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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 580/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172 III 1
StPO § 172 I 1
Zu den erforderlichen Angaben im Klageerzwingungsantrag über die Einhaltung der Beschwerdefrist aus § 172 I 1 StPO.
Geschäftsnummer: 2 Ws 580/01

In dem Ermittlungsverfahren

wegen Untreue u.a. hier: Antrag der J. Q. (vormals G.), auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich

am 12. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Anzeigeerstatterin, gegen den Beschuldigten die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Mit Eingabe an die Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 8. April 1998 erstattete die Antragstellerin gegen den Beschuldigten Strafanzeige wegen Untreue und weiterer Straftatbestände. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Koblenz übernommen und mit Bescheid vom 5. Oktober 2000, dem Verfahrensbevollmächtigten der Anzeigeerstatterin zugegangen am 9. Oktober 2000, eingestellt. Mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Oktober 2000 legte die Antragstellerin Beschwerde ein, die mit Schriftsätzen vom 22. November 2000 und 5. April 2001 begründet wurde. Mit Bescheid vom 10. Mai 2001, dem Verfahrensbevollmächtigten zugegangen am 15. Mai 2001, hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der am 15. Juni 2001 bei dem Oberlandesgericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem die Anzeigeerstatterin das Ziel der Anklageerhebung gegen den Beschuldigten weiter verfolgt.

Der fristgerecht gestellte Klageerzwingungsantrag ist unzulässig, weil er nicht den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO entspricht.

Nach dieser Vorschrift muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen und Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Dazu ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die mit der in der Praxis und im Schrifttum herrschenden Meinung übereinstimmt, nicht nur eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des der Strafanzeige zugrundeliegenden Sachverhalts, die Mitteilung des Inhalts der angegriffenen Entscheidungen von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft sowie der Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit, sondern auch die Angabe des Datums des Zugangs des Einstellungsbescheids bei dem Antragsteller und des Eingangs seiner Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft erforderlich (vgl. Beschlüsse des Senats vom 29. Dezember 1999 - 2 Ws 794/99 - und vom 6. September 2000 - 2 Ws 530/00 - m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 172 Rdn. 27). Durch die letztgenannten Angaben soll das Oberlandesgericht in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten oder sonstige Unterlagen zunächst die formellen Voraussetzungen für einen Klageerzwingungsantrag zu prüfen, zu denen auch die Einhaltung der Fristen des Vorschaltverfahrens nach § 172 Abs. 1 S. 1 StPO gehört und von deren Vorliegen die Erfolgsaussichten des Antrags mit abhängen (vgl. OLG Düsseldorf in MDR 1993, 567, in MDR 1994, 193 und in NStZ-RR 1998, 365; OLG Hamm in MDR 1993, 566). Denn für den Erfolg des Antrags kommt es nicht nur darauf an, ob materiellrechtlich gesehen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegte Tat in einer künftigen gerichtlichen Hauptverhandlung nachgewiesen werden kann; von Bedeutung hierfür ist vielmehr auch, ob in formeller Hinsicht der Rechtsweg zum Oberlandesgericht überhaupt eröffnet ist und fristgerecht beschritten wurde. Ohne die Wahrung der Beschwerdefrist ist das Oberlandesgericht - anders als die Generalstaatsanwaltschaft - an einer Sachentscheidung von vornherein gehindert (vgl. BVerfG in NJW 1988, 1773; OLG Karlsruhe in NStZ 1982, 520). Gegen die sich hieraus ergebende Verpflichtung eines Antragstellers, die Einhaltung der Frist des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO darzulegen, bestehen aus verfassungsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken (vgl. BVerfG in NJW 1988, 1773 und in NJW 1993, 382 sowie Beschluss vom 18. Februar 1999 - 2 BvR 1201/98 -).

Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift nicht gerecht. Ihr ist nämlich nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit zu entnehmen, ob die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO eingehalten worden ist. Die Antragstellerin teilt dazu lediglich mit, "mit einem Schreiben vom 20.10.2000" Beschwerde eingelegt zu haben, gibt indes das für die Fristwahrung maßgebliche Datum des Eingangs bei der Staatsanwaltschaft nicht an. Von dieser Angabe, die aus Gründen der Klarheit und Sicherheit grundsätzlich in der Antragsschrift enthalten sein sollte, kann nur dann abgesehen werden, wenn sich auch ohne sie anhand der näheren Umstände des Falles die Einhaltung der Beschwerdefrist aufdrängt (vgl. OLG Hamm in VRS 98, 435) oder wenn deren Wahrung bei lebensnaher Betrachtung zumindest naheliegt (vgl. BVerfG in NJW 1993, 382 und Beschluss vom 18. Februar 1999 - 2 BvR 1201/98; OLG Hamm in NStZ 1992, 250). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden. Zwar wurde das Beschwerdeschreiben am 20. Oktober 2000 gefertigt, während die Zweiwochenfrist für den Eingang bei der Staatsanwaltschaft erst am 23. Oktober 2000 ablief. Die Besonderheit liegt jedoch darin, dass der 20. Oktober 2000 auf einen Freitag und der 23. Oktober 2000 auf den nachfolgenden Montag fiel. Dass anwaltliche Schriftsätze in aller Regel schnellstmöglich noch am Tage des Diktats gefertigt und zur Post gegeben oder an den Adressaten gefaxt werden (hier am 20. Oktober 2000), kann nicht ohne weiteres als selbstverständlich gegeben unterstellt werden. Ebensowenig entspricht es den üblichen Gepflogenheiten, dass Schriftsätze auch an arbeitsfreien Tagen (hier der 21. und 22. Oktober 2000) von Praxismitarbeitern bei der Post eingeliefert werden. Mit einer normalen Absendung am nächsten Wochentag (23. Oktober 2000) wäre die Beschwerdefrist indes nicht mehr einzuhalten gewesen.

Unter diesen speziellen Umständen hätte die Antragstellerin entweder das Datum des Eingangs der Beschwerdeschrift bei der Staatsanwaltschaft angeben oder zumindest nähere zeitliche Angaben zu deren Absendung machen müssen. Zu ersterem ist anzumerken, dass ihr dies angesichts der für die Stellung des Klageerzwingungsantrags zur Verfügung stehenden Frist von einem Monat ab Zugang des Beschwerdebescheids der Generalstaatsanwaltschaft (§ 172 Abs. 2 S. 1 StPO) und angesichts der Möglichkeit, sich durch Akteneinsicht oder durch Nachfrage von Seiten des Verfahrensbevollmächtigten von dem Eingangsstempel Kenntnis zu verschaffen, ohne weiteres zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerfG in NJW 1988, 1773).

Sich über den Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdeschrift durch Einblick in die staatsanwaltlichen Verfahrensakten selbst Klarheit zu verschaffen, ist nicht Aufgabe des Senats (vgl. OLG Düsseldorf in VRS 84, 450, 451; BVerfG in NJW 1988, 1773). Durch eine derartige Vorgehensweise würden Inhalt und Regelungsgehalt des § 173 Abs. 1 StPO, wonach die Staatsanwaltschaft ihre Akten "auf Verlangen des Gerichts" vorzulegen hat, in ihr Gegenteil verkehrt. Die Vorschrift geht offenkundig davon aus, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Gericht anzubringen ist, welches zunächst - ohne Berücksichtigung des Akteninhalts - die Schlüssigkeitsprüfung vornimmt. Erst dann ergibt sich die Frage der Überprüfung der vorgetragenen Formerfordernisse anhand der zu diesem Zwecke beizuziehenden staatsanwaltlichen Vorgänge (vgl. OLG Hamm in NStZ 1992, 250).

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, es genüge, wenn sich die Einhaltung der Beschwerdefrist - ohne Rückgriff aufdie Akten - zwar nicht aus dem Antrag selbst, aber durch einen "einfachen Blick" in die ihm zur Ergänzung und Verdeutlichung beigefügten Anlagen ersehen lasse (vgl. OLG Hamm in VRS 98, 435, 437; OLG Bamberg in NStZ 1990, 202). Denn die dem Antrag beigefügten Anlagen verhalten sich zu dem Eingang der Beschwerdeschrift ebenfalls nicht.

Danach war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Eine Heilung des aufgezeigten Mangels ist wegen Ablaufs der in § 172 Abs. 2 S. 1 StPO bestimmten Frist nicht möglich.

Da der Antrag bereits aus formellen Gründen zu verwerfen war, hatte eine Kostenentscheidung nicht zu ergehen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 177 Rdn. 1).

Ende der Entscheidung

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