Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.10.1999
Aktenzeichen: 5 U 1802/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256
Eine zulässig erhobene Feststellungsklage (Verpflichtung zum Schadensersatz wegen mangelhafter Gründung eines Baues) wird nicht dadurch unzulässig, dass im Laufe des Rechtsstreits der Schaden ganz oder teilweise bezifferbar wird.

Eine Ausnahme ist nur geboten, wenn lange vor Beendigung des ersten Rechtszuges die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und der Beklagte deshalb den Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage anregt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 U 1802/98

Verkündet am 06. Oktober 1999

wegen Mängelgewährleistungsansprüchen aus einem Bauvertrag

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Bischof sowie die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach und Weller auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 17. September 1998 teilweise geändert, ergänzt und insgesamt wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 29.524,47 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Februar 1996 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Kosten und Schäden zu ersetzen, die künftig entstehen, wenn am Anbau des Wohnhauses A straße 10 in Wo entsprechend dem Sanierungskonzept des Sachverständigen P (Gutachten vom 15. April 1998 Seiten 26 ff.) die auf der Gründung des Bauwerks in nicht hinreichend tragfähigem Boden beruhenden Mängel behoben werden.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

d) Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:

Die Kläger 76,12 %, der Beklagte 23,88 %.

2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Gestützt auf zwei Privatgutachten (Kosten: 2.653,72 DM und 575,-- DM = 3.228,72 DM) haben die Kläger den beklagten Bauunternehmer wegen mangelhafter Gründung eines Anbaus auf Zahlung von 173.843,27 DM Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Kosten der Privatgutachten sind in diesem Betrag nicht enthalten. Neben dem Zahlungsantrag haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte weitere Schäden aufgrund der mangelhaften Werkleistung ersetzen müsse.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen P eingeholt. Er hält den Abriss und Neubau, den die Privatgutachter vorgeschlagen hatten, nicht für erforderlich und schätzt die Kosten für die Beseitigung der Schäden auf 26.295,75 DM. Diesen Betrag hat das Landgericht den Klägern zuerkannt und daneben festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Schäden zu ersetzen, die durch den Werkmangel entstanden sind. Im Übrigen (weitergreifender Zahlungsantrag) hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte nur gegen den Feststellungsausspruch. Dieser sei zu weit gefasst. Denn er verpflichte ihn, alle zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits entstandenen Schäden zu ersetzen. Diese seien jedoch bezifferbar und könnten daher nicht mehr Gegenstand eines Feststellungsantrages sein. Insbesondere die Kosten der beiden Privatgutachter stünden fest.

Mit ihrer Anschlussberufung erweitern die Kläger den bezifferten Zahlungsantrag um diese Kosten (3.228,72 DM) und begehren die Feststellung, dass der Beklagte alle über die bezifferten Schäden hinausgehenden gegenwärtigen und künftigen Schäden ersetzen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist weitgehend, das Rechtsmittel der Kläger insgesamt begründet.

1.

Indem das Landgericht festgestellt hat, der Beklagte sei verpflichtet, den Klägern alle weiteren Schäden zu ersetzen, die aufgrund des mangelhaften Werkes entstanden sind, hat es die Schadensersatzpflicht nicht hinreichend eingegrenzt. Die Kläger haben ein Sanierungskonzept verfolgt (vollständiger Abriss und Neubau), das nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Michael P im Gutachten vom 15. April 1998 nicht erforderlich ist, um den Schaden zu beseitigen. Dementsprechend musste klargestellt werden, dass der Beklagte den Klägern nur solche weiteren Kosten und Schäden zu ersetzen hat, die in Ausführung des vom gerichtlichen Sachverständigen vorgeschlagenen Sanierungsweges über die von ihm überschlägig geschätzten Kosten hinausgehen.

Das hat der Senat durch Neufassung des Feststellungstenors klargestellt.

Ohne Erfolg rügt der Beklagte dagegen, das Landgericht habe den Klägern mit seinem Feststellungsausspruch auch einen Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Privatgutachterkosten zuerkannt, obwohl insoweit eine Leistungsklage möglich sei.

Richtig ist zwar, dass diese Gutachterkosten im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 5 UA - Bl. 207 GA) erwähnt

sind, was den Schluss nahelegt, der Feststellungstenor erfasse auch diese Schadenspositionen. Die Ausführungen unter IV der Entscheidungsgründe (Seite 8 UA - Bl. 210 GA) ergeben jedoch zweifelsfrei, dass das Landgericht über die Privatgutachterkosten nicht befunden hat,

"da diese bei dem Klageantrag nicht hinzuaddiert worden sind."

Dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen unter V. der Entscheidungsgründe (Feststellungsantrag) entnimmt der Senat, dass das Landgericht die Privatgutachterkosten auch nicht als vom Feststellungstenor umfasst angesehen hat. Daraus folgt, dass die angefochtene Entscheidung den Beklagten in diesem Punkt nicht beschwert, so dass die Berufung mit dieser Rüge nicht durchdringt.

Sie ist auch unbegründet, soweit der Beklagte darauf abhebt, die Kläger müssten in der Lage sein, zumindest einen Teil des von ihnen befürchteten weiteren Schadens zu beziffern, was die Feststellungsklage insoweit unzulässig mache. Grundsätzlich wird eine zulässig erhobene Feststellungsklage während des Prozesses nicht dadurch unzulässig, dass die Leistungsklage möglich wird. Daher braucht der Kläger nicht zur Leistungsklage überzugehen (vgl. BGH WM 1980, 1176, 1177 unter III der Entscheidungsgründe). Eine Ausnahme ist nur geboten, wenn lange vor Beendigung des ersten Rechtszuges die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und der Beklagte deshalb den Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage anregt (BGH a.a.O.). Davon kann hier keine Rede sein.

Nach alledem führt die Berufung der Beklagten lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung des Feststellungsausspruchs.

Die Anschlussberufung der Kläger ist dagegen umfassend begründet.

Da eine Beschwer durch die angefochtene Entscheidung nicht Zulässigkeitsvoraussetzung der Anschlussberufung ist, kann sie auch mit dem Ziel der Klageerweiterung eingelegt werden (Zöller-Gummer, ZPO, 21. Auflage, Rdnr. 22 zu § 521 ZPO m.w.N.).

Dass der Beklagte den Klägern wegen der mangelhaften Werkleistung als Schadensersatz auch die Kosten der beiden vorprozessualen Gutachten erstatten muss, folgt aus § 635 BGB.

Der Einwand des Beklagten, die vorprozessualen Gutachten mit ihrer Schadensschätzung auf immerhin 173.843,27 DM seien mangelhaft, weil nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen feststehe, dass der heute schon bezifferbare Schaden weitaus geringer sei, ist nicht stichhaltig. Die damit behauptete Unbrauchbarkeit der Privatgutachten ließe den Zurechnungszusammenhang nur dann entfallen, wenn für die Kläger mangelnde Sachkunde der eingeschalteten Privatgutachter bei Erteilung des Auftrags oder die Unbrauchbarkeit der Gutachten nach Vorlage derselben erkennbar gewesen wäre. Das zeigt die Berufung des Beklagten nicht auf (vgl. zum Problem: OLG Hamm Recht und Schaden 1996, 183, 184 sowie AG Lahnstein ZfS 1996, 179).

Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Privatgutachten derart mangelhaft sind, dass die Kläger ihren Schaden durch Rückforderung der gezahlten Honorare beseitigen könnten. Denn die Feststellungen und Schlussfolgerungen der beiden Privatgutachter zur Schadensursache sind im Wesentlichen nicht zu beanstanden; aus ihrer Fehleinschätzung des Schadensumfangs kann nicht hergeleitet werden, der Honoraranspruch sei ganz oder teilweise entfallen.

Nach alledem mussten den Klägern die mit der Anschlussberufung erstrebten Privatgutachterkosten antragsgemäß zuerkannt werden.

Die daneben von der Anschlussberufung erstrebte Neufassung des Feststellungstenors deckt sich im Endergebnis weitgehend mit dem Feststellungsausspruch, den der Senat bereits auf die Berufung des Beklagten getroffen hat, so dass die Anschlussberufung insgesamt durchdringt.

3.

Da die Parteien in beiden Instanzen teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen (§ 92 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 ZPO. Dem Hilfsantrag der Kläger auf Vollstreckungsschutz konnte nicht entsprochen werden, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§ 713 ZPO).

4.

Der Senat hat beschlossen, den Streitwertbeschluss des Landgerichts Mainz vom 2. Oktober 1998 (Bl. 214 a GA) aufzuheben. Die Entscheidung ist schon deshalb fehlerhaft, weil die Sache dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen war (§ 348 ZPO), womit die Entscheidungskompetenz der vollbesetzten Zivilkammer endete. Der gleichwohl von drei Richtern unterzeichnete Beschluss vom 2. Oktober 1998 war daher aufzuheben.

Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz war auf 193.843,27 DM festzusetzen. Dabei hat der Senat den Wert des Feststellungsbegehrens mit 20.000,-- DM angenommen, weil dieser Betrag unter Zugrundelegung des Sachvortrags in der Klageschrift vom 3. November 1996 und der Replik vom 11. März 1997 sachgemäß erscheint.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.228,72 DM. Dabei hat der Senat den Wert des Feststellungsantrages im Verfahren 2. Instanz mit lediglich 3.000,-- DM bewertet, weil der Beklagte den Feststellungsausspruch nicht insgesamt, sondern lediglich wegen seiner zu weiten Fassung bekämpft hat.

Die Beschwer beider Parteien beträgt weniger als 60.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

Zurück