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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 01.12.1999
Aktenzeichen: 5 U 1754/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 459 Abs. 1 Satz 1
BGB § 476
Liegt ein verkauftes Grundstück unmittelbar an einer Straße und in einem Gebiet, in dem zahlreiche Häuser stehen, so darf der Erwerber ohne besondere Erwähnung im Vertrag davon ausgehen, dass das Grundstück bebaubar ist. Auch bei einem Mängelgewährleistungsausschuss haftet der Verkäufer für den Mangel, dass das Grundstück in einem Hochwasserüberschwemmungsgebiet liegt.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 U 1754/98

Verkündet am 1. Dezember 1999

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller

auf die mündliche Verhandlung

vom 10. November 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 2. September 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten ist jedoch nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Kläger ihrerseits Sicherheit in dieser Höhe stellen. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen inländischen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Die Kläger kauften von den Beklagten mit notariellem Vertrag vom 21. August 1993 zwei benachbarte Grundstücke in A zum Gesamtpreis von 594.000 DM. Der Kaufvertrag beschreibt die Grundstücke als Flur 4 Nr. 684, Bauplatz, Bacchusweg, 472 qm und als Flur 4 Nr. 685, Gebäude- und Freifläche, Bacchusweg, 475 qm. Das Flurstück Nr. 684 war mit einem Haus und einer Garage bebaut, während sich auf dem Flurstück Nr. 685 lediglich eine Garage befand.

Nach der Darstellung der Kläger wurden die im Vertrag verwendeten Beschreibungen "Bauplatz" und "Gebäude- und Freifläche" irrtümlich vertauscht. Sie hätten sich in Wahrheit - im Einklang mit entsprechenden Angaben im Liegenschaftskataster - auf das jeweils andere Flurstück bezogen. Dem sind die Beklagten unter Bezugnahme auf das Grundbuch, das sich mit den Angaben im Kaufvertrag decke, entgegengetreten. Ihrem Vortrag zufolge wurde die Parzelle Nr. 685 nicht als Bauplatz, sondern als Gartenfläche neben dem Flurstück Nr. 684 verkauft.

Für das Gebiet, in dem die Grundstücke liegen, gibt es keinen Bebauungsplan. Ein früherer Plan wurde am 17. Oktober 1990 durch eine oberverwaltungsgerichtliche Normenkontrollentscheidung für nichtig erklärt; dafür war u.a. eine im Planungsgebiet bestehende Überschwemmungsgefahr maßgeblich. Die Kläger haben vorgebracht, dass das von ihnen erworbene Flurstück Nr. 685 deshalb von Anfang an nicht habe bebaut werden dürfen. Aus einer amtlichen Auskunft der Kreisverwaltung vom 25. Juni 1998 geht hervor, dass eine Baugenehmigung "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht erteilt würde und dass Bauanträge für den Geländeabschnitt nach 1991 abgelehnt worden seien.

Vor diesem Hintergrund sehen sich die Kläger, die die Beklagten bereits im Vorfeld des hiesigen Rechtsstreits auf Schadensersatz wegen unzureichender Gebäudeisolierung verklagt hatten und damit in zwei Instanzen unterlegen waren, arglistig getäuscht und machen nunmehr wegen mangelnder Bebaubarkeit der Parzelle Nr. 685 eine Ausgleichsforderung von 109.250 DM geltend. Sie haben behauptet, dass die Beklagten von einem vorhandenen Bebauungshindernis gewusst hätten. In diesem Zusammenhang haben sie auf eine 1991 von den Beklagten erhobene Amtshaftungsklage verwiesen, in der bereits einleitend auf die Normenkontrollentscheidung vom 17. Oktober 1990 abgehoben worden war. Die Beklagten haben ein grundsätzliches Bebauungshindernis bestritten und überdies eingewandt, dass die Bebaubarkeit des Flurstücks Nr. 685 im Hinblick auf den Vertragszweck belanglos gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil die Parzelle Nr. 685 nicht bebaut werden könne und die Beklagten dies bei Abschluss des Kaufvertrags zumindest für möglich erachtet hätten.

Das greifen die Beklagten mit der Berufung an und erstreben die Abweisung der Klage. Sie halten daran fest, dass das Grundstück Nr. 685 nicht als Baugrund verkauft worden sei. Im Übrigen sei allgemein bekannt gewesen, dass Hochwassergefahren bestanden hätten und dass der ursprüngliche Bebauungsplan durch das Oberverwaltungsgericht für nichtig erklärt worden sei. Davon hätten auch die Kläger gewusst.

Demgegenüber verteidigen die Kläger die erstinstanzliche Entscheidung. Sie bringen ergänzend vor, dass die Beklagten außer über die fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks Nr. 685 auch über die vorhandene Überschwemmungsgefahr getäuscht hätten. Der Kaufvertrag enthalte insoweit falsche Angaben zu vergangenen Hochwasserschäden. Dem setzen die Beklagten entgegen, dass die Überschwemmungsgefahr jedenfalls beseitigt sei; damit sei mittlerweile auch die Bebaubarkeit gewährleistet.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich ihrer Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist ohne Erfolg. Das Landgericht hat das Zahlungsverlangen der Kläger zutreffend dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

1. Die mit der Klage geltend gemachte Ersatzforderung stützt sich darauf, dass die verkauften Grundstücke in ihrem Wert hinter dem zurückgeblieben seien, was die Beklagten vertraglich zugesagt hätten, und dass die Beklagten deshalb verpflichtet seien, den damit verbundenen Wertunterschied auszugleichen. Diese Sicht der Dinge erweist sich als richtig. Denn der streitige Grundbesitz war mit Mängeln behaftet, weil er nach den Parteiabsprachen weithin vor Überschwemmungen sicher und damit taugliches Bauland sein sollte, tatsächlich aber in nicht unerheblichem Maße hochwasserbedroht und, damit zusammenhängend, nicht bebaubar war.

a)

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde nicht nur die bereits bebaute Parzelle Nr. 684, sondern auch die Parzelle Nr. 685 als Baugelände verkauft. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parzelle Nr. 685 von den Parteien eigens als Bauplatz angesprochen wurde, indem ihr - wie die Kläger behaupten -übereinstimmend die Bezeichnung zugedacht war, die sich im schriftlich niedergelegten Kaufvertragstext bei der Parzelle Nr. 684 findet. Vielmehr war die Parzelle Nr. 685 vereinbarungsgemäß auch dann Baugrund, wenn die ihr schriftlich zugeordnete Angabe, es handele sich um eine Gebäude- und Freifläche, nicht auf einer Verwechslung mit der Parzelle Nr. 684 beruhte. In diesem Fall ergibt sich nämlich aus den Umständen (§§ 133, 157 BGB), dass es sich um ein Baugrundstück handeln sollte:

Das Grundstück befand sich in einem Gebiet, in dem - wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat - zahlreiche Häuser standen. Es gab keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass die Parzelle Nr. 685 hier eine Sonderrolle einnehmen sollte und sich - wie die Beklagten meinen - in ihrer Funktion darin erschöpfen würde, Gartengelände für die Parzelle Nr. 684 zu bilden. Denn sie lag ebenso wie diese unmittelbar an der Straße. Dementsprechend hat sich auch die beurkundende Notarin in einer zu den Akten gereichten schriftlichen Erklärung vom 26. Mai 1998 geäußert. Darin heißt es, dass der Vertrag hätte geändert werden müssen, wenn von einer fehlenden Bebaubarkeit die Rede gewesen wäre. Hinweise auf eine solche fehlende Bebaubarkeit ergaben sich nicht etwa schon ausreichend daraus, dass Überschwemmungsrisiken zur Sprache gebracht worden wären. Vielmehr heißt es dazu im notariellen Kaufvertrag im Gegenteil beschwichtigend: "Das Kaufanwesen liegt in einem Gebiet, das in früheren Jahren bei Auftreten von starken Regenfällen hochwassergefährdet war. Der Verkäufer versichert hiermit, dass er von einem Wassereintritt in den Keller einmal, und zwar im Juni 1990, betroffen war. Er hat daraufhin durch bauliche Maßnahmen (Errichtung einer Mauer, Anbringung eines Regenrückstauventiles u.a.) Vorsorge gegen weiteres Eindringen getroffen. Er versichert hiermit, dass seit Abschluss dieser Baumaßnahmen keinerlei Wassereintritt bei Regenfällen in das Grundstück erfolgt ist. Er versichert weiterhin, dass auch vor Abschluss dieser Baumaßnahmen er bzw. das Kaufanwesen nur ein einziges Mal von Hochwassereinfällen betroffen war."

b)

Tatsächlich wich die Parzelle Nr. 685 im Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf die Kläger von diesen Vorgaben ab und war damit mängelbehaftet. Die Kläger haben unwidersprochen vorgetragen, dass es nach 1990 weitere Beeinträchtigungen durch Hochwasser gegeben hatte. Dazu haben sie auf eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung der Beklagten in einem Amtshaftungsrechtsstreit Bezug genommen. Im Hinblick auf diese anhaltende Gefahr war das Grundstück auch nicht bebaubar. Der ursprünglich aufgestellte Bebauungsplan war durch das Oberverwaltungsgericht für nichtig erklärt worden, und in der Folge wurden dann im Umfeld des Grundstücks Nr. 685 keine Bauvorhaben mehr genehmigt. Das ergibt die vom Landgericht eingeholte amtliche Auskunft der Kreisverwaltung vom 25. Juni 1998, in der es heißt, dass ab Mitte 1991 sämtliche Genehmigungsanträge abgelehnt worden seien. Konkret mit Blickrichtung auf die Parzelle Nr. 685 ist vermerkt: "Zum jetzigen Zeitpunkt (Grundstück liegt im ... festgelegten Überschwemmungsgebiet) wird keine Baugenehmigung ... erteilt." Das bestimmte die Qualität des Grundstücks. Anders wäre es nur gewesen, wenn die mitgeteilte Verwaltungspraxis rechtswidrig gewesen wäre und die Baugenehmigung im Verwaltungsrechtsweg hätte erfochten werden können (BGH NJW 1987, 2513). Das ist jedoch vor dem Hintergrund der vom Oberverwaltungsgericht angestellten Erwägungen weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.

2. Die danach vorhandene Fehlerhaftigkeit der Parzelle Nr. 685 löst Mängelgewährleistungsverpflichtungen der Beklagten aus. Der neuerliche Einwand der Beklagten, die Überschwemmungsgefahr sei jetzt gebannt und damit sei auch die Bebaubarkeit hergestellt, ist belanglos, weil die gesetzliche Haftung an die Verhältnisse im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 459 Abs. 1 Satz 1 BGB) anknüpft, also an die Lage bei der Besitzübertragung (§ 446 Abs. 1 BGB) oder auch bei der Grundbuchumschreibung (§ 446 Abs. 2 BGB), die jeweils seit Jahren vollzogen sind. Unbeachtlich ist auch, dass der Kaufvertrag einen generellen Mängelgewährleistungsausschluss vorsieht. Denn die Ausschlussregelung ist im vorliegenden Fall hinfällig, weil die Beklagte der Vorwurf arglistigen Verhaltens trifft. Auf diese von § 476 BGB angeordnete Rechtsfolge ist im Übrigen im Kaufvertrag ausdrücklich Bezug genommen worden.

a)

Die Beklagten wussten aus eigener Anschauung, dass das Grundstück Nr. 685 anhaltend hochwassergefährdet war. Außerdem waren sie von dem oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrollurteil unterrichtet, dessen Kenntnis sogar den Klägern unterstellen, weil es allgemein bekannt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund nahmen sie zumindest billigend in Kauf, dass ein Baugenehmigungsantrag mangels wirksamen Bebauungsplans und angesichts der fortbestehenden Gefahrenlage, die den grundsätzlichen, an der Sicherheit der Wohnverhältnisse orientierten Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts weiterhin Gültigkeit verlieh, keinen Erfolg haben würde.

b)

Umgekehrt waren die Kläger gutgläubig, und das sahen auch die Beklagten. Ihr gegenläufiges Vorbringen, die Kläger seien - ebenso wie sie selbst - über die Lage informiert gewesen und, wenn dies gleichwohl nicht der Fall gewesen sein sollte, hätten sie, die Beklagten, dies zumindest angenommen, ist ohne Substanz: Die Beklagten heben darauf ab, dass die Hochwassergefahr und die damit in Verbindung stehende Normenkontrollentscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1990 offenkundig gewesen seien und deshalb auch in das Bewusstsein der Kläger hätten gelangt sein müssen. Das betrifft indessen nur die Ausgangssituation der Jahre 1990 und 1991 und vermag nichts über die Verhältnisse auszusagen, die 1993 bei Abschluss des Kaufvertrags bestanden. Bezogen auf diesen für die Willensbildung der Kläger entscheidenden Zeitpunkt wurden die Kläger - wenn sie überhaupt grundsätzlich von einem Hochwassereintritt und dem daran anknüpfenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts wussten - in Sicherheit gewiegt, indem ihnen Glauben gemacht wurde, die Lage habe sich mittlerweile entscheidend geändert. Das ergibt sich aus dem bereits zitierten Vertragspassus, in dem davon die Rede ist, dass die Hochwassergefahr "in früheren Jahren" bestanden habe, jetzt aber nicht mehr vorhanden sei. Ob die Kläger die Unrichtigkeit dieser Angabe und die deshalb andauernden Bebauungshindernisse gleichwohl hätten erkennen können und den Beklagten leichtfertigt Glauben schenkten, ist unbeachtlich, weil deren Haftung selbst bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Kläger nicht entfällt (§ 460 BGB).

3. Folge der arglistigen Täuschung ist eine Zahlungspflicht der Beklagten, die darauf gerichtet ist, den Klägern Ausgleich dafür zu verschaffen, dass das Grundstück Nr. 685 vertragswidrig hochwassergefährdet und damit nicht bebaubar war. Insoweit geht es um eine Entschädigung für den von den Klägern angeführten Minderwert, in welchem Umfang die Beklagten Zahlung zu leisten haben, bedarf keiner Entscheidung, da Gegenstand des Berufungsverfahrens allein die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist. Diese Haftung steht indessen fest. Daran vermag das - bestrittene - Vorbringen der Beklagten, die Parzelle Nr. 685 sei aufgrund nunmehr getroffener Sicherungsvorkehrungen hochwassergeschützt und damit neuerlich bebaubar, nichts zu ändern. Dieses Vorbringen kann allenfalls zum Fortfall eines Schadensersatzanspruchs der Kläger gemäß § 463 Satz 2 BGB führen, wenn eine Vergleichsbetrachtung ergibt, dass sich die Vermögensverhältnisse der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anders gestalten, als wenn das Grundstück von vornherein den vertraglichen Vorgaben entsprochen hätte. Es ist jedoch ungeeignet, den gesetzlichen Minderungsanspruch (§§ 462, 472 BGB) der Kläger gänzlich zu beseitigen, weil auch ein Grundstück, das nur für einige Jahre - anders als vertraglich zugesagt - überschwemmungsbedroht ist und nicht bebaut werden kann, geringer zu bewerten ist als ein Grundstück, das insoweit von vornherein keinen Gefährdungen und Beschränkungen unterworfen ist.

4. Nach alledem ist die Berufung mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO zurückzuweisen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird - entsprechend dem Wert der Hauptsache - auf 109.250 DM festgesetzt. In diesem Umfang sind die Beklagten durch das vorliegende Urteil beschwert.

5. Das tatsächliche Vorbringen der Parteien (Kläger im Schriftsatz vom 23. November 1999 und Beklagte in den Schriftsätzen vom 24. und 26. November 1999) gibt keine Veranlassung dazu, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Ende der Entscheidung

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