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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.02.1999
Aktenzeichen: 5 U 833/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 909
§ 909 BGB

(Beseitigung von Felsgeröll ist keine Grundstücksvertiefung)

Eine Vertiefung eines Grundstücks ist nicht gegeben, wenn bei Anlegung eines Parkplatzes Geröll, das sich von einem Felsen gelöst hatte, allerdings wieder grün bewachsen war, weggeräumt wird.

OLG Koblenz Urteil 11.02.1999 - 5 U 833/98 - 4 O 171/94 LG Trier


Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1999 durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 3. April 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Beweiswürdigung die Klage abgewiesen. Das Vorbringen in der Berufung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Haupt- und Hilfsbegehren (Beseitigung und Schadenersatz, §§ 1004 und 823 Abs. 2 BGB) setzen voraus, dass die Beklagten das Grundstück, auf dem der Parkplatz angelegt wurde, unzulässig vertieft haben (§ 909 BGB). Das ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.

§ 909 BGB will die Festigkeit des Bodens eines in fremdem Eigentum stehenden Nachbargrundstücks schützen. Der Grundstückseigentümer hat somit ein Recht zur Grundstücksvertiefung, soweit sie innerhalb der Grenzen seines Eigentums erfolgt. Dabei sind gemäß § 909 BGB über § 1004 BGB hinaus aber solche Vertiefungen auf dem eigenen Grundstück unzulässig, die dem Nachbargrundstück die erforderliche Stütze entziehen. Eingriffe in die natürliche, bodenphysikalische Stütze, die sich die angrenzenden Grundstücke gegenseitig gewähren, sind daher nach § 909 BGB verboten.

Unter Grundstück im Sinne des § 909 BGB ist jedoch allein der Erdkörper mit seinen natürlichen Bestandteilen zu verstehen. Durch Aufschüttungen (künstlich) zugefügte Erdmassen gehören nur dann zum vertiefungsrechtlichen Grundstücksbegriff, wenn und soweit sie im Bereich einer gewöhnlichen Zweckwidmung liegen (Münchener Kommentar-Säcker, 3. Aufl., § 909 BGB, Rdnrn. 1, 5). Unanwendbar ist § 909 BGB daher beispielsweise bei Enttrümmerungsarbeiten, soweit sich diese auf oberirdische Abbruchmaßnahmen beschränken (Münchener Kommentar aaO, Rdnr. 12).

Die Abgrenzung dahin, ob eine unzulässige Vertiefung oder eine zulässige Wegnahme von Aufschüttungen vorliegt, hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil von 1972 in einem ähnlich gelagerten Fall herausgearbeitet (BGH LM zu § 909 BGB Nr. 14). Danach ist entscheidend, ob bei den damaligen Straßenbauarbeiten der natürlich gewachsene Hang angeschnitten worden ist, so dass der Fels auf dem Grundstück der Kläger seine Stütze verlor oder ob der Fels schon zuvor abgerutscht und durch Aufschüttung sich "über die Grundstücksgrenze hinaus erweitert hatte". Wurde bei der Baumaßnahme der Fels in seinem gewachsenen Bestand derart verändert, dass das Grundstück der Kläger seine Stütze verlor, so lag eine unzulässige Vertiefung vor. Zulässig war es aber, eine durch lose herabrutschendes Erd- und Schiefermaterial entstandene rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten zu beseitigen, auch wenn dadurch ein Stützverlust des Grundstücks der Kläger eintrat (BGH aaO).

Der Senat ist überzeugt, dass bei der Anlegung des Parkplatzes nicht in den gewachsenen Fels hineingebaggert wurde, vielmehr lediglich Geröll, Müll bzw. die "Runkelrübenmiete" abgeräumt wurde.

Die Kläger stellen mit ihrer Berufung vorwiegend auf die Aussage des Zeugen B. und auf Fotos ab, die den Zustand vor dem Ausbau der Straße belegen sollen (BB S. 6,7; 316, 317 GA). Diese Sichtweise vernachlässigt die Aussagen der anderen Zeugen und das Gutachten des Sachverständigen Müller.

Zwar hat der Zeuge Ba. (Baggerführer) ausgesagt, es sei in den Berg hinein ausgebaggert, ca. 100 - 150 cbm Boden seien weggenommen und die Parkfläche etliche Meter in den Berg hinein verschoben worden. Dem entgegen stehen jedoch die Aussagen der Zeugen Follmann (Polier) und Klingler (Bauaufseher), die übereinstimmend bekundet haben, im Bereich des Parkplatzes seien von dem Hanggelände nur herabgefallenes Geröll und verwittertes Gestein entfernt worden. Festes Material sei nicht weggenommen worden. Der Zeuge Follmann sprach von 80 - 100 cbm herabgefallenem Geröll.

Dass die Aussagen Follmann und Klingler verlässlich sind, entnimmt der Senat auch den Angaben der Zeugen Oster und Gerlach. Danach verlief der Hang damals flach ansteigend und in dem Bereich, in dem heute der Jägerzaun sich befindet, lag eine, allerdings zugewachsene, Runkelrübenmiete. Das bedeutet, dass der Fels damals tatsächlich nicht bis an die Straße heranreichte. Allerdings konnte es dem flüchtigen Betrachter auf Grund des vor der Felswand lagernden (bewachsenen) Gerölls und Mülls so erscheinen, als würde die Felswand flacher verlaufen als heute. Das erklärt die Aussage des Zeugen Bastgen und die Fotografien, die den Klägern nur scheinbar Recht geben.

So hat auch der Sachverständige, der bei der Vernehmung der Zeugen zugegen war und die alten Fotos gesehen hat, Nachfolgendes festgestellt:

"Der Fels, der in der Böschung an der Ostseite des neuen Parkplatzes ansteht, hat keine große Festigkeit Durch den Einfluss der Witterung werden die Bindekräfte zwischen den einzelnen gröberen Bestandteilen des Konglomerats schnell aufgelöst, so dass die Felsoberfläche angegriffen und zerstört wird. Die herabfallenden Teile sammeln sich zuerst am Fuße der Böschung und dann vor der Böschung, und dadurch entsteht im Laufe der Zeit vor der Felsböschung ein Schuttkegel, der flacher geneigt ist als die dahinter anstehende Felsböschung. Durch das herabgefallene Material, den sogenannten Schuttkegel, wird die Oberfläche der Felsböschung vor weiteren Einflüssen der Witterung geschützt, so dass die Böschung dann ausreichend standsicher ist. Wenn man einen derartigen Schuttkegel vor einer witterungsempfindliche Felsböschung, wie sie hier ansteht, entfernt, wird die Felsböschung von der Witterung wieder angegriffen und teilweise zerstört. Dies dauert so lange, bis sich vor der Felsböschung wieder ein neuer Schuttkegel gebildet hat.

Es ist durchaus möglich, dass bei den Erdarbeiten zum Anlegen des neuen Parkplatzes an der Ostseite der L 56 überwiegend verwitterter Fels, d.h. Boden, abgetragen worden ist. Dabei ist die jetzt vorhandene Felsböschung freigelegt worden. Durch diese Erdarbeiten ist aber der schützende Schuttkegel vor der Felsböschung entfernt worden, und dies hat dazu geführt, dass die Felsböschung nicht mehr ausreichend standsicher ist."

Der Senat ist überzeugt, dass tatsächlich im Zuge der Erdarbeiten bei der Anlegung des Parkplatzes nur ein derartiger "schützender Schuttkegel" weggeräumt worden ist. Ist es aber so gewesen, dass der nicht ausreichend standsichere Fels im Laufe der Zeit in Folge Abrutschens sich eine Standsicherheit auf fremdem Grundstück "besorgt hat", so nimmt der Eigentümer, der den ursprünglichen (rechtmäßigen) Zustand wiederherstellt, eine unzulässige Vertiefung im Sinne des § 909 BGB nicht vor. Die Kläger können daher nicht von den Beklagten Maßnahmen verlangen, die dahin gehen, eine ursprünglich nicht vorhandene, vielmehr erst durch rechtswidrige Inanspruchnahme fremden Bodens entstandene Standsicherheit "wiederherzustellen".

Fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung "unzulässige Vertiefung" (§ 909 BGB), so ist weder für einen Beseitigungs- noch für einen Schadensersatzanspruch Raum. Passivlegitimation und/oder Verschulden auf Seiten der beiden Beklagten bedürfen keiner Entscheidung.

Die Berufung ist mit den aus §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO folgenden Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer der Kläger betragen: DM 12.000.

Ende der Entscheidung

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