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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 02.05.2001
Aktenzeichen: 4 U 1417/00
Rechtsgebiete: BGB, UWG


Vorschriften:

BGB § 229
UWG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 4 U 1417/00 7 HK.O 113/00 LG Trier

Verkündet am 2. Mai 2001

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bamberger, den Richter am Oberlandesgericht Bock und die Richterin am Oberlandesgericht Becht auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer -- Kammer für Handelssachen -- des Landgerichts Trier vom 31. August 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Warenhausfiliale in der S...... straße in T..... Die Beklagte besitzt ein Textileinzelhandelsgeschäft in der B...Straße in T..... Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.2.2000 forderte die Beklagte die Klägerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf betreffend die Veräußerung von Jeans -- Ware der Qualität 1 B ohne Hinweis auf die Minderqualität (GA Bl. 5). Diesem Abmahnungsschreiben waren Ablichtungen von Fotografien beigefügt, die Warenständer innerhalb der oben genannten Filiale der Klägerin zeigten (GA Bl. 9). Unstreitig lag keine Genehmigung der Klägerin zur Fertigung dieser Fotografien vor.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Beklagte habe die Fotografien gefertigt oder anfertigen lassen. Selbst wenn die Beklagte nicht selbst fotografiert habe, sei sie als Mitstörerin passivlegitimiert wegen Ausnutzung der Handlung eines Dritten. Im Übrigen sei die Erstbegehungsgefahr zu bejahen, denn die Beklagte berühme sich des Rechts, solche Fotos fertigen zu dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 DM zu unterlassen, in den Geschäftsräumen der K...... Warenhaus AG zu fotografieren und/oder dort fotografieren zu lassen (GA Bl. 46).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Die Klage sei bereits unschlüssig, da die Klägerin nicht dargetan habe, wer und wann fotografiert habe sowie in welcher Form die Angestellten oder sonstige Dritte durch die Anfertigung der Fotografien beeinträchtigt worden sein sollen. Ein Wettbewerbsverstoß liege nicht vor. Sie habe weder selbst fotografiert noch den Auftrag zur Fertigung solcher Fotos erteilt, sondern die Fotos von der I.... S...... GmbH erhalten (Beweis: Zeugnis W..... K........).

Im Übrigen liege ein ständiger, hartnäckiger und grober Verstoß der Klägerin gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vor. In einem solchen Fall wäre sie, die Beklagte, zur Fertigung von Beweissicherungsfotos aus § 229 BGB analog berechtigt.

Mit Urteil vom 31.8.2000 hat das Landgericht dem Klageantrag stattgegeben. Es hat einen Anspruch der Klägerin auf Unterlassung aus § 1 UWG bejaht. Es hat ausgeführt, nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht habe, sei sie -- die Beklagte -- als Störerin anzusehen, da sie die wettbewerbswidrigen Handlungen der I.... S...... GmbH unterstützt habe.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und trägt im Übrigen vor:

Der Fehler des Landgerichts liege darin, dass es nicht zwischen der Unterstützung einer wettbewerbswidrigen Handlung und der bloßen Verwendung eines bereits gefertigten Beweismittels unterschieden habe. Im Übrigen sei die Beweissicherung mittels Fotos in einem Fall wie dem vorliegenden zulässig, denn die Verhaltensweise der Klägerin erfülle die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs. In einem solchen Fall sei das Interesse der Verbraucher und Mitbewerber als höherwertig gegenüber dem Interesse des rechtswidrig handelnden Kaufmanns einzustufen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen (GA Bl. 69).

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (GA Bl. 81).

Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt im Übrigen vor:

Die Beklagte sei nicht zufällig in den Besitz der Fotos gelangt, vielmehr hätten diese, die I.... S..... GmbH sowie die Firma J,,,, A...... in B....., über längere Zeit planmäßig zusammengewirkt, Beweismittel zu beschaffen, um sie -- die Klägerin -- wegen angeblicher Wettbewerbsverstöße abmahnen zu können.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die bis zum 23.3.2001 eingegangenen Schriftsätze und Unterlagen (GA bis Bl. 96), den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 27. März 2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1 UWG auf Unterlassung des im Antrag bezeichneten Verhaltens.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das ungenehmigte, der Dokumentation eines angeblichen oder wirklichen Wettbewerbsverstoßes dienende Fotografieren durch Testpersonen innerhalb der Geschäftsräume eines Kaufmanns nicht mit § 1 UWG zu vereinbaren (BGH: GRUR 91, 843 f "Testfotos I"; WRP 96, 1099 "Testfotos II"), Ein Kaufmann als Inhaber des Hausrechts verbindet mit der Öffnung seines Verkaufsgeschäfts für das Publikum nicht die Erlaubnis, innerhalb des Ladenlokals zu fotografieren. Das dem Publikum eingeräumte Recht, das Geschäft zu betreten, beschränkt sich -- ohne dass es dazu eines ausdrücklichen Hinweises bedarf -- auf ein Verhalten, wie es von einem Kaufinteressenten üblicherweise erwartet werden kann. Deshalb muss auch der Anbieter von Waren oder Leistungen Testkäufe hinnehmen, sofern die den Test durchführenden Personen sich wie normale Nachfrager verhalten. Das Fotografieren gehört nicht zu einem solchen normalen Kundenverhalten. Soll es dazu dienen, einen angeblichen oder wirklichen Wettbewerbsverstoß festzuhalten, ist es mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren. Dies gilt deshalb, weil ein derartiges Verhalten einer Testperson die Gefahr einer Störung des Betriebs sowohl mit Blick auf das Verkaufspersonal wie auch auf die Kundschaft in sich birgt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es unerheblich, ob derartige Störungen im konkreten Einzelfall tatsächlich eingetreten sind, d. h. ob zum Beispiel Kunden auf das Verhalten der fotografierenden Testperson aufmerksam geworden sind. Entscheidend ist allein, dass solche nachteiligen Folgen generell mit dem Fotografieren in Geschäftsräumen verbunden sein können. Fraglich ist, ob das Fotografieren dann zulässig ist, wenn eine Betriebsstörung generell ausgeschlossen ist, z. B. bei der Verwendung von Knopfloch-Kameras (Köhler in Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 164; Ulrich, EWiR § 1 UWG 9/2000 Seite 879/880; Krings GRUR 91, 844). Diese Frage kann hier dahinstehen, denn -- entgegen der Auffassung der Beklagten -- trägt sie selbst die Darlegungs- und Beweislast betreffend die näheren Umstände des Fotografierens.

Zwar ist grundsätzlich ein Kläger darlegungs- und beweispflichtig für einen behaupteten Wettbewerbsverstoß. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind jedoch Grundsätze entwickelt worden, die unter bestimmten Voraussetzungen dem Beweispflichtigen Erleichterungen bei der Beweislast verschaffen. Dies gilt z. B. dann, wenn es sich um innerbetriebliche Vorgänge bei dem Gegner handelt.

Hier ist die Art und Weise des Fertigens der Beweissicherungsfotografien eine Frage aus dem internen Bereich der Beklagten, über die sich diese ohne größeren Aufwand erklären kann, während die -- außerhalb des Geschehensablaufs stehende -- Klägerin dazu aus eigenem Wissen keine Behauptungen aufstellen kann (BGH: GRUR 85, 140/142; GRUR 93, 980/983). Die Beklagte weist zwar auf die Möglichkeit der Verwendung einer "versteckten Kamera" hin, ohne indes diese Angaben zu substantiieren oder unter Beweis zu stellen.

2.

Zwischen den Parteien streitig ist die Frage der Passivlegitimation der Beklagten.

Der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG richtet sich gegen den Störer. "Störer" ist jeder, der die Störung herbeigeführt oder veranlasst hat.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist "Mitstörer" auch der, der -- unabhängig von Art und Umfang seines eigenen Tatbeitrags -- in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich Handelnden genügt, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 88, 829, 830; Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht 21. Auflage UWG Einleitung 325--327; Köhler-Piper UWG § 13 Rn. 36; Einleitung Rn. 171; Melullis "Handbuch des Wettbewerbsprozesses" 2. Auflage Rn. 485; Teplitzky "Wettbewerbsrechtliche Ansprüche" 7. Auflage 14. Kapitel Rn. 4). Höchstrichterlich wird also ein weiter Störerbegriff vertreten, um einen wirkungsvollen Schutz vor rechtswidrigen Verletzungshandlungen zu gewährleisten. Es reicht also grundsätzlich aus, wenn jemand das wettbewerbswidrige Verhalten eines Dritten ausnutzt. Übereinstimmend wird jedoch eine Einschränkung der Störerhaftung für geboten erachtet bei Fehlen eines eigenen Verantwortungsbereichs. Der Störer muss rechtlich in der Lage sein, den Wettbewerbsverstoß des Dritten zu verhindern. Nach dem Vorbringen, der Beklagten war die (unterstellt) wettbewerbswidrige Handlung der I.... S...... GmbH, d. h. das unerlaubte Fotografieren in den Geschäftsräumen der Klägerin zum Zwecke des Nachweises eines Wettbewerbsverstoßes, bereits abgeschlossen und eine Verhinderung dieser Handlung durch sie -- die Beklagte -- nicht mehr möglich.

Insofern ist ihr Bestreiten erheblich.

Einer Beweisaufnahme bedarf es jedoch nicht, da die Klage -- den Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt -- unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr begründet ist.

Es ist anerkannt, dass eine (vorbeugende) Unterlassungsklage auch dann gegeben sein kann, wenn eine wettbewerbswidrige Handlung noch gar nicht erfolgt ist, jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rechtsverletzende Handlungen drohend bevorstehen (Gloy "Handbuch des Wettbewerbsrechts" 2. Auflage § 64 Rn. 3; § 21 Rn. 6; § 81 Rn. 59; Baumbach/Hefermehl a.a.O. Einleitung UWG Rn. 256). Für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkreter, greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass ein Verstoß ernstlich droht (BGH: GRUR 92, 404 (405); GRUR 92, 618 (619).

Eine Erstbegehungsgefahr besteht hier deshalb, weil im Prozessverhalten der Beklagten eine Berühmung des Rechts zu erneuten Begehungen gesehen werden muss. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass eine Erstbegehungsgefahr begründet, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine solche Berühmung im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem Prozess erfolgt, da die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Verteidigung einer bestimmten Handlungsweise auch den Weg zu ihrer (beabsichtigten) künftigen Fortsetzung eröffnen soll. Besteht eine solche Absicht nicht und soll die Verteidigung des vergangenen Verhaltens als rechtmäßig ausschließlich zum Zweck des Obsiegens im laufenden Prozess dienen, so ist es nach der auch insoweit gefestigten Rechtsprechung des BGH Sache des Verletzers, diese ausschließliche Zielsetzung zweifelsfrei deutlich zu machen.

Nachdem die Klägerin bereits in erster Instanz auf die Erklärungen der Beklagten hingewiesen hatte, aus der nach der Rechtsprechung des BGH auf eine Erstbegehungsgefahr zu schließen war, hätte es jedenfalls im Berufungsverfahren einer klaren und unzweideutigen Erklärung der Beklagten dahin bedurft, dass auch sie sich als nicht berechtigt zum Fertigen von Fotos zwecks Dokumentation des von ihr behaupteten Wettbewerbsverstoßes der Klägerin sehe. Stattdessen hat sie auch in zweiter Instanz mit Nachdruck deutlich gemacht, dass sie die Beweissicherung mittels Fotos in Fällen wie dem, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, für zulässig erachte (GA Bl. 76).

Die Klage ist nach alledem begründet.

Die Berufung der Beklagten ist folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97. Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert beträgt (wie in erster Instanz festgesetzt; GA Bl. 47) 30.000 DM.

Ende der Entscheidung

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