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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 867/03
Rechtsgebiete: StPO, GVG


Vorschriften:

StPO § 44 1
StPO § 45
StPO § 306 I
GVG § 78 I
1. Wird ein fristgebundener Rechtsmittelschriftsatz bei dem dafür unzuständigen Oberlandesgericht eingereicht, ist dieses im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht nur gehalten, ihn im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Es ist nicht verpflichtet, gegebenenfalls auch außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um einen fristgerechten Eingang der Rechtsmittelschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten.

2. Unterbleibt die Weiterleitung, obwohl im ordentlichen Geschäftsgang der rechtzeitige Eingang bei dem zuständigen Gericht noch möglich wäre, trifft den Rechtsmittelführer hieran kein Verschulden. In diesem Fall kommt grundsätzlich die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen in Betracht.

3. Gegen die Entscheidung einer auswärtigen Strafkammer nach § 78 GVG kann ein Rechtsmittel fristwahrend auch beim Stammgericht angebracht werden.


2 Ws 866/03 2 Ws 867/03 8023 VRs 230058/96 - StA Trier 21 VRs 773/98 - StA Trier

In der Strafvollstreckungssache

wegen Raubes mit Todesfolge u.a. hier: Aussetzung der Vollstreckung von Restfreiheitsstrafen zur Bewährung

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid, den Richter am Oberlandesgericht Mertens sowie den Richter am Landgericht Metzger

am 2. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 30. Oktober 2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

Der Verurteilte verbüßte in der Justizvollzugsanstalt Diez eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren wegen versuchten Raubes mit Todesfolge aus dem Urteil des Cour d'appel du Grand-Duché de Luxembourg, chambre criminelle, vom 6. Dezember 1993; Strafende hinsichtlich dieser Verurteilung war der 13. November 2003. Nunmehr verbüßt der Verurteilte den Strafrest aus der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz aus dem Urteil des Amtsgerichts Trier vom 9. September 1997. Gemeinsamer Zweidrittelzeitpunkt beider Verurteilungen war der 13. Juli 2000, das endgültige Strafende ist auf den 13. September 2004 notiert. Nach Ablehnung seiner bedingten Entlassung durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 18. Januar 2001 und Verwerfung der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Verurteilten durch Beschluss des Senats vom 15. Februar 2001 (2 Ws 94, 95/01) beantragte der Verurteilte unter dem 29. August 2002 erneut seine bedingte Entlassung aus der Strafhaft. Die Justizvollzugsanstalt Diez sprach sich für eine derartige Maßnahme aus und die Strafvollstreckungskammer beschloss am 17. Dezember 2002, ein Prognosegutachten gemäß § 454 Abs. 2 StPO einzuholen; zum Gutachter bestellte sie Herrn Dr. med. B. aus Wiesbaden. Dieser kam in seinem Gutachten vom 25. Mai 2003 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Verurteilte noch immer als Hochrisikoproband angesehen werden müsse, von dem weiterhin ein erhebliches Risiko ausgehe, neuerlich delinquent in Erscheinung zu treten.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2003 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez die bedingte Entlassung des Verurteilten, maßgeblich unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen, ab. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hob der Senat diese Entscheidung mit Beschluss vom 11. August 2003 auf und verwies die Sache zur Nachholung der unterbliebenen wiederholten Anhörung der Justizvollzugsanstalt und zu erneuter Entscheidung zurück.

Unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens spricht sich die Justizvollzugsanstalt nunmehr gegen eine bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft aus; auch die Staatsanwaltschaft lehnt weiterhin die vorzeitige Entlassung des Verurteilten ab.

Nach erneuter mündlicher Anhörung des Verurteilten am 28. Oktober 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez mit Beschluss vom 30. Oktober 2003 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen zur Bewährung abgelehnt, eine Antragssperre von sechs Monaten festgesetzt sowie dem Verurteilten die Kosten des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens auferlegt. Die dem Beschluss beigegebene Rechtsmittelbelehrung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig. Diese müsste, falls sie eingelegt werden sollte, innerhalb einer Woche nach Zustellung des Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Koblenz - Außenstelle Diez - erhoben werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn das Rechtsmittel innerhalb der genannten Frist bei Gericht eingegangen ist."

Der Beschluss ist dem Verurteilten am 7. November 2003 zugestellt worden.

Mit einem an das Oberlandesgericht Koblenz gerichteten Schreiben vom 11. November 2003, eingegangen am 14. November 2003, hat der Verurteilte gegen den Beschluss vom 30. Oktober 2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Geschäftsstellenbeamte des Senats verfügte am Tag des Eingangs (Freitag) die Weiterleitung des Schreibens an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez, wo die sofortige Beschwerde sodann am 18. November 2003 eingegangen ist.

Die gemäß § 454 Abs. 3 S. 1 StPO grundsätzlich statthafte sofortige Beschwerde des Verurteilten ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der am 7. November 2003 in Gang gesetzten, mithin am 14. November 2003 ablaufenden Wochenfrist zur Einlegung der sofortige Beschwerde (§§ 311 Abs. 2, 35 Abs. 2, 43 Abs. 1 StPO) bei dem nach § 306 Abs. 1 StPO zuständigen Gericht, dessen Entscheidung angefochten werden soll, eingegangen ist.

Der Eingang der Beschwerde bei dem Beschwerdegericht wahrt die Frist grundsätzlich nicht (Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 306 Rdn. 2). Bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez ist die sofortige Beschwerde hingegen erst am 18. November 2003, also nach Fristablauf, eingegangen.

Dem Verurteilten ist auch nicht gemäß §§ 44, 45 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren, da er nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten.

Ein Irrtum bei der Adressierung ist vorliegend auszuschließen. Sowohl das Schreiben des Verurteilten vom 11. November 2003 als auch der zur Übersendung verwendete Briefumschlag weisen als Adressaten das Oberlandesgericht Koblenz, mithin das für die Einlegung der sofortigen Beschwerde unzuständige Gericht aus. Dem Verurteilten ist jedoch - worauf die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz in ihrer Zuschrift vom 26. November 2003 zutreffend hinweist - grundsätzlich bekannt, dass er Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer nur wirksam durch rechtzeitige Einlegung der sofortigen Beschwerde bei diesem Gericht anfechten kann. So hat der Verurteilte auch in der Vergangenheit seine verschiedenen Eingaben, Gesuche und Beschwerden bei den jeweils zuständigen Stellen angebracht. Die fehlerhafte Adressierung der sofortigen Beschwerde ist mithin allein dem Verurteilten anzulasten (OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 272).

Zwar kommt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen dann in Betracht, wenn ein fristgebundener Schriftsatz beim unzuständigen Gericht eingeht und die Weiterleitung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang an das zuständige Gericht möglich ist. Unterlässt das unzuständige Gericht in diesem Fall die Weiterleitung, obwohl der rechtzeitige Eingang bei dem zuständigen Gericht noch möglich wäre, trifft den Rechtsmittelführer hieran kein Verschulden (BVerfG NJW 1995, 3173, 3175; OLG Naumburg, a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 44 Rdn. 17; vgl. auch Beschluss des Senats vom 25. August 1989 - 2 Ws 491/89 -). Dabei sind außerordentliche Maßnahmen, beispielsweise die Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax, durch das unzuständige Gericht grundsätzlich nicht veranlasst (OLG Hamm NJW 1997, 2829).

Hier wurde unmittelbar nach Eingang der sofortigen Beschwerde deren Weiterleitung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez verfügt und im ordnungsgemäßen Geschäftsgang ausgeführt; der Eingang nach Fristablauf geht danach grundsätzlich zu Lasten des Verurteilten.

Zwar wäre vorliegend auch die Weiterleitung des Beschwerdeschreibens an das ortsansässige Landgericht Koblenz möglich gewesen, bei dem die sofortige Beschwerde ebenfalls fristwahrend hätte eingelegt werden können. Soweit die dem angefochtenen Beschluss beigegebene Rechtsmittelbelehrung den Eindruck erweckt, für die Fristwahrung sei der Eingang der sofortigen Beschwerde bei der "Außenstelle Diez" erforderlich, ist dies nicht zutreffend. Den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez als auswärtige Strafkammer i.S.d. § 78 GVG erlassen. Sie ist zwar insoweit selbständiger Spruchkörper, ihre Zugehörigkeit zum Stammgericht (hier: Landgericht Koblenz) ist gleichwohl so stark, dass zur Fristwahrung auch der Eingang beim Stammgericht genügt (vgl. Kissel, GVG, 3. Aufl., § 78 Rdn. 8; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 78 GVG Rdn. 10; Meyer-Goßner, a.a.O., § 341 Rdn. 6 und § 78 GVG Rdn. 2; alle m.w.N.; siehe zum umgekehrten Fall der Rechtsmitteleinlegung bei einer auswärtigen Kammer auch Beschluss des Senats vom 7. Oktober 1999 - 2 Ws 600/99 - m.w.N.).

Gleichwohl kommt vorliegend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

So kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass im - hier für die Beurteilung maßgeblichen - üblichen Geschäftsgang das Schreiben des Verurteilten noch am gleichen Tag (und damit fristwahrend) beim Landgericht Koblenz eingegangen wäre. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass dem Schreiben des Verurteilten vom 11. November 2003 ein Hinweis auf den konkreten Fristablauf nicht zu entnehmen ist, insbesondere wird das Datum der Zustellung des angefochtenen Beschlusses in diesem Schreiben nicht mitgeteilt. Es bestand danach auch kein Anlass für die Annahme, die verfügte und im ordentlichen Geschäftsgang ausgeführte Weiterleitung an die Außenstelle Diez der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz führe nicht mehr zum fristgerechten Eingang der sofortigen Beschwerde.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist danach ausgeschlossen und die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 30. Oktober 2003 erweist sich infolgedessen als unzulässig.

Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 30. Oktober 2003 auch der Sach- und Rechtslage entspricht, die sofortige Beschwerde mithin unbegründet wäre. Konkrete Umstände, die geeignet wären, eine positive Prognose zu seinen Gunsten, die gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB unabdingbare Voraussetzung jeder vorzeitigen Entlassung ist, zu begründen, bringt der Verurteilte auch weiterhin nicht vor. Die von ihm angesprochene Maßnahme nach § 456 a StPO ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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