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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 1281/00
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 162
BGB § 313 Satz 1
BGB § 162 Abs. 1
BGB § 158
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 a. F.
AGBG § 11 Nr. 5 lit. b
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 1281/00 4 O 294/99 LG Koblenz

Verkündet am 22.05.2001

Wolff, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Heilmann auf die mündliche Verhandlung vom 10.09.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 07.08.2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 90.000,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 15.09.1999 zu zahlen.

Die Klage wird im übrigen abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte tragen die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Zahlung einer Abfindung wegen Abstandnahme von einem Bauvertrag.

Die Beklagten erteilten der Klägerin am 21.12.1998 in einem schriftlichen Vertrag den Auftrag, zur schlüsselfertigen Erstellung eines Einfamilienhauses auf einem bestimmten, noch zu erwerbenden Grundstück. Der Vertrag enthält die Klausel:

"Voraussetzung hierfür ist, dass der Grundstückskaufvertrag, voraussichtlich am 21.12.1998, zu Stande kommt und wir als rechtmäßige Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden."

Für den Fall einer von ihnen zu vertretenden Nichtausführung des Bauvorhabens bis zum 31.12.2000 verpflichteten die Beklagten sich in demselben Vertrag, an die Klägerin "zum Ausgleich Ihrer Aufwendungen und für die Vermittlung des Grundstücks" eine Abfindung von 40.000,00 DM zu zahlen.

Die Beklagten schlossen am 22.12.1998 einen notariellen Kaufvertrag über das in dem Bauvertrag bezeichnete Grundstück, hoben diesen aber vor ihrer Eintragung im Grundbuch im Einvernehmen mit dem Verkäufer durch notariellen Vertrag vom 12.08.1999 wieder auf. Mit notariellem Kaufvertrag vom selben Tage erwarb die volljährige Tochter der Beklagten, I G, das Grundstück, die in der Folgezeit als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Die Durchführung des mit der Klägerin vereinbarten Bauvorhabens lehnten die Beklagten ab. Nachdem auf dem Grundstück der I G durch einen anderen Unternehmer ein Wohnhaus errichtet worden war, zogen die Beklagten in dieses ein.

Die Klägerin hat vorgetragen, das Verhalten der Beklagten stelle eine treuwidrige Verhinderung des Eintritts einer Bedingung dar. Sie seien daher zur Zahlung der vereinbarten Abstandssumme von 40.000 DM verpflichtet.

Sie hat beantragt,

die Beklagten seien zu verurteilen, an die Klägerin 40.000,00 DM nebst 9 % Zinsen hieraus seit dem 15.09.1999 zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, von treuwidrigem Verhalten der Beklagten sei nicht auszugehen, da nicht dargetan sei, dass der Grundstückskauf durch die Tochter der Kläger tatsächlich zu dem Zweck getätigt worden sei, den Bauvertrag mit der Klägerin unwirksam werden zu lassen. Gegen eine solche Zielsetzung spreche der Umstand, dass anlässlich der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages mit der Tochter die Beklagten unstreitig zunächst den Wunsch geäußert hätten, auch ihre zweite, minderjährige Tochter als Käuferin in den Vertrag aufnehmen zu lassen.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, ihr Zahlungsanspruch ergebe sich aus dem Vertrag vom 21.12.1998. Die darin enthaltene Bedingung sei dadurch eingetreten, dass die Beklagten über das Baugrundstück verfügen könnten, nachdem ihre Tochter es gekauft habe. Wolle man dies nicht bejahen, so sei doch eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, wonach der Vertrag auch bei einem Erwerb durch eine Tochter der Beklagten gelten solle. Zumindest sei § 162 BGB anwendbar, da die Beklagten die Bedingung jedenfalls vereitelt hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Bauvertrag gelte mangels Eintritts der vereinbarten Voraussetzung nicht. Der Kauf des Grundstücks durch ihre ältere Tochter beruhe nicht auf einer Benachteiligungsabsicht, sondern dem hätten familienrechtliche Überlegungen zugrunde gelegen. Überdies sei der privatschriftliche Vertrag nicht formwirksam, da ein Zusammenhang mit dem Grundstücksgeschäft bestehe. Die Abfindungsklausel sei sittenwidrig.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages vom 21.12.1998 verpflichtet, an diese eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM zu zahlen.

Der Vertrag vom 21.12.1998 ist wirksam. Er bedurfte nicht der notariellen Beurkundung und ist daher nicht wegen Formmangels nichtig (§ 125 BGB). Denn er beinhaltet weder die Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (§ 313 BGB), noch steht der am 22.12.1998 getätigte Grundstückskauf in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem solchen Vertrag.

Bei der Veräußerung eines Grundstücks erstreckt sich das Beurkundungserfordernis des § 313 Satz 1 BGB auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (stdg. Rspr. des BGH; vgl. z. B. BGH NJW-RR 1989, S. 198, 199). Eine für sich allein nicht formbedürftige Vereinbarung ist demnach notariell zu beurkunden, wenn sie mit einem Grundstücksvertrag rechtlich zusammenhängt. Dies ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach den Vorstellungen der Vertragschließenden wechselseitig derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen (BGH NJW 1980, S. 829, 830) oder wenn zumindest der Grundstücksvertrag von dem weiteren Geschäft in dieser Weise abhängig ist (BGH NJW 2000, S. 951).

Ein an sich formfreier Vertrag bedarf dagegen keiner notariellen Beurkundung, wenn nur er in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Grundstückskauf steht, während das Grundstücksgeschäft unabhängig von dem anderen Vertrag gelten soll (BGH NJW 2000, 951). In einem solchen Fall gebietet der Normzweck des § 313 Satz 1 BGB (Warn- und Schutzfunktion, Gewährfunktion für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens, Beweisfunktion) es nicht, die weitere Vereinbarung zum Gegenstand der notariellen Aufklärung, der Beratung und des Urkundenbeweises zu machen (BGH aaO.). Denn das Grundstücksgeschäft soll mangels abweichenden übereinstimmenden Willens der Vertragsparteien auch darin Bestand haben, wenn der andere Vertrag unwirksam, unvollständig oder aus einem anderen Grunde mit Mängeln behaftet ist. Der entgegenstehenden Rechtsansicht des OLG Köln (RNotZ 2001, S. 111 ff.) vermag der Senat sich aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.

Der Vertrag vom 21.12.1998 verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).

Die Bestimmungen des AGB-Gesetzes finden hier keine Anwendung, da nicht behauptet wird, die Vertragsbedingungen seien zur mehrfachen Verwendung formuliert worden. Auf einen Individualvertrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten § 11 Nr. 5 lit. b AGBG auch nicht entsprechende anwendbar. Ein Erfordernis, dem Vertragspartner den Nachweis eines geringeren als des pauschalierten Schadens offenzuhalten, ergibt sich nur bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wenn dagegen die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind, ist der Vertragspartner hinsichtlich der Übernahme einer pauschalen Schadensersatzpflicht grundsätzlich nicht schutzbedürftig.

Es ist nicht dargetan, dass die Klägerin sich unter Ausbeutung der Unerfahrenheit ihrer Vertragspartner Vermögensvorteile versprechen ließ, die in einem auffälligen Missverhältnis zu ihrer, der Klägerin, eigenen Leistung stünden (§ 138 Abs. 2 BGB). Die im letzten Absatz des Vertrages vorgesehene Abfindung ist nicht unverhältnismäßig hoch. Es handelt sich um pauschalierten Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Der versprochene Betrag von 40.000,00 DM beträgt rund 5,7 %, der maximalen und 8 % der vereinbarten niedrigsten Auftragssumme. Damit übersteigt er den von der Klägerin zu erwartenden Gewinn nicht offensichtlich so erheblich, dass von einem auffälligen Missverhältnis auszugehen wäre. Auch eine besondere Unerfahrenheit der Beklagten ist nicht dargetan. Diese mögen zwar erst kurze Zeit in Deutschland gelebt haben und der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sein; ihnen standen jedoch unstreitig mehrere Personen zur Seite, von deren Unerfahrenheit aufgrund des Parteivortrages nicht ausgegangen werden kann.

Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, der Vertrag sei nicht wirksam, weil sie das darin bezeichnete Grundstück nicht erworben hätten.

Der Vertrag wurde zwar unter der "Voraussetzung", d. h., der aufschiebenden Bedingung, geschlossen, dass die Beklagten das darin bezeichnete Grundstück erwarben und als dessen Eigentümer im Grundstück eingetragen wurden, und eine grundbuchliche Eintragung der Beklagten erfolgte nicht. Die Bedingung muss jedoch gemäß § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten gelten, weil die Beklagten deren Eintritt wider Treu und Glauben verhinderten. Es kann deshalb dahinstehen, ob mit dem Erwerb des Grundstücks durch die volljährige Tochter der Beklagten wirtschaftlich der gleiche Erfolg erzielt wurde wie durch einen Eigentumsübergang auf die Eltern und ob die vertragliche Bedingung somit tatsächlich eingetreten ist.

Es handelt sich vorliegend um eine echte Bedingung i. S. des § 158 BGB. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt der im Vertrag formulierte Vorbehalt keine sog. Wollensbedingung dar, deren Eintritt in das freie Belieben der Beklagten gestellt gewesen wäre. So hing das Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages auch davon ab, dass der Verkäufer daran mitwirkte, der ja von der Klägerin verschieden war. Außerdem konnten die Parteien nicht von vornherein sicher sein, dass alle rechtlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in das Grundbuch erfüllt würden. Die Parteien machten das Zustandekommen des Bauvertrages also von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig.

Ob der Nichteintritt der vereinbarten Bedingung durch ein aktives Tun der Beklagten verursacht wurde, nämlich dadurch, dass sie an der Aufhebung des mit ihnen bereits zustande gekommenen Grundstückskaufvertrages mitwirkten, oder ob die Bedingung durch ein Unterlassen vereitelt wurde, ist nicht relevant. Auch im letzteren Fall ist von einem treuwidriges Verhindern auszugehen.

Durch bloßes Unterlassen wird der Tatbestand des Vereitelns allerdings nur erfüllt, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Dazu ist jedoch keine vertragliche, einklagbare Leistungspflicht erforderlich, sondern eine solche "Rechtspflicht zum Handeln" ist bereits dann zu bejahen, wenn die Vornahme der Handlung nach den Geboten von Treu und Glauben erforderlich ist (BGH LM BGB § 162 Nr. 3). Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 BGB ist es auch nicht, dass der Verpflichtete in der Absicht handelt, die Bedingung zu vereiteln. Es genügt vielmehr, dass der Eintritt der Bedingung verhindert wird und dass dies in Widerspruch zu Treu und Glauben geschieht (BGH aaO.). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die Beklagten hatten sich der Klägerin gegenüber zwar nicht verpflichtet, das Grundstück zu erwerben, auf welchem gebaut werden sollte. Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses waren die Beklagten aber nach den allgemein geltenden Rechtsregeln gehalten, grundsätzlich alles zu unterlassen, was das Vertragsziel gefährdete, insbesondere die Realisierung des Bauvorhabens verhinderte. Die Beklagten handelten daher treuwidrig, als sie den mit ihnen geschlossenen Kaufvertrag ohne ersichtlichen Anlass aufhoben und ihre Tochter das Grundstück erwerben ließen. Da unstreitig anschließend ein Wohnhaus auf diesem Grundstück errichtet wurde, in welches die Beklagten dann selbst einzogen, standen der Verwirklichung des Bauvorhabens, wie es mit der Klägerin vereinbart war, offenbar keine tatsächlichen Hindernisse entgegen. Die Beklagten müssten deshalb dartun, welche Gründe sie dazu bewogen, das Grundstück nicht in eigener Person zu erwerben. Ihr Vortrag, dem hätten "familienrechtliche Überlegungen" zugrunde gelegen, ist - auch in Verbindung mit dem unbestrittenen Vortrag, zunächst habe auch die jüngere Tochter der Beklagten als Käuferin auftreten sollen - insofern unzureichend. Er lässt keine überzeugenden Gründe dafür erkennen, dass es für die Beklagten geboten oder interessengerecht gewesen sein sollte, an ihrer Stelle nunmehr ihre Tochter Grundstückseigentümerin werden zu lassen. Der Vortrag der Klägerin, es habe hierfür keinen anderen Grund gegeben, als den, das Wirksamwerden des mit ihr bestehenden Bauvertrages zu verhindern, ist daher nicht ausreichend substantiiert bestritten.

Da also die Bedingung für den Vertrag vom 21.12.1998 als eingetreten gilt und es von den Beklagten zu vertreten ist, dass das Bauvorhaben nicht zur Ausführung gelangte, schulden die Beklagten der Klägerin die vereinbarte Abstandssumme von 40.000,00 DM.

Die Zinsforderung beruht auf den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a. F. Die Beklagten wurden mit Schreiben des Rechtsanwalts der Klägerin vom 09.09.1999 in Verzug gesetzt. Ein Verzugsschaden, der 4 % Zinsen pro Jahr übersteigt, ist nicht dargetan und nicht unter Beweis gestellt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,00 DM festgesetzt. Die Beklagten sind in dieser Höhe beschwert.

Ende der Entscheidung

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