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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.01.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 780/03
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 84 II
StVollzG § 84 III
StVollzG § 116 I
StVollzG § 119 IV
StVollzG § 156 III
1. Die Anordnung, wonach Gefangene, die zum Besuch geführt werden, in rote Trainingsanzüge und Anstaltsunterwäsche umzukleiden sind, unterliegt den an eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zu stellenden Anforderungen des § 84 StVollzG.

2. Grundsätzlich zu unterscheiden sind jedoch mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchungen vor dem Besuchsempfang und solche nach dem Besuch. Während erstere lediglich aufgrund einer Anordnung im Einzelfall (§ 84 Abs. 2 StVollzG) in Betracht kommen, genügt für letztere eine allgemeine Anordnung des Anstaltsleiters (§ 84 Abs. 3 StVollzG).

3. Die für die Entscheidung maßgeblichen Voraussetzungen des 84 Abs. 2 StVollzG hat die Strafvollstreckungskammer von Amts wegen nachzuprüfen und konkrete Feststellungen zu ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen zu treffen. Namentlich zu der Voraussetzung, dass eine Anordnung nach § 84 Abs. 2 StVollzG lediglich im Einzelfall ergehen darf, sind Ausführungen zu den Umständen der Anordnung der Durchsuchung (bzw. des Umkleidens) erforderlich. Dass der die Durchsuchung (bzw. das Umkleiden) vor dem Besuch anordnende Bedienstete hierzu berechtigt gewesen ist (§ 156 Abs. 3 StVollzG) genügt für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht.


Geschäftsnummer: 2 Ws 780/03

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafvollzugssache

des Strafgefangenen

wegen Mordes, Totschlags u.a. hier: Umkleiden anlässlich der Zuführung zum Besuch

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid, den Richter am Oberlandesgericht Pott sowie den Richter am Landgericht Metzger

am 6. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 30. September 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 250,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Strafgefangene macht mit seinen von der Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 30. September 2003 zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung geltend, an insgesamt sechs Tagen (23. und 24. Juni, 20. und 27. Juli, 11. August und 28. September 2003) dadurch rechtswidrig vom Besuchsempfang ausgeschlossen worden zu sein, dass ihm vor der Zuführung zum Besuch aufgegeben worden ist, sich umzukleiden, wofür es an einer Rechtsgrundlage fehle.

Die von der Anstalt hierfür als Grundlage herangezogene Verfügung des Anstaltsleiters der JVA Diez vom 6. Juni 2003 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"1. Gefangene, die zum Besuch geführt werden, sind im Einzelfall auf Anordnung des Kontrollbediensteten oder eines für die Anordnung der Kontrolle nach § 84 Abs. 2 StVollzG befugten Bediensteten einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung nach § 84 Abs. 2 StVollzG zu unterziehen. Die Gefangenen werden in rote Trainingsanzüge umgekleidet.

2. Gefangene sind nach dem Besuch einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung nach § 84 Abs. 2 StVollzG zu unterziehen. Insoweit ordne ich dies gem. § 84 Abs. 3 StVollzG allgemein an. Gefangene sind anschließend umzukleiden."

Mit Verfügung des Anstaltsleiters vom 15. Juli 2003 wurde vorstehende Verfügung in Ziffer 1 Satz 2 klarstellend wie folgt neu gefasst:

"Die Gefangenen werden in rote Trainingsanzüge und Anstaltsunterwäsche umgekleidet."

Die Justizvollzugsanstalt begründete diese Verfügungen in ihrer im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom 28. Juli 2003 zum einen damit, dass das notwendigerweise aus dem Umkleiden folgende Tragen anstaltseigener Kleidung während des Besuches nicht nur als Nebenfolge einer mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung notwendig, sondern auch aus Gründen der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt geboten sei. Dadurch werde eine Übersichtlichkeit über die Vorgänge im Besuchsraum gewährleistet, da Gefangene und Besucher von den aufsichtsführenden Bediensteten wesentlich leichter unterschieden werden könnten. Die ergänzende Verfügung vom 15. Juli 2003 sei lediglich zur Klarstellung ergangen; bereits die Verfügung vom 6. Juni 2003 habe das Umkleiden einschließlich der Unterwäsche erfassen sollen, wie dies auch sonst bei angeordnetem Umkleiden, etwa anlässlich einer Ausführung zum Arzt, gelte.

Die Anstalt führte in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2003 weiter aus:

"Die Anordnung der körperlichen Durchsuchung gemäß § 84 Abs. 2 StVollzG vor dem Besuch ist rechtmäßig.

Gemäß § 84 Abs. 2 StVollzG ist auf Anordnung des Anstaltsleiters es im Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Dies ist hinsichtlich der Durchsuchung vor dem Besuch erfolgt. Es muss in einer Anstalt mit höchster Sicherheitsstufe vermieden werden, dass Gefangene z.B. - wie geschehen - kleine Depotbehälter (Röhrchen) mit sich führen, die dem Transport von Drogen nach dem Besuch ins Hafthaus dienen. Darüber hinaus ist der Besuchsbereich hinsichtlich einer etwaigen Geiselnahme ein gefährdeter Bereich aufgrund der Vielzahl der Besucher sowie der ungünstigen Lage unmittelbar an der Pforte. Deshalb muss verhindert werden, dass Waffen oder als Waffen geeignete Gegenstände (Rasierklingen, Glasscherben, angeschliffene Metallstücke) zum Besuch mitgeführt werden.

Ob hinsichtlich der einzelnen Gefangenen bisher im Hinblick auf den Besuch keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch ersichtlich waren, ist insofern unerheblich, da erfahrungsgemäß gerade solche Gefangene, die bisher nicht auffällig geworden sind, von anderen Gefangenen unter Druck gesetzt werden können, um Gegenstände in die Anstalt einzuschleusen oder auch konkret gefährliche Gegenstände in den Besuchsraum für andere Gefangene zu deponieren."

Zu dem Umkleiden heißt es in der Stellungnahme vom 28. Juli 2003 weiter:

"Diese (bisher aufgrund einer Anstaltsleiterverfügung vom 2. Februar 2001 vorgenommenen, Anm. d. Senats) Durchsuchungen waren jedoch nicht ausreichend. Die Bediensteten hatten zwar neben dem Gefangenen auch die von dem Gefangenen getragene Kleidung gründlich zu durchsuchen um weitestgehend auszuschließen, dass die Sicherheit und Ordnung der Anstalt beeinträchtigende Gegenstände oder Stoffe zum Besuch bzw. vom Besuchsraum ins Hafthaus zurück gelangten. Eine den Zielen der Maßnahmen entsprechende Durchsuchung war angesichts der Notwendigkeit der gebotenen zügigen organisatorischen Abwicklung des Besuches nicht mit der notwendigen Gründlichkeit und Sorgfalt . . . leistbar. Zudem konnte selbst eine sorgfältige Kontrolle nicht gewährleisten, dass (nicht, Anm. d. Senats) z.B. sehr kleine Mengen z.B. Drogen oder eine Rasierklinge übersehen werden. Diese Sicherheit gewährleistet nur das Umkleiden.

Zudem wird hierbei das Schamgefühl der Gefangenen weniger beeinträchtigt, da der Inhaftierte es selbst in der Hand hat, sich schnell seine Wechselkleidung anzuziehen, während eine sorgfältige Kontrolle der mitgeführten Kleidung nach der alten Praxis zeitintensiver gewesen wäre, und letztlich dazu geführt hätte, dass der Gefangene länger unbekleidet im Kontrollraum hätte verweilen müssen."

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez hat mit Beschluss vom 30. September 2003 die Anträge des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen und zur Begründung ausgeführt, die Anordnung und Durchführung von mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchungen vor und nach dem Besuchsempfang sei rechtmäßig. Die Befugnis zur Anordnung einer Durchsuchung gemäß § 84 Abs. 2 StVollzG sei durch Verfügung des Anstaltsleiters vom 2. Februar 2001 für die Fälle der Durchsuchung vor Besuchsempfang auf die Vollzugsabteilungsleiter und die Kontrollbediensteten übertragen; die erforderliche Zustimmung der Aufsichtsbehörde liege vor. Die Anordnung der Durchsuchung vor dem Besuchsempfang sei daher nicht zu beanstanden. Das Umkleiden stelle sich als bloße Nebenfolge der mit der Entkleidung verbundenen Durchsuchung dar und begegne demzufolge ebenfalls keinen Bedenken.

Gegen diesen ihm am 2. Oktober 2003 zugestellten Beschluss wendet sich der Strafgefangene mit seiner am 9. Oktober 2003 erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Strafvollstreckungskammer hat die unterschiedlichen Anforderungen des § 84 Abs. 2 StVollzG und des § 84 Abs. 3 StVollzG nicht hinreichend beachtet, insbesondere hinsichtlich des § 84 Abs. 2 StVollzG lediglich auf die formelle Rechtmäßigkeit getroffener Anordnungen abgestellt, und ist insoweit auch ihrer Amtsaufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Die Überprüfung durch den Senat dient der Vermeidung künftiger gleichgelagerter Rechtsfehler.

Das auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§ 118 StVollzG) Rechtsmittel hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer durfte die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 StVollzG nicht mit der von ihr gegebenen Begründung bejahen.

1.

Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Strafvollstreckungskammer, wonach die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Durchsuchung und des Umkleidens vor dem Besuch zu untersuchen ist. Soweit der Strafgefangene demgegenüber von einem gegen ihn verhängten Besuchsverbot ausgeht und dessen Rechtswidrigkeit festgestellt wissen will, verkennt er, dass sich die Nichtdurchführung der Besuche an den genannten Tagen als Folge seiner Weigerung, sich entsprechend der Anstaltsleiterverfügung umzukleiden, darstellt. Die weiteren Anträge des Strafgefangenen, wie sie der angefochtene Beschluss in direkter Rede wiedergibt, stellen sich ebenfalls als - laienhaft und nur vordergründig juristisch formulierte - Ausprägungen dieses grundsätzlichen Begehrens dar.

2.

Zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer weiterhin davon aus, dass als Rechtsgrundlage für die aufgrund der Anstaltsleiterverfügungen vom 6. Juni und 15. Juli 2003 getroffenen Maßnahmen einheitlich die Regelungen des § 84 StVollzG heranzuziehen sind.

a) Im Hinblick auf die Erwägung der Anstalt, Gefangene und Besucher von den aufsichtsführenden Bediensteten wesentlich leichter unterscheiden lassen zu können, käme zwar grundsätzlich auch eine (isolierte) Anordnung des Anstaltsleiters in Betracht, wonach Gefangene beim Besuch die anstaltseigene Freizeitkleidung zu tragen haben. Dem vordringlichen Aspekt der Verhinderung des Mitführens unerwünschter Gegenstände in den Besuchsraum bzw. zurück ins Hafthaus wäre damit jedoch nicht gedient. Einer derartigen Anordnung würde bereits dadurch genügt, dass die Gefangenen die anstaltseigene Freizeitkleidung vor dem Besuch bereits in ihrem Haftraum anlegen.

b) Maßgebend für die praktizierte Verfahrensweise der Durchsuchung und des Umkleidens vor dem Besuch sind Sicherheitsüberlegungen der Anstalt. Im Vordergrund steht danach die Durchsuchung der Gefangenen vor dem Besuch, wohingegen sich das Umkleiden als Nebenfolge dieser Durchsuchung und - wie die Anstalt zutreffend herausgestellt hat - grundsätzlich als Erleichterung für die Gefangenen darstellt, da die zeitaufwendige Kontrolle der bei dem Besuch zu tragenden Kleidung entfällt. Der Sache nach dient das in Anwesenheit der Anstaltsbediensteten vorzunehmende Umkleiden in zur Verfügung gestellte Anstaltskleidung somit als Ersatz einer ansonsten umfassend vorzunehmenden Durchsuchung. Die Anordnung des Umkleidens unterliegt daher den an eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zu stellenden Anforderungen des § 84 StVollzG und ist nicht isoliert zu beurteilen.

3. Grundsätzlich zu unterscheiden sind jedoch mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchungen vor dem Besuchsempfang und solche nach dem Besuch. Während erstere lediglich aufgrund einer Anordnung im Einzelfall (§ 84 Abs. 2 StVollzG) in Betracht kommen, genügt für letztere eine allgemeine Anordnung des Anstaltsleiters (§ 84 Abs. 3 StVollzG), wie sie hier in nicht zu beanstandender Weise getroffen worden ist.

a) Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Oktober 2003 - 2 BvR 1745/01 - in http://www.bverfg.de/Entscheidungen) hat in einem ebenfalls die Durchsuchungspraxis der Justizvollzugsanstalt Diez betreffenden Erkenntnis zu dieser Unterscheidung folgendes ausgeführt:

"Sie (die angegriffene Entscheidung des Landgerichts, Anm. d. Senats) verkennt die offensichtliche Differenzierung der Eingriffsvoraussetzungen, die der Gesetzgeber gerade zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gefangenen in § 84 Abs. 2 und 3 StVollzG für Durchsuchungen mit Entkleidung vorgenommen hat.

b) Grundrechte dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes und nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden; dies gilt auch für Gefangene (vgl. BVerfGE 33, 1 <11>; BVerfGE 89, 315 <322 f.>).

Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Mit Rücksicht darauf hat der Gesetzgeber in § 84 StVollzG die Voraussetzungen für diesen Eingriff in differenzierter Weise geregelt.

§ 84 Abs. 3 StVollzG ermächtigt den Anstaltsleiter, für drei vom Gesetz als typischerweise besonders gefahrträchtig eingeschätzte Konstellationen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt Durchsuchungen mit Entkleidung allgemein anzuordnen; dies soll insbesondere der Verhinderung des Drogenschmuggels dienen (vgl. BTDrucks 13/11016, S. 26). Gestattet ist nach § 84 Abs. 3 StVollzG die allgemeine Anordnung solcher Durchsuchungen unter anderem nach - nicht aber vor - Kontakten von Gefangenen mit Besuchern.

§ 84 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StVollzG erlaubt darüber hinaus eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung von Gefangenen auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall. Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber getroffenen Unterscheidung zwischen der allgemeinen Anordnungsbefugnis nach Absatz 3 und der einzelfallbezogenen Anordnungsbefugnis nach Absatz 2 Satz 1 2. Alt. lassen keinerlei Zweifel daran, dass allein auf Absatz 2 gestützte Durchsuchungen nicht in der pauschalen Weise angeordnet werden dürfen, in der Absatz 3 dies für die dort bezeichneten Fallgruppen zulässt (vgl. Brühl, in: Feest <Hrsg.>, AK-StVollzG, 4. Aufl. 2000, § 84 Rn. 1; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl. 2002, § 84 Rn. 3; Kühling/Ullenbruch, in: Schwind/Böhm <Hrsg.>, StVollzG, 3. Aufl. 1999, § 84 Rn. 5; OLG Karlsruhe, NStZ 1983, S. 191 <192>; OLG Nürnberg, NStZ 1982, S. 526; Kammergericht, NStZ 1994, S. 379; OLG Bremen, NStZ 1985, S. 143 <144>).

Danach ist es zwar von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn auf der Grundlage von § 84 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StVollzG mit Entkleidung verbundene Durchsuchungen - etwa im Wege der Stichprobe - auch für persönlich an sich unverdächtige Gefangene angeordnet werden, sofern Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, gefährliche Häftlinge könnten sonst die für sie angeordneten Kontrollen auf dem Umweg über von ihnen unter Druck gesetzte Mithäftlinge umgehen (vgl. OLG Nürnberg, NStZ 1982, S. 526; Kammergericht, NStZ 1994, S. 379).

Dabei darf aber nicht die in § 84 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StVollzG und § 84 Abs. 3 StVollzG vorgesehene Abstufung der Anordnungsbefugnisse überspielt werden. Eine Anordnung auf der Grundlage des § 84 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StVollzG darf daher jedenfalls nicht zur Durchsuchung aller oder fast aller Gefangenen vor jedem Besuchskontakt und damit zu einer Durchsuchungspraxis führen, die das Strafvollzugsgesetz aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich nur in den Konstellationen des § 84 Abs. 3 StVollzG erlaubt (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl. 2002, § 84 Rn. 3; OLG Bremen, NStZ 1985, S. 143 <144>; OLG Nürnberg, NStZ 1982, S. 526; entgegen OLG Hamm, NStZ 1981, S. 407)." (BVerfG, a.a.O., Absätze 13 - 19)

b) Den danach zu beachtenden Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht nach Erlass der angefochtenen Entscheidung detailliert herausgearbeitet hat, wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht hinreichend gerecht. Die Strafvollstreckungskammer lässt zum einen die gebotene Differenzierung der Eingriffsvoraussetzungen des § 84 Abs. 2 StVollzG einerseits und des § 84 Abs. 3 StVollzG andererseits außer Acht, und trifft des Weiteren auch keine hinreichend tragfähigen Feststellungen zu den Voraussetzungen der Durchsuchungsanordnung nach § 84 Abs. 2 StVollzG.

aa) Die Strafvollstreckungskammer führt insoweit aus, sie habe "bereits mehrfach festgestellt, dass die Anordnung und die Durchführung der mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchungen vor und nach (Unterstreichung durch den Senat) dem Besuchsempfang rechtmäßig" seien und verweist auf ihre Ausführungen in einem Beschluss vom 16. Mai 2003 (7 StVK 92/03). Die gebotene Unterscheidung der Eingriffsvoraussetzungen des § 84 Abs. 2 StVollzG einerseits und des § 84 StVollzG andererseits fehlt indessen. Soweit der in jener Sache ergangene Beschluss des Senats vom 25. August 2003 (2 Ws 419/03), mit dem die Rechtsbeschwerde des (auch hier beschwerdeführenden) Strafgefangenen als unzulässig verworfen worden ist, dahin verstanden werden kann, Anordnungen der mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung seien vor und nach dem Besuch einheitlich zulässig, hält der Senat hieran nicht fest.

bb) Das Verfahren nach den §§ 109 ff StVollzG unterliegt der sich aus § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO ergebenden Verpflichtung, im Interesse der materiellen Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Auflage, § 115 Rdn. 3; Beschluss des Senats vom 23. Oktober 2003 - 2 Ws 479/03 -; jew. m.w.N.).

Dieser Verpflichtung ist die Strafvollstreckungskammer hier nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, die für die Entscheidung maßgeblichen Voraussetzungen des 84 Abs. 2 StVollzG von Amts wegen nachzuprüfen und konkrete Feststellungen zu ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen zu treffen. Namentlich zu der Voraussetzung, dass eine Anordnung nach § 84 Abs. 2 StVollzG lediglich im Einzelfall ergehen darf, enthält der angefochtene Beschluss keine Ausführungen. Dass der die Durchsuchung (bzw. das Umkleiden) vor dem Besuch anordnende Bedienstete hierzu berechtigt gewesen ist (§ 156 Abs. 3 StVollzG), genügt für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht. Bereits die Anstaltsleiterverfügung vom 6. Juni 2003 (in der Fassung der Verfügung vom 15. Juli 2003) vermittelt im Übrigen den Eindruck, unter Berufung auf Ziffer 1 der Verfügung werde auch bei der Zuführung zum Besuch nicht nur in Einzelfällen, sondern in jedem Fall die Durchsuchung und das Umkleiden angeordnet. Das in Ziffer 2 angeordnete Umkleiden im Anschluss an die Durchsuchung nach dem Besuch setzt voraus, dass auch alle Gefangenen zuvor in anstaltseigene Freizeitkleidung umgekleidet worden sind.

Weitere Feststellungen zu den Umständen der Anordnung des Umkleidens anlässlich der Besuchstermine vom 23. und 24. Juni, 20. und 27. Juli, 11. August und 28. September 2003 hat die Strafvollsteckungskammer jedoch nicht getroffen.

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 30. September 2003 war daher nach § 119 Abs. 4 S. 1 StVollzG aufzuheben. Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst zu treffen vermag, war die Sache wegen fehlender Spruchreife gemäß § 119 Abs. 4 S. 3 StVollzG zu erneuter Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

III.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 48a, 13 GKG.

IV.

Der Senat merkt abschließend an, dass ihm die von der Justizvollzugsanstalt zur Begründung ihrer Vorgehensweise angeführten Sicherheitsüberlegungen grundsätzlich überzeugend erscheinen. Ohne eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes dahin, den Katalog der zulässigerweise aufgrund einer Allgemeinverfügung des Anstaltsleiters vorzunehmenden, mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchungen auch auf die Zuführung zum Besuch zu erweitern, bleibt es jedoch dabei, dass diese Durchsuchungen vor dem Besuch nur im Einzelfall angeordnet werden dürfen und sich insbesondere die Summe der Einzelfälle nicht als gleichwohl "flächendeckende" Durchsuchung darstellen darf (BVerfG, a.a.O.). Den sich daraus für die Anstalt möglicherweise ergebenden Problemen vermag der Senat angesichts der eindeutigen Gesetzeslage nicht abzuhelfen.

Ende der Entscheidung

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