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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 05.05.2008
Aktenzeichen: 4 SmA 14/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 281
GVG § 158 Abs. 1
1. Wie bei der Frage zur Bindungswirkung des § 281 ZPO muss auch für ein Rechtshilfeersuchen gelten, dass keine Bindungswirkung nach § 158 Abs. 1 GVG herbeigeführt wird, wenn das Rechtshilfeersuchen willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist.

2. Eine willkürliche Übertragung der Beweisaufnahme auf das ersuchende Gericht liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der ersuchende Richter in seinem Gesuch oder auf die Gegenvorstellung des ersuchten Richters nicht zumindest mit den tragenden Voraussetzungen und den Ausschlussgründen für eine Beauftragung eines ersuchten Richters auseinandersetzt, es sei denn die Zulässigkeit de Rechtshilfegesuches liegt auf der Hand.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 4 SmA 14/08

In dem Rechtsstreit

wegen Anspruch auf Schadensersatz nach Verkehrsunfall

hier: Zulässigkeit eines Rechtshilfeersuchens

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz hat durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Bartz, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kerber und den Richter am Oberlandesgericht Goebel ohne mündliche Verhandlung gemäß § 159 GVG am 05.05.2008

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtshilfeersuchen des Richters bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main im Verfahren 31 C 984/06-83 vom 11.03.2008 an das Amtsgericht Alzey, die Zeugen ... und ... entsprechend dem Beweisbeschluss des Amtsgerichtes Frankfurt am Main vom 07.12.2006 zu vernehmen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 20.01.2005.

Das örtlich und sachlich zuständige Amtsgericht Frankfurt hat am 07.12.2006 einen Beweisbeschluss verkündet, wonach über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zum Unfallhergang durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Vernehmung von insgesamt fünf Zeugen Beweis erhoben werden sollte. Das Gericht der Hauptsache hat dabei die Notwendigkeit gesehen in den Beschluss den Hinweis aufzunehmen: "Im Hinblick auf die erheblichen Differenzen bei den Unfallschilderungen sieht sich das Gericht veranlasst, auf die prozessuale Wahrheitspflicht und die zu erwartenden Konsequenzen von Verstößen gegen diese hinzuweisen." Zugleich wurde in dem Beweisbeschluss angeordnet, dass die Zeugin ..., die Ehefrau des Klägers, und die Zeugin ... durch das AG Alzey als Wohnsitzgericht der Zeugen vernommen werden sollen.

Dementsprechend hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Verfügung vom 11.03.2008 den zuständigen Richter beim Amtsgericht Alzey ersucht, die beiden Zeuginnen zu vernehmen.

Das Amtsgericht Alzey hat die Akten zunächst unerledigt zurückgesandt und darauf hingewiesen, dass die Zeuginnen nur unweit vom Hauptsachegericht entfernt wohnten und es deshalb zweckmäßiger erscheine, wenn sie dort vernommen würden.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Akten dann unter dem 31.03.2008 erneut dem Amtsgericht Alzey übersandt und dabei ausgeführt, dass die Zeuginnen keineswegs unweit von dem ersuchenden Gericht wohnten. Darauf hat das Amtsgericht Alzey das Ersuchen am 07.04.2008 abgelehnt und dies damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 375 ZPO nicht vorlägen und das Rechtshilfeersuchen willkürlich sei.

Der zuständige Richter bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Akten mit Beschluss vom 11.04.2008 dem Oberlandesgericht Koblenz, hier eingegangen am 17.04.2008, gemäß § 159 GVG zur Entscheidung vorgelegt. Eine nähere Begründung für das Rechtshilfeersuchen oder eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des AG Alzey ist dem Vorlagebeschluss nicht zu entnehmen. .

II.

Das Rechtshilfeersuchen war zurückzuweisen, da es in der jetzigen Form willkürlich und rechtsmissbräuchlich erscheint.

Einem Rechtshilfeersuchen nach § 375 ZPO ist grundsätzlich Folge zu leisten. Nach § 158 Abs. 1 GVG darf dieses nicht abgelehnt werden. Eine Ausnahme gilt nach § 158 Abs. 2 GVG nur für den Fall, dass das Ersuchen von einem nicht vorgesetzten Gericht ausgeht und eine Handlung betrifft, die dem für das ersuchte Gericht maßgebenden Recht verboten ist.

Ein solches gesetzliches Verbot liegt zwar nicht vor. Allerdings haben sich in der Rechtsprechung Kategorien herausgebildet, die eine Zurückweisung des Rechtshilfegesuches gleichwohl erlauben. So ist anerkannt, dass das Ersuchen trotz § 158 Abs. 1GVG anfechtbar ist, wenn die Beweisaufnahme mangels hinreichend konkretisiertem Beweisthema undurchführbar ist (Zöller-Gummer, ZPO/GVG, 26. Aufl. § 158 GVG, Rn. 1 m.w.N.).

Wie bei der Frage zur Bindungswirkung des § 281 ZPO muss auch für ein Rechtshilfeersuchen gelten, dass keine Bindungswirkung nach § 158 Abs. 1 GVG herbeigeführt wird, wenn das Rechtshilfeersuchen willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist (OLG Köln FamRZ 2004, 818; OLG Stuttgart BWNotZ 2007, 39; OLG Schleswig FamRZ 1995, 1596 = MDR 1995, 607; OLG Jena MDR 2000, 1095 = OLGR 2000, 256; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 1030; Senat v. 15.03.2007 - 4 SmA 16/07 = OLGR 2007, 592 = BauR 2007, 934; MünchKomm-ZPO/GVG, Zimmermann, § 158 GVG Rn. 9; B/L/A/H, ZPO. 66. Aufl. 2008, § 158 GVG Rn. 7). Eine willkürliche Entscheidung ist im Sinne des § 158 Abs. 2 GVG verboten. Eine willkürliche Übertragung der Beweisaufnahme auf das ersuchende Gericht liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der ersuchende Richter in seinem Gesuch oder auf die Gegenvorstellung des ersuchten Richters nicht zumindest mit den tragenden Voraussetzungen und den Ausschlussgründen für eine Beauftragung eines ersuchten Richters auseinandersetzt, es sei denn die Zulässigkeit des Rechtshilfegesuches liegt auf der Hand (OLG Koblenz v. 15.03.2007 - 4 SmA 16/07 = OLGR 2007, 592 = BauR 2007, 934). Dies muss erst Recht gelten, wenn der ersuchte Richter hier Bedenken schriftlich fixiert hat.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit nach § 355 ZPO gebietet es, dass die Vernehmung von Zeugen nur in Ausnahmefällen einem kommissarischen Richter überlassen wird. Eine solche Ausnahme kommt nur immer dann in Betracht, wenn auf jeden Fall ein unmittelbarer Eindruck vom Verlauf der Beweisaufnahme entbehrlich ist und es ausgeschlossen ist, dass es auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt.

Der ersuchende Richter des Amtsgerichtes Frankfurt am Main hat sich hier nach dem Beweisbeschluss und seinen Ausführungen im Zuständigkeitsstreit allein auf die Entfernung zwischen dem Wohnort der Zeugen und den beiden Gerichtsorten als Kriterium für eine Entscheidung nach § 375 ZPO berufen. Die Beurteilung dieser Frage ist sowohl dem ersuchten Gericht als auch dem angerufenen Gericht entzogen (BAG NJW 2001, 2196 = NZA 2001, 743). Selbst wenn es zweckmäßiger erscheinen würde ein anderes Gericht zu beauftragen oder aber die Entfernung nicht derart groß erscheint, dass eine Vernehmung vor dem Hauptsachegericht nicht möglich wäre, kann allein hierauf eine Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht gestützt werden (BAG a.a.O.; OLG Naumburg v. 01.08.2007 - 8 AR 8/07 = OLGR 2008, 38).

Hierbei handelt es sich aber nur um die zweite Voraussetzung nach § 375 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wobei noch fraglich ist, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, nachdem bisher weder die Zeugen noch die Parteivertreter die Unzumutbarkeit der Anreise nach Frankfurt geltend gemacht haben. Den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung hat der ersuchende Richter dagegen weder im Beweisbeschluss, noch in seinen Ersuchen gegenüber dem AG Alzey, noch in seiner Vorlage an den Senat auch nur erwähnt.

Vorliegend handelt es sich bei den Zeuginnen um ohne Zweifel streitentscheidende Zeugen des Klägers. Es liegt auf der Hand, dass es bei einem solchen streitentscheidenden Zeugen auch auf die Glaubwürdigkeit ankommt. Dies gilt vorliegend umso mehr als eine der beiden Zeuginnen auch noch die Ehefrau des Klägers ist. Damit ist ein Rechtshilfeersuchen nach § 375 Abs. 1 S. 1 ZPO aber ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen für eine kommissarische Vernehmung nach § 375 ZPO offensichtlich nicht gegeben. Die mangelnde Auseinandersetzung mit den Aspekten der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der Frage nach der Glaubwürdigkeit des Zeugen belegen ein willkürliches und rechtsmissbräuchliches Rechtshilfeersuchen. Ausgehend konnte das Rechtshilfeersuchen zu Recht zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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