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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.02.2001
Aktenzeichen: 3 U 316/00
Rechtsgebiete: AGBG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer:

3 U 316/00 1 O 183/99 LG Koblenz

Verkündet am 06.02.2001

Wolff, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Rüll auf die mündliche Verhandlung vom 09.01.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 25.01.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin verlangt Löschung einer zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Sicherungsgrundschuld mit der Begründung, der Sicherungszweck sei entfallen. Außerdem hat sie Vollstreckungsgegenklage erhoben.

Aufgrund eines am 28.09./04.10.1992 von der Klägerin und ihrem damaligen Lebensgefährten O....... S............. mit der Beklagten geschlossenen Vertrages über ein Vorfinanzierungsdarlehen in Höhe von 40.000 DM bewilligte die Klägerin durch notariell beurkundete Erklärung vom 27.08.1992 die Eintragung einer Buchgrundschuld über den Betrag von 20.000 DM nebst Zinsen zu Gunsten der Darlehnsgeberin und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Der Bausparvertrag, bis zu dessen Zuteilung das Vorfinanzierungsdarlehen gewährt werden sollte, war allein von O..... S............. mit der Beklagten abgeschlossen worden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die eingetragene Grundschuld auch der Sicherung des inzwischen zugeteilten und von der Beklagten vertragsgemäß zur Rückführung des Vorfinanzierungsdarlehens verwendeten Bauspardarlehens dient.

Das Landgericht hat den beiden Klageanträgen stattgegeben mit der Begründung, nach der Sicherungsabrede hafte die Grundschuld nicht für die Ansprüche der Beklagten aus dem Bauspardarlehen. Die diesbezügliche Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei nach § 3 AGBG unwirksam. Anlass für die Grundschuldbestellung sei allein das Vorfinanzierungsdarlehen gewesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte zur Abgabe der Löschungsbewilligung verurteilt und die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 27.08.1992 für unzulässig erklärt. Der Sicherungszweck der Grundschuld ist mit der Rückführung des Vorfinanzierungsdarlehens entfallen. Auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts wird Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Die Beklagte vertritt zu Unrecht die Auffassung, die Zweckbestimmung in Ziff. 11 b der Bedingungen der "Schuldurkunde" stelle keine überraschende Klausel i. S. von § 3 AGBG dar. Die Klausel lautet:

"...

b) die Grundschuld dient der Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Gläubigerin gegen den Darlehensnehmer aus jedem Rechtsgrund, auch soweit sie nur gegen einen Darlehensnehmer begründet sind; ..."

In einer derart umfassenden Erstreckung des Sicherungszweckes auf Forderungen jeglicher Art gegen den Sicherungsgeber und zudem auch gegen einen Dritten, nämlich den zweiten Darlehensnehmer, ist ein besonders krasser Fall einer ungewöhnlichen Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbestimmungen zu erblicken, mit welcher der Vertragspartner des Verwenders nicht zu rechnen braucht (§ 3 AGBG; vgl. BGH NJW 1996, S. 191, 192). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob die Klägerin von dem Bausparvertrag und dem Zweck des Vorfinanzierungsdarlehens wusste. Denn die Unwirksamkeit ist bereits deshalb gegeben, weil über die Forderung aus dem Bauspardarlehen hinaus sämtliche weiteren denkbaren Forderungen der Beklagten einbezogen sind.

Zutreffend kommt das Landgericht bei der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis, dass nach der Sicherungsabrede nur die Forderung aus dem Vorfinanzierungsdarlehen vom 28.09./04.10.1992 durch die Grundschuld gesichert sein sollte.

Ist die Zweckerklärung zu einer Grundschuld nach dem AGB-Gesetz unwirksam, so tritt - ebenso wie bei Unwirksamkeit der Bedingung einer Bürgschaftserklärung - diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (vgl. z. B. BGHR AGBG § 6 Abs. 1 "ergänzende Auslegung" 3). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dies in der Regel eine Beschränkung des Sicherungszweckes auf den "Anlass" der Grundschuldbestellung (BGH NJW 1996, S. 191, 193). Was als Anlass in diesem Sinne zu betrachten ist, muss aber wiederum danach beurteilt werden, welche Vereinbarung die Parteien unter Abwägung ihrer jeweiligen Interessen redlicherweise getroffen hätten. In Anwendung dieser Grundsätze führt die einschränkende Auslegung der Vertragsbestimmung im vorliegenden Fall dazu, dass die Grundschuldbestellung nicht zur Absicherung der künftigen Forderung aus dem Bauspardarlehen erfolgt ist.

Unmittelbarer Anlass jedenfalls war für die Grundschuldbestellung das rechtlich selbständige Vorausdarlehen vom 28.09./04.10.1992, bei dem auch äußerlich nicht der Anschein erweckt wurde, dass es von dem Bausparvertrag nicht zu trennen sei: Der zweite Darlehensvertrag war in einer gesonderten Urkunde verkörpert, und der Abschluss erfolgte in deutlichem zeitlichen Abstand vom Abschluss des Bausparvertrages. Die für den Zwischenkredit vereinbarten Zinsen waren erheblich höher als diejenigen des Bauspardarlehens. Außerdem war den Beteiligten bekannt, dass der Bausparvertrag noch gesondert zugeteilt werden musste. Was aber besonders ins Gewicht fällt, ist der Umstand, dass die Klägerin an dem Bausparvertrag nicht beteiligt war, so dass bei ihr auch aus diesem Grund nicht der Eindruck entstehen musste, mit ihrem Grundstück über die von ihr übernommene persönliche Verpflichtung hinaus haften zu müssen.

Zwar weist die Beklagte mit Recht auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Vorfinanzierungsdarlehen und Bauspardarlehen sowie darauf hin, dass nach Zuteilung des Bauspardarlehens keine erneute Auszahlung, sondern lediglich eine Buchung erfolgte, durch welche der Betrag des Bauspardarlehens dem Zwischenkreditkonto gutgeschrieben wurde. Dies genügt jedoch nicht, die beiden Darlehen derart als Einheit zu behandeln, dass auch die künftige Verpflichtung aus dem Bauspardarlehen als - mittelbarer - "Anlass" für die Grundschuldbestellung zu gelten hätte. Eine solche Beurteilung wäre mit der beiderseitigen Interessenlage nicht vereinbar.

Auf Seiten der Klägerin bestand ein berechtigtes Interesse daran, dass ihr Grundstück nur für die von ihr selbst übernommene Verbindlichkeit und nicht auch für diejenige des O....... S............. haftete. Die Klägerin wurde durch den Abschluss des Vorfinanzierungsdarlehens nicht Bausparerin und hätte, selbst wenn die Lebensgemeinschaft mit dem Darlehensschuldner Bestand gehabt hätte, letztlich keinen ausreichenden Einfluss auf die Art und Weise der Rückführung gehabt. In welcher Weise Zwischenkredit und Bausparkredit später tatsächlich verwendet wurden, ist für die Vertragsauslegung unerheblich, da für diese allein das maßgeblich sein kann, was die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vernünftigerweise vereinbart hätten.

Andererseits trifft es allerdings zu, dass für die Beklagte ein Interesse daran bestand, bereits bei Gewährung des Zwischenkredits eine Sicherheit für das anschließende Bauspardarlehen zu erhalten. Dabei konnte die Beklagte davon ausgehen, dass hierfür als Belastungsobjekt wiederum dasselbe Grundstück zur Verfügung stand, zu dessen Lasten bereits anlässlich der Gewährung des Vorausdarlehens die Grundschuld eingetragen wurde, und dass dies das Grundstück sei, auf dem das zu finanzierende Gebäude errichtet werden sollte. Durch eine Beschränkung des Sicherungszweckes auf das erste Darlehen entstand aber kein erheblicher Nachteil für die Beklagte, da das Vorausdarlehen nicht automatisch in ein Bauspardarlehen überging, sonder sie nach dessen Zuteilung die Gewährung - d. h. hier: die Ablösung des Vorausdarlehens - von einer weiteren Erklärung abhängig machen konnte, wonach die Grundschuld nunmehr hierfür haften solle. Dass die Beklagte eine solche Möglichkeit selbst erkannte, zeigt ihre spätere Aufforderung an die Klägerin, für das Bauspardarlehen eine weitere Sicherungsabrede zu unterzeichnen. Die Beklagte unterschied sich in ihrer Stellung als Darlehensgeberin also nicht wesentlich von einer Drittbank, welche die Zwischenfinanzierung vor Zuteilungsreife vornimmt. Verknüpfungen der beiden Darlehen im internen organisatorischen Bereich der Beklagten kann diese der Klägerin nicht entgegenhalten.

Hier überwiegt das Interesse der Klägerin an einer Begrenzung der Haftung auf ihre persönliche Verpflichtung. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien vernünftigerweise eine Vereinbarung diesen Inhalts getroffen hätten. Die Grundschuld haftet also nicht für das Bauspardarlehen.

Der Klageantrag zu 1) ist demnach begründet.

Hinsichtlich des Klageantrages zu 2) ist ebenfalls auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu verweisen.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 DM festgesetzt. In dieser Höhe ist die Beklagte beschwert.

Ende der Entscheidung

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