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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 3 U 570/07.Lw
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 545
BGB § 568
BGB § 593 a
BGB § 594
BGB § 594 a
BGB § 594 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 9
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Bei Fortsetzung eines Landpachtverhältnisses nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit gelten grundsätzlich die gesetzlichen Regelungen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 U 570/07.Lw

Verkündet am 11. Dezember 2007

in Sachen

Der 3. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hölzer, die Richterin am Oberlandesgericht Becht, den Richter am Oberlandesgericht Marx sowie die ehrenamtlichen Richter Friesen und Groß auf die mündliche Verhandlung 20. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. März 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Landau in der Pfalz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Wirksamkeit und des Fortbestehens eines Pachtvertrages über das Grundstück Flurstück Nr. 3391 und 3392 in der Gemarkung S..., Größe 69,67 ar. .Der Pachtvertrag ist zwischen dem Vater des Klägers als Pächter und dem Beklagten als Verpächter für die Zeit vom 11. November 1973 bis zum 11. November 1993 mit einer Verlängerungsklausel geschlossen worden. Durch Schreiben vom 6. Mai 2004 hat der Beklagte den Pachtvertrag gekündigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat nach der Vernehmung des Vaters des Klägers als Zeugen der Feststellungsklage stattgegeben. Es hat ausgeführt, durch die Betriebsübernahme gemäß § 593 a BGB von seinem Vater sei der Kläger auch in den Pachtvertrag eingetreten und aktivlegitimiert. Der Pachtvertrag bestehe fort. Im Anschluss an den Ablauf der vorgesehenen Befristung am 11. November 1993 habe er sich entsprechend der vertraglichen Vereinbarung um ein Jahr verlängert. Für die Zeit danach sei es durch konkludentes Verhalten zu einer einverständlichen Pachtverlängerung gekommen. Denn unstreitig habe der Beklagte über viele Jahre hinweg den Pachtzins entgegen genommen. Ein Pachtvertrag, bei dem die Pachtzeit nicht bestimmt sei, könne spätestens am 3. Werktag eines Pachtjahres für den Schluss des nächsten Pachtjahres gekündigt werden. Die Kündigungsfrist sei nicht gewahrt worden. Auch könne nicht von einer Kündigung zum nächst möglichen Termin ausgegangen werden, da für den Kläger nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Kündigung unter allen Umständen gewollt gewesen sei.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung.

II.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Beschwerdewert den Betrag von 600 € gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Beklagte stellt insoweit zu Recht analog § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Wert des jährlichen Pachtzinses ab. Dieser beträgt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten seit 2003 357,09 € (Bl. 205 GA). Der Beschwerdewert liegt mithin bei 1.252,65 €.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Aktivlegitimation des Klägers ist in der Berufung nicht mehr bestritten worden. Das Amtsgericht ist richtig davon ausgegangen, dass das nunmehr zwischen den Parteien bestehende Pachtverhältnis über den 11. November 1994 hinaus bis heute fortdauert.

Nach den Angaben des Zeugen W... S... war im Pachtvertrag, den er seinerzeit mit dem Beklagten abschloss, zwar nur eine einjährige Verlängerung vorgesehen. Das hat indes nach Ablauf des 11. November 1994 nicht zu einem vertragslosen Zustand geführt.

Aus der Ersetzung des früheren § 568 BGB und heutigen § 545 BGB, wonach sich das Mietverhältnis bei Gebrauchsfortsetzung nach Ablauf der Mietzeit auf unbestimmte Zeit verlängert, durch § 594 BGB im Landpachtrecht kann nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe dadurch das Vertragsende durch Zeitablauf für jeden Fall festschreiben und die wirksame Fortsetzung durch konkludentes Verhalten ausschließen wollen. Auch ist die Auffassung unzutreffend, einer stillschweigenden Vereinbarung eines neuen Pachtverhältnisses nach Ablauf der Befristung stehe entgegen, dass unklar bleibe, ob die bisherigen Vertragsbedingungen oder die neuen gesetzlichen Bestimmungen gelten sollen. Denn in rechtlicher Hinsicht ist es für das Zustandekommen eines Vertrages grundsätzlich ausreichend, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile feststehen oder feststellbar sind. Dazu gehören beim gegenseitigen Vertrag allein die Bestimmung darüber, wer Vertragspartner geworden, welche Leistung und welche Gegenleistung zu erbringen ist. Bezogen auf den Landpachtvertrag reicht also die Festlegung, wer Pächter und Verpächter ist, welcher Pachtzins zu zahlen ist und welche Pachtflächen zu überlassen sind. All das steht bei Weiterbewirtschaftung und deren Duldung fest bzw. lässt sich feststellen (Gersteuer, Befristetes Landpachtverhältnis und Vertragsende, Agrarrecht 1989, 291). Nach Ablauf der vereinbarten Vertragszeit kann die Fortsetzung deshalb auch durch konkludentes Verhalten wie Weiterbewirtschaftung, Fortsetzung der Zahlung und Entgegennahme der Pacht zustande kommen (Fassbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 594 Rdn 4).

Demgegenüber ist die Annahme einer vertragslosen Zeit nicht überzeugend, wenn die Parteien sich über einen längeren Zeitraum durch Bewirtschaftung einerseits und Pachtzinsentgegennahme andererseits wie Parteien eines Pachtvertrages verhalten haben. In einem solchen Fall hat sich der Wille der Parteien zu einem Pachtvertrag nach außen hin schlüssig gezeigt. Den Parteien dann die Rechtsfolge des Vertragsschlusses verweigern zu wollen, indem man den beschriebenen Sachverhalt als bewusst hingenommenen Zustand der Vertragslosigkeit bezeichnet, wird der Sachlage nicht gerecht und missachtet den Grundsatz der Privatautonomie (Gersteuer a. a. O.).

Auch vorliegend ist mithin nach Ablauf des 11. November 1994 zwischen den Parteien ein konkludent geschlossener Pachtvertrag zustande gekommen. Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass für diesen Pachtvertrag nicht mehr die 6-monatige Kündigungsfrist gemäß dem ursprünglichen Pachtvertrag, sondern die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 594 a BGB gilt.

Welchen weiteren Inhalt der nach Ablauf eines befristeten Pachtverhältnisses konkludent geschlossene Vertag hat, ist umstritten.

Nach der einen Auffassung ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob dann die bisherigen Nebenabreden fort gelten oder die Regeln des Gesetzes eingreifen (Fassbender/Hötzel/Lukanow . a. a. O., § 594 Rdn 4). Dabei sollen die alten Vertragsbestimmungen fortgelten, soweit ein entgegenstehender Wille nicht erkennbar wird (Gersteuer, a. a. O.). Die stillschweigende Verlängerungsvereinbarung könne nur nach allgemeinen Regeln über konkludente Wissenserklärungen und nicht aufgrund des unanwendbaren § 545 oder nach seinem Muster zustande kommen (Harke in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 594 Rdn 4).

Nach der anderen Auffassung gilt bei einer Verlängerungsvereinbarung durch die vom Verpächter stillschweigend hingenommene Fortsetzung des Pachtverhältnisses durch den Pächter das Pachtverhältnis auf unbestimmte Zeit fort. Es fehle zwar an einer dem § 545 BGB entsprechenden Vorschrift für Landpachtverträge, so dass die Fiktionswirkung der Zweiwochenfrist dieser Bestimmung eigentlich nicht angewandt werden könne. Die Annahme der stillschweigenden Vertragsfortsetzung rechtfertige sich jedoch aus dem Bedürfnis der Praxis im Einklang mit agrarpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen (von Jeinsen in Staudinger Neubearbeitung 2005, § 594 Rdn 8).

Der Senat folgt der zweiten Auffassung, die auf die praktischen Bedürfnisse abstellt und deshalb zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen auf den konkludent abgeschlossenen Verlängerungsvertrag gelangt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die wichtigsten gesetzlichen Regelungen den Landwirten bekannt sind und diese insbesondere in den Fällen der Rechtsnachfolge eine größere Rechtssicherheit bieten als die den Rechtsnachfolgern zunächst oft unbekannt bleibenden Einzelvereinbarungen. Zudem lässt sich aus den nur konkludent vorhandenen Willensbekundungen der Parteien oft nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, welche der früheren Einzelvereinbarungen fortgelten sollten und welche nicht.

Die bei einem Pachtverhältnis auf unbestimmte Zeit maßgebende Kündigungsfrist des § 594 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist in der Kündigung des Beklagten vom 6. Mai 2004 nicht eingehalten worden. Mit zutreffender Begründung, die in der Berufung auch nicht mehr angegriffen worden ist, hat das Amtsgericht zudem darauf hingewiesen, dass in dem Kündigungsschreiben vom 6. Mai 2004 auch keine Kündigung zum nächstmöglichen Termin gesehen werden kann. Die Kündigung ist somit unwirksam und hat das Pachtverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Dieses besteht vielmehr fort, so dass der Feststellungsantrag des Klägers begründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung einer Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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