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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 1129/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 540
ZPO § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 1129/00 10 O 341/00 LG Koblenz

Verkündet am 8. Mai 2001

Wolff, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Heilmann auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Juni 2000 einschließlich des ihm zugrunde liegenden landgerichtlichen Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Koblenz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagten weder für sich noch als Gesamtgläubigerin mit R J und R G K die Ansprüche gegen den Kläger zustehen, die Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Koblenz (Az.: 10 O 325/99) sind.

Der Kläger war bis Februar 1997 für die R E GmbH als Steuerberater tätig. Nachdem die Beklagte und R G K im Juni 1995 die Beteiligung der Firma G N GmbH übernommen hatten, waren die Beklagte sowie M B, R J und R G K Gesellschafter und Geschäftsführer der R E GmbH. Am 1. Dezember 1995 schied sodann M B aus der Gesellschaft aus. Die Beklagte war in der Firma mit den kaufmännischen und buchhalterischen Aufgaben betraut. Die R E GmbH geriet in der Folgezeit in finanzielle Schwierigkeiten. Am 29. Mai 1997 beantragte die IKK Rheinland-Pfalz die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Der Antrag wurde mangels Masse abgewiesen.

Die Beklagte sowie R J und R G K wurden zwischenzeitlich von Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen. R J und R G K machen insofern gegen den Kläger vor dem Landgericht Koblenz (AZ: 10 O 325/99) Schadensersatzansprüche mit der Begründung geltend, der Kläger sei neben seiner steuerberatenden Tätigkeit auch beauftragt gewesen, die Gesellschaft in wirtschaftlichen Belangen zu beraten. Sie sind der Auffassung, der Kläger sei in dieser Hinsicht seinen Pflichten nicht nachgekommen und habe die Gesellschafter auch nicht rechtzeitig auf einen erforderlichen Konkursantrag hingewiesen. Nach teilweise Rücknahme der Klage begehren sie nunmehr noch Zahlung von 35.000 DM (R J) und 4.000 DM (R G K) sowie Freistellung von konkursbedingten Verbindlichkeiten in Höhe von 166.019,66 DM.

Das Landgericht Koblenz verkündete am 18. Februar 2000 einen Beweisbeschluss. Danach soll die Beklagte als Zeugin über den Umfang des Beratungsvertrages und über ein Gespräch im September 1996 vernommen werden. Am 24. Februar 2000 erhob der Kläger gegen die Beklagte in diesem Verfahren Widerklage in Gestalt einer negativen Feststellungsklage. Das Landgericht Koblenz trennte mit Beschluss vom 2. Juni 2000 die Widerklage ab. Die negative Feststellungsklage ist nunmehr Gegenstand dieses Verfahrens.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2000 (Bl. 267 GA) forderte der Kläger die Beklagte auf, sich dahin zu erklären, dass sie sich keiner Forderung gegenüber dem Kläger berühme und ihn im Innenverhältnis hinsichtlich ihres Anteils am Ausgleich der gesamtschuldnerischen Haftung freistelle. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13. Juni 2000 (Bl. 269 GA) eine Stellungnahme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die negative Feststellungsklage ab.

Der Kläger hat vorgetragen:

Da die Gläubiger der R E GmbH gegen die Gesellschafter als Gesamtschuldner vorgingen, könnten die Gesellschafter, und damit auch die Beklagte, ihre behaupteten Schadensersatzansprüche gegen den Kläger auch nur gemeinsam als Gesamtgläubiger geltend machen. Hieraus ergebe sich zwingend, dass die Beklagte ebenfalls Schadensersatz fordere. Damit sei für die negative Feststellungsklage des Klägers ein Feststellungsinteresse gegeben.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte weder für sich noch gesamtgläubigerisch neben R J und R G K Schadensersatzansprüche gegen den Kläger hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Koblenz hat mit Urteil vom 23. Juni 2000 die Klage abgewiesen. Es ist der Auffassung:

Ungeachtet der Bedenken an der Bestimmtheit des Klageantrag fehle es für eine negative Feststellungsklage an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Denn die Beklagte berühme sich nicht eines Schadensersatzanspruchs. Aus der Inanspruchnahme der Gesellschafter als Gesamtschuldner ergebe sich nicht zwingend die Gesamtgläubigerschaft hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches gegen den Kläger. Auch nach Zahlung eines der Gesellschafter an einen Gläubiger der Gesellschaft sei vollkommen offen, ob dieser vom Kläger Ausgleich verlange oder bei der Beklagten Rückgriff nehme. selbst bei einer Inanspruchnahme der Beklagten sei die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger insoweit haftbar zu machen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Der Kläger nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt des weiteren vor:

Er habe für die Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte taktiere hinhaltend. Dies werde gerade durch das Schreiben vom 13. Juni 2000 als Antwort auf die Aufforderung, sich zu erklären, deutlich. Aufgrund dieser Umstände sei ein erhebliches Interesse an der Klärung des Rechtsverhältnisses gegeben.

Zudem beabsichtige die Beklagte tatsächlich, den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Zumindest sei die Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet, sich im Hinblick auf eine mögliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu erklären.

Da die negative Feststellungsklage denselben Streitgegenstand wie das Verfahren vor dem Landgericht Koblenz (Az.: 10 O 325/99) betreffe, seien diese Verfahren auch zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Beklagten weder für sich noch als Gesamtgläubigerin mit den Herren J und K die Ansprüche gegen den Kläger zustehen, die Streitgegenstand des Verfahrens 10 O 325/99 der dortigen Kläger J und K gegen den dortigen Beklagten sind,

sowie unter Aufhebung des Abtrennungsbeschlusses des Landgerichts vom 2.6.2000 die Verfahren 10 O 325/99 und 341/00 zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung wieder zu verbinden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Für die Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse, weil sie sich nicht eines Anspruchs berühme. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben vom 13. Juni 2000. Für die Beklagte bestehe keine Veranlassung, den Kläger in Anspruch zu nehmen. Denn bei einem Obsiegen der beiden anderen Gesellschafter müsse der Kläger Schadenersatz leisten, und die Beklagte werde sodann nicht mehr von Dritten in Anspruch genommen.

Für sie bestehe deshalb auch keine Notwendigkeit sich zu erklären. Nicht die Beklagte, sondern der Kläger taktiere. So sei die negative Feststellungsklage allein deshalb erhoben worden, um die Beklagte als Zeugin auszuschalten.

Zudem sei eine Widerklage allein gegen eine bis zu deren Erhebung nicht beteiligte Partei unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet und führt hier zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Der nunmehr vorliegende Feststellungsantrag ist gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Mit einem bestimmten Klageantrag wird der Streitgegenstand abgegrenzt. Ein Klageantrag ist insoweit hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich bei vollstreckungsfähigen Entscheidungen eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. BGH NJW 1999, 954; BGH NJW 1991, 1114). Ein Feststellungsantrag muss dabei die Identität und damit den Umfang der Rechtskraftwirkung des begehrten Feststellungsanspruchs klar erkennen lassen (vgl. BGH VersR 1982, 68).

Dies ist hier im Hinblick auf den im Rahmen des Berufungsverfahrens erfolgten Antrag der Fall. Dieser beschränkt die begehrte Feststellung auf die in dem Verfahren vor dem Landgericht Koblenz (Az.: 10 O 355/99) von den beiden anderen Gesellschaftern J und K geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Unter Berücksichtigung einer zulässigen Auslegung des Antrags betrifft die Feststellung die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erhobenen Ansprüche auf Zahlung von 35.000 DM (R J) und 4.000 DM (R G K) und auf Freistellung hinsichtlich der Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse A, der I Rheinland-Pfalz, der B Ersatzkasse, dem Arbeitsamt M und dem Finanzamt M. Mithin ist der Umfang der Rechtskraftswirkung klar umrissen und der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt.

Der Senat sieht im vorliegenden Fall auch das erforderliche Feststellungsinteresse als gegeben an. Das Feststellungsinteresse besteht dann, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte sich eines Rechts berühmt und das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH MDR 1986, 743; Zöller-Greger, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl. 2001, § 256 Rdnr. 7). Die Ungewissheit über das Recht entsteht mithin aus einer von dem Beklagten aufgestellten Bestandsbehauptung der vom Kläger verneinten Rechtsfrage, unabhängig davon, ob der Anspruch besteht oder nicht. Das Berühmen muss dabei nicht notwendig ausdrücklich geschehen. Andererseits reicht ein Schweigen oder ein passives verhalten des Beklagten nur dann aus, wenn der Kläger nach Treu und Glauben eine ihn endgültig sicherstellende Erklärung erwarten kann (vgl. BGH NJW 1995, 2033; BGH NJW 1977, 1639; OLG Düsseldorf GRUB 1988, 789; Stein/Jonas-Schumann, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl. 1994, § 256 Rdnr. 65). Eine solche Erklärungspflicht kann sich dabei unabhängig eines vorangegangenen Verhaltens aus den gesamten Umständen ergeben.

Solche Umstände liegen hier vor. Zwar hat die Beklagte bislang ausdrücklich keine Schadensersatzansprüche gegen den Kläger geltend gemacht. Auch ergibt sich aus der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter gegenüber Drittgläubigern nicht zwingend die Inanspruchnahme des Klägers durch alle Gesellschafter als Gesamtgläubiger. Gleichwohl war eine klarstellende Erklärung der Beklagten als Antwort auf das Schreiben vom 5. Juni 2000 geboten. Die Beklagte war gemeinsam mit R J und R G K Gesellschafterin und Geschäftsführerin der R E GmbH. Im Rahmen der Aufgabenverteilung hatte sie den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich übernommen. Aus diesem Grunde sind ihr sowohl die Ansprüche der Drittgläubiger als auch die geschäftlichen Beziehungen zum Kläger im Einzelnen bekannt. In diesem Zusammenhang soll sie gerade auch als Zeugin vor dem Landgericht Koblenz vernommen werden.

Hinzu kommt vorliegend, dass die Beklagte bei einem Obsiegen des Klägers in dem Verfahren gegen die beiden anderen Gesellschafter den Kläger erneut auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte. Gerade hieraus wird das Interesse des Klägers an einer endgültigen Klärung der Ansprüche zwischen allen Beteiligten deutlich. Zumindest im Verhältnis zur Beklagten wäre dies durch eine klarstellende Erklärung möglich. Gibt die Beklagte, wie hier, eine solche jedoch nicht ab, muss der Kläger eine erneute Inanspruchnahme fürchten, so dass ein Feststellungsinteresse entgegen der Auffassung des Landgerichts Koblenz zu bejahen ist.

Da das Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom 23. Juni 2000 das Feststellungsinteresse verneinte, wurde nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Dies stellt gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einen Fall der notwendigen Zurückverweisung dar (vgl. hierzu OLG Koblenz NJW-RR 1989, 510). Die Zurückverweisung ist auch sachdienlich gemäß § 540 ZPO, da der Rechtsstreit über die hier in Frage stehenden Schadensersatzansprüche in dem Verfahren vor dem Landgericht Koblenz (Az.: 10 O 325/99) noch nicht entschieden ist. In diesem Verfahren ist die Durchführung einer Beweisaufnahme beabsichtigt.

Die Aufhebung des Abtrennungsbeschlusses des Landgerichts Koblenz vom 2. Juni 2000 konnte im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht erfolgen. Ein solcher Beschluss ist nur dann möglich, wenn die getrennten Prozesse vor einem Gericht anhängig sind (vgl. hierzu Stein/Jonas-Roth, a.a.O., § 150 Rdnr. 2). Im vorliegenden Fall befindet sich jedoch nur der vorliegende Rechtsstreit im Berufungsverfahren.

Der Senat sieht sich jedoch zu folgenden Hinweisen veranlasst: Die sog. "isolierte" Drittwiderklage, d.h. die Widerklage nur gegen einen bis dahin am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten wird zwar grundsätzlich als unzulässig erachtet (vgl. BGH NJW 1971, 466; OLG Zweibrücken VersR 1995, 197; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 33 Rdnr. 19 ff). Eine Ausnahme hat der Bundesgerichtshof nach dem Sinn und Zweck von § 33 ZPO jedoch in einem Fall besonders enger gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen zugelassen (vgl. BGH NJW 1984, 2105).

Vorliegend dürfte ebenfalls eine solche enge Verflechtung der Beteiligten gegeben sein. Mit der negativen Feststellungsklage sollen gerade die Ansprüche geklärt werden, die Gegenstand der Klage der übrigen Gesellschafter gegen den Kläger sind. Unabhängig des Interesses an einer einheitlichen Entscheidung liegt damit eine unmittelbare Verbindung der gegenseitigen Klagebegehren vor. Dies überwiegt hier auch gegenüber dem Interesse an der Verhinderung der Ausschaltung einer Zeugin durch die Widerklage. Damit fehlt ein Grund für die Trennung der Verfahren und ist eine Aufhebung des Trennungsbeschlusses durch das Landgericht Koblenz zu erwägen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 205.019,66 DM.

In dieser Höhe sind beide Parteien beschwert (vgl. hierzu. Zöller-Gummer, a.a.O. § 546 Rdnr. 12 b).

Ende der Entscheidung

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