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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 24.11.1999
Aktenzeichen: 5 U 689/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 518 IV
BGB § 1943
1) Nimmt die Geschäftsstelle ein nicht unterschriebenes Exemplar der Berufungsschrift zu den Akten und leitet sie das unterschriebene Original der Berufungsschrift an den Gegner weiter, so ist die Berufung zulässig, auch wenn jetzt kein unterschriebenes Berufungsexemplar mehr in den Akten enthalten ist.

2) Die Annahme der Erbschaft kann konkludent erfolgen.

Soweit der "vorläufige" Erbe rechtsgeschäftliche Verfügungen vorgenommen oder vorbereitet hat, sind solche Maßnahmen nur dann nicht als Bestätigung des erbrechtlichen Annahmewillens anzusehen, wenn sie der Fürsorge für den Nachlass dienen.

Es geht über eigene Sicherungsmaßnahmen hinaus, wenn ein Erbe an Stelle des Erblassers, der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung war, nach dessen Ableben unter Hinweis auf das Testament nunmehr als Versicherungsnehmer rechtsgeschäftliche Erklärungen abgibt. Darin liegt dann die Annahme der Erbschaft.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 U 689/99

Verkündet am 24. November 1999

In dem Rechtsstreit

wegen Erbschaftsforderungen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller

auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 24. März 1999 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 25.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft eines als Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstitutes erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten den Pflichtteil und zur Bezifferung eines etwaigen Ergänzungsanspruchs Auskunft und dementsprechende Zahlung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist der Vater des Beklagten. Dessen am 30. Mai 1995 verstorbener Großvater (im Folgenden: Erblasser) hatte testamentarisch den Kläger, seinen Sohn, zum nichtbefreiten Vorerben und den Beklagten zum Nacherben eingesetzt. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück in Mainz. An diesem Hausgrundstück bestellte der Erblasser testamentarisch seiner 1927 geborenen Lebensgefährtin den lebenslangen Nießbrauch.

Die Parteien streiten, ob der Kläger die Erbschaft angenommen und später wirksam ausgeschlagen hat und der Beklagte ihm daher als nunmehr berufener Erbe den Pflichtteil schuldet.

In einer "Erbenerklärung" gegenüber der H Lebensversicherung (Bl. 95 GA) erklärte der Kläger am 23. Juni 1995 die Vertragsübernahme einer vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherung. Darin sieht der Beklagte die Annahme der Erbschaft.

Am 29. Juni 1995 teilte der anwaltlich vertretene Kläger dem zuständigen Nachlassgericht mit, er wolle derzeit "noch keine Erklärung bezüglich der Annahme der Erbschaft, der Anfechtung des Testaments u.a." abgeben (Bl. 15 d.A. 4 IV 79/65 AG Mainz).

Eröffnet wurde das Testament am 7. August 1995 in Abwesenheit der Beteiligten. Dem Bevollmächtigten des Klägers wurde die letztwillige Verfügung sodann am 12. September 1995 bekannt gemacht (Bl. 42 Rs./44 a.a.O.). Hiernach hat der Kläger die Erbschaft am 12. Oktober 1995 formwirksam "unter dem Vorbehalt des Erhalts des Pflichtteils" ausgeschlagen (Bl. 2 d.A. 4 VI 989/95 AG Mainz).

Der Beklagte beantragte hiernach mit Erfolg einen Erbschein und teilte dem Kläger unter dem 11. April 1996 mit, sein Pflichtteilsanspruch werde "dem Grunde nach anerkannt" (Bl. 126 GA).

Der Kläger hat vorgetragen, mangels Annahme der Erbschaft sei die Ausschlagung wirksam. Da der ihm testamentarisch zugewandte Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteige, könne er den Pflichtteil verlangen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser betrage 361.722,97 DM. Den Pflichtteilsanspruch habe der Beklagte durch das Anwaltsschreiben vom 11. April 1996 anerkannt. Deswegen schulde der Beklagte auch die begehrte Auskunft, damit ein denkbarer Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen beziffert werden könne (§ 2325 BGB).

Der Beklagte hat erwidert, der Kläger sei kraft Annahme Erbe. Das ergebe sich aus der "Erbenerklärung" gegenüber der Deutscher H Lebensversicherung-AG. Von dieser Erklärung habe er - Beklagter - erstmals am 10. Oktober 1997 erfahren (Bl. 95 oben GA). Das Anerkenntnis vom 11. April 1996 werde daher ebenso angefochten, wie alle anderen Erklärungen im Zusammenhang mit der Erbschaftsannahme. Auch die Forderungshöhe werde bestritten. Über etwaige Schenkungen sei der Kläger als Sohn des Erblassers informiert. Letztlich müsse bei der Berechnung des Nachlasswertes der Nießbrauch abgezogen werden, weil er auf lange Zeit einen Ertrag aus dem Hausgrundstück ausschließe.

Das Landgericht hat zum Umfang der Erbschaft Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben und dem Kläger durch das angefochtene Teilurteil einen Pflichtteil von 354.363,47 DM zuerkannt. Weiter hat es den Beklagten zur Auskunft über Schenkungen des Erblassers innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB verurteilt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ob der Kläger die Erbschaft angenommen und später wirksam ausgeschlagen habe, könne dahinstehen. Denn der Beklagte schulde den Pflichtteil, weil er diesen Anspruch des Klägers durch das Schreiben vom 11. April 1996 anerkannt habe. Die insoweit erklärte Anfechtung greife mangels Anfechtungsgrund nicht.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Durch die Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 gegenüber der Lebensversicherung des Erblassers habe der Kläger die Erbschaft wirksam angenommen. Für eine Anfechtung der Annahme und die später erklärte Ausschlagung sei kein Raum, zumal die Ausschlagung verfristet sei. Da der Kläger Erbe sei, stehe ihm der begehrte Pflichtteil nicht zu. Daran ändere das "Anerkenntnis" vom 11. April 1996 nichts. Denn zu diesem Zeitpunkt habe er nicht gewusst, dass der Kläger die Erbschaft am 23. Juni 1995 bereits angenommen hatte. Nach Kenntniserlangung (10.10.1997) habe er das Anerkenntnis wirksam, insbesondere fristgemäß angefochten. Im Übrigen sei aber auch dessen Geschäftsgrundlage entfallen; jedenfalls könne es kondiziert werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mainz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

ihm nachzulassen, Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Spar- oder Raiffeisenkasse oder Volksbank erbringen zu dürfen.

Er trägt vor, durch die Erklärung vom 23. Juni 1995 habe er die Erbschaft nicht angenommen. Vielmehr habe es sich nur um eine vorläufige Maßnahme zur Sicherung des Nachlasses gehandelt, weil bei Nichtzahlung der Folgebeiträge eine Kündigung der Lebensversicherung gedroht habe. Sehe man das anders, sei die Annahme jedenfalls durch die wirksame Ausschlagung vom 12. Oktober 1995 angefochten. Damit sei der Beklagte Erbe geworden, der seinerseits das Anerkenntnis vom 11. April 1996 nicht mehr anfechten könne, weil er sich die im März 1996 erlangte Kenntnis der Testamentsvollstreckerin zurechnen lassen müsse. Daher sei die Anfechtung auf jeden Fall verfristet, im Übrigen aber auch nicht gegenüber dem allein zuständigen Nachlassgericht erklärt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Folgende Nachlassakten des Amtsgerichts Mainz waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung:

4 IV 79/65, 4 VI 1078/95, 4 VI 139/96, 4 VI 193/96, 4 VI 989/95.

Auch auf den Inhalt dieser Akten verweist der Senat.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Zwar trägt die ursprünglich zu den Akten genommene Berufungsbegründungsschrift keine Unterschrift (Bl. 235 GA). Das ist jedoch unschädlich, weil durch die später zu den Akten gereichte Berufungsbegründung (Bl. 314/316 GA) bewiesen ist, dass eine mit Unterschrift versehene Berufungsbegründung am 5. Juli 1999 bei dem Oberlandesgericht Koblenz vorlag (Bl. 316/327 GA). Damit war die Berufung wirksam entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen begründet. Dass die Geschäftsstelle das unterschriebene Original der Berufungsbegründung an den Gegner weitergeleitet und stattdessen das nichtunterschriebene Exemplar zu den Gerichtsakten genommen hat, ist unschädlich. Da die Berufung demnach wirksam begründet wurde, bedarf es keiner Entscheidung über den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten.

Die Berufung ist auch begründet. Pflichtteilsansprüche stehen dem Kläger nicht zu, weil er Erbe seines am 30. Mai 1995 verstorbenen Vaters geworden ist und die Erbschaft angenommen hat, so dass er seinen Erbteil später nicht mehr wirksam ausschlagen konnte. Die Klage musste daher unter Änderung des angefochtenen Teilurteils insgesamt abgewiesen werden. Im Einzelnen:

Nach § 1943 BGB kann der Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat. Die Annahme der Erbschaft ist in der Erbenerklärung des Klägers vom 23. Juni 1995 zu sehen (Bl. 95 GA), die dem Lebensversicherer ausweislich des Schreibens vom 8. März 1996 (Bl. 160 GA) auch zugegangen ist.

Die Berufungserwiderung will das nicht gelten lassen und meint, bei der "Erbenerklärung" habe es sich nur um eine vorläufige Maßnahme zur Sicherung des Nachlasses gehandelt. Dem kann nicht gefolgt werden.

Wie die Annahme einer Erbschaft zu erfolgen hat, ist im BGB nicht geregelt. Da die Annahme keiner Form unterliegt, kann sie konkludent erklärt werden, nämlich durch Handlungen, die den Annahmewillen dokumentieren (pro herede gestio). Soweit der "vorläufige" Erbe rechtsgeschäftliche Verfügungen vorgenommen oder vorbereitet hat, sind solche Maßnahmen nur dann nicht als Betätigung des erbrechtlichen Annahmewillens anzusehen, wenn sie der Fürsorge für den Nachlass dienen. Dies ergibt sich aus § 1959 BGB. Maßnahmen des "vorläufigen" Erben, die den Nachlass bloß sichern oder seinen Bestand erhalten sollen, dürfen nicht als Ausdruck des Willens, die Erbschaft behalten zu wollen, gedeutet werden. Erforderlich ist vielmehr eine Handlung, die den Willensentschluss belegt, die Erbschaft nicht bloß einstweilen zu verwalten, sondern endgültig behalten zu wollen.

Diese Willensentschließung hat der Kläger durch seine Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 (Bl. 95 GA) zum Ausdruck gebracht. Versicherungsnehmer der Lebensversicherung Nr. war der Erblasser, versichert war der Kläger (Bl. 96 GA). Als Bezugsberechtigten nach seinem Ableben und dem Ableben des Versicherten hatte der Erblasser seinen Enkel, den Beklagten, eingesetzt. Eine Bezugsberechtigung der Ehefrau des Klägers hatte der Erblasser ausdrücklich ausgeschlossen (Bl. 96 GA). Indem der Kläger seine Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 ausdrücklich unter Hinweis auf das Testament des Erblassers mit der Erklärung verband, nunmehr

"als Versicherungsnehmer"

alle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu übernehmen und weiterhin bestimmte, dass nunmehr für den Todesfall seine Ehefrau Renate W begünstigt sein solle (Bl. 95 GA), traf er eine nur dem Erben als materiell Berechtigten zustehende Anordnung, die über eine Maßnahme der bloßen Nachlasssicherung weit hinausging. Dadurch hat der Kläger die Erbschaft angenommen.

Die Berufungserwiderung will das nicht gelten lassen und meint, dem Kläger sei es nur darum gegangen, die Lebensversicherung vorläufig bestehen zu lassen, nachdem die Testamentsvollstreckerin gedroht habe, den Versicherungsvertrag zu kündigen.

Das ist nicht stichhaltig. Der Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 ist wegen des Zusatzes

"siehe beigefügtes Testament" (Einzahl)

nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Kläger der Lebensversicherung nur das erste Testament vom 28. Januar 1985 (Bl. 12 - 15 GA) oder auch das zweite Testament vom 15. Oktober 1986 (Bl. 16 - 18 GA) vorlegte. Diesbezügliche Zweifel sind jedoch dadurch ausgeräumt, dass der Erblasser im ersten Testament seiner Lebensgefährtin lediglich eine monatliche Rente von 500,-- DM vermacht hatte (Bl. 14 GA). Zur Testamentsvollstreckerin hatte der Erblasser Frau Frieda R in der letztwilligen Verfügung vom 28. Januar 1985 noch nicht bestimmt. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung erfolgte erst im Testament vom 15. Oktober 1986, durch das der Erblasser sein Vermächtnis zugunsten der Lebensgefährtin in einen lebenslangen Nießbrauch an dem Hausgrundstück änderte. Die in § 3 des Testaments angeordnete Testamentsvollstreckung ist auf "das vorstehend ausgesetzte Vermächtnis" beschränkt (Bl. 18 GA). Da der Kläger einerseits vorträgt, am 23. Juni 1995 in der Angst vor einer Kündigungserklärung der Testamentsvollstreckerin gehandelt zu haben, andererseits jedoch nicht behauptet, ihm sei die Beschränkung der Testamentsvollstreckung auf das ausgesetzte Vermächtnis (den Nießbrauch) nicht bekannt gewesen, ist sein Erklärungsversuch nicht stichhaltig. Denn zur Kündigung der Lebensversicherungsverträge des Erblassers war die Testamentsvollstreckerin nach § 3 der letztwilligen Verfügung vom 15. Oktober 1986 (Bl. 18 GA) ersichtlich nicht befugt. Da der Kläger nur wenige Tage nach seiner Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 dem Nachlassgericht am 29. Juni 1995 beide Testamente unter Hinweis auf die "beschränkte" Testamentsvollstreckung vorlegte (Bl. 15 d.A. 4 IV 79/65 AG Mainz), ist der Senat überzeugt, dass ihm auch schon sechs Tage zuvor bekannt war, dass die Testamentsvollstreckerin keinerlei Handhabe hatte, die vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherungen zu kündigen. Die von der Berufungserwiderung behauptete dahingehende Besorgnis des Klägers entbehrt daher zur Überzeugung des Senats einer tatsächlichen Grundlage. Die Erbenerklärung kann daher nur als Annahme der Erbschaft verstanden werden (§ 1943 BGB) und ist von der Versicherungsgesellschaft zu Recht auch dementsprechend behandelt worden (Bl. 160 GA). Ihrem Schreiben vom 8. März 1996 ist im Übrigen zu entnehmen, dass der Kläger auch das Testament vom 15. Oktober 1986 vorgelegt hat.

Aus der demgegenüber von der Berufungserwiderung bemühten Entscheidung des Oberlandesgerichts Königsberg (Bl. 374 - 377 GA) lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten, weil der dort zu beurteilende Sachverhalt mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar ist, der eher der in OLG 16, 40 f. abgedruckten Entscheidung des Kammergerichts entspricht (Bl. 378/379 GA).

Die Annahme der Erbschaft durch die Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 hat der Kläger auch nicht wirksam wegen Irrtums angefochten. Die Berufungserwiderung sieht die Anfechtungserklärung in der Ausschlagung der Erbschaft am 12. Oktober 1995. Die dagegen von der Berufung vorgebrachten formellen Einwände hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Da die Testamente am 7. August 1995 in Abwesenheit der Beteiligten eröffnet wurden, begann die 6-wöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB erst mit der Bekanntmachung am 12. September 1995. Die Ausschlagung vom 12. Oktober 1995 ist daher nicht verfristet.

Soweit der Kläger in der Ausschlagungserklärung vom 12. Oktober 1995 eine Anfechtung der Annahme sieht, lässt der Senat die Frage offen, ob die 6-wöchige Anfechtungsfrist des § 1954 Abs. 1 BGB gewahrt ist. Denn die Anfechtung scheitert am fehlenden Anfechtungsgrund. Der Senat ist aus den bereits dargestellten Gründen überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Kläger von dem lebenslangen Nießbrauch der Lebensgefährtin des Erblassers (Bl. 17 GA) wusste, als er die Erbenerklärung vom 23. Juni 1995 abgab. Ein Eigenschaftsirrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB) des Nachlasses kommt daher nicht in Betracht. Auch einen Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 Abs. 1, 1. Alternative BGB) zeigt die Berufung nicht auf. Inhaltlich bedeutet die Annahme einer Erbschaft den Verzicht auf das Ausschlagungsrecht. Ein Wille, der die rechtliche Bedeutung und Tragweite eines sich objektiv als Annahme darstellenden Verhaltens voll erfasst, kann deshalb begrifflich nur dann vorhanden sein, wenn der Erbe das Rechtsinstitut der Ausschlagung an sich kennt. Dass diese Kenntnis seinerzeit beim Kläger vorhanden war, entnimmt der Senat dem Anwaltsschreiben vom 29. Juni 1995, durch das er dem Nachlassgericht mitteilte, er wolle derzeit "noch keine Erklärung bezüglich der Annahme der Erbschaft, der Anfechtung des Testaments o.a." abgeben (Bl. 15 d.A. 4 IV 79/65 AG Mainz). Die Tatsache, dass der Kläger damit die bereits erfolgte Annahme der Erbschaft verschleierte, ist für die Frage, ob er sich bei der Annahme in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befand, bedeutungslos.

Letztlich kann die angefochtene Entscheidung auch nicht mit der vom Landgericht angestellten Erwägung bestätigt werden, der Beklagte habe durch das Anwaltsschreiben vom 11. April 1996 (Bl. 126 GA) die Pflichtteilsansprüche des Klägers anerkannt. Grundlage dieser Erklärung war die Fehlvorstellung des Beklagten, der Kläger habe die Erbschaft am 12. Oktober 1995 wirksam ausgeschlagen. Bei dieser Sachlage ist ein aufgrund des Schreibens vom 11. April 1996 zustande gekommener Vertrag der Parteien gegebenenfalls nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam, jedenfalls steht dem Beklagten insoweit ein auf umfassende Freistellung gerichteter Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 2 i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB zu.

Nach alledem musste die Klage unter umfassender Änderung der angefochtenen Entscheidung mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgewiesen werden. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 370.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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