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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 3 W 631/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 114
ZPO § 445
ZPO § 118 Abs. 2 S. 3
ZPO § 127 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 3 W 631/01

In dem Rechtsstreit

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, den Richter am Oberlandesgericht Becht und den Richter am Amtsgericht Rienhardt am 27. September 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten zu 1) wird der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 26. Juli 2001 insoweit abgeändert, als diesem die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert wurde.

Dem Beklagten zu 1) wird ab dem Zeitpunkt der Antragstellung für seine Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H...... H........ M.......... Straße...., ..... S....., zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist dem Beklagten zu 1) vorliegend Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da seine Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und auch nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist nämlich vom Grundsatz her gegeben, wenn über eine Behauptung der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei Beweis zu erheben ist und zwar auch bei Unwahrscheinlichkeit der Beweisbarkeit (OLG Köln in MDR 1997, S. 105 f.).

Zwar ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass eine vorweggenommene Beweiswürdigung im Prozesskostenhilfeverfahren in einem eng begrenzten Rahmen für zulässig erachtet wird (BGH in NJW 1988, S. 266 f (267)).

Aus diesem Grunde kann hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung- oder Verteidigung auch bei schlüssigem bzw. erheblichem Sachvortrag und entsprechendem Beweisantritt u.U. dann in Frage gestellt sein, wenn nur eine Parteivernehmung nach § 445 ZPO in Betracht kommt und eine eingehende Stellungnahme des Gegners, für deren Unrichtigkeit keine konkreten Anhaltspunkte gegeben sind, zu Ungunsten des Antragstellers vorliegt (vgl. OLG Köln in MDR 1997, S. 105 f).

Bei Zeugenaussagen kommt allerdings die Beweisantizipation grundsätzlich auch im Prozesskostenhilfeverfahren nicht in Betracht (BGH a.a.O.). Das Gericht hat in diesem Fall grundsätzlich Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn es eine Zeugenvernehmung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht durchführt, andererseits aber über die Klage erst nach Vernehmung der Zeugen entscheiden kann. Ansonsten würde augenfällig entgegen dem Willen des Gesetzes das Recht der armen Partei verkürzt. Dieser Grundsatz galt bereits früher im Armenrechtsverfahren; er behält im Prozesskostenhilfeverfahren weiterhin Gültigkeit, da es an den sogenannten objektiven Bewilligungsvoraussetzungen nichts geändert hat und die Möglichkeit einer vorgezogenen Beweiserhebung nicht ausschließt. Allerdings werden Zeugenvernehmungen in ihm grundsätzlich nicht durchgeführt, § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO (BGH a.a.O.).

Zwar geht das Landgericht in seiner Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung davon aus, die vorläufige Würdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien würde eine positive Beweiswürdigung zu Gunsten des Hilfsbedürftigen ausgeschlossen erscheinen lassen.

Dabei übersieht es allerdings, dass dann, wenn es wie hier um die Vernehmung von Zeugen geht, deren Ergebnis typischerweise nicht zuverlässig vorausgesetzt werden kann, eine die Ablehnung von Prozesskostenhilfe rechtfertigende Beweisantizipation jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn es um die erstmalige Vernehmung der benannten Zeugen in einem gerichtlichen Verfahren geht (vgl. BGH a.a.O. für das in seinen Voraussetzungen gleichgelagerte Deckungszusageverfahren der Rechtsschutzversicherer).

Daran würden selbst eidesstattliche Versicherungen dieser Zeugen zu dem Beweisthema nichts ändern; denn eidesstattliche Versicherungen sind, was die Richtigkeit der Erklärung anlangt, kein Urkundenbeweismittel.

Entscheidend für den Beweiswert einer Zeugenaussage ist der in der Vernehmung gewonnene persönliche Eindruck, der maßgeblich auf den Möglichkeiten beruht, dem vernommenen Zeugen Fragen zu stellen und ihn zu Präzisierungen seiner Aussagen zu veranlassen sowie sein gesamtes Aussageverhalten zu beobachten. Solange diese Möglichkeiten einer Überzeugungsbildung nicht wenigstens einmal ausgeschöpft worden sind und ihr Ergebnis nicht in einer gerichtlichen Beweiswürdigung seinen Niederschlag gefunden hat, kommt die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (BGH a.a.O.).

Im zur Entscheidung anstehenden Fall gibt es ersichtlich noch keinerlei gerichtlich veranlasste Aussagen der von Seiten des Beklagten zu 1) benannten Zeugen, deren Vernehmung das Landgericht in seinem Beweisbeschluss vom 26. Juli 2001 angeordnet hat. Eine Beweisantizipation kommt somit vorliegend nicht in Betracht, weshalb dem Grundsatz entsprechend dem Beklagten zu 1) die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

Da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage ist, die Prozesskosten nur zum Teil oder nur in Raten aufzubringen, ist ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Herbert H, Sinzig, zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts zu gewähren.

Zu letzterem hat Rechtsanwalt H....... sein schriftliches Einverständnis bei Antragstellung ausdrücklich erklärt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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