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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: 5 U 786/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 288
BGB § 291
BGB § 463
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 U 786/02

Verkündet am 28. November 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes aus Kaufvertrag.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach sowie die Richter am Oberlandesgericht Weller und Stein auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. April 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.982,81 EUR nebst 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14. August 2001 zu zahlen.

Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger beansprucht von dem Beklagten Schadensersatz, weil er beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs des Typs Porsche arglistig getäuscht worden sei.

In der von den Parteien benutzten vorformulierten Vertragsurkunde vom 5. Juli 2000, die einen Gewährleistungsausschluss enthält, ist unter der Rubrik "Unfallschaden" handschriftlich eingesetzt: "Kotflügel vorne rechts wurde ersetzt".

Der Wagen- ursprünglich ein Vorführwagen des P......-Z....... in F........ - hatte am 28. Mai 1997 einen schweren Unfall erlitten. Die Reparaturkosten hätten nach einem Kostenvoranschlag über 135.000 DM betragen. Das Fahrzeug wurde mehrfach unrepariert weiterverkauft und dann vom Zeugen F......... repariert. Dieser verkaufte es an den Beklagten. In den schriftlichen Kaufvertrag vom 28. Januar 1990 wurde aufgenommen: "Pkw war vorne rechts unfallbeschädigt".

Der Beklagte wendet ein, ihm sei von F......... erklärt worden, dass das Fahrzeug vorne rechts unfallbeschädigt und dass lediglich vorne rechts der Kotflügel ersetzt worden sei. Das habe er dem Kläger unter Vorlage des Kaufvertrages so mitgeteilt, worauf dieser in den Kaufvertrag vom 5. Juli 2000 den Vermerk über die Ersetzung des Kotflügels aufgenommen habe.

Das Landgericht hat nach der Vernehmung des Zeugen F......... die Klage abgewiesen mit der Begründung, es liege keine arglistige Täuschung vor. Der Beklagte habe an den Kläger genau den Informationsstand weitergegeben, den er zuvor vom Zeugen F......... erhalten habe.

Gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, ihm sei nur erklärt worden, dass man den Kotflügel ausgetauscht habe. Das sei im Hinblick auf die Vorschäden und die Reparaturarbeiten, die der Zeuge F......... geschildert habe, verharmlosend, ins Blaue hinein und ohne tragfähige Grundlage erfolgt. Dies rechtfertige den Entwurf der Arglist.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB, denn dieser hat ihn über einen Fehler des verkauften Fahrzeugs arglistig getäuscht.

1. Das Fahrzeug ist fehlerhaft.

Der Wagen hatte unstreitig einen schweren Unfall gehabt. Das vom P......-Z...... eingeholte Gutachten ermittelte die voraussichtlichen Reparaturkosten mit über 135.000 DM bei einem Wiederbeschaffungswert von 145.000 DM und einem Wert des Wagens in unrepariertem Zustand von 30.000 DM.

Damit liegt zwar noch kein wirtschaftlicher Totalschaden vor (vgl. dazu Palandt, BGB, 61. Aufl., § 251 Rn. 15). Die Schäden müssen aber so erheblich gewesen sein, dass der Wagen praktisch neu aufgebaut werden musste.

Ein solcher Unfallschaden stellt als Vorschaden einen erheblichen und Offenbarungspflichtigen Fehler dar, unabhängig davon, ob die Schäden fachgerecht beseitigt worden sind (vgl. dazu Rheinking/Eggert, Autokauf, 7. Aufl., Rn. 1886-1890 m.w.N.).

Aber noch nicht einmal das ist erfolgt, wenn man die ausweichenden Antworten des Zeugen F......... zur Kenntnis nimmt, der angeblich nicht mehr wusste, was damals beschädigt war, der immerhin aber einräumte, das Auto sei auf der Richtbank gewesen.

2. Der Kläger ist getäuscht worden.

Die Kaufvertragsurkunde vom 5. Juli 2000, die beide Parteien unterschrieben haben, begründet die Vermutung, dass das Erklärte richtig und vollständig beurkundet worden ist (§ 416 ZPO). Die Beweislast für außerhalb der Urkunde liegende Umstände trifft die Partei, die sich darauf beruft (BGH NJW 1999, 1702/1703).

Es gilt daher die Vermutung, dass über die Erklärung hinaus "Kotflügel vorne rechts wurde ersetzt" keine weiteren Angaben zu "Unfallschäden" gemacht worden sind.

Dabei ist es unerheblich, welche der Parteien die handschriftliche Erklärung eingefügt hat, da es nur darauf ankommt, dass die über der Unterschrift befindliche Schrift mit dem Willen des Ausstellers dort steht (BGH MDR 1988, 770).

Das stellt der Beklagte nicht in Abrede. Er bringt über den Urkundeninhalt hinaus jedoch vor, er habe auch mitgeteilt, dass es sich um ein vorne rechts unfallbeschädigtes Fahrzeug handele und habe dem Kläger bei Abschluss des Vertrages den mit F......... abgeschlossenen Vertrag gezeigt, in dem der Unfallschaden vorne rechts vermerkt sei.

Dieses Vorbringen hat der Beklagte nicht unter Beweis gestellt, so dass dem nicht nachzugehen ist.

Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. November 2002 auf die anschließend durch Telefax übermittelte Vertragsurkunde des Vertrages zwischen ihm und F......... verweist, kann der Vortrag keine Berücksichtigung finden (§ 296a ZPO).

Die Aussage, "Kotflügel wurde ersetzt", trifft zu einem Offenbarungspflichtigen Unfallschaden und dessen Umfang keine nachprüfbare und verwertbare Aussage, denn die Ersetzung des Kotflügels muss nicht mit einem Unfallereignis in Zusammenhang stehen und kann durch viele, auch banale Gründe bedingt sein.

Sie ist die typisch bagatellisierende Antwort, die darauf angelegt ist, den Käufer im unklaren zu lassen, um zu vermeiden, dass dieser bei wahrheitsgemäßen Angaben vom Kauf Abstand nimmt oder den Preis herunterhandelt (vgl. im Einzelnen Rheinking/Eggert Rn. 1881 ff m.w.N. bei Rn. 1884; BGH NJW-RR 1987, 436/437).

In diesem vom Beklagten erregten Irrtum, dass nämlich kein Offenbarungspflichtiger Unfallschaden vorhanden war, hat der Kläger das Kraftfahrzeug erworben.

3. Der Beklagte hat sich arglistig verhalten.

Arglist ist gegeben, wenn der Handelnde die den Fehler ausmachenden Tatsachen gekannt oder wenigstens für möglich gehalten hat (vgl. im Einzelnen Rheinking/Eggert Rn. 1856 ff m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Hier war dem Beklagten bekannt, dass der Wagen einen Unfallschaden zumindest vorne rechts gehabt hatte. Diese Kenntnis hat der Beklagte schon in erster Instanz eingeräumt.

Unter diesen Umständen - und da die Frage der Unfallfreiheit zwischen den Vertragsparteien erörtert wurde - war der Beklagte verpflichtet, alles was er über den Unfallschaden wusste, dem Kläger mitzuteilen. Es kann nicht dem Ermessen des Verkäufers überlassen bleiben, den erlittenen Schaden für unerheblich, für den Käufer nicht wesentlich und deshalb nicht der Mitteilung für wert zu erachten (BGH NJW 1977, 1914/1915). Der Beklagte musste daher, um den Vorwurf der Arglist zu vermeiden, dem Kläger mitteilen, was ihm über Unfallschäden bekannt gegeben war, um dem Kläger den Entschluss zu überlassen, ob er den Wagen überhaupt bzw. zum angebotenen Preis erwerben wolle (vgl. BGH a.a.O.).

Der Beklagte hat den Unfallschaden vorne rechts nicht mitgeteilt, sondern nur bagatellisierend und ohne nachprüfbaren Tatsachenkern die Auswechslung des Kotflügels angesprochen.

Dieses Verhalten ist arglistig, lässt den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss entfallen (§ 476 BGB) und rechtfertigt den der Höhe nach unstreitigen Schadensersatzanspruch.

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 13.982,81 EUR.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen.

Ende der Entscheidung

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