Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 4 U 748/04
Rechtsgebiete: JuSchG, EGV


Vorschriften:

JuSchG § 12 Abs. 3
EGV Art. 28
Der Vertrieb von Bildträgern im Versandhandel ist wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 3 JuSchG wettbewerbswidrig, wenn diese lediglich mit einer Alterskennzeichnung der für Großbritannien zuständigen Stelle (Board of Film Classification) versehen sind. Art. 28 EGV steht dieser Beschränkung des Versandhandels nicht entgegen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 U 748/04

Verkündet am 21.12.2004

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

wegen unlauteren Wettbewerbs.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bamberger, den Richter am Oberlandesgericht Becht und die Richterin am Oberlandesgericht Harsdorf-Gebhardt auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 08.06.2004 dahingehend abgeändert, dass der Beschluss vom 20.4.2004 mit der Maßgabe aufrechterhalten wird, dass in dessen Ziffer I. das Wort "Trägermedien" durch das Wort "Bildträger" ersetzt wird.

2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Produkten aus dem Bereich der japanischen Comics. Die Verfügungsklägerin vertreibt Bild- und Tonträger unter der Geschäftsbezeichnung "A...". Die Verfügungsbeklagte bietet über ihre Homepage www.a......com und die Plattform des Internethändlers amazon.de Videos und DVDs an. Eine Kontrolle des Alters des Kunden erfolgt dabei nicht. Im Februar 2004 hatte die Verfügungsbeklagte u.a. die DVD "Landlock" im Angebot, die über keine Alterskennzeichnung der Freiwilligen Selbstkontrolle für Filmwirtschaft (FSK) verfügt. Es handelt sich um ein britisches Produkt, das mit der in Großbritannien vorgeschriebenen Alterskennzeichnung der dort für die Klassifizierung zuständigen Stelle, des British Board of Film Classification (BBFC), versehen ist, wonach die DVD ab 15 Jahren freigegeben ist.

Die Verfügungsklägerin erwirkte beim Landgericht Koblenz eine einstweilige Verfügung vom 20.04.2004, mit der es der Verfügungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Versandhandel Trägermedien anzubieten, zu versenden und/oder zu überlassen, die über keine FSK-Kennzeichnung verfügen bzw. mit dem Hinweis "keine Jugendfreigabe" im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr.5 JuSchG oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes mit dem Hinweis "nicht freigegeben unter 18 Jahren" im Sinne des damals gültigen § 7 Abs.3 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit gekennzeichnet sind.

Diese einstweilige Verfügung hat das Landgericht Koblenz durch Urteil vom 08.06.2004 aufgehoben und den Antrag auf deren Erlass mangels Verfügungsanspruchs zurückgewiesen. Ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen Vorschriften des Jugendschutzgesetzes liege nicht vor, weshalb eine Anwendung des § 1 UWG ausgeschlossen sei. Da sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Großbritannien die UN-Übereinkunft über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 anerkannt hätten, sei gewährleistet, dass die britische Alterskennzeichnung als vergleichbar mit einer deutschen FSK-Kennzeichnung eingestuft werden könne. Auch dürfe Art 28 EGV nicht unberücksichtigt bleiben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.

Die Verfügungsklägerin trägt ergänzend im Wesentlichen vor:

die UN-Konvention habe keinen Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit (GA Bl. 113/114). Die Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaft hätten äußerst unterschiedliche Systeme und Vorgaben in Bezug auf die Prüfung von Spielfilmen auf ihre Geeignetheit für Kinder und Jugendliche. Wäre die Entscheidung des Landgerichts richtig, könnten die Hersteller von Filmen diese in bekanntermaßen liberal einstufenden Mitgliedstaaten zur Prüfung vorlegen und nach entsprechender Freigabe europaweit vertreiben, unabhängig von - strengeren - Regelungen in anderen Mitgliedstaaten. Art 28 EGV sei nicht einschlägig, da es sich bei der Bestimmung des § 12 Abs.3 JuSchG um eine Regelung handele, die nicht die Merkmale der Ware selbst sondern die Modalitäten von deren Verkauf betreffe. Die Verfügungsbeklagte genieße nicht den Schutz der Warenverkehrsfreiheit für ihre geschäftlichen Aktivitäten. Sie habe sich im Übrigen bei der gewählten Vertriebsform den Anforderungen der Fernabsatzrichtlinie 1997/7/EG und der e-com-merce-Richtlinie 2000/31/EG zu unterwerfen. Selbst wenn man eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit bejahen würde, wäre diese gemäß Art 30 EGV gerechtfertigt, da der Jugendschutz als Allgemeininteresse den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgehe. Soweit der Senat auf der Basis europarechtlicher Vorschriften zu entscheiden gedenke, sei eine Vorlage an den EuGH unerlässlich (GA Bl.120/121).

Die Verfügungsklägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Koblenz abzuändern und die Beschlussverfügung vom 20.04.2004 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend im Wesentlichen vor:

Die Vorschrift des § 12 Abs.3 JugSchG, bei der es sich um eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung und damit um ein Handelshemmnis handele, sei im Lichte von Art 28 EGV dahingehend europarechtskonform auszulegen, als der Versand von DVD-Bildträgern ohne Alterskennzeichnung der FSK jedenfalls dann zulässig sei, wenn sie die Alterskennzeichnung eines EU-Mitgliedstaates aufwiesen, der - wie Großbritannien - über ein funktionierendes, einheitliches nationales System der Alterskennzeichnung verfüge, welches dem deutschen mindestens vergleichbar sei. Ansonsten wäre der britische Anbieter erheblich schlechter gestellt als der deutsche. Eine Rechtfertigung nach Art 30 EGV sei nicht anzunehmen, da die durch diese Vorschrift geschützten Rechtsgüter ( öffentliche Sittlichkeit, Sicherheit und Ordnung ) durch die von ihr - der Verfügungsbeklagten - geübte Geschäftspraxis nicht gefährdet seien. Der Versand von Bildträgern mit der Alterskennzeichnung "BBFC 15" enthalte kein Gefährdungspotential für den Jugendschutz. Dies zeige auch die Praxis der obersten Jugendbehörden, bei Filmen mit der Kennzeichnung "FSK 16" nicht mehr auf einer Alterskontrolle durch den Versandhändler im Sinne von § 1 Abs.4 JuSchG zu bestehen. Eine Vorlage beim EuGH sei angesichts der bereits jetzt verfügbaren Rechtsprechung nicht erforderlich, hilfsweise für den Fall, dass die Berufung der Verfügungsklägerin nicht bereits aus den von ihr - der Verfügungsbeklagten - dargelegten Gründen zurückzuweisen sei, schließe sie - die Verfügungsbeklagte - sich aber dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Vorlage der Sache an den EuGH an.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 20.04.2004, wobei die Bezeichnung "Trägermedien" entsprechend dem Antrag der Verfügungsklägerin ( GA Bl. 61 ) durch das Wort "Bildträger" zu ersetzen ist.

Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m §§ 3, 4 Nr.11 UWG ( in der seit 08.07.2004 geltenden Fassung ) gegen die Verfügungsbeklagte zu. Nach § 4 Nr. 11 UWG stellt die Verletzung von gesetzlichen Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, unlauteren Wettbewerb dar. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei § 12 Abs. 3 JuSchG, wonach es u.a. verboten ist, Bildträger ohne Alterskennzeichnung oder mit der Kennzeichnung "keine Jugendfreigabe" im Versandhandel zu vertreiben (OLG München, GRUR 2004, 963; OLG Celle, GRUR-RR 2003, 221; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., UWG § 4 Rdn 11.180). Dabei knüpft das Gesetz das Vertriebsverbot im Versandhandel ausdrücklich nicht an eine im Einzelfall erst vorzunehmende Überprüfung eines eventuell jugendgefährdenden Inhalts der Bildträger sondern daran an, dass die vorgeschriebene Kontrolle durch eine oberste Landesbehörde oder eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle nicht stattgefunden hat und der Bildträger eine entsprechende Kennzeichnung nicht trägt oder für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ausdrücklich nicht freigegeben worden ist.

Gegen die letztgenannte Bestimmung hat die Verfügungsbeklagte durch den Vertrieb des Bildträgers "Landlock" ohne eine Alterskennzeichnung durch die FSK verstoßen, so dass sie unlauter gehandelt hat. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die DVD durch die BBFC für Jugendliche ab 15 Jahren freigegeben ist. Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf berufen, dass diese Klassifizierung derjenigen durch die FSK gleichwertig sei und dass die (erneute) Vorlage bei der für die Bundesrepublik Deutschland zuständigen Prüfstelle entbehrlich sei. Das letztgenannte Erfordernis beeinträchtigt nämlich die Verfügungsbeklagte nicht ungerechtfertigt in ihrer Warenverkehrsfreiheit.

Es kann letztlich dahinstehen, ob die durch das JuSchG postulierte Vorgabe für die Verfügungsbeklagte, die Bildträger, die sie in der Bundesrepublik Deutschland im Versandhandel vertreiben will, der FSK vorzulegen, eine (verbotene) Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art 28 EGV darstellt oder lediglich eine (zulässige) sog. Verkaufsmodalität, die nur dann Art 28 EGV unterfällt, wenn sie grenzüberschreitende Vertriebsaktivitäten spezifisch behindert (EuGH NJW 2004,131 f. - DocMorris; Grabitz/Hilf , Das Recht der Europäischen Union, Art. 28 EGV Rdn 30 m.w.N.; Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl., EGV Art 28 Rdn 24). Denn selbst wenn man die Einschränkung des Vertriebs der von der Beklagten aus dem Vereinigten Königreich importierten Waren als Maßnahme gleicher Wirkung ansehen würde, wäre diese zulässig. Denn Art 28 EGV steht Einfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sind (Art 30 EGV). Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Einschränkung des Versandhandels mit von der deutschen FSK ungekennzeichneten Bildträgern an Kinder und Jugendliche gemäß § 12 Abs. 3 JuSchG.

Der Senat kann die Frage, ob diese Regelung aus den in Art 30 EGV genannten Gründen gerechtfertigt ist, abschließend entscheiden. Zwar ist das Urteil des Senats im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, so dass grundsätzlich die Verpflichtung besteht, die Sache zur Klärung der entscheidungserheblichen Auslegung des Art 30 EGV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (Art 234 Satz 3 EGV). Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Lenz/Borchardt, a.a.O., Art 234 Rdn 46) ist aber anerkannt, dass die Vorlagepflicht zum einen bei Bestehen einer gesicherten Rechtsprechung entfällt, auch dann, wenn die strittigen Fragen mit den bereits geklärten nicht völlig identisch sind, zum anderen ebenso, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (EuGH Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415/3429, Rn. 14). In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen wird in der deutschen Rechtsprechung von der Einholung einer Vorabentscheidung abgesehen, wenn an dem Auslegungsergebnis kein ernsthafter Zweifel besteht (BVerfG ZIP 1991, 1282; BVerwGE 66, 29 f.) oder wenn im Hinblick auf eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH eine Vorlage "entbehrlich" erscheint (BGH NJW 1986, 659). Diese Voraussetzungen sind vorliegend zu bejahen.

Durch die vom EuGH in den Rechtssachen C-124/97 (Läärä), C-67/98 (Zenatti), C-54/99 (Eglise de scientologie), C-6/01 (Anomar), C-243/01 (Gambelli, NJW 2004, 139 f.), C-322/01 (DocMorris, NJW 2004, 131 f.) und C-36/02 (Omega) aufgestellten Grundsätze hat er, wenn auch vorwiegend zur Freiheit des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs, hinreichend klargestellt, welche Voraussetzungen an die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Art 28, 30 EGV zu stellen sind.

Ob die Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs durch die Beschränkung gemäß § 12 Abs. 3 JuSchG gerechtfertigt ist, ist aufgrund des Art 30 EGV zu beurteilen. Dieser bleibt im Bereich des Jugendschutzes solange anwendbar, wie die Harmonisierung der nationalen Vorschriften in diesem Bereich nicht vollständig durchgeführt ist (EuGH, C - 322/01 - DocMorris, NJW 2004,131 f. Rn. 63 - 65, für den Bereich der Herstellung und Vermarktung von Arzneispezialitäten; Grabitz/Hilf, a.a.O., Art 30 EGV Rdn 10 m.w.N.), was bisher nicht der Fall ist. Zum Schutz Jugendlicher, nicht zuletzt als Verbraucher, gibt es bisher nur für Teilbereiche Empfehlungen bzw. Schlussfolgerungen des Rates. So hat der Rat in seiner Empfehlung 98/560/EG vom 24.09.1998 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriezweigs der audiovisuellen Dienste und Informationsdienste durch die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde Leitlinien aufgestellt, die für diesen Bereich sogar die Bedeutung einzelstaatlicher Regelungen betonen. In Ziffer 18 der Erwägungen wird anerkannt, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen die Regeln und Grundsätze des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde festgelegt sind, die kulturelle Vielfalt und die national und lokal unterschiedlichen Einstellungen widerspiegeln. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, darauf hinzuwirken, dass auf freiwilliger Basis ergänzend zu den geltenden Rechtsvorschriften einzelstaatliche Systeme für den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen Diensten und Informationsdiensten geschaffen werden. In gleichem Sinne sind die Schlussfolgerungen des Rates vom 17.12.1999 über den Jugendschutz im Lichte der Entwicklung digitaler audiovisueller Medienangebote abgefasst.

Die sich aus § 12 Abs. 3 JuSchG ergebende Beschränkung der Einfuhr von Bildträgern aus einem anderen Mitgliedstaat ist gemäß Art 30 EGV gerechtfertigt. Die letztgenannte Bestimmung erlaubt den Mitgliedstaaten aus den dort aufgeführten Gründen Abweichungen vom Verbot des Art 28 EGV, wobei die Vorschrift allerdings eng auszulegen ist (st.Rspr des EuGH, vgl. Grabitz / Hilf, a.a.O., Art 30 EGV Rdn 3 m.w.N.).

Vorab ist festzustellen, dass § 12 Abs. 3 JuSchG keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, da das Verbot unterschiedslos alle im Versandhandel mit Bildträgern tätigen Wirtschaftsteilnehmer aller Mitgliedstaaten trifft und somit nicht zu einem mittelbaren Schutz nationaler Produktion führt.

Die Beschränkung ist aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit und Ordnung gerechtfertigt. Da die Umstände, die möglicherweise die Berufung auf diese Begriffe rechtfertigen, von Land zu Land und im zeitlichen Wechsel verschieden sein können, ist den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den EG-Vertrag gesetzten Grenzen zuzubilligen (EuGH, C - 36/02 - Omega Rdn 31). Die Gemeinschaftsrechtsordnung zielt unbestreitbar auf die Gewährleistung eines effektiven Jugendschutzes ab, wobei dessen Bedeutung auch durch die bereits angeführten Empfehlungen und Schlussfolgerungen des Rates bestätigt wird. Dieser Schutz rechtfertigt Maßnahmen, die den freien Warenverkehr einschränken, sofern diese zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sind und dieses nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den freien Warenverkehr weniger einschränken. Dabei sind die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Mitgliedstaat andere Schutzregelungen als ein anderer Mitgliedstaat erlassen hat (EuGH, C - 36/02 - Omega Rdn. 38 m.w.N.).

§ 12 Abs. 3 JuSchG und das damit zusammenhängende Prüfungsverfahren dienen dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor dem für deren psychische und soziale Entwicklung schädlichen Einfluss durch Filme und Spiele, die unsittliche oder etwa gewaltverherrlichende Inhalte haben. Derartige Bildträger sollen unkontrolliert nur Erwachsenen zugänglich sein. Nach in unserem gesellschaftlichen System seit langem anerkannten Grundsätzen sind solche für Kinder und Jugendliche potentiell schädlichen Einflüsse von diesen fernzuhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, die entsprechenden Bildträger einer Kontrolle zu unterwerfen und beim Vertrieb zu kennzeichnen. Eine weniger einschneidende Maßnahme zur Erreichung dieses Zwecks ist nicht ersichtlich. Dass etwa die von der Beklagten vertriebene DVD nach Einschätzung der britischen BBFC bereits für Jugendliche ab 15 Jahren unschädlich sein soll, kann auf die nach deutschem Recht geltenden Maßstäbe keinen Einfluss haben.

Nur so kann sichergestellt werden, dass jugendgefährdende Filme nicht über den Versandhandel Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden. Die Überprüfung auf jugendgefährdende Inhalte soll nicht dem jeweiligen Anbieter, einer Institution eines anderen Mitgliedstaats oder im Streitfall den Gerichten überlassen werden, sondern der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle der Bundesrepublik Deutschland vorbehalten sein. Auch derjenige, der das Anbieten oder Überlassen von Bildträgern, die nicht oder mit "keine Jugendfreigabe" gekennzeichnet sind, im Versandhandel als wettbewerbswidrig beanstandet, braucht die betreffenden Bildträger nicht auf ihren jugendgefährdenden Inhalt zu kontrollieren oder gerichtlich überprüfen zu lassen. Vielmehr kann er sich darauf beschränken zu rügen, dass ein nicht gekennzeichneter oder nicht für Kinder und Jugendliche freigegebener Bildträger im Versandhandel angeboten oder überlassen werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung des Landgerichts auf 10.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück