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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 747/00
Rechtsgebiete: StGB, BGB, SGB V, SGB X, Ärzte-ZV, StPO


Vorschriften:

StGB § 263
BGB § 718
BGB § 722
BGB § 710
BGB §§ 705 ff.
SGB V § 95 Abs. 6
SGB X § 45
Ärzte-ZV § 20
Ärzte-ZV § 32 Abs. 1 Satz 1
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 2 Ws 747/00 2030 Js 29806/99 - StA Koblenz

In der Strafsache

wegen Betrugs

hier: Haftbeschwerde des Angeklagten

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Mertens am 20. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 14. November 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Koblenz vom 10. September 1999 - 30 Gs II 2937/99 -, erweitert durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 28. September 1999, erneut erweitert und neu gefasst durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 10. November 1999, in Verbindung mit dem Beschluss des erkennenden Senats vom 2. März 2000 - 2 Ws 92 - 94/00 - wegen dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen Abrechnungsbetrugs in 19 Fällen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt ........ Die Hauptverhandlung hat am 30. Mai 2000 vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz begonnen und dauert derzeit an. Am 23. Verhandlungstag beantragte der Angeklagte durch seine Verteidiger, den vorbezeichneten Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise ihn gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Nach seiner Auffassung hat die bisher durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass weder der dringende Tatverdacht des Abrechnungsbetrugs noch der Haftgrund der Fluchtgefahr weiterhin angenommen werden können. Die 9. Strafkammer hat den Antrag des Angeklagten durch in der Hauptverhandlung vom 14. November 2000 verkündeten Beschluss als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die durch Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. G...... vom 15. November 2000 eingelegte und durch weitere Schriftsätze der Verteidiger vom 17. November 2000 und 7. Dezember 2000 ergänzend ausgeführte Beschwerde des Angeklagten, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.

Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten ist nicht begründet. Die Untersuchungshaft wird auch weiterhin zu Recht gegen ihn vollzogen.

Die den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund der Fluchtgefahr begründenden Umstände, die der Senat in seinem die weitere Haftbeschwerde des damaligen Beschuldigten als unbegründet verwerfenden Beschluss vom 2. März 2000 - 2 Ws 92 - 94/00 - im Einzelnen dargelegt hat, haben sich seitdem nicht zugunsten des Angeklagten geändert. Was den dringenden Tatverdacht anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei Haftentscheidungen, die - wie hier - nach Beginn der Hauptverhandlung getroffen werden, in erster Linie auf die Beurteilung durch das Tatgericht abzustellen ist, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet und das deshalb über sachnähere Erkenntnisse verfügt als das auf die Auswertung des Akteninhalts beschränkte Beschwerdegericht (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Januar 1996 - 2 Ws 6/96 - m.w.N.). So vermag der Senat vorliegend aufgrund eigener Erkenntnisse nicht zu beurteilen, ob die in der bisherigen Hauptverhandlung gehörten Zeugen das ausgesagt haben, was in der Beschwerdeschrift auf Seiten 2 bis 7 als deren Bekundungen wiedergegeben ist, oder ob es sich dabei - wie die Staatsanwaltschaft geltend macht - um eine selektive Auswahl einzelner für den Angeklagten günstiger Passagen der jeweiligen Zeugenaussagen handelt, dagegen andere, für den Angeklagten nicht günstige Aussageteile nicht angeführt worden sind.

Die Strafkammer hat indes den dringenden Tatverdacht nach einer vorläufigen Gesamtwürdigung des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme bejaht und dies im angefochtenen Beschluss im Einzelnen dargelegt. Ihrer Wertung hat der Senat, soweit sie auf den in der Hauptverhandlung getroffenen tatsächlichen Feststellungen beruht, Vorrang einzuräumen und sie seiner Beurteilung des dringenden Tatverdachts in tatsächlicher Hinsicht zugrundezulegen. Dem kann die Beschwerde nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Strafkammer habe im angefochtenen Beschluss das Ergebnis der Beweisaufnahme nur unzureichend wiedergegeben, insbesondere die in der Antragsschrift der Verteidiger vom 30. Oktober 2000 angeführten Zeugenaussagen nicht genügend gewürdigt. Der Senat teilt insoweit die in der Nichtabhilfeentscheidung vom 23. November 2000 dargelegte Rechtsauffassung der Strafkammer, dass es nicht ihre Aufgabe sei, in einer Haftentscheidung während laufender Hauptverhandlung eine bis zum 26. Verhandlungstag durchgeführte Beweisaufnahme im Einzelnen zu würdigen. Aus den von ihr dargelegten Gründen, insbesondere dem der Vermeidung einer verfrühten Festlegung auf die Bewertung des Ergebnisses der Hauptverhandlung, hält auch der Senat eine überschlägige und schwerpunktmäßige Darstellung des bisherigen Beweisergebnisses für ausreichend. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Die hinsichtlich einzelner Ausführungen, so z.B. zur Schadenshöhe, aufgekommenen Missverständnisse hat die Strafkammer in ihrer Nichtabhilfeentscheidung klargestellt. Die insoweit ergänzten Darlegungen des angefochtenen Beschlusses bilden eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts in tatsächlicher Hinsicht.

Der dringende Tatverdacht ist aber auch in rechtlicher Hinsicht weiterhin gegeben. Zu Recht hält die Strafkammer an ihrer - von dem Senat geteilten - Rechtsauffassung fest, dass ein nach § 263 StGB tatbestandlicher Abrechnungsbetrug dann vorliegt, wenn ein in einer Gemeinschaftspraxis nicht freiberuflich tätiger, sondern lediglich angestellter, aber gleichwohl als Vertragsarzt zugelassener Arzt die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen unter konkludenter Vorspiegelung seiner dahingehenden Berechtigung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnet und diese zur Bezahlung des geltend gemachten Honorars veranlasst.

Diese Rechtsauffassung unterliegt nicht deshalb Bedenken, weil sie von dem in der Beschwerdeschrift angeführten Prof. Dr. V... nicht geteilt wird. Soweit dieser in seiner in der NJW 2000, 3385 ff. abgedruckten Abhandlung die Auffassung vertritt, ein in einer Gemeinschaftspraxis als Angestellter tätiger Arzt begehe selbst dann, wenn er die Zulassung als Vertragsarzt erschlichen habe, bei der Abrechnung der von ihm beanstandungsfrei erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung keinen nach § 263 StGB tatbestandlichen Betrug, weil es wegen der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung an einem Vermögensschaden fehle und dieser auch nicht unter Heranziehung der "für den Bereich des Sozialversicherungsrechts geltenden streng formalen Betrachtungsweise" angenommen werden dürfe, steht diese Rechtsmeinung im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in seinem - schon wiederholt zitierten - Beschluss vom 28. September 1994 (NStZ 95, 85 ff.) zwar in einem anders gelagerten Fall (Abrechnung von durch Praxispersonal erbrachten Leistungen), aber doch im Grundsatz - unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - ausgeführt, dass bei einem Abrechnungsbetrug das Vorliegen eines Vermögensschadens nach der "für den Bereich des Sozialversicherungsrechts geltenden strengen formalen Betrachtungsweise" zu beurteilen sei, nach der eine Leistung insgesamt nicht erstattungsfähig ist, wenn sie in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen entspricht. Die Strafkammer hat sich nach Sachlage zu Recht dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen.

Der in der Beschwerdebegründung des Weiteren zitierte Aufsatz des Prof. Dr. von Hoyningen-Huene (NJW 2000, 3233 ff.) rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung des dringenden Tatverdachts. Zur Klärung der vorliegend entscheidungserheblichen Frage, ob den in der Gemeinschaftspraxis beschäftigten, hier in Rede stehenden Ärzten die Stellung eines Gesellschafters der BGB-Gesellschaft "Gemeinschaftspraxis" oder eines Angestellten zuzuerkennen ist, vermag er nichts Entscheidendes beizutragen. Zwar trägt die Abhandlung die Überschrift "Gesellschafter, Scheingesellschafter oder Arbeitnehmer", jedoch geht sie vorrangig der - hier nicht interessierenden - Frage nach, ob ein Gesellschafter, der sich durch einen Vertrag mit der Gesellschaft zur Dienst- bzw. Arbeitsleistung verpflichtet hat, dadurch zum Arbeitnehmer wird und welches Recht in diesem Fall, Gesellschafts- oder Arbeitsrecht, auf sein Beschäftigungsverhältnis Anwendung findet. Vorliegend wird dem Angeklagten aber vorgeworfen, die als Arbeitnehmer (Angestellte) in der Gemeinschaftspraxis beschäftigten Ärzte gegenüber dem Zulassungsausschuss fälschlich als Gesellschafter (die sie in Wirklichkeit nicht gewesen seien) ausgegeben zu haben, so dass sich die Frage, ob ein (wirklicher) Gesellschafter nicht auch zugleich Arbeitnehmer sein kann, hier nicht stellt. Wenn auch der Aufsatz hiernach zu der vorliegend entscheidungserheblichen Abgrenzung der Gesellschafterstellung von der des Angestellten nichts Wesentliches hergibt - mit den Möglichkeiten der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages befasst er sich nur am Rande unter Ziff. III, Nr. 2 a = S. 3235 -, so soll doch der Hinweis des Verfassers auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht unerwähnt bleiben, wonach für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft nicht der Wortlaut der Vereinbarung, sondern vorrangig die tatsächliche Vertragsdurchführung maßgebend ist (Ziff. III, Nr. 2 b = S. 3235). Dementsprechend hat auch der Senat in seinem Beschluss vom 2. März 2000 darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehenden Ärzte Angestellte der Gemeinschaftspraxis waren, nicht entscheidend ist, welchen Inhalt die jeweiligen Verträge hatten, sondern wie sie in Wirklichkeit "gelebt", d.h. umgesetzt wurden (vgl. S. 3 und 8 des Senatsbeschlusses).

Auch die Ausführungen in der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 7. Dezember 2000 sind nicht geeignet, das Entfallen des dringenden Tatverdachts zu begründen. Das Vorbringen, die Strafkammer habe sich im angefochtenen Beschluss mit den Grundproblemen des vorliegenden Verfahrens, nämlich den vertragsarztrechtlichen Fragestellungen, nicht auseinandergesetzt, insbesondere die insoweit maßgebliche Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht beachtet, sondern für die Abgrenzung des "in freier Praxis" tätigen Arztes vom angestellten Arzt eigene, aber rechtlich nicht haltbare Definitionen aufgestellt, dringt nicht durch. Welche Kriterien nach der Rechtsprechung und Literatur für die Abgrenzung der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit von einem Angestelltenverhältnis im Allgemeinen und in einer Gemeinschaftspraxis im Besonderen maßgebend sind, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 2. März 2000 in einer Gesamtschau dargelegt und dabei auch ausgeführt, dass den einzelnen Kriterien ein unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (Seiten 5 und 6 des Beschlusses). Diese Kriterien hat die Strafkammer ihrer Überprüfung, ob die hier in Rede stehenden Ärzte "in freier Praxis" tätig waren, zugrunde gelegt. Dass sie dabei dem Gesichtspunkt, ob die Ärzte Mitwirkungs- und Kontrollrechte an der Gesamtorganisation besaßen, besondere Bedeutung beigemessen und das Fehlen des Verlustrisikos sowie die Nichtteilhabe am Gewinn und am "good-will" als weitere wichtige Kriterien angesehen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem steht die in der ergänzenden Beschwerdebegründung angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. April 1993 (NJW 1993, 2458 ff.) nicht entgegen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung, die die Abgrenzung der Gesellschafterstellung eines an einer Sozietät beteiligten Rechtsanwalts von einem Arbeitnehmer zum Gegenstand hatte, ausgeführt, dass die im entschiedenen Fall vom Landesarbeitsgericht gegen das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages erhobenen Bedenken (fehlende vertragliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Vollpartner aufzunehmen, fehlendes Unternehmerrisiko des Klägers während der verbindlich vereinbarten Vertragszeit von fünf Jahren im Hinblick auf die fest fixierte, sich von einem Gehalt nicht unterscheidende Gewinngarantie, fehlender rechtlicher Einfluss des Klägers auf die Sozietät etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis von zwei Vollpartnern für die Sozietät bei Personaleinstellungen) nicht durchgreifend seien. Denn eine Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen sei infolge der Abdingbarkeit des § 718 BGB keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesellschaft. Die Verteilung des Gewinns unterliege nach § 722 BGB in erster Linie der Bestimmung durch die Gesellschafter, so dass der Gewinnanteil für die einzelnen Gesellschafter unterschiedlich vorgesehen und deshalb auch in einem garantierten festen Betrag bestehen könne. Die Beteiligung am Verlust dürfe vollständig ausgeschlossen werden. Gemäß § 710 BGB sei ferner der Ausschluss einzelner Gesellschafter von der Geschäftsführung oder die Beschränkung der Geschäftsführung zulässig.

Diese Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts vermögen indes die Kritik der Verteidigung an den von der Strafkammer gewählten Prüfungskriterien nicht zu stützen. Denn die - aus- schließlich auf einer gesellschaftsrechtlichen Bewertung beruhenden - Erwägungen sind auf die Beurteilung der Stellung eines in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Arztes nicht uneingeschränkt übertragbar. Einschränkungen der - vom Grundsatz der Vertragsfreiheit beherrschten - gesellschaftsrechtlichen Regelungen der §§ 705 ff. BGB ergeben sich vielmehr aus der rechtlichen Eigenart einer Gemeinschaftspraxis. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass eine privatrechtliche Gesellschaft auf öffentlich-rechtlichem Gebiet, und zwar dem des Kassenarztrechts, tätig wird. Aus dieser Überschneidung des zivilrechtlichen mit dem öffentlich-rechtlichen Rechtsgebiet folgt die Notwendigkeit einer differenzierenden Betrachtung der gesellschaftsrechtlichen Regelungsmöglichkeiten. Diese erfordert eine Unterscheidung zwischen der im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander möglichen individuellen Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit und der dem Außenverhältnis zuzurechnenden kassenärztlichen Tätigkeit.

Auf die Notwendigkeit einer solchen differenzierenden rechtlichen Bewertung hat das Bundessozialgericht in einem - in der ergänzenden Beschwerdebegründung allerdings sinnentstellend zitierten - Urteil vom 19. August 1992 (NJW 1993, 1547) hingewiesen. In dieser Entscheidung, die zu der Rechtsfrage erging, ob die von einem Arztehepaar betriebene Gemeinschaftspraxis durch einseitige Erklärung der Ehefrau gegenüber dem Zulassungsausschuss beendet werden kann, oder ob es dazu der Erklärung beider Ehegatten bedarf, hat das Bundessozialgericht Folgendes ausgeführt:

"Der von der Revision für erforderlich gehaltenen Erklärung beider Ehegatten hat es nicht bedurft, weil es sich nicht um eine Erklärung der zwischen ihnen möglicherweise bestehenden Gesellschaft Bürgerlichen Rechts gegenüber einem Dritten, sondern nur um die Willensäußerung eines der bisher gemeinsam praktizierenden Kassenärzte gegenüber dem Zulassungsausschuss handelt und zu handeln braucht. Für die Rechtsfolge der Beendigung einer gemeinsamen Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit sind die Vereinbarungen oder Rechtsbeziehungen, welche der gemeinsamen Tätigkeit der an einer Gemeinschaftspraxis beteiligten Ärzte als individuelle Ausgestaltung ihres Zusammenwirkens zugrunde liegen, ohne Bedeutung. Diese Beziehungen sind rechtssystematisch regelmäßig dem Bereich des Gesellschaftsrechts zuzuordnen; nicht selten wird eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB vorliegen (BSGE 55, 57 [102] = NJW 1984, 1224 L = SozR 5520 § 33 Nr. 1 Satz 5). Die für die Aufhebung eines solchen Rechtsverhältnisses geltenden Regeln (Auflösung, Abwicklung/Liquidation, Beendigung der Gesellschaft, vgl. dazu OLG Köln MedR 1992, 219 [220 f.]) sind ausschließlich privatrechtlicher Natur und lassen sich auf die Gemeinschaftspraxis als spezifische Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Kassenarztrechts nicht übertragen.

Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit beider Rechtsbereiche hat für den Fall der Begründung der Gemeinschaftspraxis und deren kassenärztliche Genehmigung der Senat u.a. in seinem Urteil vom 22. April 1983 (BSGE 55, 97 [105 ff.] = NJW 1984, 1224 L = SozR. 5520 § 33 Nr. 1 Satz 9 f.) durch die Aussage zum Ausdruck gebracht, dass zwar der im Privatrecht geltende Grundsatz der Vertragsfreiheit den Ärzten erlaube, das Nähere über eine gemeinsame Berufsausübung zu vereinbaren, dass aber die Zulassungsinstanzen bei ihrer Entscheidung über die Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis die sich hierfür aus dem allgemeinen ärztlichen Berufsrecht und dem Kassenarztrecht ergebenden Beschränkungen zu berücksichtigen hätten."

Diese für den Bereich des Sozialversicherungsrechts grundlegenden Ausführungen des Bundessozialgerichts machen deutlich, dass die von der Verteidigung in der ergänzenden Beschwerdebegründung gezogene Schlussfolgerung, es müsse das, was im Gesellschaftsrecht zulässig ist, auch in einer Gemeinschaftspraxis unter Vertragsärzten zulässig sein, von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht gestützt wird. Die Darlegungen erlauben vielmehr die gegenteilige Feststellung, dass nicht all das, was im Gesellschaftsrecht geregelt werden kann, auch im Kassenarztrecht zulässig ist.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss die Aussage in dessen - in der ergänzenden Beschwerdebegründung ebenfalls zitierten - Entscheidung vom 16. März 1973, die Freiberuflichkeit könne nicht mit dem Hinweis auf das mangelnde finanzielle Verlustrisiko verneint werden (BSGE 35, 247, 252 = NJW 1973, 1435 ff.), in ihrem Aussagegehalt relativiert werden. Dies gilt um so mehr, wenn man den Zusammenhang berücksichtigt, in dem diese Aussage erfolgt ist. In dem entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob ein beamteter Laborarzt, der seine Tätigkeit in einem ihm von der Kommune vertraglich überlassenen Institut für Laboratoriums-Medizin ausübt, freiberuflich "in eigener Praxis" tätig ist und deshalb Anspruch auf die Kassenarztzulassung hat. Bei dieser Fallgestaltung wurde dem "mangelnden finanziellen Verlustrisiko" nicht die Bedeutung eines der freiberuflichen Tätigkeit entgegenstehenden maßgebenden Merkmals zuerkannt, wobei sich allerdings aus der Begründung, das Merkmal stelle ab auf die Frage des Kapitaleinsatzes und könne deshalb für den Bereich der sozialen Dienstleistungen, zu dem das Gesundheitswesen zu rechnen sei, nicht als entscheidungserheblich angesehen werden, eine zusätzliche Relativierung der Aussage ergibt. Aus den weiteren - von der Verteidigung allerdings nicht wiedergegebenen - Ausführungen der Entscheidung ergibt sich zudem, dass das Bundessozialgericht dem Gesichtspunkt des finanziellen Verlustrisikos keineswegs die Bedeutung eines geeigneten Bewertungsmerkmals für die freiberufliche Tätigkeit abgesprochen hat. Dies zeigt folgende Darlegung:

"Noch wesentlicher für den Arzt im Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung ... ist das persönliche Tätigwerden. Die eingesetzte Arbeitskraft und Leistung bestimmen den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit mindestens im gleichen Maße und sind daher wesentliche Faktoren freiberuflichen Risikos. Auch der Kläger trägt insoweit ein wirtschaftliches Risiko, als es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängt, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt" (S. 1437).

Angesichts der vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des Bundessozialgerichts, die sich die Strafkammer zu eigen gemacht und im angefochtenen Beschluss angeführt hat, erweist sich die in der ergänzenden Beschwerdebegründung erhobene Beanstandung, die Strafkammer sehe in der Abhängigkeit des Einkommens vom Einsatz der Arbeitskraft zu Unrecht einen für den Freiberufler typischen Umstand, als unbegründet.

Hiernach kann nicht die Rede davon sein, dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung die "vertragsarztrechtlichen Fragestellungen" verkannt und sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie der einschlägigen Kommentarliteratur nicht auseinandergesetzt hat. Es ist vielmehr die Verteidigung, die den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgeblichen Umstand verkennt, dass dem im Gesellschaftsrecht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit bei dem Betreiben einer Gemeinschaftspraxis durch das öffentlich-rechtlich geregelte Kassenarztrecht Grenzen gesetzt sind, die sich aus der Besonderheit des Vertragsarztrechts ergeben. Bei ihrem Bemühen um Abgrenzung der freiberuflichen von der Arbeitnehmertätigkeit misst die Strafkammer zu Recht den Umständen maßgebende Bedeutung bei, die den Kernbereich einer freiberuflichen Arzttätigkeit ausmachen. Dass sie dabei eine falsche Gewichtung vorgenommen hätte, vermochte der Senat nicht festzustellen.

Die Ausführungen in der ergänzenden Beschwerdebegründung zur Vertragsarztzulassung vermögen der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Auffassung der Verteidigung, der die Kassenarztzulassung beantragende Arzt gebe selbst dann, wenn er nicht freiberuflich tätig sei, bei der Antragstellung keine falsche Erklärung ab, weil in den Antragsformularen keine Angabe dazu verlangt werde, in welcher Weise der jeweilige Arzt seine Tätigkeit ausübe, teilt der Senat nicht. Die Antragsformulare sehen deshalb keine Erklärung des Arztes zur Art und Weise seiner Tätigkeitsausübung vor, weil die freiberufliche Tätigkeit eine selbstverständliche, weil gesetzliche Voraussetzung für die Vertragsarztzulassung ist. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Dass mit dem Begriff "in freier Praxis" die freiberufliche Tätigkeit gemeint ist, liegt so klar auf der Hand, dass es der - von der Verteidigung vermissten - näheren Definition des Begriffs in der Ärzte-ZV nicht bedarf. Soweit mit dem Hinweis auf die fehlende Definition des Begriffs "in freier Praxis" das Wissen des Angeklagten um die Notwendigkeit der "freiberuflichen" Tätigkeit für die Vertragsarztzulassung bestritten werden sollte, würde dies dem Senat - nach der ihm gestatteten vorläufigen Würdigung - Veranlassung geben, diese Einlassung als unglaubhafte Schutzbehauptung zu werten. Da der Arzt hiernach bei der Antragstellung, wenn auch nicht die ausdrückliche, so doch die konkludente Erklärung abgibt, die Vertragsarzttätigkeit entsprechend der Anforderung der Ärzte-ZV freiberuflich und nicht im Arbeitnehmerverhältnis auszuüben, ist der weiteren Schlussfolgerung der Verteidigung, die Zulassung sei mangels falscher Erklärungen des Arztes auch zu Recht erteilt worden, die Grundlage entzogen.

Das an die Annahme der Rechtsmäßigkeit der Vertragsarztzulassung anknüpfende Beschwerdevorbringen, die Entziehung der Zulassung sei nach § 95 Abs. 6 SGB V nur für die Zukunft zulässig, so dass die bis dahin erbrachten Leistungen zu Recht abgerechnete vertragsärztliche Leistungen seien mit der Folge, dass auch die dafür gezahlten Honorare nicht zurückgefordert werden können, vermag den Betrugsvorwurf nicht auszuräumen. Die geltend gemachte Verknüpfung zwischen der Entziehung der Zulassung, der Abrechnung der bis dahin erbrachten ärztlichen Leistungen und der Rückforderung gezahlter Honorare mit der Verwirklichung des dem Angeklagten vorgeworfenen Abrechnungsbetrugs besteht tatsächlich nicht. Die Entziehung der Zulassung betrifft ausschließlich das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und der Kassenärztlichen Vereinigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Auf die Entscheidung, ob der Arzt bis zur rechtskräftigen Entziehung der Zulassung seine Leistungen zu Unrecht und unter Verletzung von Strafrechtsnormen abgerechnet hat, hat die Entziehung der Zulassung keinen Einfluss. Das gilt gleichermaßen für die Rückforderung der Honorarzahlungen, deren Voraussetzungen in § 45 SGB X geregelt sind, wie der Senat in seinem Beschluss vom 2. März 2000 näher dargelegt hat (Seite 35).

Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Beschwerdevorbringen beizumessen ist, das BSG sei in seiner in NJW 1993, 1548 abgedruckten Entscheidung hinsichtlich des Umstandes, dass die Entziehung der Zulassung nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig ist, von einem "schlicht feststehenden Beschluss" ausgegangen, vermag der Senat nicht zu ergründen. In der zitierten, oben bereits näher erörterten Entscheidung, hat das Bundessozialgericht bei der Prüfung, ob die aufgrund der einseitig erklärten Beendigung der Gemeinschaftspraxis ergangene Entscheidung der Zulassungsinstanzen inhaltlich ordnungsgemäß gewesen ist, ausgeführt: "Die Zulassungsinstanzen haben sachlich zutreffend einen schlicht feststellenden (nicht feststehenden) Beschluss des konkret gewählten Inhalts gefasst". Was die Verteidigung aus dieser Feststellung für ihre Annahme der bis zur Entziehung der Zulassung fortbestehenden vertragsärztlichen Abrechnungsbefugnis, und damit für das Fehlen des dringenden Tatverdachts des Abrechnungsbetrugs, herzuleiten versucht, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

Nach alledem vermag das Vorbringen in der ergänzenden Beschwerdebegründung die Behauptung, der dringende Tatverdacht sei schon aus rechtlichen Gründen nicht gegeben, nicht zu stützen.

Unerheblich für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts ist auch die mit der Beschwerde vorgelegte, im Schriftsatz des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. G...... vom 4. November 2000 enthaltene Mitteilung über den vor dem Berufungsausschuss abgeschlossenen Vergleich zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Mitangeklagten Dr. W..... Soweit in Abs. 7 dieses Vergleichs festgehalten ist, die Parteien seien sich darüber einig, dass die in der Vergangenheit aufgetauchten Zweifel an der freiberuflichen Tätigkeit von Herrn Dr. W.... im Sinne von § 20 ÄrzteZV ausgeräumt seien und seine Tätigkeit keinen Schaden verursacht habe, lässt sich mangels Mitteilung der Gründe und Erwägungen, die für den Abschluss dieses Vergleichs maßgebend waren, für den gegen den Angeklagten erhobenen Betrugsvorwurf, mithin auch für den dringenden Tatverdacht, nichts herleiten. Abgesehen davon wäre aber auch die etwa dem Vergleich zugrunde liegende Rechtsmeinung der an dem Abschluss des Vergleichs Beteiligten, Dr. W.... habe nicht als Angestellter, sondern als freiberuflich tätiger Arzt in der Gemeinschaftspraxis mitgearbeitet und durch seine Tätigkeit keinen Schaden verursacht, weder für das Tatgericht noch für das Beschwerdegericht maßgebend. Eine Entscheidung darüber hat allein das Gericht in eigener Verantwortung zu treffen.

Dem Beschwerdevorbringen kann auch nicht gefolgt werden, soweit geltend gemacht wird, für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts dürfe nicht übersehen werden, dass es hierzu gegenwärtig nicht mehr gebe als unterschiedliche Auffassungen und Rechtsmeinungen und nichts für die Annahme spreche, die später zur Entscheidung berufenen Sozialgerichte oder auch der Gesetzgeber würden gerade derjenigen Auffassung folgen, die der Justitiar der Kassenärztlichen Vereinigung K...... hierzu vertritt. Diese Darlegung übersieht, dass es zu der Frage, wann ein ärztlicher Abrechnungsbetrug gegeben ist, nicht nur unterschiedliche Auffassungen und Rechtsmeinungen gibt, sondern auch die vorbezeichnete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die mit der Maßgeblichkeitserklärung der streng formalen Betrachtungsweise für den Bereich des Sozialversicherungsrechts eine von dem jeweiligen Einzelfall losgelöste Grundsatzentscheidung getroffen hat. Ebensowenig wird bei diesem Vorbringen berücksichtigt, dass die auf "die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten des Kassenarztrechts" abstellende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. auch BGH in NStZ 93, 388 ff.) vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt worden ist (BVerfG in NStZ 98, 29). Unerwähnt bleibt auch, dass die Strafkammer ihre Entscheidung auf die vorbezeichnete - im angefochtenen Beschluss zitierte - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und nicht auf die Rechtsmeinung des Justitiars der Kassenärztlichen Vereinigung K...... gestützt hat. Dass es für die jetzt zu treffende Entscheidung über das Vorliegen des dringenden Tatverdachts eines Abrechnungsbetrugs nicht darauf ankommt, zu welcher Auffassung später etwa zur Entscheidung über die Frage des Abrechnungsbetrugs berufene Sozialgerichte gelangen, liegt auf der Hand und bedarf daher hier keiner weiteren Ausführungen.

Hiernach hat die Strafkammer das Fortbestehen des dringenden Tatverdachts - soweit der Senat dies einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen vermag - zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen bejaht.

Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist auch nach Auffassung des Senats weiterhin gegeben.

Das Vorbringen in dem in die Beschwerdeschrift übernommenen Schriftsatz der Verteidiger vom 30. Oktober 2000, die Fluchtgefahr könne nicht mehr mit der Höhe der im Verurteilungsfall zu erwartenden Freiheitsstrafe begründet werden, dringt nicht durch. Dieser Einwand stützt sich auf die Behauptung, der von dem Angeklagten hypothetisch verursachte Vermögensschaden habe sich nach dem Ergebnis der bisher durchgeführten Beweisaufnahme von dem in der Anklage genannten Betrag von 12.060.484 DM auf 988.960 DM reduziert, der sich zudem noch in einen eigennützigen Anteil von nur 329.653 DM und in einen fremdnützigen Anteil von 659.307 DM aufteile. Aufgrund dieser ihm im Verurteilungsfall allein anzulastenden, im Verhältnis zum Anklagevorwurf geringen Schadenssumme habe er bei einem Schuldspruch nicht mehr mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, die unter Berücksichtigung der bisher erlittenen Untersuchungshaft zu einer weiteren Strafverbüßung führen würde. Damit entfalle der von der Höhe der Straferwartung ausgehende Fluchtanreiz völlig.

Die Strafkammer hat im angefochtenen Beschluss zur Schadenshöhe ausgeführt, nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme bestünden auch weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schadenssumme nach einer konkreten Berechnung erheblich von der geschätzten Summe abweichen werde. Ob diese konkrete, auf die einzelnen Ärzte bezogene Schadensberechnung möglich sei, könne die Kammer noch nicht abschließend bewerten; denn dies bedürfe weiterer Aufklärung. Aus den Angaben der bisher vernommenen Zeugen lasse sich schließen, dass dies mit Ausnahme des konventionellen Röntgens möglich sein könnte. Soweit sich hinsichtlich des Tatvorwurfs gegen den Mitangeklagten Dr. W.... inzwischen Zweifel ergeben hätten, bedürfe es ebenfalls noch der weiteren Aufklärung.

Diese Ausführungen der Strafkammer sind für die Beurteilung der potentiellen Schadenshöhe durch den Senat maßgebend. Wie oben bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts ausgeführt, hat das bei seiner Prüfung allein auf den Akteninhalt angewiesene Beschwerdegericht der auf das Ergebnis der Hauptverhandlung gestützten und daher auf besseren Erkenntnissen beruhenden Beurteilung des Tatgerichts den Vorrang einzuräumen und die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen seiner Entscheidung zugrundezulegen. Das gilt auch für die auf den Erkennissen aus der Hauptverhandlung beruhenden Feststellungen der Strafkammer zur Schadenshöhe. Hiernach hatte der Senat davon auszugehen, dass nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme im Wesentlichen von der in der Anklageschrift angenommenen Gesamtschadenshöhe von rund 12.000.000 DM auszugehen ist. Ob sich diese Summe gegebenenfalls um den auf den Mitangeklagten Dr. W.... entfallenden Anteil vermindert, kann derzeit noch nicht abschließend geklärt werden. Auf die von der Verteidigung im vorgenannten Schriftsatz vom 30. Oktober 2000 vorgenommene Berechnung des hypothetischen Schadens, die zur Annahme der vorbezeichneten Höchstschadenssumme von 988.960 DM unter weiterer Aufspaltung in eigen- und fremdnützige Anteile geführt hat, brauchte der Senat nicht näher einzugehen. Es gehört nicht zu seiner Aufgabe, im Rahmen einer Haftentscheidung eine genaue Berechnung des potentiellen Schadens (sei es des Gesamtschadens oder des individuell vorwerfbaren Schadens) vorzunehmen. Dies muss der Entscheidung der Strafkammer nach Abschluss der Beweisaufnahme vorbehalten bleiben. Für die hier maßgebliche Frage, ob von der Höhe der im Verurteilungsfall zu erwartenden Freiheitsstrafe ein Fluchtanreiz für den Angeklagten ausgeht, ist festzustellen, dass sich aus der bisherigen Beweisaufnahme jedenfalls keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben haben, der von dem Angeklagten gegebenenfalls verursachte Schaden sei so gering, dass er nur zur Verhängung einer kurzen und nicht mehr zu vollstreckenden Freiheitsstrafe führen werde. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass dem Angeklagten im Verurteilungsfall noch immer eine Freiheitsstrafe in solcher Höhe droht, dass von ihr ein starker Fluchtanreiz ausgeht.

Umstände, die der Fluchtgefahr entgegenwirken könnten, sind auch jetzt nicht festzustellen. Nach wie vor verfügt der Angeklagte nicht über gefestigte familiäre oder berufliche Bindungen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des Senats vom 2. März 2000 (vgl. Seite 34 - 36) haben weiterhin Gültigkeit. Eine zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigende Änderung der insoweit dargelegten Gesichtspunkte ist seitdem nicht zutage getreten. Im Gegenteil: Aus der Beschwerdebegründung ergeben sich neue Anhaltspunkte, die die familiären Bindungen des Angeklagten noch weniger gefestigt als bisher angenommen erscheinen lassen. In seiner vorgenannten Entscheidung war der Senat davon ausgegangen, dass der Bindung des Angeklagten an seine Familie keine die Fluchtgefahr maßgeblich mindernde Bedeutung beigemessen werden könne, weil der Angeklagte die Tragfähigkeit seiner ehelichen Bindung durch eine seit geraumer Zeit bestehende enge außereheliche Beziehung zu einer anderen Frau selbst in Frage gestellt habe. Hinsichtlich der Ehefrau des Angeklagten hatte der Senat aufgrund deren Erklärungen in einem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Schreiben vom 9. Dezember 1999 angenommen, sie betrachte die familiären Verhältnisse und die verwandtschaftlichen Bande als geordnet und sehe - ungeachtet der Beziehung ihres Ehemannes zu einer anderen Frau - noch eine gemeinsame Zukunftsperspektive. In der vorliegenden Beschwerdebegründung wird nunmehr im Rahmen der Rüge, die Strafkammer habe sich nicht ausreichend um die Aufklärung der tatsächlichen Lebenssituation des Angeklagten bemüht, vorgetragen, nicht nur der Angeklagte habe eine langjährige Lebensgefährtin, sondern auch seine Ehefrau unterhalte seit fast 10 Jahren eine feste Beziehung zu einem neuen Partner. Dieses Vorbringen gibt dem Senat Veranlassung, die bisherige Beurteilung der familiären Situation des Angeklagten noch kritischer zu überdenken. Wenngleich mit der Beschwerde weiter vorgetragen wird, die mitgeteilte feste Beziehung der Ehefrau des Angeklagten zu einem neuen Partner habe keinen Einfluss auf das Fortbestehen harmonischer familiärer Beziehungen zu dem Angeklagten, was durch das gemeinsame (unter Einschluss der jeweiligen neuen Lebenspartner) Verbringen von Feiertagen und die Teilnahme der von ihrem neuen Lebenspartner begleiteten Ehefrau des Angeklagten an zahlreichen Hauptverhandlungsterminen belegt werde, vermag der Senat gleichwohl einer derart gelockerten "ehelichen" Beziehung nicht die Bedeutung einer die Fluchtgefahr mindernden gefestigten familiären Bindung beizumessen. Insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen.

Dass schließlich auch zumindest sein Sohn G..... nicht in der Lage wäre, dem Angeklagten nach einer Entlassung aus der Untersuchungshaft einen zum Ausschluss der Fluchtgefahr geeigneten Halt zu bieten, wird bereits daraus deutlich, dass dieser in einem an seinen Vater gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle beschlagnahmten Brief vom 16. November 2000 angekündigt hat, jetzt noch die Entscheidung des Oberlandesgerichts abzuwarten und dann "aktiv" werden zu wollen. Für den Fall, dass der Angeklagte auch dann nicht frei sei, kündigt der Sohn mit dem gleichzeitigen Hinweis, dass man dann "nicht mehr viel zu verlieren" habe, einen gedungenen Killer aus Rußland an, der "ein paar Kopfschüsse" verabreichen wird. Eine solche, gegen die mit dem Verfahren gegen den Angeklagten befassten Gerichtspersonen, auch gegen die Richter des erkennenden Senats ausgesprochene Drohung belegt eine äußerst negative Tendenz in der charakterlichen Entwicklung dieses Sohnes, die ihn gänzlich ungeeignet erscheinen lässt, dem Angeklagten den Halt zu geben, der ihn von einer Flucht abhalten könnte.

Hinsichtlich der beruflichen Bindungen des Angeklagten hat sich keine Änderung der in dem vorbezeichneten Senatsbeschluss insoweit dargelegten Umstände ergeben (Beschlussausfertigung Seite 35). Dem Angeklagten drohen nach wie vor bei einem Schuldspruch nicht nur Honorarrückforderungen in Millionenhöhe, sondern auch die Zerstörung seiner wirtschaftlichen Existenz. Unter diesen Umständen bewertet der Senat die Fluchtgefahr weiterhin als so hoch, dass weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft nicht geeignet erscheinen, deren Zweck zu erreichen.

Von der erneut beantragten persönlichen Anhörung des Angeklagten hat der Senat aus dem schon im Beschluss vom 2. März 2000 genannten Grund abgesehen. Ein - wie auch immer gearteter - persönlicher Eindruck von dem Angeklagten würde den Senat nicht zu einer anderen Entscheidung bewegen können.

Die Haftbeschwerde des Angeklagten war hiernach als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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