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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.12.1999
Aktenzeichen: 5 U 1459/99
Rechtsgebiete: BGB, Makler- und Bauträger VO


Vorschriften:

BGB § 328 Abs. 1
BGB § 1192 I
BGB § 1169
BGB § 1175 I 2
Makler- und Bauträger VO § 3
Bei der Auslegung einer Freistellungsverpflichtungserklärung einer baufinanzierenden Bank sind die Interessen des Erwerbers auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht als Vertragsschließender, sondern nur als leistungsberechtigter Dritter anzusehen ist.

Eine solche Freistellungsverpflichtungserklärung kann eine Schutzwirkung (Zweckerklärung) zugunsten des Erwerbers entfalten.


Geschäftsnummer: 5 U 1459/99

verkündet am 22. Dezember 1999

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Bischof sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19. August 1999 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde des Notars Dr. Sch vom 8. Dezember 1995 (Urkundenrolle Nr. 1/48 für 1995) in das Wohnungseigentum der Kläger (Raumeigentumsgrundbuch von Montabaur Bl. 3715 bestehend aus 53,64/522,37-Miteigentumsanteil an dem Grundstück Sch straße 6 in Montabaur verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 6 bezeichneten Wohnung nebst zugehörigem Pkw-Stellplatz) wird für unzulässig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 25.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leisten.

Die Sicherheiten dürfen auch durch eine Bürgschaft, eines als Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage gegen die von der beklagten Bank betriebene Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 8. Dezember 1995 (Bl. 78-82 GA) in das Wohnungseigentum der Kläger. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach Bestellung der Grundschuld durch die damalige Eigentümerin verpflichtete sich die G-GmbH durch notariellen Bautragervertrag vom 28. Dezember 1995 (Bl. 13-32 GA) auf dem Grundstück Sch straße 6 in Montabaur Eigentumswohnungen zu errichten und den Klägern neben einem 53,64/522,37-Miteigentumsanteil das Sondereigentum an einer Wohnung im Erdgeschoss nebst Kellerraum und Pkw-Stellplatz zu verschaffen. Der Gesamtkaufpreis von 225.000 DM sollte nach einer vom Notar einzuholenden Freistellungsverpflichtungserklärung nach § 3 der Makler- und Bauträgerverordnung von den Klägern an die Beklagte als finanzierende Bank gezahlt werden (Bl. 19, 125-127 GA).

Dementsprechend trat die G-GmbH nach Vorlage der vom 6. Februar 1996 datierenden Freistellungsverpflichtungserklärung ihre gegen die Erwerber gerichteten Ansprüche auf Kaufpreiszahlung am 13. Februar 1996 an die beklagte Bank ab.

Da die Realisierung des Bauvorhabens in der Folgezeit zu scheitern drohte, verkaufte die G-GmbH durch notariellen Vertrag vom 13 Juni 1996 (Bl. 36-46 GA) das Grundstück Sch straße 6 an ein anderes Bauunternehmen für 480.000 DM unter gleichzeitiger Abtretung des Zahlungsanspruchs aus dem Kaufvertrag mit den Klägern (Bl. 44 GA).

Die neue Bauträgerin errichtete das Gebäude und zahlte den Kaufpreis von 480.000 DM an die Beklagte als finanzierende Bank. Nach Gutschrift dieses Betrages verblieb auf dem Baukonto ein Schuldsaldo von 191.269,28 DM. Wegen dieses Betrages nebst Zinsen betreibt die beklagte Bank nunmehr die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld in das Wohnungseigentum der Kläger.

Deren nach Klageänderung zuletzt auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde gerichtete Klage hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, die Kläger seien nach der Freistellungsverpflichtungserklärung und der ersten Abtretung des Kaufpreisanspruchs verpflichtet gewesen, an die beklagte Bank zu zahlen. Dieser Verpflichtung seien sie nicht nachgekommen. Dass der überwiesene Betrag von 480.000 DM zur Tilgung sämtlicher Ansprüche der Beklagten aus der Finanzierung des Bauvorhabens Sch straße 6 ausgereicht habe, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Daher sei die beklagte Bank befugt, wegen ihrer restlichen Zahlungsansprüche aus der Grundschuld gegen die Kläger zu vollstrecken.

Mit ihrer Berufung wiederholen die Kläger den zuletzt gestellten Antrag erster Instanz. Die zur Finanzierung des Bauvorhabens Sch straße 6 gewahrten Darlehen der beklagten Bank seien insgesamt getilgt worden.

Die Beklagte erwidert, die Darlehensverbindlichkeit der G gegenüber der S Bank betrage 191.269,28 DM nebst Zinsen, weshalb die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat der Beklagten aufgegeben, durch Vorlage und Erläuterung der jeweiligen Kontoauszüge darzutun, welche Darlehensbeträge sie der G-GmbH zur Finanzierung des Bauvorhabens Sch straße 6 zur Verfügung gestellt hat. Die Beklagte hat daraufhin Kopien der maßgeblichen Kontoauszüge vorgelegt (Bl. 198-200 GA).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Zwar weist die Berufungserwiderung zutreffend darauf hin, dass im ursprünglich angekündigten Berufungsantrag von einer "Notarurkunde Dr. B" die Rede ist, obwohl die Kläger in erster Instanz beantragt hatten, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Sch für unzulässig zu erklären. Dem Gesamtzusammenhang der Berufungsbegründung in Verbindung mit den beigefügten Anlagen, insbesondere der Anlage BK6 (Bl. 174-179 GA), ist jedoch zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Kläger sich in zweiter Instanz gegen die Zwangsvollstreckung aus derselben Urkunde wenden, die Gegenstand der Entscheidung des Landgerichts war. Auch bei der Auslegung prozessualer Erklärungen ist entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Danach ist unzweifelhaft, dass die Kläger sich mit ihrer Berufung gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde wenden, die der Notar Dr. Sch am 8. Dezember 1995 aufgenommen hat.

Berufung und Klage sind auch begründet, weil den Klägern eine durchgreifende Einwendung gegen den in der notariellen Urkunde titulierten Anspruch zusteht (§§ 794 Nr. 5, 767 Abs. 1 ZPO).

Das Schuldverhältnis, aus dem die beklagte Bank ursprünglich befugt war, gegen die Kläger aus der Grundschuld zu vollstrecken, ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der von der Berufungserwiderung aufgezeigte Restschuldsaldo der G-GmbH von 191.269,28 DM nebst Zinsen resultiert aus der Finanzierung eines anderen Bauvorhabens, so dass die Beklagte wegen der Schutzwirkung ihrer Freistellungsverpflichtungserklärung vom 6. Februar 1996 (Bl. 125-127 GA) gehindert ist, wegen dieser Verbindlichkeit aus der Grundschuld gegen die Kläger zu vollstrecken.

Nach § 4 des notariellen Bauträgervertrages vom 28. Dezember 1995 waren die Kläger zur Zahlung des Gesamtkaufpreises von 225.000 DM erst verpflichtet, wenn ihnen durch den Notar eine unwiderrufliche Freistellungsverpflichtungserklärung der beklagten Bank nach § 3 der Makler- und Bauträgerverordnung vorgelegt wurde (Bl. 18/19 GA) . Diese Freistellungsverpflichtungserklärung hat die Beklagte sodann am 6. Februar 1996 abgegeben (Bl, 125-127 GA). Unstreitig hat der Notar Dr. B den Klägern die Freistellungsverpflichtungserklärung entsprechend § 4 Nr. 2 des Vertrages vom 28. Dezember 1995 schriftlich bestätigt (Bl. 18 GA). Damit sind die Interessen der Kläger auch dann zu berücksichtigen, wenn sie hinsichtlich der Freistellungsverpflichtungserklärung nicht als Vertragsschließende, sondern nur als leistungsberechtigte Dritte (§ 328 Abs. 1 BGB) anzusehen sein sollten (vgl. BGH NJW 1984, 169, 170 unter II.1. der Entscheidungsgründe mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die in der Freistellungsverpflichtungserklärung gegebene Zusicherung der Beklagten, dass die beiden dort erwähnten Grundschulden

ausschließlich

(Hervorhebung durch den Senat) zur Sicherung von Krediten dienen, die der G-GmbH zur Errichtung des Bauvorhabens Sch straße 6 gewährt werden, entfaltet Schutzwirkung zugunsten der Kläger. Daraus folgt, dass die Beklagte gegenüber den Klägern Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus der Grundschuldbestellungsurkunde über 250.000 DM nur ergreifen darf, wenn dem Grundpfandrecht eine Darlehensverbindlichkeit aus der Finanzierung des Objekts Sch straße 6 zugrunde liegt. Daran fehlt es.

Das Baufinanzierungskonto Sch straße 6 war erstmals am 1. Februar 1996 mit 80.000 DM belastet worden, wobei der Senat trotz der fehlenden Erläuterung der Beklagten zu ihren Gunsten unterstellt, dass es sich dabei um Planungskosten handelte. Neben Zinsen und Kreditgebühren ist dem Konto sodann am 1. März 1996 der Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks (218.149,28 DM) belastet worden (Bl. 198 GA). All das ist nicht zu beanstanden.

Sodann wurde jedoch von dem Konto Sch straße 6 am 30. März 1996 ein Betrag von 225.120 DM abgebucht (Bl. 198 GA Mitte). Dabei handelte es sich unstreitig um den Kaufpreis, den die G-GmbH für den Erwerb eines anderen Grundstücks (F-Straße 8 in Montabaur) zu zahlen hatte. Diese Abbuchung gefährdete die Freistellungsverpflichtung der Beklagten vom 6. Februar 1996, wonach die auf dem Grundstück Schillerstraße 6 lastende erstrangige Grundschuld von 250.000 DM ausschließlich zur Sicherung von Krediten für dieses konkrete Bauvorhaben dienen sollte. Als später am 29. Oktober 1996 auf dem Konto Sch straße 6 der vom neuen Bauträger gezahlte Kaufpreis von 480.000 DM gutgeschrieben wurde, verblieb dort lediglich der von der Berufungserwiderung bemühte Restsaldo von 191.269,20 DM (Bl. 187/198 GA).

Daraus folgt, dass ohne die Abbuchung des Kaufpreises von 225.120 DM für den Erwerb des Grundstücks F straße 8 durch die Zahlung der 480.000 DM am 29. Oktober 1996 das Konto Sch straße 6 mehr als ausgeglichen worden wäre. Mangels Restsaldo aus der Finanzierung des Bauvorhabens Sch straße 6 hatte die Beklagte demnach kraft der Bindungswirkung ihrer eigenen Freistellungsverpflichtungserklärung vom 6. Februar 1996 nicht mehr aus der Buchgrundschuld von 250.000 DM gegen die Kläger vorgehen können. Demnach steht fest, dass es sich bei dem jetzigen Zwangsvollstreckungsbetrag materiell um einen Teil des Darlehens nebst Zinsen handelt, das die beklagte Bank der G-GmbH zum Erwerb des Grundstück F straße 8 gewährt hat. Insoweit haften die Kläger nach der Freistellungsverpflichtungserklärung jedoch nicht aus der Grundschuld.

Dass die Beklagte nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens ihr Grundpfandrecht am Grundstück F straße 8 aufgegeben hat, nachdem der dort zu zahlende Kaufpreis von 225.120 DM am 30. März 1996 von dem Konto Sch straße 6 abgebucht worden war, geht nicht zu Lasten der Kläger.

Mangels Restzahlungsanspruchs der beklagten Bank aus der Finanzierung des Objekts Sch straße 6 ist die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde in das Wohnungseigentum der Kläger unzulässig. Der Klage musste daher unter Änderung der Entscheidung des Landgerichts stattgegeben werden.

Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert und Beschwer der Beklagten: 250.000 DM.

Ende der Entscheidung

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