelkontrollaufwand" spiegelt die von der Arbeitsgruppe des Ministeriums der Justiz entwickelten Messwerte wieder, aus denen sich ergibt, welcher Zeitaufwand in Testversuchen für die Kontrolle des jeweiligen Gegenstandes (z.B. eines Buches oder einer Topfpflanze) ermittelt wurde und der in sogenannte "Zeitwertpunkte" umgerechnet wurde (0,1 min. = 1 Zeitwertpunkt). Der "Gesamtkontrollaufwand" errechnet sich aus der Summe der im Besitz des Strafgefangenen befindlichen Einzelwerte. Die dafür ermittelten Werte erscheinen angemessen (vgl. Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, a.a.O.). Durch die Aufnahme von Gegenständen in die Formularliste ist die Verwaltung eine Selbstbindung eingegangen. Es ist grundsätzlich Sache des Strafgefangenen, sich die Ausstattung seines Haftraumes bis zu einer Gesamtpunktzahl von 2.400 selbst zusammenzustellen. Demgemäß überlässt es die JVA den Strafgefangenen, die die Gesamtpunktzahl von 2.400 überschritten haben, welche Gegenstände sie herausgeben wollen. Entsprechend hat der einzelne Strafgefangene grundsätzlich einen Anspruch darauf, in die Liste aufgenommene Gegenstände zu erwerben und gegen sonstige dort aufgeführte einzutauschen, soweit er die Gesamtpunktzahl von 2400 nicht überschreitet.

Die Erwägung der JVA, gerade bei einer Anstalt mit besonders hohem Sicherheitsgrad wie in der JVA Diez, gehe mit der Zulassung von Topfpflanzen ein zusätzlicher Kontrollaufwand einher, welcher zu Lasten der bereits jetzt notwendigen und umfangreichen Kontrollen führen würde, ist ermessensfehlerhaft. Soweit auf einen zusätzlichen Kontrollaufwand verwiesen wird, wird verkannt, dass der Strafgefangene doch verpflichtet ist, sonstige Gegenstände herauszugeben, so dass der als angemessen angesehene Gesamtkontrollaufwand von 2.400 Punkten, der einer Zeit von vier Stunden entspricht, nicht überschritten wird. Ebenso wenig kann sich die JVA darauf berufen, dass eine Topfpflanze "vielfältige und zudem nur schwerlich kontrollierbare Versteckmöglichkeiten" biete. Dem steht die Bewertung der Arbeitsgruppe des Ministeriums der Justiz entgegen, die in Testversuchen einen Kontrollaufwand von 16 Zeitwertpunkten für eine Topfpflanze ermittelt hat. Damit ist die Kontrollierbarkeit einer Topfpflanze schlechthin und auch deren Dauer festgelegt. Hieran ist die JVA gebunden. Deshalb kommt es auch auf die von der Strafvollstreckungskammer angestellten, im übrigen sachlich unrichtigen Erwägungen zur Kontrollierbarkeit einer Topfpflanze, auf die sich die JVA auch nicht berufen hat, nicht an.

Die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, die Unterschreitung der Obergrenze von 2.400 Zeitwertpunkten könne keinesfalls dazu führen, dass jedem Strafgefangenen zur Auffüllung des Restguthabens jedweder Besitz jedweden Gegenstandes möglich sei, beispielsweise könne ein Strafgefangener bei Nichterreichen der Obergrenze nicht einen Anspruch auf Besitz eines Funkgerätes o.ä. geltend machen, liegt neben der Sache. Hierbei wird schlicht verkannt, dass ein Funkgerät im Gegensatz zu einer Topfpflanze - nicht in die Formularliste aufgenommen worden ist.

Der danach grundsätzlich gegebene Anspruch des Strafgefangenen auf Erwerb einer Topfpflanze kann aus besonderen, in seiner Person liegenden Gründen entfallen. Die hierzu von der JVA angeführten Gründe sind jedoch nicht stichhaltig. Die Erwägung, es sei nicht auszuschließen, dass er von Mitgefangenen unter Druck gesetzt werden könnte, um verbotene Handlungen an der Topfpflanze zu gestatten, trifft auf jeden Strafgefangenen zu. Ohne nähere Begründung ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar, wie er die "vielfältigen Versteckmöglichkeiten, die eine Topfpflanze bietet", zu einem Fluchtversuch nutzen sollte.

Entsprechend dem Antrag des Strafgefangenen ist der angefochtene Bescheid deshalb aufzuheben und die JVA zur Neubescheidung des Strafgefangenen zu verpflichten (§ 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 121 Abs. 4 StVollzG, 467 Abs. 1 StPO analog, 48 a, 13 GKG. Die Feststellungsanträge des Strafgefangenen haben keine selbständige Bedeutung.

Ende der Entscheidung

Zurück