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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 1775/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 162
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 826
BGB § 830
BGB § 852
BGB § 830 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 181 a. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 1775/01

Verkündet am 26.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak sowie die Richter am Oberlandesgericht Becht und Ritter auf die mündliche Verhandlung vom 24.09.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.09.2001 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz abgeändert wie folgt:

Das im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil des Landgerichts vom 05.04.2000 mit dem Aktenzeichen 15 O 76/00, zugestellt am 26.04.2000, wird aufrechterhalten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagte Ersatz für Verluste im Zusammenhang mit Warenterminoptionsgeschäften.

Der Beklagte war Mitarbeiter und zeitweise Geschäftsführer der Firma I.., Rohstoff- und Devisenvermittlungsgesellschaft mbH in G............. Der Kläger, der von Beruf Winzer ist, investierte durch Vermittlung dieser Firma in der Zeit von Juli 1991 bis Januar 1992 insgesamt 63.447,60 DM in Warenterminoptionen. Bezüglich mehrerer der Geschäfte teilte ihm die Firma I.. mit, dass er einen Totalverlust erlitten habe. Einen Restbetrag von 5.957,59 DM erhielt er von der Firma I.. zurück.

Das Landgericht Essen - 302 Js 73/93 - verurteilte den Beklagten am 07.07.1994 wegen Betruges und geschäftlicher Verleitung zur Börsenspekulation in über 100 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten. Die mit dem Kläger getätigten Geschäfte lagen diesem Urteil nicht zugrunde.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei von zwei Mitarbeitern der Firma I.. gedrängt worden, Warenterminoptionsgeschäfte zu tätigen, wobei ihm vorgetäuscht worden sei, diese Geschäfte seien mit keinem Risiko verbunden. Zu anders lautenden Hinweisen in einer ihm überreichten Broschüre sei ihm erklärt worden, diese seien dort nur formhalber wiedergegeben. Der Kläger behauptet, die von ihm eingezahlten Beträge seien gar nicht zum Erwerb von Optionen verwendet, sonder auf Privatkonten des Beklagten überwiesen worden.

Der Beklagte hat u.a. vorgetragen, der Kläger sei über die Risiken von Optionsgeschäften informiert worden. Außerdem hat er sich darauf berufen, er sei bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger nicht Geschäftsführer der I.. gewesen. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Nachdem gegen den Beklagten am 05.04.2000 ein Versäumnisurteil ergangen war, hat das Landgericht durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben sowie anschließend das Versäumnisurteil durch das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, es sei nicht bewiesen, dass der Beklagte den Kläger betrogen oder zur Börsenspekulation verleitet habe. Zudem sei der Kläger durch die Broschüre, die er von der Firma I.. erhalten habe, hinreichend über die bestehenden Risiken aufgeklärt gewesen.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, der Beklagte habe nicht fristgerecht gegen das Versäumnisurteil vom 05.04.2000 Einspruch eingelegt und den Einspruch auch nicht fristgerecht begründet. Der Beklagte hafte ihm für den Verlust seiner Zahlungen als Täter eines Betruges, und zwar unabhängig davon, ob er in der fraglichen Zeit Geschäftsführer gewesen sei oder nicht. Der Beklagte habe seine Tat in dem gegen ihn durchgeführten Strafverfahren gestanden. Hilfsweise stützt der Kläger seine Forderung auf culpa in contrahendo.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Versäumnisurteil vom 26.04.2000 wiederherzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag erster Instanz und bestreitet, dass die I.. GmbH auf Betrug angelegt gewesen sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden (bis Bl. GA) Bezug genommen.

Der Senat hat die Akten des vor dem Landgericht Essen durchgeführten Strafverfahrens - 302 Js 73/93 - beigezogen und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 05.04.2000 ist allerdings form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 339, 340 ZPO). Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass das Versäumnisurteil dem Beklagten nicht bereits am 26.04.2000 wirksam zugestellt worden ist. Der Beklagte hat durch Vorlage der Bescheinigung der JVA D....... vom 27.07.2000 (Bl. 44 GA) bewiesen, dass er seit dem 27.10.1999 einsitzt, also auch am 26.04.2000 seinen Wohnsitz nicht unter der Zustellungsadresse in E.... hatte. Da die Wohnung i. S. des § 181 ZPO a. F. allein nach dem tatsächlichen Daueraufenthalt des Zustellungsempfängers richtet, ist der Zeitpunkt der Ummeldung irrelevant.

Für die Zulässigkeit des gegen das Versäumnisurteil gerichteten Einspruchs ist es ohne Bedeutung, ob dieser fristgerecht begründet worden ist (BGH NJW 1979, S. 1988).

Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 826, 830 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil er daran mitgewirkt hat, den Kläger ohne hinreichende Risikoaufklärung zu Warenterminoptionsgeschäften zu veranlassen.

Der Kläger nahm in der Zeit von Juli 1991 bis Januar 1992 mehrere durch die Firma I.. Rohstoff- und Devisenvermittlungsgesellschaft mbH übermittelte Angebote zum Kauf von Warenterminoptionen an und leistete aufgrund dessen viermal Zahlungen an die Gesellschaft. An der Tätigkeit der I.. wirkte, wie noch auszuführen sein wird, der Beklagte maßgeblich mit. Zu den Warentermingeschäften wurde der Kläger durch fehlerhafte Informationen über die damit verbundenen Risiken verleitet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt: BGH NJW 2002, S. 2777) sind gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluss schriftlich die Kenntnis zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen. Dazu gehört neben der Bekanntgabe der Höhe der Optionsprämie auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren Einfluss auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muss darauf hingewiesen werden, dass die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe den noch als realistisch angesehenen, wenngleich spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Ferner ist darzulegen, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen. In diesem Zusammenhang ist unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass höhere Aufschläge - wie hier von über 60 % der Optionsprämie - vor allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen (vgl. zu Letzterem insbesondere BGH NJW-RR 1999, S. 843; NJW 1994, 512).

Ein gewerblicher Vermittler, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt oder den Abschluss veranlasst, missbraucht seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Optionserwerbern nicht nur aus Verschulden bei Vertragsschluss, sondern auch gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (BGH NJW 2002, S. 2777; WM 2001, 2313, 2314). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der Kläger wurde vor den Vertragsschlüssen von der I.. in irreführender Weise und somit nicht ordnungsgemäß informiert. Zwar enthält die ihm überreichte Broschüre zu einem Großteil die aufklärenden Hinweise, die von der Rechtsprechung gefordert werden. Das genügt jedoch nicht zu einer hinreichenden Warnung vor den bestehenden Risiken. Maßgebend ist vielmehr, wie die Broschüre insgesamt, also aufgrund Gestaltung, Aufmachung und sonstigen Inhalts, auf den unbefangenen, mit den besonderen Gefahren des Optionsgeschäfts nicht vertrauten Leser wirkt (BGH NJW-RR 1991, S. 1243). Insofern ergibt sich, dass die von der I.. regelmäßig verwendete Broschüre den falschen Eindruck erweckt, dem Verlustrisiko stünden realistische Gewinnchancen gegenüber. Die weitgehende Ausgrenzung solcher Gewinnchancen wird verschleiert und dadurch die warnende Wirkung der aufklärenden Hinweise entwertet (vgl. dazu auch BGH NJW 2002, S. 2777, 2778).

Die 24 Seiten starke Broschüre enthält an keiner Stelle die uneingeschränkte Aussage, dass der Aufschlag auf die Optionsprämie vor allem Anleger, die - wie der Kläger - mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit praktisch chancenlos macht. Diesem entscheidenden Hinweis kommt allenfalls die Formulierung auf S. 14 der Broschüre nahe:

"Die Chancen, dieses Ziel" (sc. einen Gewinn) "zu erreichen, sind gering, die Risiken dagegen erdrückend."

Da der Satz aber erst in der zweiten Hälfte der Broschüre an versteckter Stelle, zudem unter der unpassenden Überschrift "Die Kosten" auftaucht, ist er als Warnung völlig ungenügend. Es wird allerdings wiederholt auf die Gefahr eines Totalverlustes aufmerksam gemacht. Im Zusammenhang damit wird aber in zahlreichen Absätzen suggeriert, es bestünden ernsthafte Gewinnmöglichkeiten: So wird von "der faszinierendsten Kapitalinvestition der freien Weltmärkte" (S. 3) und - unter der Überschrift: "Eine unglaubliche Entwicklung liegt hinter uns; ein unaufhaltsamer Boom liegt vor uns" - von "der aufregendsten und dynamischsten Anlageform überhaupt" (S. 4) gesprochen. Es wird behauptet, der Spekulant müsse das Risiko des Verlustes seines Einsatzes "im Interesse eines eventuellen Gewinns einkalkulieren" und könne "letztendlich Erfolge haben" (S. 2). Kurz darauf heißt es:

"Welches z. Zt. das lukrativste und gewinnbringendste Engagement sein könnte, bleibt immer eine Empfehlung Ihres Beraters, ... "(S. 2)

Zu den verschiedenen Arten von Optionsgeschäften wird neben den Hinweisen auf das bestehende Risiko stets hervorgehoben, dass diesem eine Gewinnmöglichkeit gegenüberstehe: So heißt es dort u. a., dass "die Gewinne ein Vielfaches des Einsatzes" sein könnten (S. 9), dass "die Gewinnchancen ... außergewöhnlich" sein könnten (S. 9), dass die Investition eines geringen Betrages "zu einem beträchtlichen Gewinn führen" könne (S. 10), dass bei maßvollem Anstieg der Terminnotierung "ein ansehnlicher Gewinn erzielt" werden könne (S. 10 und S. 11). Im Rahmen von Ratschlägen zur Spekulation wird das Risiko von Verlusten durch folgende Formulierung bagatellisiert:

"Viele kleine Verluste können durch einen großen Gewinn aufgehoben werden." (S. 13)

Dementsprechend erscheint unter der Überschrift "Die Risiken" neben z. T. schwer verständlichen Ausführungen zur Gefahr von Verlusten der Satz:

"Termingeschäfte bieten die Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen, es aber ebenso schnell wieder zu verlieren." (S. 15)

Diese Ausführungen lenken den Leser von der entscheidenden Bedeutung, den der Aufschlag auf die Optionsprämie hat, ab. Dieser Gesichtspunkt wird erst auf S. 14 der Broschüre angesprochen, danach noch einmal auf S. 22 und unter Ziff. 8 der "Grundlagen der Zusammenarbeit" (S. 23). Da aber - wie oben bereits ausgeführt - an keiner Stelle ein unmissverständlicher Hinweis auf die praktische Chancenlosigkeit von Erwerbern mehrerer verschiedener Optionen auftaucht und es somit der eigenen Prüfung des Anlegers überlassen wird, ob der Aufschlag überhaupt eine Gewinnchance zulässt, reichen diese Passagen zur sachgerechten Aufklärung nicht aus (vgl. dazu BGH NJW 2002, S. 2777, 2778).

Die I.. GmbH und Co. KG schädigte den in Warenterminoptionsgeschäften ersichtlich unerfahrenen Kläger daher vorsätzlich in sittenwidriger Weise, als sie ihn durch ihre Mitarbeiter und mithilfe ihrer Broschüre zum Abschluss solcher Geschäfte veranlasste, ohne ihn zuvor ausreichend darüber informiert zu haben (§ 826 BGB).

Der Beklagte war als Mittäter an der unerlaubten Handlung der I.. beteiligt und ist deshalb nach § 830 Abs. 1 BGB ebenfalls zum Schadensersatz verpflichtet. Denn er war voll über die Geschäftspraktiken der Gesellschaft informiert und nahm wesentlich darauf Einfluss (vgl. dazu auch BGH NJW-RR 1999, S. 843, 844).

Der Beklagte war in der hier interessierenden Zeit zwar nicht Geschäftsführer der Gesellschaft, sondern wurde als solcher erstmals am 07.02.1992 ins Handelsregister eingetragen. Er war jedoch bereits als Gesellschafter an der Gründung der I.. beteiligt und hatte dort von Anfang an eine leitende Funktion. Die beiden Mitgesellschafter M..... und P......... hatten lediglich die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Sämtliche unternehmerischen Entscheidungen in der Gesellschaft traf dagegen der Beklagte, der allein ausreichende Erfahrung im Handel mit Warenterminoptionen besaß, da er zuvor als Angestellter in Firmen gearbeitet hatte, die ebenfalls solche Geschäfte betrieben. Auch die anfangs nacheinander als Geschäftsführerinnen eingetragenen P.... B...... und C........ M..... hatten keinen wesentlichen Einfluss auf den Gang der Geschäfte. Sie verfügten nicht über die erforderlichen Branchenkenntnisse und waren deshalb vorwiegende mit der Buchhaltung befasst. So war die vom 17.05.1991 bis zum 14.01.1992, also zur Zeit der Geschäftsverbindung mit dem Kläger, im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin M..... gelernte Bäckereifachverkäuferin und zuvor als Haushälterin des Beklagten tätig gewesen. Die übrigen Mitarbeiter der Firma verfügten ebenfalls nicht über berufliche Erfahrung auf dem Gebiet des Börsenhandels. Sie wurden sämtlich vom Kläger persönlich ausgesucht und unterwiesen. Dieser erstellte auch die Broschüre, die den potentiellen Kunden der I.. jeweils überreicht wurde.

Dieser Sachverhalt ist bewiesen durch das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts Essen - 302 Js 73/93 - in Verbindung mit den zugrunde liegenden Aussagen der im Strafverfahren vernommenen Zeugen, insbesondere der Zeugin M..... (Bl. 80 ff. BA), sowie der Einlassung des Beklagten im Strafverfahren (jeweils im Wege des Urkundenbeweises verwertet). Der Beklagte bestreitet überdies nicht, die wirtschaftliche Tätigkeit der I.. bestimmt und über deren Vorgehen bei der Kundenwerbung sowie über den Inhalt der verwendeten Broschüre informiert gewesen zu sein.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte persönlich bei sämtlichen Geschäftsabschlüssen mit dem Kläger tätig wurde. Es genügt, dass er für die sittenwidrigen Schädigungshandlungen der I.. die Voraussetzungen geschaffen und sie anschließend bewusst nicht verhindert hat, obwohl er dazu aufgrund seiner leitenden Funktion in der Lage war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haftet für die Tätigkeit einer Optionsvermittlungs-Gesellschaft nicht nur deren Geschäftsführer, wenn er Optionsgeschäfte der Gesellschaft ohne gehörige Aufklärung der Kunden bewusst nicht verhindert. Vielmehr ist Mittäter auch ein selbständiger Vermittler, der für die Gesellschaft ständig bei der Ausführung der Optionsgeschäfte tätig ist und alle wesentlichen Tatumstände der sittenwidrigen Kundenwerbung kennt (vgl. BGH NJW-RR 1999, S. 843, 844). Erst recht haftet ein Angestellter der Optionsvermittlungs-Gesellschaft für deren unerlaubte Handlung, wenn er, wie hier der Beklagte, die Gesellschaft intern leitet und deren Werbebroschüre selbst verfasst hat.

Dass der Kläger bei gehöriger Aufklärung die verlustreichen Optionsgeschäfte nicht abgeschlossen hätte, wird vermutet (vgl. dazu BGH NJW 1994, S. 512, 513 f.). Das Verhalten des Beklagten war also für den Schadenseintritt kausal.

Der Beklagte handelte vorsätzlich, als er an der sittenwidrigen Schädigung des Klägers mitwirkte. Ihm war aufgrund seiner beruflichen Erfahrung bekannt, dass ein Verlust der von den Kunden der I.. gezahlten Beträge in nahezu allen Fällen, also mit höchster Wahrscheinlichkeit auch bei dem Kläger, eintreten musste. Er nahm den Schadenseintritt somit in seinen Vorsatz auf. Ein etwaiger Irrtum des Beklagten über die Reichweite der Aufklärungspflicht bei Warenterminoptionsgeschäften steht vorsätzlichem Handeln nicht entgegen (vgl. BGH NJW 2002, S. 2777, 2778). Als Voraussetzung der Haftung nach § 826 BGB ist das konkrete Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Es genügt, dass der Beklagte alle Tatumstände kannte, welche die Sittenwidrigkeit der Geschäftsanbahnungen ausmachten (vgl. dazu BGH WM 1994, S. 1746, 1747). Das ist hier der Fall: Er war sich dessen bewusst, dass die potentiellen Kunden der I.. in Warenterminoptionsgeschäften durchweg unerfahren waren, und wusste, dass auf die weitgehende Chancenlosigkeit des Anlegers in der von ihm verfassten Broschüre nicht hingewiesen, sondern der Eindruck einer ernsthafte Gewinnmöglichkeit erweckt wurde. Die sittliche Wertung des gewählten Vorgehens war für den Beklagten als Kaufmann eindeutig.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.

Die Verjährung beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (§ 852 Abs. 1 BGB a. F.). Dazu gehört, wenn Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken von Optionsgeschäften verlangt wird, die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH NJW 2002, 2777, 2778). Die Rechtspflicht zur Aufklärung über die Auswirkung der Gebühren der Vermittlungsgesellschaft auf die Gewinnchancen des Anlegers ergibt sich daraus, dass eine Gewinnerzielung unter Berücksichtigung dieser Gebühren einen höheren Kursausschlag als den vom Börsenfachhandel als realistisch angesehenen voraussetzt, und dass höhere Aufschläge Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Erst die Kenntnis dieser die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhänge ermöglicht dem Anleger die aussichtsreiche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (BGH aaO.). Dass der Kläger diese Umstände bereits drei Jahre vor der Klageerhebung kannte, ist nicht dargetan.

Die Tatsache, dass der Kläger im Laufe des Ermittlungsverfahrens durch eine Fragebogenaktion der Kriminalpolizei von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Beklagten erfuhr, lässt keinen anderen Schluss zu. Der Kläger erhielt aufgrund der Befragung noch nicht die Kenntnis der Schädigungshandlung. Er durfte davon ausgehen, dass die Straftat im pflichtwidrigen Einbehalten von Geldern bestanden habe. Ihm wurde nicht offenbart, dass die Schädigungshandlung darin bestand, dass es die Verantwortlichen der I.. unterlassen hatten, ihn in für seine Entscheidungen wesentlichen Punkten aufzuklären. Zwar ist es für die Kenntnis nach § 852 BGB nicht von Belang, ob der Anleger die Zusammenhänge zutreffend rechtlich gewürdigt hat. Aber die für eine zutreffende rechtliche Würdigung erforderliche Tatsachengrundlage muss der Geschädigte kennen, damit die Verjährungsfrist nach § 852 BGB in Lauf gesetzt wird (vgl. BGH NJW 1990, S. 2808, 28o9 f.). Zu diesen hiernach entscheidenden Punkten enthielt der Fragebogen offensichtlich keine Angaben.

Der Kläger musste die Fragebogenaktion der Kriminalpolizei auch nicht zum Anlass nehmen, sich selbst um die Aufklärung des Schadenshergangs zu bemühen. Die Unkenntnis des Klägers von dem Schadenshergang kann deshalb hier nicht einer Kenntnis gleichgestellt werden. Das Unterlassen von Anfragen an die Kriminalpolizei mit der Bitte um Mitteilung der Hintergründe der Fragebogenaktion war kein missbräuchliches Sichverschließen vor der Kenntnis des § 852 BGB. Zudem hätte allenfalls die ständige aufmerksame Verfolgung der Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei und des Strafverfahrens aus der Sicht des Klägers zu der Erkenntnis der Zusammenhänge führen können, deren Darlegung die Voraussetzung für eine schlüssige, auf deliktische Anspruchsgrundlagen gestützte Schadensersatzklage war. Dies aber geht deutlich über das geringe Maß an Aufklärungsinitiative hinaus, die im Rahmen von § 852 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von einem Geschädigten unter dem Gesichtspunkt des § 162 BGB erwartet wird (BGH aaO.).

Wann der Kläger von dem Inhalt des Strafurteils des Landgerichts Essen erfuhr, ist unbekannt. Es kann daher nicht vom Eintritt der Verjährung vor Klageeinreichung ausgegangen werden.

Der zu ersetzende Schaden beträgt 57.490,01 DM (29.394,18 Euro).

Der Kläger zahlte unstreitig 63.447,60 DM an die I.., wovon er 5.957,59 DM zurückerhielt. Er erlitt als Folge der unerlaubten Handlung also einen Verlust von 57.490,01 DM. Dieser Schaden ist ihm in voller Höhe zu ersetzen.

Ein erhebliches mitwirkendes Verschulden des Klägers ist zu verneinen.

Beim Zusammenwirken einer vorsätzlichen Schädigung und einem fahrlässigen Verhalten des Geschädigten hat im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB der Beitrag des Geschädigten zu der Schadensentstehung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur dann zuzulassen, wenn besondere Umstände im Einzelfall eine Schadensteilung rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, auf dem § 254 BGB beruht, gerechtfertigt ist, dass der Schädiger den Schaden teilweise auf den nur fahrlässig bei der Schadensentstehung mitwirkenden Geschädigten abwälzen kann (BGH NJW 1984, S. 921). Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben.

Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung ein berücksichtigenswertes Mitverschulden bejaht in Fällen, in denen der (bedingte) Vorsatz des Schädigers den Schaden nicht umfasste, der Schädiger keine klaren Vorstellungen von der Höhe des drohenden Schadens hatte, die Ursächlichkeit für den Schaden überwiegend bei dem Geschädigten lag oder der Schädiger sich bemühte, den drohenden Schaden zu verhindern (BGH aaO.). An einer solchen Fallgestaltung fehlt es hier.

Zwar mag dem Kläger vorzuwerfen sein, dass er sich leichtsinnig verhielt, indem er ohne gründliche Prüfung seiner Gewinnchancen mehrfach erhebliche Beträge für Warenterminoptionen aufwandte. Besonderer Leichtsinn eines Geschädigten wurde in der Rechtsprechung jedoch nur beim Zusammentreffen mit lediglich bedingtem Vorsatz des Schädigers als erhebliches Mitverschulden gewertet (BGH, Urt. v. 03.02.1970 - VI ZR 219/62; nur teilweise abgedruckt in BB 1971, S. 326; zitiert in BGH NJW 1984, S. 921). Wer dagegen wie der Beklagte mit direktem Schädigungsvorsatz gehandelt und sich auf Kosten des Geschädigten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft hat, kann sich nicht darauf berufen, jener habe sich dagegen nicht ausreichend gesichert, ihm, dem Schädiger, vielmehr zu sehr vertraut (BGH NJW 1992, S. 310, 311). Angesichts dessen, dass der Beklagte aus Eigennutz gezielt auf die Schädigung des Klägers und der übrigen Anleger hinarbeitete, wäre es mit Treu und Glauben nicht vereinbar, ihn nur deshalb teilweise von seiner Schadensersatzpflicht zu befreien, weil die geworbenen Kunden sich so verhielten, wie es seinem Plan entsprach.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB in der vor dem 01.05.2000 geltenden Form.

Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Landgerichts abzuändern und das klagestattzugebende Versäumnisurteil wiederherzustellen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.394,18 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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