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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 3 U 1027/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
BGB §§ 633 ff
BGB § 626
BGB § 628 Abs. 2
BGB § 675
Will ein Mandant die Beseitigung der Mängel der Leistung seines bisherigen Steuerberaters durch einen anderen Berater vornehmen lassen, muss er dem für die Mängel verantwortlichen Steuerberater in der Regel zunächst die Möglichkeit zur Beseitigung der Mängel einräumen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 1027/02

Verkündet am 18. März 2003

in dem Rechtsstreit

wegen Steuerberaterhonorar.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak sowie die Richter am Oberlandesgericht Mille und Ritter auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin, eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei in A........, führte für die Beklagte, eine Ingenieurgesellschaft, die Lohnbuchhaltung und erstellte für diese die Jahresabschlüsse sowie die Umsatzsteuererklärungen. Ihre Honorarforderung in Gesamthöhe von 17.077,17 DM (8.731,42 €) hat sie mit der vorliegenden Klage gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Die Beklagte hatte den Steuerberatervertrag gekündigt. Vorausgegangen waren Unstimmigkeiten der Parteien über die richtige steuerrechtliche Bewertung von bereits erbrachten und abgerechneten Leistungen der Beklagten. Die Klägerin hatte diese als Teilleistungen in den von ihr erstellten Abschlüssen und Umsatzsteuererklärungen gewinnorientiert, d.h. umsatzerhöhend gebucht. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, es handele sich lediglich um Abschlagszahlungen, die passiviert werden müssten. Nach der Kündigung des Vertragsverhältnisses erstellte die Steuerberatungsgesellschaft D... die Jahresabschlüsse zu den Stichtagen 31. Dezember 1998 und 31. Dezember 1999 neu. Mit den hierdurch entstandenen Mehrkosten hat die Beklagte die Aufrechnung gegenüber der Klägerin erklärt und im Wege der Widerklage den überschießenden Betrag eingeklagt. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 169 ff GA) verwiesen.

Das Landgericht hat - nach Beweisaufnahme - durch das angefochtene Urteil der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagten stehe ein Anspruch gegen die Klägerin wegen der durch die Beauftragung der Steuerberatungsgesellschaft D... entstandenen Mehrkosten nicht zu. Der Klägerin sei eine Nachbesserungsmöglichkeit nicht eingeräumt worden, obwohl diese nachbesserungsbereit gewesen sei. Zur weiteren Darstellung des Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe (Bl. 173 ff GA) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Zur näheren Sachdarstellung des Berufungsvorbringens beider Parteien wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten vom 16. September 2002 (Bl. 194 ff GA) und deren Schriftsatz vom 18. November 2002 (Bl. 239 ff GA) sowie auf den Berufungserwiderungsschriftsatz der Klägerin vom 28. Oktober 2002 (Bl. 224 ff GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte zur Zahlung der Klageforderung verurteilt; ein aufrechenbarer Gegenanspruch steht der Beklagte nicht zu. Deshalb ist auch die Widerklage von der Kammer zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.

1.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 675, 611 BGB die Zahlung ihres Honorars verlangen. Diese Forderung ist durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nicht erloschen (§ 389 BGB).

a) Ein aufrechenbarer Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des Steuerberatervertrages steht der Beklagten gegen die Klägerin nicht zu. Die - zwischen den Parteien streitige - Frage, ob die Verbuchung der Teilleistungen korrekt erfolgt ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, scheidet ein Anspruch der Beklagten aus, weil der Klägerin kein Nachbesserungsrecht eingeräumt worden ist.

In der Regel ist der Steuerberatungsvertrag ein auf eine Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag (§§ 675, 611 BGB). Ein solcher Dienstvertrag liegt vor, wenn einem Steuerberater allgemein die Wahrung aller steuerlichen Interessen seines Auftraggebers übertragen werden, wobei es unerheblich ist, dass sich ein Teil der zu erbringenden Leistungen in einem "körperlichen" Werk, etwa als "Jahresabschluss" oder als "Steuererklärung" konkretisieren lässt (vgl. Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, 3. Aufl. StBGebV vor § 1 Anm. 1.3.2). Ein Werkvertrag ist demgegenüber anzunehmen, wenn als "Einzelauftrag" für einen Auftraggeber, zu dem keine fortlaufende Geschäftsbeziehung besteht, etwa ein "Vermögensstatus" oder ein Gutachten erstellt wird (vgl. Soergel in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl. § 631 Rdnr. 100; Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl. vor § 631 Rdnr. 87).

Da die Erstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen durch die Klägerin im Rahmen einer fortlaufenden Mandatsbeziehung zu der Beklagten erfolgt ist, kommt ein Werkvertrag nicht in Betracht, so dass auch Nachbesserungsvorschriften der §§ 633 ff unmittelbar keine Anwendung finden. Jedoch ist auch dann, wenn es sich, wie hier, um einen Dienstvertrag handelt, dem Steuerberater ein Nachbesserungsrecht einzuräumen, wenn der Mandant die Beseitigung der Mängel der Leistung seines bisherigen Steuerberaters durch einen anderen Berater vornehmen lässt und dem für die Mängel verantwortlichen Steuerberater dann die dadurch entstehenden Kosten anlasten will. In diesem Fall muss er vor der Beauftragung des anderen Beraters seinem bisherigen Steuerberater die Möglichkeit zur Beseitigung der Mängel einräumen (vgl. Eckert a.a.0. Anm. 1.3.6 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Das ist hier nicht geschehen. Vielmehr hat die Beklagte, wie sich dem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft D... vom 7. Juni 2001 (Bl. 46 ff GA) entnehmen lässt, diese möglicherweise bereits zu diesem Termin, spätestens aber am 20. Juni 2001 mit der Bilanzberichtigung beauftragt, die dann von der Steuerberatungsgesellschaft D... durchgeführt wurde. Der entsprechende Auftrag wurde der Klägerin, wie sich aus deren Schreiben vom 16. Juli 2001 (Bl. 44 GA) ergibt, entzogen. Die Einräumung einer Nachbesserungsmöglichkeit vor der Beauftragung eines anderen Steuerberaters wäre nur dann entbehrlich gewesen, wenn die Klägerin die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hätte. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat dies aber nicht ergeben. Der Zeuge S...... hat in seiner Vernehmung bekundet, dass die Klägerin im Hinblick auf das lukrative Mandat - trotz ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung - im Sinne der Beklagten gegenüber den Finanzbehörden tätig werden wollte. Hieraus ergibt sich aber, dass die Klägerin grundsätzlich zu einer Überprüfung ihrer Buchungen bereit war und auch gegenüber der Finanzbehörde initiativ werden wollte. Zwar hat die Klägerin gleichzeitig an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Das steht aber ihrer Nachbesserungsbereitschaft nicht entgegen, da es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Rechtsfrage handelt. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand Einigkeit darüber, dass selbständig abrechenbare und vergütungsfähige Teilleistungen, auf deren Vergütung ein selbständiger Honoraranspruch besteht, zu aktivieren, Abschlagszahlen dagegen zu passivieren sind. Die Klägerin hätte daher anhand der vorliegenden Verträge überprüfen können und müssen, ob es sich um Teilleistungen oder Abschlagszahlungen handelte. Erst nach Abschluss dieser Tatsachenprüfung hätte definitiv gesagt werden können, ob eine Bilanzabänderung in Betracht gekommen wäre.

Diese Möglichkeiten hatte die Klägerin aber in dem Gespräch mit dem Mitgesellschaft E....., wie sich der Aussage des Zeugen S...... entnehmen lässt, nicht verweigert. Aus diesem Grund kann auch nicht in dem Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 2001 an die Finanzämter in M.... und Bad N.......-......... eine derartige Verweigerung gesehen werden. In diesem Schreiben hat sie ihre Rechtsauffassung aufrechterhalten. Dies schließt aber, wie bereits dargelegt, eine Überprüfung der tatsächlichen Grundlagen nicht aus.

Schließlich liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise eine Nachbesserung durch die Klägerin für die Beklagte unzumutbar machen. So hat die Klägerin in ihren Schreiben an die Finanzämter in M.... und Bad N.......-......... vom 6. Juli 2001 ihre Rechtsauffassung aufrechterhalten. Dies geschah aber nicht in der Absicht, die Beklagte zu schädigen, sondern um sich gegen die Vorwürfe einer grob mangelhaften Buchführung durch die Steuerberatungsgesellschaft D... zu wehren. Diese hat in einem Schreiben an das Finanzamt in Bad N.......-......... vom 7. Juni 2001 (Bl. 46 ff GA) den Klägern gravierende Verstöße gegen die ordnungsgemäße Buchhaltung vorgeworfen. Erst nachdem die Beklagte der Klägerin das Mandat entzogen hatte, wandte sich diese ihrerseits an die Finanzämter M.... und Bad N.......-.......... Wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 2001 (Bl. 44 ff GA) ergibt, geschah dies, um die Vorwürfe der Steuerberatungsgesellschaft D... entschieden zurückzuweisen. Weder die Art noch der Inhalt des Schreibens sind geeignet, das Vertrauen der Beklagten in eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung durch die Klägerin zu erschüttern. Da diese Vorwürfe der Steuerberatungsgesellschaft D... auch gegenüber dem Finanzamt Bad N.......-......... erhoben worden sind, ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die Klägerin sich auch an dieses Finanzamt wandte.

b) Der Beklagten steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin gemäß § 628 Abs. 2 BGB zu. Im Falle der fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 BGB haftet der Vertragsteil, der durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlasst hat, dem anderen Teil auf Schadensersatz. Ob die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 626 BGB gegeben sind, insbesondere die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten derart mangelbehaftet sind, dass eine Fortsetzung des Vertrages für die Beklagten unzumutbar war, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann die Beklagte die ihr entstandenen Kosten der Steuergesellschaft D... nicht von der Klägerin ersetzt verlangen. Insoweit fällt der Beklagten, da sie eine Nachbesserung durch die hierzu bereite Klägerin nicht ermöglichte, ein den Anspruch ausschließendes Mitverschulden (§ 254 BGB) zur Last.

c) Auch durch die Aufrechnung mit der abgetretenen Forderung der Eheleute E..... in Höhe von 2.462,17 DM ist die Klageforderung nicht teilweise erloschen. Vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und den Eheleuten E..... bestanden nicht. Die Klägerin war nur für die H..... Partner GbR als Steuerberater tätig. Die Voraussetzungen einer Einbeziehung der Eheleute E..... in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages mit der GbR sind bisher nicht ausreichend dargetan.

2.

Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich zugleich, dass auch die Widerklage unbegründet ist. Die Höhe dieses Anspruchs ist im Übrigen bisher nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte hat Rechnungen der Steuerberatungsgesellschaft vom 31. Juli 2001 (Bl. 36 GA) über 22.156 DM und vom 28. November 2001 (Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 3. Dezember 2001) über 8.253,40 DM vorgelegt. Dies ergibt zusammen mit der abgetretenen Forderung ein Betrag von 32.817,57 DM. Die Klägerin verlangt einen Betrag von 17.077,17 DM, so dass nach der Aufrechnung für die Widerklage lediglich ein Betrag von 15.794,40 DM verbleibt. Im Wege der Widerklage eingeklagt sind jedoch 28.650 DM.

III.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Berufungsstreitwert und die Beschwer der Beklagten werden auf 23.379,93 € festgesetzt.

Klage: 8.731,42 €

Widerklage: 14.648,51 €

Die Revision wird nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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