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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 3 U 498/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 633
BGB § 633 Abs. 3
BGB § 288
BGB § 291 a.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 498/01

Verkündet am 26.02.2002

In Sachen

wegen Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung

hat der 3 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Becht und den Richter am Amtsgericht Rienhardt auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 13. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 13. Februar 2001 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Wohnungseigentümergemeinschaft Seniorenwohnanlage M....-H, Haus II, M....-T....-Straße, M...., vertreten durch die Hausverwaltung P.... GmbH, M.... 77 811 86 € (= 152.186,77 DM) nebst 4 % Zinsen aus 61.832 55 € ( = 120 933 95 DM ) vom 15. Dezember 1998 bis 03. Dezember 2000 sowie 4 % Zinsen aus 71.811,86 € (= 152.186,77 DM seit 04. Dezember 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 € abwenden, es sei denn, dass die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Kläger erwarben im November / Dezember 1993 Eigentumswohnungen in der von der Beklagten errichteten Wohnungseigentumsanlage "Seniorenwohnstift F...." in M.... Gemarkung H...., Flur., Flurstücke 161, 164 und 165 die aus den Häusern I a, I b und II besteht. Die Wohnungen der Kläger befinden sich in dem 139 Wohneinheiten umfassenden Haus II. Wegen der Einzelheiten der kaufvertraglichen Regelungen wird beispielhaft auf die Vertragsurkunde betreffend die Klägerin zu 1 ) (GA Bl. 86 f.), wegen der Lage der Häuser zueinander wird auf die Skizze GA Bl. 54 Bezug genommen.

Ein direkter Anschluss des Hauses II an die öffentliche Wasserversorgung besteht nicht, die Frischwasserzuleitung für das Haus (Flurstück 161) erfolgt über das im Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses 1 a stehende Grundstück (Flurstück 165). Die Eigentümer des letztgenannten Grundstücks haben zugunsten der Eigentümer des Grundstucks der Kläger sowie des weiteren Hauses 1 b (Flurstück 164) verschiedene Grunddienstbarkeiten eingeräumt, die im Grundbuch eingetragen sind. Wegen der Art und des Umfangs der Dienstbarkeiten wird auf die Eintragungsbewilligung GA Bl. 55 f. Bezug genommen.

Die Kläger begehren von der Beklagten einen an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlenden Kostenvorschuss in Höhe von 152.186,77 DM nebst Zinsen für die Herstellung des nach ihrer Ansicht erforderlichen und von der Beklagten geschuldeten direkten Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung,

Die Kläger haben vorgetragen:

Die ungestörte Wasserversorgung des Hauses II sei auf Dauer nur durch einen Direktanschluss sichergestellt. Das Fehlen eines solchen sei ein Mangel. Dies belege unter anderem der - unstreitige - Umstand, dass der Verwalter der Wohnungseigentumsanlage Haus I a die Zustimmung zu einem Wasserlieferungsvertrag zwischen den Eigentümern der beiden Wohneinheiten verweigert habe.

Ein Anschluss sei auch nicht aufgrund der Zusage der Betreibergesellschaft (D..... S..... und K...... e.V.) vom 06.12.1996 (GA Bl. 61 - 63), die Wasserversorgung ggfls. auf eigene Kosten sicherzustellen, entbehrlich, da deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Zukunft ungewiss sei.

Die Kosten für die Herstellung des Wasseranschlusses einschließlich einer erforderlichen Druckerhöhungsanlage beliefen sich auf 152.186,77 DM.

Sie - die Kläger - seien von der Eigentümergemeinschaft mit der Durchsetzung des Anspruchs gegen die Beklagte beauftragt worden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an die Wohnungseigentümergemeinschaft Seniorenwohnanlage M....-H...., Haus II, M....-T....-Straße, M...., vertreten durch die Hausverwaltung P..... GmbH, M.... 152.186,77 DM zu zahlen,

hilfsweise

die Eigentumswohnungen in dem Gebäude Flur Nr. 161 M....-T....-Straße 4, M....-H...., mit einer eigenen Frischwasserleitung an das öffentliche Leitungsnetz anzuschließen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Aus dem Kaufvertrag ergebe sich kein Anspruch der Käufer auf einen direkten Anschluss an das öffentliche Wasserversorgungsnetz. Die Auslegung der bestellten Dienstbarkeiten ergebe, dass die Versorgung des Hauses II mit Frischwasser ausreichen gesichert sei. Zumindest ergebe sich über § 242 BGB infolge des Duldens der Wasserversorgung durch die Eigentümer des Hauses I a eine stillschweigende Übereinkunft, dass die Grunddienstbarkeiten in Inhalt und Umfang dahingehend auszulegen seien, dass eine Versorgung auf Dauer sichergestellt sei.

Die Eigentümer des Hauses I a seien schon aus polizeirechtlichen Gründen gehindert, die Wasserversorgung des Hauses II für längere Zeit zu unterbinden.

Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da sie - die Beklagte - den Eigentümern des Hauses II die Abtretung ihrer - der Beklagten - Ansprüche gegen die Eigentümer des Hauses I a angeboten habe.

Das Landgericht hat die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 13. Februar 2001 antragsgemäß zur Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Urteilsgründe ( GA Bl. 177 - 187) Bezug genommen.

Gegen die Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin die Klageabweisung begehrt. Mit ihrer Anschlussberufung machen die Kläger Zinsansprüche auf den Kostenvorschussanspruch seit Rechtshängigkeit geltend.

Die Beklagte vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend im Wesentlichen vor:

Die Bevollmächtigung der Kläger durch die Eigentümergemeinschaft sei nicht schlüssig dargelegt Ansprüche aus § 633 BGB seien erloschen, da die Kläger eine Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung gesetzt hätten.

Nach dem Vertrag sei es ihr - der Beklagten - freigestellt gewesen, wie sie die Wasserversorgung herstellte. Das Verlangen der Kläger nach einem direkten Anschluss beruhe auf einem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis. Dass die Wasserversorgung

gesichert sei, ergebe sich daraus, dass sie nunmehr 7 Jahre störungsfrei funktioniert habe.

Auch gegen die Stadtwerke M.... hätten die Kläger bei einem Direktanschluss lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch. Die Kläger hätten den angeblichen Mangel gekannt und das Objekt in Kenntnis dieses Umstands vorbehaltlos abgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mainz vom 13. Februar 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen

sowie die Beklagte zu verurteilen,

an die Wohnungseigentümergemeinschaft Seniorenwohnanlage M.. -H......., Haus II, M.....-T.....-Straße, M....,

über die ausgeurteilten 152.186,77 DM hinaus 4 % Zinsen p.a. aus 120.933,95 DM vom 15. Dezember 1998 bis 03. Dezember 2000 sowie 4 % Zinsen p a. aus 152.186,77 DM seit dem 04. Dezember 2000 zu zahlen.

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen ergänzend im Wesentlichen vor:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe sie - die Kläger - nahezu einstimmig zur Klageerhebung ermächtigt. Eine Ablehnungsandrohung hatten sie zu keiner Zeit erklärt. Die Beklagte schulde eine rechtlich abgesicherte ungestörte Wasserversorgung nicht nur eine rein tatsächlich funktionierende.

Ihnen stünden Zinsen seit Rechtshängigkeit zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags der Parteien wird auf die bis zum 15.10.2001 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (GA bis Bl. 226 f.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 22.01.2002 (GA Bl. 260 f.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, die zulässige Anschlussberufung der Kläger hat Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht den Zahlungsanspruch der Kläger bejaht. Auch das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Entscheidung keinen Anlass.

Die Kläger sind aktivlegitimiert. Mit Beschluss der Eigentümerversammlung vom 05. Juni 1997 sind sie zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs ermächtigt worden (GA Bl. 234 f. [238]/vgl. BGH NJW 1988, 470).

Die Voraussetzungen des § 633 Abs. 3 BGB liegen vor. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist das Haus II mit einem Fehler behaftet.

Grundlage für die Bestimmung der Fehlerhaftigkeit ist der zwischen den Parteien jeweils geschlossene Vertrag. Danach schuldet die Beklagte die "schlüsselfertige Erstellung des Kaufobjekts" (§ 3 Ziffer 2.1 des Vertrages / GA Bl. 90). Zur schlüsselfertigen Erstellung eines Gebäudes gehört alles, was Voraussetzung für dessen ordnungsgemäße und vollständige Nutzung ist (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 532).

Da ein direkter Anschluss an das öffentliche Frischwassernetz nicht erwähnt ist, ist die von der Beklagten geschuldete Leistung im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln, hilfsweise ist in Bezug auf die Sollbeschaffenheit der geschuldeten Bauleistung auf den "gewöhnlichen Gebrauch" der Werkleistung abzustellen (Siegburg, Handbuch der Gewährleistung beim Bauvertrag, 4. Aufl., Rdn. 730 m. w. N.). Maßgebend sind dabei die "normalerweise zu erwartende Qualität" (OLG Koblenz, BauR 1995, 554), die " üblichen Erwartungen an die Beschaffenheit der Bauleistung" bzw. "wie das Werk im Allgemeinen beschaffen sein muss, damit es den Ansprüchen eines Durchschnittsbauherrn genügt" (Siegburg a.a.O).

Nach diesen Maßstäben ist die fehlende direkte Verbindung zum öffentlichen Wassernetz ein Mangel des Werkes.

Ohne besondere gegenteilige Anhaltspunkte kann der Erwerber einer Wohnung oder eines Hauses grundsätzlich davon ausgehen, dass der Anschluss des Grundstücks an die öffentlichen Ver- und Entsorgungsleitungen, insbesondere diejenigen, hinsichtlich deren - wie bei der Wasser- und Abwasserversorgung - ein Anschluss- und Benutzungszwang nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften besteht, unmittelbar an dieses Netz erfolgt und die Leitungsführung nicht noch über das Grundeigentum privater Nachbarn erfolgt.

Ist ausnahmsweise Letzteres der Fall muss der Auftragnehmer, um seiner Pflicht zur mängelfreien Herstellung des Werkes zu genügen, durch geeignete Maßnahmen sicherstellen dass der Auftraggeber eine dem Direktanschluss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbare Position erlangt. Dies ist etwa dergestalt möglich dass entsprechende Grunddienstbarkeiten bestellt werden die die jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks zur Duldung der Versorgungsleitungen und deren ungestörter Nutzung verpflichten.

Dies hat offensichtlich auch die Beklagte selbst so gesehen, da sie für die Bestellung entsprechender Grunddienstbarkeiten Sorge getragen hat (GA Bl. 55 f.).

Allerdings umfassen diese nicht die Wasserversorgung für das Haus II. Einer von der Beklagten für möglich gehaltenen Auslegung in dem Sinne, dass mit der Bestellung auch die Wasserversorgung abgedeckt sei, steht der eindeutige Wortlaut der Bewilligung entgegen. Im Verhältnis der Hauser I a (Flurstück 165) und I b (Flurstück 164) wird ausdrücklich die Wasserversorgung erwähnt (GA Bl. 57), während in der unmittelbar nachfolgenden und im Übrigen wortgleichen Regelung betreffend das Verhältnis der Eigentümer der Hausgrundstücke I a (Flurstuck Nr. 165) und II (Flurstück 161) die Wasserversorgung ausgenommen ist.

Mangels dinglicher Absicherung ist der künftige Gebrauch der Wohnungseigentumsanlage mit einer Ungewissheit behaftet, die die Tauglichkeit des Objekts zum gewöhnliche Gebrauch mindert (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 545).

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich diese rechtliche Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht in den vergangenen Jahren nicht ausgewirkt hat. Die Eigentumsverhältnisse und damit eventuell die Ansichten der jeweiligen, zahlreichen Eigentümer der Wohnanlage können sich aus verschiedensten Gründen ändern, womit für die Kläger und ihre Miteigentümer ein nicht zu vernachlässigendes Nutzungsrisiko einhergeht. Dieses Risiko kann nicht durch die Abtretung angeblicher schuldrechtlicher Ansprüche der Beklagten gegenüber den jetzigen Eigentümern des Hauses I a wirksam ausgeglichen werden, da künftige Erwerber dadurch nicht gebunden wurden. Es kann auch nicht durch die Zusage der Betreibergesellschaft ausgeschlossen werden, da deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Zukunft ungewiss ist.

Soweit die Beklagte behauptet, den Klägern sei der Mangel bei Abnahme bekannt gewesen, ist der diesbezügliche Vortrag unsubstantiiert.

Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe des Anspruchs hat die Beklagte nicht erhoben.

Demnach erweist sich die Berufung als unbegründet.

Der mit der Anschlussberufung geltendgemachte Zinsanspruch hat seine Grundlage in den §§ 288 291 BGB a. F. (BGH NJW 1985, 2325/2326 = MDR 1985, 924).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Beschwer der Beklagten beträgt 77.811,86 € ( = 152.186,77 DM ).



Ende der Entscheidung

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