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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 5 U 1035/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 151
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
EGZPO § 26 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 U 1035/02

Verkündet am 21. November 2002

in dem Rechtsstreit

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach und die Richter am Oberlandesgericht Weller und Stein

auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Juni 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Mainz abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit einer Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, den die Beklagte gegen ihn und den Mitgesellschafter S..... H..... erwirkt hatte.

Die in Höhe von 35.262,78 DM titulierte Forderung beruhte auf Warenlieferungen, die die Beklagte erbracht hatte.

Nach Ratenzahlungen, die sich aus dem vorgelegten Forderungskonto ergeben, bestand noch ein Anspruch in Höhe von 18.665,71 DM (einschließlich Zinsen und Kosten). Mit Schreiben vom 17. Juni 2001 stellte der Kläger für sich und seinen Mitgesellschafter H..... die finanzielle Situation dar und teilte am Ende des Schreibens Folgendes mit:

"Aus diesem und den oben genannten Gründen habe ich mich entschlossen alle mir derzeit zur Verfügung stehenden freien Gelder zusammenzunehmen und Ihnen dieses Angebot zu unterbreiten.

Wir bieten Ihnen daher hiermit einen Vergleich in Höhe von DM 3.500,- als Einmalzahlung an. Mit dieser Zahlung wären dann alle Verbindlichkeiten abgegolten.

Zu diesem Zweck legen wir Ihnen einen Scheck in Höhe der DM 3.500,- bei."

Die Beklagte löste den Scheck ein und erklärte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 22. Juni 2001, sie sei mit dem Vergleichsvorschlag nicht einverstanden, habe die Teilzahlung auf die Forderung verrechnet und erwarte eine weitere Zahlung in Höhe von mindestens 2.000 DM bis spätestens zum 31. Juli 2001.

Das Landgericht ist der Auffassung des Klägers gefolgt, durch die Einlösung des Schecks sei die Restschuld erlassen worden, und hat die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid für unzulässig erklärt.

Dagegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten, die in der Sache Erfolg hat.

I.

Die von dem Kläger erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) ist nicht begründet, denn die Beklagte hat dem Kläger (und dem Mitgesellschafter H.....) die noch bestehende Restforderung nicht erlassen.

Es fehlt an dem Abschluss eines Erlassvertrages (§ 397 Abs. 1 BGB).

1. Durch den Erlass verzichtet der Gläubiger auf einen schuldrechtlichen Anspruch. Um diese Wirkung herbeizuführen, bedarf es eines Vertrages zwischen Gläubiger und Schuldner. Einen einseitigen Verzicht sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BGH NJW 1987, 3203).

Bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, muss das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden; den der Erklärung zugrunde liegenden Umständen kommt eine besondere Bedeutung zu. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung besteht, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben (BGH MDR 2002, 749 m.w.N.).

Das Angebot zum Erlass muss nicht vom Gläubiger ausgehen (vgl. Staudinger-Rieble, BGB, 13. Bearb., § 397 Rn. 115). Es bedarf der Annahme durch den anderen Teil. Geht das Erlassangebot vom Gläubiger aus, ist der Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 BGB in der Regel entbehrlich (vgl. Münchener Kommentar-Schlüter, BGB, 4. Aufl., § 397 Rn. 3 m.w.N.).

Geht das Angebot - wie hier - vom Schuldner aus, entspricht es nicht der Verkehrssitte, dass die Annahme nicht dem Antragenden gegenüber zu erklären wäre (§ 151 S. 1 1. Alternative BGB). Eine solche Verkehrssitte wird regelmäßig nur bei den für den Antragsempfänger vorteilhaften Rechtsgeschäften angenommen (BGH NJW 2000, 276/277 m.w.N.). Das ist bei einem Forderungsverzicht des Gläubigers gerade nicht der Fall, so dass es hier darauf ankommt, ob durch einen Verzicht des Klägers auf den Zugang der Annahmeerklärung (§ 151 S. 1 2. Alternative BGB) und eine Willensbetätigung der Beklagten, aus der sich der Annahmewille unzweideutig erschließen lässt (vgl. BGH a.a.O. S. 277 unter 2b), ein Erlassvertrag zustande gekommen ist.

2. Nach der auf die Entscheidung vom 18. Dezember 1985 (NJW-RR 1986, 415) zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1990,1655; NJW 2001, 2324 und 2325; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Kleinschmidt NJW 2002, 346 ff) ist in der widerspruchslos erfolgten Einlösung des Schecks regelmäßig die Annahme des Vertragsantrages zu sehen, wenn die den Abschluss eines Abfindungsvertrages anbietende Partei zum Zwecke der Vertragserfüllung einen Scheck mit der Bestimmung übergeben hat, dass er nur bei Annahme des Vertragsangebotes eingelöst werden darf und sie zugleich auf eine Annahmeerklärung der Gegenseite verzichtet hat (vgl. Leitsatz BGH NJW-RR 1986, 415).

In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, beurteilt sich vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten. Hierbei kommt es darauf an, ob aufgrund aller äußeren Indizien aus der Reaktion des Erklärungsempfängers auf den wirklichen Annahmewillen geschlossen werden kann (BGH NJW 1990, 1655).

3. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 17. Juni 2001 keinen Verzicht auf eine Annahmeerklärung geäußert.

Er hat der Beklagten einen "Vergleich" in Höhe von 3.500 DM als Einmalzahlung angeboten mit der Bestimmung, dass mit dieser Zahlung - durch den beigefügten Scheck - alle Verbindlichkeiten abgegolten "wären".

Aus dieser Formulierung ist ein Verzicht auf den Zugang einer Annahmeerklärung nicht herzuleiten.

Der Kläger geht nicht darauf ein, ob er die Abgabe einer Annahmeerklärung erwartet oder darauf verzichtet. Er stellt nur darauf ab, dass mit der Zahlung alle Verbindlichkeiten abgegolten "wären". Gerade die Verwendung dieses Wortes im Konjunktiv zeigt auf, dass der Kläger nicht davon ausgeht, mit der bloßen Scheckzahlung, d.h. Einziehung der Scheckforderung, sei alles erlassen; ansonsten hätte er dies klar zum Ausdruck gebracht und zum Ausdruck bringen müssen.

Diese Deutung geht zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers (vgl. Baumgärtel-Laumen, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 151 Rn. 1 m.w.N.).

Somit fehlt es an der erforderlichen Annahme des Angebots auf Abschluss eines Erlassvertrages mit der Folge, dass die Beklagte nicht auf ihre Forderung verzichtet hat.

An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn man einen konkludenten Verzicht (vgl. BGH ZIP 1986, 1149/1150) auf die Annahme des Angebots durch rechtsgeschäftliche Erklärung zugrunde legen würde.

In der Einlösung des Schecks tritt hier nach den Gesamtumständen aus der Sicht des unbeteiligten objektiven Dritten nicht der Wille der Beklagten hervor, das Erlassangebot anzunehmen.

a) Die Forderung war tituliert und dem Titel waren zwei Schuldner unterworfen. Für die Beklagte bestand kein Anlass, auf diese gesicherte Forderung zu verzichten (vgl. in dem Sinne auch Lange WM 1999, 1301/1304 unter 4c am Ende) und darüber hinaus wegen der Drittwirkung des Erlasses (vgl. Staudinger-Rieble a.a.O. Rn. 241) einen weiteren Schuldner zu verlieren. Hinzu tritt, dass die Schuldner ausweislich des Forderungskontos erhebliche Ratenzahlungen und zwar in Höhe von insgesamt 28.263,64 DM erbracht hatten, so dass die Beklagte erwarten durfte, und auch davon ausgegangen ist (vgl. Schreiben vom 22. Juni 2001), weiterhin Tilgungsleistungen zu erhalten.

b) Nach Auffassung des Senats kommt dem Ablehnungsschreiben vom 22. Juni 2001 rechtliche Bedeutung zu.

Es ist unerheblich, dass dem Kläger das entsprechende Schreiben nicht vor dem Einreichen des Schecks zugegangen ist (vgl. BGH NJW 1990, 1956 und Lange a.a.O. S. 1304 m.w.N. in Fußnote 29).

Von Bedeutung sind vielmehr die zum Zeitpunkt der äußeren Willensbetätigung erkennbaren Umstände, die den Schluss auf einen wirklichen Annahmewillen zulassen.

Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen (Klageschrift S. 2), die Beklagte habe den Verrechnungsscheck eingelöst "per Valutabelastung auf dem Konto des Klägers vom 22.6.2001".

Die im Schreiben der Beklagten desselben Datums geäußerte Ablehnung, das Erlassangebot anzunehmen, und die Einlösung des Schecks fallen somit zeitlich zusammen. Beides kann gemeinsam nur so gewertet werden, dass die Beklagte die Zahlung lediglich als Teilleistung akzeptierte, wie sie auch schon zuvor Teilzahlungen billigend (§ 266 BGB) entgegengenommen hatte. Eine vorher zutage getretene ablehnende Haltung (vgl. die Fallgestaltung BGH NJW 1990, 1655 und dazu die Ausführungen von Lange WM 1999,1304) kann nicht verlangt werden, denn es kann bei der Feststellung der Entäußerung des wirklichen Willens spätestens auf den Zeitpunkt der Vornahme der Willensbetätigung ankommen, wobei es für den Senat - weil es nicht auf die Sicht des Erklärungsempfängers, sondern auf die des objektiven unbeteiligten Betrachters ankommt - nahe liegt, auch Umstände zu berücksichtigen, die zeitlich nach der Willensbetätigung durch Scheckeinreichung liegen. Das bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.

Ebenso bedarf es keiner Prüfung mehr, ob Gesichtspunkte der Redlichkeit (vgl. Kleinschmidt NJW 2002, 346 sowie Schönfelder NJW 2001, 492 jeweils m.w.N.) dem Klagebegehren entgegenstehen.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens bemisst sich nach dem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden noch offenen Teil der titulierten Forderung (vgl. Senat VersR 1988, 1304). Den Wert nimmt der Senat mit 15.500 DM, entsprechend 7.925,02 EUR an (vgl. Berechnung der Beklagten vom 22. Juni 2001).

Eine Festsetzung der Beschwer durch das Berufungsgericht findet nach neuem Recht nicht mehr statt.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da mit der Hauptbegründung des Senatsurteils, es fehle schon an einem Verzicht auf die Annahmeerklärung, die Klageabweisung gerechtfertigt wird. Das ist eine Frage des Einzelfalls. So hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und fordert auch keine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, zumal von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eindeutige Verzichtserklärungen zum Gegenstand hatten, nicht abgewichen wird.

Ende der Entscheidung

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