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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: 3 U 167/01
Rechtsgebiete: DÜG, BGB, PflVG, ZPO, StVG, StVZO, StVO


Vorschriften:

DÜG § 1
BGB § 254
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 3
BGB § 831
PflVG § 1
PflVG § 2 Abs. 1 Nr. 6 b
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 6
ZPO § 97
ZPO § 141
ZPO § 264 Nr. 3
ZPO § 525
ZPO § 543
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
StVG § 1
StVG § 7
StVG § 8 Nr. 1
StVZO § 4
StVZO § 18
StVZO § 18 Abs. 2 Nr. 1
StVZO § 18 Abs. 5
StVO § 2 Abs. 2
StVO § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 167/01

Verkündet am 28. Januar 2003

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Mille und die Richterin am Oberlandesgericht Becht

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Januar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der ersten Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 12. Dezember 2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte zu 1) wird als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 2) und 3) verurteilt, an die Klägerin

a) 51.512,78 € (100.750,24 DM) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 28. Oktober 1999 und

b) weitere 67.202,76 € (131.437.18 DM) nebst 4 % Zinsen aus 50.511,25 € (98.791,42 DM) ab dem 11. Juni 2001 und Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes aus weiteren 16.691,51 € (32.645,76 DM) zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 2) und 3) der Klägerin alle weiteren Aufwendungen aufgrund des Unfall des K... H.... S........ vom 28. Mai 1998 zu ersetzen, soweit diese Schadensersatzansprüche auf die Klägerin übergegangen sind.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 1. zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1) Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend.

Der frühere Beklagte zu 3) war bei dem früheren Beklagten zu 2) beschäftigt, der als Subunternehmer für die Beklagte zu 1) tätig war und für diese Steinsetz- und Pflasterarbeiten in M....-M...... durchführte. Dazu benutzte der Subunternehmer einen ihm von der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellten Radlader (Gabelstapler), der von dem Beklagten zu 3) gefahren wurde. Der Radlader, der mit einer verstellbaren Gabel versehen war, wurde von dem Subunternehmer benutzt, um Paletten mit Bordsteinen zur Baustelle zu transportieren.

Am 25. Mai 1998 befuhr der bei der Klägerin versicherte K... H.... S........ mit seinem Motorrad den Baustellenbereich, als der Beklagte zu 3) mit dem Gabelstapler eine auf der Fahrbahnseite des Motorradfahrers befindliche Palette aufnehmen und zu der eigentlichen Baustelle transportieren wollte. Der mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h fahrende Motorradfahrer prallte gegen die 70-80 cm über die Fahrbahnmittellinie hinausragende Staplerzunge. K... H.... S........ stürzte und zog sich eine Zerquetschung des Unterschenkels zu, der amputiert werden musste. Die Klägerin zahlte die Behandlungskosten des Verletzten in Gesamthöhe von 100.750,24 DM. Zur näheren Sachdarstellung wird auf die Aufstellung der Kosten (Bl. 10 ff GA) verwiesen.

Den Ersatz dieser Unkosten hat die Klägerin aus übergegangenem Recht klageweise gegen die Beklagten geltend gemacht. Die Klägerin sieht die Haftung der Beklagten zu 1) darin begründet, dass sie ohne Wissen und Information der Straßenverkehrsbehörden den rechten und linken Fahrstreifen zum Be- und Entladen benutzt habe. Die Palette sei auf Weisung der Beklagten zu 1) auf der rechten Fahrbahnseite abgeladen worden, die Beklagten zu 2) und 3) hätten auf Anweisung der Beklagten zu 1) gehandelt, die sich auch nicht ausreichend um die Fahreignung des Beklagten zu 3) gekümmert habe.

Die Beklagte zu 1) hat eingewendet, dass eine ausreichende Absicherung der Baustelle vorgelegen habe und die Paletten am Straßenrand gelagert worden seien. Der Radlader sei aus reiner Gefälligkeit überlassen worden. Der Bauleiter S...... habe sich davon überzeugt, dass der Beklagte zu 3) über die notwendigen Fähigkeiten verfügt habe. Zur weiteren Darstellung des streitigen Parteivorbringens und der gestellten Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 175 ff GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 20. Juni 2001 (Bl. 128 ff GA) durch die Vernehmung der Zeugen W...., D.......... und S....... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2000 (Bl. 141 ff GA) verwiesen.

Gegen die Beklagten zu 2) und 3) sind Versäumnisurteile ergangen. Nur der Beklagte zu 3) hat Einspruch eingelegt. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen und das Teilversäumnisurteil gegen den Beklagten zu 3) aufrechterhalten. Zur näheren Darstellung des Urteils wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 179 ff GA) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt und darüber hinaus die Zahlung weiterer 131.437,18 DM verlangt. Die Klägerin stützt ihre Berufung auf ein Auswahl- und Überwachungsverschulden der Beklagten zu 1). Darüber hinaus ergebe sich eine Haftung der Beklagten zu 1) aus §§ 823 Abs. 3 BGB, 1 PflVG, weil der Radlader nicht pflichtversichert gewesen sei. Zur weiteren Darstellung des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf ihren Berufungsbegründungsschriftsatz vom 25. April 2001 (Bl. 238 ff GA) und vom 18. Januar 2002 (Bl. 287 ff GA) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu 1) neben den Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 100.750,24 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 28. Oktober 1999 zu zahlen;

2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 2) und 3) an sie weitere 131.437,18 DM nebst 4 % Zinsen aus 98.791,42 DM ab dem 11. Juni 2002 und Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes aus weiteren 32.645,76 DM ab dem 11. Juni 2002 und

3. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 2) und 3) der Klägerin alle weiteren Aufwendungen aufgrund des Unfalls des K... H.... S........ vom 28. Mai 1998 zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche auf die Klägerin übergegangen sind.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung und die Klageerweiterung, in die sie nicht einwillige, seien zurückzuweisen. Ein Auswahl- und Überwachungsverschulden falle ihr nicht zur Last. Auf §§ 823 Abs. 2 BGB, 1 PflVG könne der Anspruch nicht gestützt werden. Es handele sich um einen Schaufellader, der der Pflichtversicherung nicht unterfalle. Dass statt einer Schaufel eine Gabel befestigt worden sei, ändere hieran nichts. Im Übrigen wende sich Mitverschulden des Motorradfahrers ein und bestreite die Höhe des geltend gemachten Schadens. Zur weiteren Darstellung des Berufungsvorbringens der Beklagten zu 1) wird auf ihren Berufungserwiderungsschriftsatz vom 22. November 2001 (Bl. 272 ff GA) verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 26. Februar 2002 (Bl. 293 ff GA) durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen B.... vom 13. Juni 2002 (Bl. 307 ff) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Zwar hat das Landgericht zu Recht Ansprüche der Klägerin aus §§ 831, 823 Abs. 1 BGB verneint. Die Klägerin kann jedoch von der Beklagten zu 1) aufgrund übergangenen Rechts gemäß § 823 Abs. 2, 1, 6 PflVG Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen.

I.

Soweit die Klägerin wegen der zwischenzeitlich erfolgten weiteren Zahlungen an das Unfallopfer ihre Klage in der Berufungsinstanz erweitert hat, ist die Zahlungsklage gemäß §§ 525, 264 Nr. 3 ZPO zulässig.

1.

Der Klägerin stehen keine kraft Gesetzes auf sie übergangenen Ansprüche aus Gefährdungshaftung gegen die Beklagte zu 1) als Halterin des Radladers zu. Nach § 8 Nr. 1 StVG unterliegt dieses Fahrzeug nicht der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG, da es nicht schneller als 20 km/h fahren kann. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B.... in seinem schriftlichen Gutachten beträgt die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeuges lediglich 19 km/h.

2.

Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) kann sich nur unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) nach § 831 BGB scheidet dagegen aus, da weder der Beklagte zu 2) als Subunternehmer, noch der Beklagte zu 3) als dessen Arbeiternehmer Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 1) waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind selbständige Handwerker und Unternehmer in der Regel keine Verrichtungsgehilfen des Bauherrn (vgl. BGH VersR 1953, 358; 1974, 243 f). Dies gilt in der Regel auch für einen Subunternehmer, der von einem Bauunternehmer zur Ausführung der diesem vom Bauherrn übertragenen Arbeiten eingeschaltet wird, denn auch er ist als selbständiger Unternehmer im Allgemeinen nicht in dem Maße den Weisungen des Hauptunternehmers unterworfen, dass er als dessen Hilfsperson angesehen werden müsste (vgl. BGH NJW 1994, 2756, 2757). Anhaltspunkte dafür, dass der auf der Baustelle eingesetzte Beklagte zu 3) nicht den Weisungen des Beklagten zu 2), sondern denen der Beklagten zu 1), insbesondere im Hinblick auf Zeit und Umfang seiner Tätigkeit unterworfen war, hat das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen können. Auch die insoweit zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (Bl. 180 ff GA) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Auch eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Landgericht mit zutreffenden Gründen verneint. Auf diese Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nimmt der Senat Bezug. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung dringen nicht durch.

Durch die Überlassung des Fahrzeugs an den Beklagten zu 2) bzw. an den Beklagten zu 3) hat die Beklagte zu 1) nicht pflichtwidrig gehandelt. Zum Fahren des Radladers ist die Fahrerlaubnis 3 ausreichend. Zwar hat der Bauleiter der Beklagten zu 1), der Zeuge S......, sich diese von dem Beklagten zu 3) nicht zeigen lassen. Dies ist aber letztlich ohne Bedeutung, da der Beklagte zu 3) unstreitig im Besitz dieser Fahrerlaubnis gewesen ist. Dass dieser - trotz der Fahrerlaubnis - nicht in der Lage gewesen ist, das Fahrzeug zu bedienen, ist nicht vorgetragen. Dagegen spricht insbesondere, dass nach den Angaben des Zeugen S...... der Beklagte zu 3) bereits Tage vor dem Unfallgeschehen mit dem Fahrzeug gearbeitet hatte, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen war. Ohne das Vorliegen besonderer Umstände war die Beklagte zu 1) auch nicht verpflichtet, sich von der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten durch einen Mitarbeiter eines selbständigen Subunternehmers zu vergewissern, zumal es sich nicht um besonders gefahrenträchtige Arbeiten handelte. Die Frage, ob in der konkreten Verkehrssituation ein Einweiser erforderlich gewesen wäre, war bei dieser Sachlage nicht von der Beklagten zu 1) und ihren Mitarbeitern, sondern eigenständig von dem Subunternehmer bzw. dessen Mitarbeitern zu entscheiden.

Auch eine Haftung der Beklagten zu 1) wegen nicht ausreichender Absicherung der Unfallstelle kommt nicht in Betracht. Ausweislich der Unfallskizze und den Bildern von der Unfallörtlichkeit in der Strafakte (Bl. 1, 19 ff 3129 Js 20792/98 StA Mainz) befand sich auf der - aus Richtung des Motorradfahrers gesehen - linken Seite die Großbaustelle der Beklagten zu 1). Auf dem linken Mehrzweckstreifen, teilweise wohl auch auf der linken Fahrbahnseite waren Paletten mit Bordsteinen abgestellt. Dieser Bereich war durch Warnbaken ausreichend abgesichert. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Aussage des Zeugen W.... in seiner erstinstanzlichen Vernehmung, der sich an entsprechende Warnbaken erinnern konnte. Nicht ordnungsgemäß abgesichert war dem gegenüber die auf der rechten Fahrbahnseite - wieder aus Richtung des Motorradfahrers gesehen - abgestellte Palette, die letztlich unfallursächlich geworden ist. Hierfür ist aber die Beklagte zu 1) nur dann verantwortlich, wenn die Palette dort angeliefert worden ist. Die Anlieferung und deren Überwachung obliegt grundsätzlich der Beklagten zu 1); der Subunternehmer ist nur verpflichtet, die angelieferten Paletten zu der eigentlichen Baustelle zu bringen.

Dass die Paletten auf der rechten Fahrbahnseite angeliefert worden sind, hat die Beweisaufnahme aber nicht ergeben. Aus den von der Polizei im Anschluss an den Unfall gefertigten Fotos ergibt sich, dass sich - bis auf eine - sämtliche Paletten auf der linken Fahrbahnseite befunden haben. Bereits dieser Umstand spricht dagegen, dass sämtliche Paletten auf der rechten Fahrbahnseite abgestellt worden sind. Zwar könnten diese bis zum Unfallzeitpunkt von der rechten auf die linke Fahrbahnseite verbracht worden sein, dagegen spricht aber die Aussage des Zeugen W...., der in seiner erstinstanzlichen Vernehmung angegeben hat, dass bei seiner Besichtigung der Baustelle um 10.30 Uhr - der Unfall ereignete sich um 13.30 Uhr - sich keine Paletten auf der rechten Fahrbahnseite befunden hätten. Zwar hat dieser Zeuge des Weiteren angegeben, dass er nach dem Unfall von dritter Seite gehört habe, es seien noch Paletten auf der rechten Fahrbahnseite abgestellt worden. Diese Angaben beruht aber nicht auf eigenen Erkenntnissen des Zeugen, sondern auf Angaben vom Hörensagen. Diesem Teil der Aussage des Zeugen W.... misst der Senat daher keine erhebliche Beweisbedeutung zu.

Im Rahmen der Beweiswürdigung sind aber auch die Angaben des Beklagten zu 3), die dieser im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO gemacht hat, als Indiz heranzuziehen. Der Beklagte zu 3) hat angegeben, dass die unfallursächliche Palette so aufgebaut gewesen sei, dass er sie nicht mit dem Radlader habe aufnehmen können. Er habe sie deshalb etwas zur Seite setzen müssen, um sie wieder aufnehmen zu können. Andere Paletten hatten an dieser Stelle nicht gestanden. Aufgrund dieser Schilderung des Unfallgeschehens durch den Beklagten zu 3), der diese Angaben auch im Rahmen des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens gemacht hat, in Verbindung mit den bereits dargestellten Umstände geht der Senat davon aus, dass dieser auf der rechten Fahrbahn befindliche Palette nur kurzfristig von dem Beklagten zu 3) dort abgestellt und nicht dort angeliefert worden ist. Insoweit kann der Beklagten zu 1) kein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht zur Last gelegt werden.

Bei dieser Sachlage kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1), wie die Klägerin meint, verpflichtet gewesen wäre, Anordnungen der zuständigen Stadt M.... zur Absperrung, Kennzeichnung der Arbeitsstelle sowie zur Leitung, Regelung und Sperrung des Verkehrs einzuholen. Diese Maßnahmen hätten sich auf die linke Straßenseite bezogen, nicht aber auf die von dem Unfallopfer befahrene rechte Fahrbahnseite. Dass die Mitbenutzung dieser Spur zur Aufnahme der Paletten erforderlich sein könnte, war zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar.

3.

Die Beklagte zu 1) haftet jedoch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 1, 6 PflVG, weil sie den nicht versicherten Radlader (Gabelstapler) dem Beklagten zu 2) zur Benutzung im öffentlichen Verkehrsraum überlassen hat. Die für den Unfall unmittelbar verantwortlichen Beklagten zu 2) und 3) sind vermögenslos (vgl. Bl. 302 ff GA). Im Falle der Versicherung des Fahrzeuges hätte das Unfallopfer einen unmittelbaren Anspruch gegen Kraftfahrzeugpflichtversicherung (§ 3 Nr. 1 PflVG) gehabt. Da die §§ 1, 6 PflVG auch dem Schutz des Unfallopfers dienen, handelt es sich bei diesen Vorschriften um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH NJW 1974, 1086; VersR 1962, 216, 217; OLG München VersR 1973, 273; OLG Nürnberg NZV 1993, 273).

a) Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen auch vor, da die Beklagte zu 1) rechtswidrig und schuldhaft gegen dieses Schutzgesetz verstoßen und dadurch die Schädigung der Klägerin verursacht hat.

Das eingesetzte Fahrzeug unterlag der Kraftfahrzeugpflichtversicherung nach § 1 PflVG. Auf § 2 Abs. 1 Nr. 6 b PflVG kann sich die Beklagte zu 1) nicht berufen. Danach findet die in § 1 PflVG angeordnete Pflichtversicherung keine Anwendung auf selbstfahrende Arbeitsmaschinen, deren an Höchstgeschwindigkeit 20 km/h nicht übersteigt, wenn sie dem Verfahren der Zulassung nach § 18 StVZO nicht unterliegen.

Nach der Betriebserlaubnis (Bl. 15 3129 Js 20792/98 StA Mainz) handelt es sich bei dem Fahrzeug um einen Schaufellader. Diese unterliegt nach der Verordnung des Bundesverkehrsministers nicht der Zulassungspflicht nach § 18 StVZO und daher auch nicht der Versicherungspflicht (vgl. BGH r+s 1998, 16 ff). In dieser Betriebserlaubnis ist aber auch beschrieben, mit welcher Ausrüstung die Ausnahme von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren steht. Es sind aufgeführt: Schaufel 0,70 cm, Schaufel 0,70 cm und Schnellwechselvorrichtung, Schaufel 0,85 cm, Schaufel 0,85 cm und Schnellwechselvorrichtung, Klappschaufel 0,65 cm, Klappschaufel 0,65 cm und Schnellwechselvorrichtung, Kehrmaschine, Kehrmaschine mit Schnellwechselvorrichtung. Zum Unfallzeitpunkt war das Fahrzeug jedoch nicht mit dieser zugelassenen Ausrüstung versehen, sondern mit einer verstellbaren Gabel, mit der Güter, Baumaterialien (auch auf Paletten) transportiert werden können und auch transportiert wurden.

Ob ein derartiger Frontstapler (Gabelstapler) als selbstfahrende Arbeitsmaschine i.S.d. §§ 4, 18 Abs. 2 Nr. 1 StVZO anzusehen ist (so OLG Hamm VersR 1984, 125, 126), kann letztlich dahinstehen. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 StVZO sind nur solche selbstfahrenden Arbeitsmaschinen von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen, die zu einer vom Bundesminister für Verkehr bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. Eine solche Bestimmung des Bundesministers für Verkehr liegt für den Gabelstapler der hier gegebenen Art nicht vor (vgl. BGH VersR 1995, 951, 952; OLG Hamm VersR 1984, 125, 126). In dem vom Bundesminister für Verkehr im Verkehrsblatt veröffentlichen Verzeichnis selbstfahrender Arbeitsmaschinen sind Gabelstapler nicht als Arbeitsmaschinen aufgeführt (Verkehrsblatt 1972, 373, 377). Diese Einordnung ist auch in den späteren Fortschreibungen (Verkehrsblatt 77, 50, 470, 612 und 1979, 167, 335) nicht geändert worden. Zwar können nach § 18 Abs. 5 StVZO Arbeitsmaschinen mit verschiedenen Anbaugeräten versehen werden. Die Umrüstung der Arbeitsmaschine mit Frontgabeln führt aber dazu, dass die Maschine zulassungspflichtig ist. Die Zulassungspflicht und damit die Versicherungspflicht bestehen jedoch nur dann, wenn das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum eingesetzt wird. Der Frontstapler muss auf öffentlichen Wegen und Plätzen i.S.d. § 1 StVG verwendet werden, wobei dieser Begriff dem des Wegerechts entspricht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage § 1 StVG Rdn. 8). Der Gabelstapler wurde zum Transport der Paletten zur eigentlichen Baustelle benutzt. Gelagert waren diese Paletten teilweise auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße. Zum Transport musste damit öffentlicher Verkehrsraum in Anspruch genommen werden. Dieser Teil der Straße hat durch die Einrichtung der Baustelle auf der Fahrbahn nicht ihren Charakter als öffentlichen Weg verloren. Nur durch feste bauliche Einrichtungen - wie z.B. durch Bauzäune - abgegrenzte Baustellen nehmen für ihre Dauer dem durch sie benutzten Straßenraum die Zugehörigkeit zum öffentlichen Verkehrsgrund. Das hat zur Folge, dass die fragliche Fläche nicht mehr der Fahrbahn zuzurechnen ist und die Fahrstellenbegrenzung den neuen Fahrbahnrand bildet. Etwas anderes gilt aber, wenn die Baustelle - wie hier - durch Absperrgeräte (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 StVO) gesichert wird, die nach § 6 StVO den Charakter als Verkehrsraum unberührt lassen und nur ihre Benutzung teilweise untersagen (vgl. BayObLG VRS 68, 139, 140; KG VRS 62, 63, 64).

Für das Fahrzeug bestand daher eine grundsätzliche Zulassung- und Versicherungspflicht. Dieser Versicherungspflicht ist die Beklagte zu 1) nicht nachgekommen. Dennoch hat sie das Fahrzeug ihren Mitarbeitern überlassen und dessen Benutzung gestattet. Die Beklagte zu 1) hat damit gegen § 6 PflVG verstoßen. Auch ein schuldhaftes Verhalten liegt insoweit vor, weil der Beklagten ein zumindest fahrlässiger Verstoß zur Last fällt, was zur Erfüllung des § 6 PflVG ausreicht. Die Beklagte zu 1) hätte ohne weiteres der Betriebserlaubnis entnehmen können, dass das Fahrzeug nur mit bestimmten Vorrichtungen verwandt werden durfte und dass eine nicht zugelassene Ausrüstung zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen konnte. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte zu 1) daher erkennen können, dass der Betrieb des Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr zulassungs- und versicherungspflichtig sein könnte. Der Einsatz des Gabelstaplers im öffentlichen Verkehrsraum war für die Beklagte zu 1) - zumindest bei der Einrichtung der Baustelle - erkennbar. Dass der Gabelstapler dem Beklagten zu 2) überlassen werden sollte, war der Beklagten zu 1), wie sich der Aussage des Zeugen S...... entnehmen lässt, bekannt.

b) Die Schädigung des Unfallopfers ist auch auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen. Es nicht dadurch zu einer Unterbrechung der Kausalität gekommen, dass der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) das Fahrzeug an den Beklagten zu 2) weitergegeben hat und dieser erst bei dessen Betrieb die Schädigung des Unfallopfers verursacht hat. Allerdings kann in derartigen Fällen zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung der Haftung eine Einschränkung der Zurechnung notwendig werden. Es ist daher erforderlich, dass die von dem Beklagten zu 1) gesetzte Ursache dem eingetretenen Schaden adäquat ist; das bedeutet, dass die Möglichkeit des Schadenseintritts nicht so entfernt sein darf, dass sie nach den Erfahrungen des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann, nicht außer aller Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. OLG Nürnberg NZV 1993, 273, 274). Das ist aber hier der Fall. Dass das Fahrzeug an einen Subunternehmer überlassen würde, lag durchaus noch im Bereich des absehbar Möglichen. Darüber hinaus war der Beklagten zu 1) - nach den Angaben des Zeugen S...... - bekannt und sie war auch damit einverstanden, dass das Fahrzeug dem Subunternehmer überlassen wurde.

c) Aufgrund des Schutzgesetzverstoßes ist die Beklagte zu 1) zum Ersatz der dem Unfallopfer entstandenen Schäden verpflichtet. Nach § 3 Nr. 1 PflVG hätte das Unfallopfer einen unmittelbaren Anspruch gegen die Kraftfahrzeugpflichtversicherung gehabt. Dass die Unfallkasse ... insoweit in Vorlage getreten ist, lässt den Schaden ebenso wenig entfallen wie der Umstand, dass das Unfallopfer einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) und 3) hat. Denn diese sind vermögenslos und nicht in der Lage den Schaden zu ersetzen.

Die ihr entstandenen Aufwendungen hat die Klägerin in der Berufungsinstanz im Einzelnen vorgetragen und durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen nachgewiesen.

d) Ein etwaiges, dem Schadensersatzanspruch begrenzendes Mitverschulden des Unfallopfers (§ 254 BGB) liegt nicht vor.

Dass der Motorradfahrer mit überhöhter Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) gefahren ist, hat das im Strafverfahren eingeholte Sachverständigengutachten (Bl. 98 ff 3129 Js 20792/98 StA Mainz) nicht ergeben. Der in diesem Strafverfahren tätige Sachverständige hat aufgrund der auf der Fahrbahn übertragenen Spuren, der Endstellungen und Endlagen der beteiligten Fahrzeuge sowie der Fahrzeugbeschädigung das Unfallgeschehen dahingehend rekonstruiert, dass in der Annäherungsphase der Kollision von einer Geschwindigkeit des Motorrades in der Größenordnung von 30 km/h ausgegangen werden könne. Diese Geschwindigkeit war auch aufgrund der besonderen Verkehrssituation nicht überhöht. Der Motorradfahrer ist nach den getroffenen Feststellungen des Sachverständigen angefahren, nachdem der Beklagte zu 3) eine Palette auf der rechten Fahrbahn abgestellt hatte und der Beklagte zu 3) mit seinem Fahrzeug auf der linken Fahrspur entgegengesetzt in Richtung K....... fuhr. Bei dieser Sachlage konnte der Motorradfahrer davon ausgehen, dass der Abladevorgang beendet war. Die von ihm gefahrene Geschwindigkeit von 30 km/h war daher der Verkehrslage angepasst.

Ob der Motorradfahrer nicht die äußerst rechte Fahrbahnseite eingehalten und damit möglicherweise ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO vorgelegen hat, kann letztlich dahinstehen. Der Motorradfahrer hat die auf seiner Fahrbahnseite von dem Beklagten zu 3) in verkehrswidriger Weise abgestellte Palette umfahren. Infolge dieser Umfahrbewegung ist es möglich, dass er dadurch die äußerste Fahrbahnseite nicht eingehalten hat. Jedenfalls überwiegt das Verschulden des Beklagten zu 3) derart, dass eine Mithaftung des Motorradfahrers wegen dieses Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot nicht ins Gewicht fällt.

Aufgrund des von dem Sachverständigen erstellten Weg- Zeit- Diagramms befand sich der Kraftfahrer während der letzten drei Sekunden vor der Kollision im zumindest grundsätzlich einsehbaren Bereich des Beklagten zu 3). Dieser hätte demnach das Unfallgeschehen vermeiden können, wenn er den rückwärtigen Verkehrsraum aufmerksam beobachtet und sein Fahrzeug nicht nach rechts gelenkt hätte. Für den Motorradfahrer war dem gegenüber bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von 30 km/h der Unfall unvermeidbar, da der Radlader innerhalb der Reaktion- und Verzugszeit des Kraftfahrers von der Geradeausposition bis in die Kollisionsposition gelangte.

II.

Auch der erstmals im Berufungsverfahren gestellte Feststellungsantrag ist wegen seiner Sachdienlichkeit zuzulassen (§§ 525, 263 ZPO). Der Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Aufgrund der Verletzung des Unfallopfers ist mit weiteren Aufwendungen der Klägerin zu rechnen, die derzeit noch nicht beziffert werden können.

III.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer der Beklagten zu 1) werden 178.715,54 € (Zahlungsantrag: 118.715,54 € und Feststellungsantrag: 60.000 €) festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, denn die Voraussetzungen des § 543 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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