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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 3 W 393/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 13
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 269
ZPO §§ 91 ff
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 3 W 393/01

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

BESCHLUSS

In Sachen

wegen: Schmerzensgeldforderung

hier: Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die sofortige Beschwerde der Klägerin

vom 05.06.2001

gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier

vom 24.04.2001

durch den Richter am Oberlandesgericht Becht, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Heilmann

am 24.07.2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Trier vom 24.04.2001 ersatzlos aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.

Grunde:

Die Klägerin hat gegen die frühere Beklagte Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld erhoben. Nachdem die damalige Beklagte dem jetzigen Beklagten den Streit verkündet hatte, ist dieser dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Die Klägerin hat ihre Klage in der Folgezeit auf den jetzigen Beklagten umgestellt.

Auf Antrag des früheren Streithelfers hat das Landgericht, durch den angefochtenen Beschluss die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers analog § 269 Abs. 3 ZPO der Klägerin auferlegt.

Die Klägerin tragt zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss vor, es liege keine Klagerücknahme vor. Der Beklagte habe den Prozess rügelos fortgesetzt. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers seien der früheren Beklagten aufzuerlegen, da diese durch ihr vorprozessuales Verhalten die gegen sie gerichtete Klage veranlasst habe, indem sie sich nicht an dem von der Klägerin beantragten Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz beteiligt habe.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 269 Abs. 3 Satz 5 ZPO in entsprechender Anwendung) und begründet.

Der Beschluss, durch den der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des früheren Streithelfers auferlegt worden sind, war aufzuheben, weil eine getrennte Kostenentscheidung über die Kosten des früheren Streithelfers nicht geboten ist.

Die Klägerin hat durch die Umstellung ihres Klageantrags einen Parteiwechsel auf der Beklagtenseite herbeigeführt. Dieser ist wirksam, da die ursprüngliche Beklagte dem zugestimmt hat. Der Zustimmung des neuen Beklagten bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für einen Beklagtenwechsel in erster Instanz nicht (vgl. BGH NJW 1962, S. 347). Die Kostentragungspflicht ist für einen solchen Fall im Gesetz nicht unmittelbar geregelt, sondern hierüber ist in entsprechender Anwendung verwandter Gesetzesvorschriften zu entscheiden.

§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist hier nicht entsprechend anwendbar. Zwar sind bei einem gewillkürten Parteiwechsel auf der Beklagtenseite die außergerichtlichen Kosten des Streitgehilfen des ausscheidenden Beklagten grundsätzlich dem Kläger aufzuerlegen (§§ 269 Abs. 3, 101 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung). Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der Streithelfer der aus dem Verfahren ausscheidenden Beklagten selbst nicht ausscheidet, sondern weiterhin -- nämlich als neuer Beklagter -- an dem Verfahren beteiligt bleibt. Bei einer solchen Konstellation wäre die entsprechende Anwendung von § 269 Abs. 3 ZPO ebensowenig sinnvoll wie bei einer Klageänderung. Denn Zweck der Kostenregelung des § 269 ZPO ist es, bei einer durch einseitige Erklärung des Klägers herbeigeführten Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses -- sei es insgesamt, sei es im Verhältnis zu einem von mehreren Verfahrensbeteiligten -- das Interesse des Gegners zu wahren, dem gegenüber eine Kostenentscheidung nach den Regeln der §§ 91 ff ZPO nicht mehr ergehen kann. Ein Fall der Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses liegt hier jedoch nicht vor.

Durch die. Klageumstellung ist die prozessrechtliche Beziehung zwischen dem Streitgehilfen der früheren Beklagten und der Klägerin nicht gelöst worden, sondern diese Beziehung hat eine inhaltliche Veränderung erfahren: Die Stellung des Streitgehilfen ist zur Stellung einer Prozesspartei erstarkt. Diese Veränderung, die auf ein und derselben Prozesserklärung der Klägerin beruht, aufzuteilen in ein Ausscheiden des Streitgehilfen und ein Eintreten des neuen Beklagten in den Prozess, würde dem Vorgang nicht gerecht. So wäre insbesondere nicht einzusehen, warum der jetzige Beklagte die Prozesshandlungen, die er als Streithelfer vorgenommen hat -- etwa ein Geständnis oder die Erklärung einer Streitverkündung -- nicht auch als Partei gegen sich sollte gelten lassen müssen.

Über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten, die ihm in seiner Eigenschaft als Streitgehilfe entstanden sind, muss deshalb ebenso wie über diejenigen, die nach der Klageumstellung angefallen sind, in einer einheitlichen Kostenentscheidung nach den §§ 91 ff. ZPO entschieden werde.

Auch aus kostenrechtlicher Sicht besteht keine Notwendigkeit, zwischen den außergerichtlichen Kosten des Streithelfers und denen des Beklagten zu unterscheiden. Denn die Tätigkeit eines Anwalts, dessen Mandant zunächst Streitgehilfe, nach Klageumstellung aber Partei ist, betrifft ein und dieselbe Angelegenheit i. S. des § 13 BRAGO (KG RPfl 1962, S. 37; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 13 Rdnr. 21). Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit umfasst grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Anwalts von der Erteilung des Auftrags bis zu seiner Erledigung. Für die anwaltliche Wahrnehmung von Parteiinteressen innerhalb eines Rechtsstreits bedeutet dies, dass das gerichtliche Verfahren im Allgemeinen mit der Angelegenheit selbst identisch ist. Dementsprechend handelt es sich auch dann, wenn ein Nebenintervenient den Beitritt auf Seiten der zunächst unterstützten Partei zurücknimmt und stattdessen der anderen Partei beitritt, kostenrechtlich nicht um zwei Angelegenheiten (OLG Hamm JurBüro 1989, Sp. 402). Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten, von denen er auch als Streithelfer vertreten wurde, sind für ihn also in nur einer Angelegenheiten tätig geworden.

Wollte man hier über die Kosten des früheren Streithelfers getrennt entsprechend § 269 ZPO entscheiden, so wären Gegenstand der Kostenentscheidung im Endurteil nur noch die Mehrkosten, die dem Beklagten nach der Klageumstellung entstanden sind (vgl. für einen ähnlichen Fall: KG JurBüro 1983, Sp. 1098, 1100). Die Klägerin trüge deshalb, auch wenn sie obsiegen wurde, im Ergebnis möglicherweise den überwiegenden Teil der außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Das wäre mit der Entscheidung in der Hauptsache nicht vereinbar.

Sofern dem früheren Streithelfer infolge des Beitritts besondere Kosten entstanden sein sollten, die er nicht gehabt hatte, wenn die Klägerin gegen ihn sogleich Klage erhoben hätte (vgl. dazu KG aaO. Sp. 1101: Portoauslagen des Streithelfers bei konkreter Berechnung), so könnte dies ggf. in der Kostenquote Berücksichtigung finden. Einer gesonderten Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Das hat zur Folge, dass eine Kostenentscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten des früheren Streithelfers hier obsolet ist, da es sich um einen Teil der außergerichtlichen Kosten des jetzigen Beklagten handelt. Über diese wird im Endurteil zu entscheiden sein.

Der angefochtene Beschluss war auf die sofortige Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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