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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 3 W 674/01
Rechtsgebiete: GrdstVG, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

GrdstVG § 9
GrdstVG § 8 Nr. 1
GrdstVG § 2
GrdstVG § 1
BauGB § 191
BauGB § 1 Abs. 2
BauNVO § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 3 W 674/01

In der Landwirtschaftssache

betreffend die Genehmigung der Grundstücksveräußerung gemäß Vertrag vom 27.10.1998 - UR-Nr. 11.. K/1998 - des Notars Dr. C.......... K... in R............

hat der 3 Zivilsenat - Landwirtschaftssenat - des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak, die Richter am Oberlandesgericht Becht und Ritter sowie die ehrenamtlichen Richter Bohr und Metternich

am 15.01.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - R vom 06.09.2001 wie folgt abgeändert:

Zu dem am 27.10.1998 geschlossenen Kaufvertrag - UR-Nr 11 K/1998 - Notar Dr. C K in R - und der darin vereinbarten Veräußerung des Grundstücks Grundbuch von M, Bl 4, Flurstück Nr. 16 - Landwirtschaftsfläche, D Straße, 0, 6642 ha - wird die nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung erteilt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte zu 1. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 16.689,59 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligte zu 1. verkaufte mit notariellem Vertrag vom 27.10.1998 an die Beteiligte zu 2 das in der Beschlussformel bezeichnete Grundstück. Dieses liegt in R Ortsteil M.......... und zwar im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplanes, der seit dem 10.12.1998 rechtswirksam ist. Danach gehört das Grundstück zu einer als Dorfgebiet ausgewiesenen Fläche.

Die Beteiligte zu 1. beabsichtigte zunächst, das an sie veräußerte Grundstück einer Nutzung durch vier Wohnhäuser zuzuführen. Die für die Fläche errichtete "Abrundungssatzung" vom 13.07.1998, welche eine solche Bebauung vorsah, wurde jedoch durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 06.08.1999 für nicht wirksam erklärt und ist mittlerweile von der Stadt R........... aufgehoben worden.

Als Erwerbsinteressent für das veräußerte Grundstück hat sich der Vollerwerbslandwirt Horst D... gemeldet, der einen unmittelbar an das Grundstück angrenzenden landwirtschaftlichen Betrieb unterhält.

Die Kreisverwaltung D............... hat die nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung unter Berufung auf § 9 GrdstVG verweigert.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1. ist das Landwirtschaftsgericht tätig geworden und hat durch den angefochtenen Beschluss die Genehmigung mit der Begründung versagt, mangels eines Bebauungsplanes bestehe keine Genehmigungspflicht nach § 8 Nr. 1 GrdstVG; die Veräußerung an die Beteiligte zu 1. bedeute eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden, da diese nicht Landwirt, ein erwerbswilliger Landwirt jedoch vorhanden sei.

Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1. sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, in Anbetracht des existierenden Flächennutzungsplanes sei die Veräußerung nach § 8 Nr. 1 GrdstVG zu genehmigen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Veräußerung des o. bez. Grundstücks war gemäß § 8 Nr. 1 GrdstVG zu genehmigen. Gründe, die Genehmigung zu versagen liegen nicht vor.

Das Grundstücksverkehrsgesetz ist hier anwendbar. Seine Anwendung ist insbesondere nicht durch § 191 BauGB ausgeschlossen, da das zu veräußernde Grundstück nicht im Bereich eines Bebauungsplanes liegt.

Gemäß § 8 Nr. 1 GrdstVG ist die nach § 2 GrdstVG erforderliche Genehmigung u. a. dann zu erteilen, wenn eine Gemeinde an der Veräußerung beteiligt ist, das veräußerte Grundstück im Gebiet der beteiligten Gemeinde liegt und durch einen Bauleitplan i. S. des § 1 Abs. 2 BauGB nachgewiesen wird, dass das Grundstuck für andere als die in § 1 GrdstVG bezeichneten Zwecke vorgesehen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Käuferin des landwirtschaftlichen Grundstucks ist die Beteiligte zu 1., die Stadt R........ Das Grundstück liegt in der Gemarkung M........, welche zum Gebiet der Stadt R gehört.

Der für den Bereich des Grundstucks bestehende Flächennutzungsplan ist nach der Definition des § 1 Abs. 2 BauGB ein Bauleitplan. Entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts ist es für die Anwendbarkeit von § 8 Nr. 1 GrdstVG nicht erforderlich, dass bereits ein Bebauungsplan existiert (vgl. Wöhrmann, GrdstVG, § 8 Rdnr. 7). Dass der Flächennutzungsplan im vorliegenden Fall erst nach dem Abschluss des Kaufvertrages wirksam wurde, ist unerheblich, da der Rechtszustand zur Zeit der Entscheidung - hier des Gerichts - maßgeblich ist und zudem die Eintragung der Veräußerung im Grundbuch noch nicht erfolgt ist.

Durch den Flächennutzungsplan ist nachgewiesen, dass das Grundstück für andere als die in § 1 GrdstVG bezeichneten Zwecke, nämlich für eine andere als eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung, vorgesehen ist. Denn das Gebiet, in welchem das Grundstück liegt, ist in dem Flächennutzungsplan als Dorfgebiet ausgewiesen.

Dorfgebiete dienen nach § 5 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Zu den dort zulässigen Anlagen gehören auch solche für die örtliche Verwaltung, für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke sowie Tankstellen (§ 5 Abs. 2 BauNVO). Die als Dorfgebiet ausgewiesene Fläche ist also nicht nur zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, sondern auch für andere Zwecke vorgesehen. Damit ist der Tatbestand des § 8 Nr. 1 GrdstVG erfüllt.

Als Voraussetzung für die Genehmigungspflicht nach § 8 Nr. 1 GrdstVG ist keine Zweckbestimmung zu fordern, nach welcher eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung völlig ausgeschlossen wäre. Eine solche Auslegung lässt der Wortlaut der Bestimmung zwar zu. Nach dem Sinn des Gesetzes genügt es jedoch, dass durch den Bauleitplan neben einer land- und forstwirtschaftlichen Nutzung auch eine Verwendung zu anderen Zwecken vorgesehen ist. Das Grundstück muss, wenn § 8 Nr. 1 GrdstVG Anwendung finden soll, durch den Bauleitplan seine Zweckbestimmung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück verloren haben, (Lange, Grundstücksverkehrsgesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 3). Das ist aber bereits dann der Fall, wenn das Grundstück nicht mehr ausschließlich zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung bestimmt ist. Denn durch § 8 Nr. 1 GrdstVG soll sichergestellt werden, dass das öffentliche Interesse, welchem der bestehende Bauleitplan dient und welches dem durch das Grundstücksverkehrsgesetz verfolgten Lenkungsinteresse übergeordnet ist (vgl. Pikalo/Bendel, Grundstücksverkehrsgesetz, § 8 Anm. D III 1 a), gewahrt wird. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn die Entscheidung der Kommunalkörperschaft, die den Bauleitplan erstellt und für den fraglichen Bereich eine gemischte Nutzung bestimmt hat, durch die Versagung von Genehmigungen nach § 2 GrdstVG in ihrer Wirkung eingeschränkt würde.

Würde auf ein Grundstück, das in einem als Dorfgebiet ausgewiesenen Bereich liegt, § 9 GrdstVG Anwendung finden, so dass es nur in Ausnahmefällen an einen Nichtlandwirt veräußert werden dürfte, so würde seine Nutzung praktisch auf eine solche durch land- und forstwirtschaftliche Gebäude beschränkt, d. h. die im Bauleitplan vorgesehene Zweckbestimmung würde hinsichtlich eines großen Teils der in § 5 BauNVO vorgesehenen Nutzungsarten unterbunden. Dies aber wäre mit dem Bauleitplan nicht vereinbar, da in einem Dorfgebiet i. S. des § 5 BauNVO die drei Hauptnutzungsarten, nämlich Land-(und Forstwirtschaft, Wohnen und Gewerbe, grundsätzlich gleichwertig nebeneinander stehen sollen (zu Letzterem: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 5 BauNVO Rdnr. 8 ff.). Etwas anderes kommt auch in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht zum Ausdruck, wonach in einem Dorfgebiet auf die Belange land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Denn dabei handelt es sich lediglich um einen relativen Vorrang der Interessen solcher Betriebe, ohne dass dadurch der baurechtliche Grundsatz gegenseitiger Rücksichtnahme außer Kraft gesetzt wäre (Ernst/Zinkahn/Bielenberg aaO. Rdnr. 9e). Die grundsätzliche Gleichwertigkeit der genannten drei Hauptnutzungsarten ist daher nicht beseitigt, so dass die Flächen eines Dorfgebietes auch nicht mittelbar dazu bestimmt sind, land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen. Das bedeutet, dass sie für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke vorgesehen sind.

§ 8 Nr. 1 GrdstVG ist demnach auf Grundstücke in einem Dorfgebiet anwendbar. Die Veräußerung war somit im vorliegenden Fall zu genehmigen.

Ohne Bedeutung für die Entscheidung des Gerichts ist der Umstand, dass zwei landwirtschaftliche Betriebe an das veräußerte Grundstück angrenzen und dass die Stadt im Hinblick hierauf die Satzung, die eine Bebauung mit Wohnhäusern vorsah, inzwischen aufgehoben hat. Denn § 8 GrdstVG gibt keinen Ermessensspielraum, sondern schreibt die Erteilung einer Genehmigung ohne jede Einschränkung vor. Es kommt daher auch eine Genehmigung unter Auflagen oder Bedingungen gemäß §§ 10, 11 GrdstVG nicht in Betracht (vgl. dazu Lange, § 8 Anm. 2). Die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe sind durch die bereits erwähnte Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gewahrt.

Der angefochtene Beschluss war abzuändern und die beantragte Genehmigung zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf § 36 Abs. 1 LwVG, § 20 KostenO.

Ende der Entscheidung

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