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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 4 SmA 25/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
1. Soweit das Gericht die Parteien zunächst auf seine vermeintlich e Unzuständigkeit mit einer Begründung hinweist, wird der Verweisungsbeschluss nicht dadurch willkürlich, dass er keine selbständige Begründung mehr enthält.

2. Die Annahme, dass der Erfüllungsort für die Hotelkosten aus einem Beherbergungsvertrag am Wohnsitz des Gastes liegt, wenn der Gast tatsächlich nicht anreist, ist nicht willkürlich und kann deshalb die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO nicht beseitigen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 4 SmA 25/08

In dem Rechtsstreit

wegen: Forderung

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Wünsch als Vorsitzender, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kerber und den Richter am Oberlandesgericht Goebel am 07. Juli 2008 beschlossen: Tenor:

Zuständiges Gericht ist das AG München Gründe: I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte bei dem Amtsgericht Mayen - Zentrales Mahngericht - einen Mahnbescheid wegen einer Forderung auf Zahlung von Hotelkosten beantragt. Als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden sollte, wurde das Amtsgericht Simmern benannt. Am 13.03.2008 hat die Beklagte Widerspruch gegen den ihr am 10.03.2008 zugestellten Mahnbescheid erhoben. Am 10.04. hat der Kläger die restlichen Gerichtskosten gezahlt, erneut die Abgabe an das Amtsgericht Simmern beantragt und dabei darauf hingewiesen, das das AG Simmern im Gerichtsstand des Erfüllungsortes zuständig ist. Darauf wurde das Verfahren am 11.04.2008 an das Amtsgericht Simmern abgegeben. Nach der Behauptung des Klägers hatte die Beklagte Hotelzimmer für mehrere Tage bestellt. Die angegebenen Gäste seien dann aber tatsächlich nicht erschienen. Das Amtsgericht Simmern hat den Kläger mit Verfügung vom 28.04.2008 darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung "bei Nichtantritt der gebuchten Zimmer nicht der Beherbergungsort Erfüllungsort ist, sondern der allgemeine Gerichtsstand maßgebend ist". Zugleich hat es angefragt, ob ein Verweisungsantrag gestellt wird. Der Beklagten wurde aufgegeben zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichtes Simmern Stellung zu nehmen. Darauf hat der Kläger am 23.05.2008 einen Verweisungsantrag gestellt. Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Simmern mit Schriftsatz vom 02. Juni 2008 gerügt und ist dem Antrag auf Verweisung an das Amtsgericht München nicht entgegengetreten.

Das Amtsgericht Simmern hat sich mit Beschluss vom 03.06.2008 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das nach § 17 ZPO örtlich zuständige Amtsgericht München im allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten verwiesen. Das Amtsgericht München hat die Parteien am 16.06.2008 darauf hingewiesen, dass es sich für örtlich unzuständig erachtet und beabsichtigt, die Akten dem OLG Koblenz zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes vorzulegen. Da Erfüllungsansprüche aus einem Beherbergungsvertrag geltend gemacht würden, sei Erfüllungsort der Ort des Hotels, der im Bezirk des Amtsgerichtes Simmern liege. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichtes Simmern sei nicht bindend, da er keine Begründung enthalte. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche gegeben. Der Kläger ist der angekündigten Verfahrensweise nicht entgegengetreten, die Beklagte hat sich nicht geäußert. Mit Beschluss vom 01.07.2008 hat sich das AG München für örtlich unzuständig erklärt und die Akten dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes vorgelegt.

II.

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO für die Bestimmung der Zuständigkeit durch das Oberlandesgericht Koblenz liegen vor. Zuständig für die Klage ist das AG München. Bei der Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist die verfahrensrechtliche Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zu beachten. Daher ist regelmäßig das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluss gelangt ist. Der erste Verweisungsbeschluss war der des Amtsgerichtes Simmern. Dieser ist für das AG München nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Eine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO besteht ausnahmsweise dann nicht, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint. Nicht ausreichend ist dagegen, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist (BGH NJW-RR 2002, 1498; BGH NJW 1993, 1273; NJW 2003, 3201; Zöller/ Greger, ZPO, 26. Aufl., § 281 Rn. 17). Eine solche Ausnahme von der Bindungswirkung lässt sich vorliegend nicht begründen. Soweit das Amtsgericht München die Willkür des Verweisungsbeschlusses daraus herleiten will, dass dieser verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, weil der Beschluss nicht begründet worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Ausweislich der Zustellungsverfügung vom 28.04.2008 wurden die Parteien von dem zuständigen Richter bei dem Amtsgericht Simmern darauf hingewiesen, dass das Gericht den Beherbergungsort nicht als Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO ansieht, wenn die bestellten Zimmer tatsächlich nicht bezogen werden. So wie das Amtsgericht München in seinem Beschluss vom 01.07.2008 zur Begründung "auf den Hinweis vom 16.06.2008" Bezug nimmt, ergibt sich zwanglos, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Simmern vom 03.06.2008 auf diesem Hinweis beruht und sich hieraus begründet. Selbst wenn es verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, nicht einen ausdrücklichen Bezug im Beschluss zu dem Hinweis herzustellen, so kann die Verweisungsentscheidung jedenfalls nicht als willkürlich erscheinen. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ist auch nicht deshalb entfallen, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, er als offensichtlich gesetzeswidrig oder offensichtlich unrichtig angesehen werden müsste. Die Ausführungen des Amtsgerichtes Simmern können sich auf die Kommentierung bei Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 29 Rn. 25 - Beherbergungsvertrag oder auch bei B/L/A/H-Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 29 Rn. 28 stützen. Dort ist jeweils dargestellt, dass die Antwort auf die Frage, ob der allgemeine Gerichtsstand oder der Beherbergungsort als Erfüllungsort zu wählen ist, wenn der Gast den Ferienort nicht aufsucht und die bestellte Leistung nicht in Anspruch nimmt, umstritten ist, jedoch der ersten Ansicht zu folgen sei. Dieser Auffassung folgt auch ein Teil der Rechtsprechung (AG Wittmund NdsRpfl 1985, 141; AG Freyung MDR 1979, 850; LG Bonn MDR 1985, 588). Es soll nicht verkannt werden, dass es hierzu auch andere Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur gibt (AG St. Blasien MDR 1982, 1017; LG Kempten BB 1987, 929; AG Neuss NJW-RR 1986, 1210; Musielak-Heinrich, ZPO, 6. Aufl., § 29 Rn 21; MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl., § 29 Rn. 36). Es kann dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Jedenfalls ist es nicht willkürlich, wenn das Amtsgericht Simmern sich der ersten Auffassung anschließt, die ernsthaft in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird und die weder offensichtlich gesetzwidrig noch offensichtlich unrichtig ist. Ausgehend davon, dass es zumindest vertretbar ist, den Erfüllungsort am Beherbergungsort zu verneinen, wenn der Gast tatsächlich nicht angereist ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Entscheidung des BGH vom 10.09.2002 (BGH BGH-Report 2003, 42) vor, wonach der Kläger durch die Angabe des Streitgerichtes im Mahnbescheidsantrag sein Wahlrecht zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Gerichtsständen bindend ausübt. Auch aus einem Verstoß gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich keine willkürliche Entscheidung begründen. § 35 ZPO kann das Gericht an das der Rechtsstreit vom Mahngericht abgegeben wurde nämlich nur dann binden, wenn auch bei ihm selbst tatsächlich ein Wahlgerichtsstand gegeben ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. § 35 Rn. 3). Genau dies hat das Amtsgericht Simmern in einer vertretbaren Art und Weise aber verneint. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichtes Simmern ist für das Amtsgericht München nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO somit bindend. Dementsprechend war auf den negativen Kompetenzkonflikt nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO die Zuständigkeit des Amtsgerichtes München festzustellen.

Ende der Entscheidung

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