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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 4 U 1643/01
Rechtsgebiete: UWG, AMG, BGB, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 21 I
UWG § 21 II
AMG § 4 I
AMG § 21 I
BGB § 830 I
BGB § 840 I
ZPO § 92 I
ZPO § 97 I
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 II Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 U 1643/01

Verkündet am 21. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

wegen wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Bock, die Richterin am Oberlandesgericht Becht und den Richter am Oberlandesgericht Rüll auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 6. September 2001 teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1. und 2. werden verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang sie nach dem 6. April 1997 13C-Harnstoff-Atemtests zum Nachweis der Besiedlung des Magens mit Helicobacter pylori in den Verkehr bebracht haben und über die in diesem Zeitraum in den Verkehr gebrachten Stückzahlen.

Die weitergehende Klage - hinsichtlich des Klageantrages zu 1. - wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagten 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe 20.000,- € abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin stellt einen 13C-Harnstoff -Atemtest zum Nachweis einer Helicobacter pylori-Infektion her und vertreibt diesen bundesweit. Für diesen Atemtest wurde ihr die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung erteilt. Der 13C-Harnstoff-Atemtest dient als Diagnosemittel zum Nachweis der Besiedelung des Magens von Patienten mit Helicobacter pylori Bakterien, die mit der Entwicklung einer Gastritis oder eines Magengeschwürs in Verbindung gebracht werden. Das von der Klägerin vertriebene Testset (vgl. die Hülle als Anlage zum Protokoll vom 28.09.2000) besteht aus vier Probenröhrchen zur Aufnahme der Atemluft und aus 75 mg 13C-Harnstoffpulver in einem hierfür vorgesehenen kleinen Kunststoffbehälter. Nach der Anwendung werden die Probenröhrchen eingeschickt und das Verhältnis der Kohlenstoffisotope 12C/13C mittels eines Spektrometers bestimmt.

Auch die beiden Beklagten befassen sich mit 13C-Harnstoffatemtestpräparaten.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die beiden Beklagten würden ohne arzneimittelrechtliche Genehmigung gleichfalls 13C Harnstoff-Atemtestpräparate im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Verkehr bringen. So habe sie, die Klägerin, ab 1998/1999 festgestellt, dass die beiden Beklagten arbeitsteilig gleichfalls 13C Harnstoff-Atemtests an Ärzte verkaufen, wobei die entsprechenden Präparate ausschließlich zu Diagnosezwecken an Patienten verwendet wurden und verwendet werden sollten. Diese Vorgehensweise der beiden Beklagten sei ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz und aus diesem Grund unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch wettbewerbswidrig. Die Beklagten seien daher verpflichtet, ihr, der Klägerin, Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn zu leisten. Zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches (Zahlungsantrag) seien die Beklagten verpflichtet, ihr, der Klägerin, umfassend und detailliert Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der vertriebenen 13C Harnstoffatemtestsets an Ärzte.

Die Klägerin hat beantragt (entsprechend der Wiedergabe im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils),

1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang die Beklagten 13C-Harnstoff-Atemtests zum Nachweis der Besiedlung des Magens mit Helicobacter pylori in den Verkehr gebracht haben und über die in den Verkehr gebrachten Stückzahlen;

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben an Eides Statt zu versichern;

3. an sie Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit abzüglich der bereits ausgekehrten 10.000,- DM zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben für den Zeitraum vor dem 06.04.1998 die Verjährungseinrede erhoben und im Übrigen vorgetragen:

Sie haben kein Fertigarzneimittel in Verkehr gebracht. Vielmehr habe die Beklagte zu 2. ausschließlich an Ärzte 13C-Harnstoff als Laborbedarf angeboten und ausgeliefert. Unabhängig davon habe das Schwesterunternehmen, die Beklagte zu 1., Testmaterial, darunter auch Teströhrchen, die für einen Atemtest eingesetzt werden können, ausgeliefert. Ein fertiges und für Endverbraucher bestimmtes und geeignetes Produkt sei von den Beklagten nie angeboten worden. Weiter sei der Klägerin kein Schaden entstanden, da sie ihr Produkt so überteuert anbiete, dass Ärzte dann, wenn sie nicht die Einzelbestandteile für den Test bei den Beklagten oder einer Apotheke gekauft hätten, nicht das komplette Testset von der Klägerin bezogen hätten.

Nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen N.... A....... - Bl. 165 GA -, F.... D... - Bl. 166 GA -, H.... M... - Bl. 167 GA -, Dr. M...... K......... - Bl. 168 GA - und S....... S...... - Bl. 169 GA - sowie Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen Dr. V... - Bl. 136 ff GA - und E....... K..... - Bl. 144 GA -) hat das Landgericht den Klageantrag zu 1. durch Teilurteil zuerkannt.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch gem. § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (Verstoß gegen § 21 I AMG) dem Grunde nach bejaht. Dabei ist das Landgericht nach der Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die beiden Beklagten zusammenwirkend 13C Harnstoff-Atemtestsets in den Verkehr gebracht haben. Die erteilte Auskunft sei unzureichend und für die Auskunftserteilung sei eine Verjährung des Schadensersatzanspruchs für den Zeitraum vor dem 06.04.1998 noch nicht ausreichend gesichert.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie geltend machen:

1. Vor dem 06.04.1998 liegende Vorgänge seien verjährt und daher schon in das Auskunftsbegehren nicht einzubeziehen.

2. Keiner der Beklagten habe 13C Harnstoff-Atemtestsets abgegeben. Die von der Beklagten zu 2. in Portionen von 75 mg an Ärzte abgegebene, frei erhältliche Chemikalie 13C Harnstoff stelle kein Fertigarzneimittel dar. Die Chemikalie sei lediglich ein Grundstoff und nicht als Arzneimittel anzusehen.

Die Beklagte zu 1. liefere dagegen nur - getrennt verpackt - Hilfsmittel, die gleichfalls kein Fertigarzneimittel darstellten.

3. Die Klägerin vertreibe ihre Atemtest-Kits gleichfalls in wettbewerbswidriger Weise, indem sie - für einen Pharma-Hersteller nicht zulässig - zugleich Laborleistungen anbiete (Koppelungsangebot - Einwand der "unclean hands"). Wegen der ihr hieraus entstandenen Schadensersatzansprüche verlange sie ihrerseits von der Klägerin Auskunft, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Zahl sie Laboranalysen im Zusammenhang mit 13C Harnstoff-Atemtests angeboten oder durchgeführt sowie Diagnosen aufgrund von Analysen von 13C-Harnstoff-Atemtest angeboten oder durchgeführt oder solche Diagnosen mitgeteilt habe. Wegen dieses Auskunftsrechts mache sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend.

4. Ein Schadenseintritt sei nicht wahrscheinlich. Der Apothekenpreis des Arzneimittels der Klägerin betrage 91,09 DM, während der Arzt von der Krankenkasse lediglich 50,- DM erstattet erhalte. Es sei daher nicht damit zu rechnen, dass die Klägerin mehr Atemtest-Kits hätte absetzen können, wenn die Beklagten keinen 13C Harnstoff angeboten hätten.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Teilurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:

1. Die einzelnen wettbewerbswidrigen Handlungen der Beklagten, die die Abmahnung und die nachfolgende Unterlassungserklärung der Beklagten zu 2. vom 6. April 1998 veranlasst haben, seien ihr nicht bekannt, so dass keine Verjährung eingetreten sei.

2. Bereits der portioniert abgepackte 13C-Harnstoff stelle ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel dar. Durch Beisteuerung der dazugehörigen Labormaterialien - entsprechend der vereinbarten Arbeitsteilung - beteilige sich die Beklagte zu 1. am Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 2.

3. Die Klägerin habe keine unzulässigen Laborleistungen durchgeführt. Abgesehen davon fehle es an einem - für den Verwirkungseinwand erforderlichen - korrespondierenden Schaden der Beklagten.

4. Durch den wettbewerbswidrigen Vertrieb des 13C-Harnstoffs durch die Beklagten sei ihr, der Klägerin, in jedem Einzelfall ein Schaden entstanden, da sie die einzige legale Bezugsquelle für die Atemtestsets sei.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie hat in der Sache aber nur geringen Erfolg.

I.

Das angefochtene Teilurteil ist zulässig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich der Auskunftsanspruch. Zwar wären die beiden Zahlungsanträge hinsichtlich der Abmahnkosten gleichfalls entscheidungsreif gewesen. Über diese hat das Landgericht jedoch nicht befunden.

II.

1. Die Verjährungseinrede hat hinsichtlich des Vertreibens der Atemtest-Sets vor dem 06.04.1997 Erfolg. Ersatzansprüche, die auf Handlungen der Beklagten vor diesem Zeitpunkt beruhen, sind gem. § 21 I UWG verjährt. Nach dieser Bestimmung verjähren Schadensersatzansprüche in sechs Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in drei Jahren von der Begehung der Handlung an. Dabei beginnt nach § 21 II UWG für Ansprüche auf Schadensersatz der Lauf der Verjährung nicht vor dem Zeitpunkt, in welchem ein Schaden entstanden ist.

Alleine aus der Abmahnung und der nachfolgenden Unterlassungserklärung vom 6. April 1998 kann nicht gefolgert werden, dass der Klägerin sämtliche wettbewerbswidrigen Vertriebsmaßnahmen der Beklagten nebst dem korrespondierenden Schaden bis zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Zwar lässt die Abmahnung vom 28.12.1999 (Anlage K 16) erkennen, dass der Klägerin bekannt war, dass die Beklagte zu 1. einen auf der Basis von 13C Harnstoff hergestellten Atemtest vertreibt. Damit kannte die Klägerin aber noch nicht alle zum Schadensersatz verpflichtenden Einzelhandlungen. Denn die durch die Vielzahl von Verstößen fortlaufend neu entstehenden einzelnen Schäden begründen jeweils neue und selbständige - eigene Verjährungsfristen in Lauf setzende - Ansprüche (vgl. BGH WRP 1984, 678 - Intermarkt II -; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 32, Rn. 5). Zu Recht ging daher das Landgericht davon aus, dass erst nach Auskunftserteilung darüber befunden werden kann, wann welche Ansprüche der Klägerin bekannt wurden mit der Konsequenz der Anwendung der kurzen Verjährungsfrist.

Da nach dem Vortrag der Klägerin ihr ein Schaden jeweils dadurch entstand, dass Ärzte statt des legalen Bezugs der Atemtest-Sets bei ihr diese bei den Beklagten bezogen, fällt die Schadensentstehung mit dem Wettbewerbsverstoß der Beklagten zeitlich zusammen. Dies hat für die Anwendung der 3-jährigen Verjährungsfrist zur Konsequenz, dass die Klageerhebung (§ 270 III ZPO) vom 7. April 2000 den Lauf der Verjährungsfrist nur für die bis dahin nicht verjährten Schadensersatzansprüche unterbrechen konnte. Noch nicht verjährt waren die innerhalb des 3-Jahres-Zeitraums vor Klageerhebung liegenden Wettbewerbsverstöße.

2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ging das Landgericht von einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gem. § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (Verstoß gegen die Zulassungspflicht nach § 21 I AMG) aus.

a. Bei dem von der Beklagten zu 2. vertriebenen 13C Harnstoff handelt es sich um ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 21 I AMG. Nach der Legaldefinition in § 4 I AMG sind Fertigarzneimittel Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung in den Verkehr gebracht werden.

Diese Voraussetzungen sind bei dem durch die Beklagte zu 2. vertriebenen 13C Harnstoff erfüllt.

Es handelt sich bei dem Stoff um ein Arzneimittel, da er in der von der Beklagten zu 2. vertriebenen Form objektiv dazu bestimmt ist, durch Anwendung im menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers - hier: Vorkommen des Helicobacter pylori Bakteriums in der Magenschleimhaut - erkennen zu lassen (§ 2 I Nr. 2 AMG). Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Produktionsschritte erforderlich sind, um den 13C Harnstoff zu gewinnen. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der von der Beklagten zu 2. vertriebene Harnstoff ohne weitere Be- oder Verarbeitung zu der vorgenannten Diagnose eingesetzt werden kann. Eine weitere sinnvolle Anwendung des portionierten Harnstoffs in den Händen eines Arztes ist nicht ersichtlich, wird auch von den Beklagten nicht konkret dargelegt. Damit wird der Harnstoff nicht erst in den Händen des Arztes aufgrund seiner Verwendungsentscheidung zum Arzneimittel, sondern bereits durch die Verarbeitung - hier: Verpackung und Portionierung für den Verbraucher - durch die Beklagte zu 2. Angesichts der Verpackung für die unmittelbare Anwendung ist bereits die Produktionsstufe der Bulkware (vgl. hierzu Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 4 AMG) überschritten und es handelt sich um ein Fertigarzneimittel. Zu keiner abweichenden Beurteilung führt der Umstand, dass für den Einsatz des Harnstoffs als Atemtest noch diverse Laborartikel und Orangensaft erforderlich sind. Entscheidend für die Qualifizierung als Fertigarzneimittel ist alleine, dass die Wirksubstanz so abgegeben wird, dass sie unmittelbar beim Endverbraucher eingesetzt werden kann. Dies ist unstreitig der Fall.

Eine hiervon abweichende Beurteilung würde zudem dem Regelungszweck des Arzneimittelgesetzes, eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit durch präventive Kontrolle des Arzneimittelverkehrs zu erreichen (vgl. Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 2 AMG), zuwiderlaufen und der Gesetzesumgehung Tür und Tor öffnen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei der Einordnung als Fertigarzneimittel BVerwG bei Buchholz 418.32 AMG Nr. 33).

b. Die von der Beklagten zu 1. angebotenen und vertriebenen Laborartikel stellen dagegen kein Fertigarzneimittel dar. Die Beklagte zu 1. haftet jedoch entsprechend §§ 830 I, 840 I BGB unter dem Gesichtspunkt der Mitwirkung an dem Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 2. (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rn. 394). Entscheidende Kriterien für die Haftung sind, dass es sich bei den Beklagten um verbundene und auch personell miteinander verflochtene Unternehmen handelt, die den portionierten Harnstoff nebst dem für den Atemtest erforderlichen Laborzubehör gemeinsam anbieten. Dies wird insbesondere auch durch die Aussage der Zeugin M... (Bl. 167 GA) deutlich. Die Zeugin erklärte, für beide Beklagte die - beim Arzt für die Nutzung als Atemtest-Set erforderlichen - Artikel verpackt zu haben. Dem Umstand, dass Harnstoffröhrchen und Laborzubehör getrennt verpackt wurden, kommt angesichts der bei der bestellenden Arztpraxis ohnehin geplanten Zusammenführung keine entscheidende Bedeutung zu. Vielmehr belegt auch der gemeinsame Internetauftritt (http://www.b...........de/B..../SYSTEM. ...), dass die beiden Unternehmen als Verbund zu sehen sind. So stellt sich die Beklagte zu 2. auf der Homepage der Beklagten zu 1. mit der Formulierung vor:

b...... ist ein Unternehmen im b.......... - Verbund und versorgt Arztpraxen und Krankenhäuser mit einem umfangreichen Programm von Praxis- und Laborartikeln.

Wenn sich diese verbundenen Unternehmen entschließen, die Harnstoff-Atemtests nicht mehr - wie wohl noch zur Zeit der Abmahnung und Unterlassungserklärung - als Set, sondern getrennt in Wirkstoff und Laborzubehör zu vertreiben, führt dies zu keiner wesentlichen Änderung der Beurteilung. Das Landgericht ging daher im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Beklagten Harnstoff-Atemtestsets in den Verkehr gebracht haben.

3. Dem Schadensersatzanspruch der Klägerin steht nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ("unclean hands") entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob das Angebot der Testauswertung seitens der Klägerin überhaupt eine unzulässig gekoppelte Laborleistung darstellt. Denn selbst bei unterstellter Wettbewerbswidrigkeit des Angebotes der Klägerin steht dieses einem Schadensersatzanspruch der Klägerin nur dann - ausnahmsweise - entgegen, wenn die Klägerin in gleicher Weise, in gleichem Umfang und im Wesentlichen gleichzeitig unlauteren Wettbewerb getrieben hat wie die Beklagten (vgl. Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rn. 451; BGH GRUR 1970, 563 - Beiderseitiger Rabattverstoß -). An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die wechselseitigen Wettbewerbsverstöße - unzulässige Koppelung bzw. Vorsprung durch Rechtsbruch - sind nicht vergleichbar (vgl. zum engen Verständnis der Gleichartigkeit BGH GRUR 1971, 582 - Kopplung im Kaffeehandel -). Auch der entstandene Schaden ist unterschiedlich, da die Beklagten mit einer Vielzahl von medizinischen Labors konkurrieren, während die Klägerin unstreitig der einzige Anbieter von 13C Harnstoff-Atemtests in Deutschland ist, der über eine Zulassung nach § 21 I AMG verfügt.

Die Beklagten - in Betracht käme dies ohnehin allenfalls für die Beklagte zu 1. - können sich gegenüber dem Auskunftsanspruch der Klägerin nicht mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Denn gegenüber Ansprüchen auf Auskunftserteilung entfällt ein Zurückbehaltungsrecht im Regelfall, da sonst der Zweck des Auskunftsanspruchs vereitelt würde (vgl. auch MünchKommBGB/ Krüger, 4. Aufl., § 273 Rn. 50). Dem Sicherungsinteresse der Beklagten ist durch ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Leistungsanspruch ausreichend Rechnung getragen. Einer der Ausnahmefälle, in denen sich - wie z.B. bei gegenseitigen familienrechtlichen Ansprüchen - völlig gleichartige wechselseitige Ansprüche gegenüberstehen, die in einem einheitlichen Verfahren auszugleichen sind, liegt nicht vor.

Es kann damit dahinstehen, dass seitens der Beklagten zu 1., die ihre Laborleistungen neben einer Vielzahl vergleichbarer Labors anbietet, ein Schadenseintritt durch von der Klägerin angebotene Laborleistungen auch noch nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht ist.

4. Es ist nicht zu verkennen, dass die Feststellung des der Klägerin entstandenen Schadens erhebliche Probleme aufwerfen wird, weil insbesondere kaum aufzuklären sein wird, in wie vielen Fällen Ärzte von dem Diagnoseverfahren Harnstoff-Atemtest aus wirtschaftlichen Erwägungen völlig Abstand genommen hätten, wenn sie nicht das deutlich günstigere Testset der Beklagten hätten ordern können. Diese Schwierigkeiten der Schadensberechnung wirken sich jedoch auf den Auskunftsanspruch, über den bislang allein zu entscheiden ist, nicht aus. Ein Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs besteht bereits dann, wenn der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rn 400 m.w.N.). Dies ist der Fall. Da die Klägerin unstreitig als einziges Unternehmen in Deutschland über die - nach Auffassung des Senats erforderliche - Zulassung für den 13C Harnstoff-Atemtests verfügt, hätten Ärzte, die legal einen derartigen Atemtest beziehen wollten, diesen bei der Klägerin beziehen müssen. Damit hätte die Klägerin jedenfalls mehr Atemtests absetzen können, wenn nicht die Beklagten in erheblichem Umfang die gleiche Leistung (in Form einer zusammengesetzten Lieferung) angeboten und erbracht hätten. Es ist weiter zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin als ein Wirtschaftsunternehmen, das eine derzeit noch bestehende Monopolstellung durchsetzt, beim Absatz der Atemtests einen - der Höhe nach allerdings streitigen - Gewinn erzielt. Dies genügt, um einen Schaden der Klägerin aufgrund der wettbewerbswidrigen Handlungen der Beklagten als ausreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gem. § 543 II Nr. 1 ZPO zugelassen.

Der Streitwert beträgt 20.000,- €.

Ende der Entscheidung

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