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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: 6 U 1028/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 3
1. Den Anlageberater trifft ein Beratungsverschulden nicht ohne weiteres deshalb, weil er es unterlässt, eine vereinzelt gebliebene kritische Pressestimme über ein Anlage in einem Branchendienstleister, die nach der Anlageentscheidung (hier: Zeichnung einer Beteiligung an dem DLF 97/22) veröffentlicht worden ist, an den Anlageinteressenten weiter zu geben.

2. Eine "nachwirkende Informationspflicht" nach Zeichnung der Beteiligung besteht, von evidenten Ausnahmefällen abgesehen, nicht.

3. Die für die Annahme eines Schadensersatzanspruchs erforderliche Kausalität zwischen einem pflichtwidrigen Unterlassen des Anlageberaters, auf eine negative Berichterstattung hinzuweisen, und einer bereits zeitlich davor getroffenen Anlageentscheidung kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn sich feststellen lässt, dass bei rechtzeitigem Hinweis ein Widerruf der Beteiligung möglich gewesen wäre.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 6 U 1028/06

In dem Rechtsstreit

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Grünewald und den Richter am Landgericht Beickler am 21. November 2006 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 21. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 134.694,65 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist in der Sache unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die Ausführungen in der Verfügung vom 26. Oktober 2006.

Die Einwendungen der Kläger in dem Schriftsatz vom 13. November 2006 rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Der Senat hält auch nach nochmaliger Überprüfung an der Auffassung fest, dass ein Beratungsverschulden des Beklagten nicht deshalb vorliegt, weil er es unterlassen hat, nach Zeichnung der Beteiligung am 12. Februar 1997 auf die kritische Berichterstattung über den DLF 97/22 in der Zeitschrift "kapital-markt intern" (im Folgenden K-MI) vom 13. Februar 1997 hinzuweisen.

Ein für einen etwaigen Schaden der Kläger kausal gewordenes Beratungsverschulden durch die nicht erfolgte Weitergabe der kritischen Pressestimme scheidet aus mehreren Gründen aus.

1. Der Senat folgt zunächst der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach Veröffentlichungen in Branchendiensten bei der Frage einer Haftung wegen eines Beratungsverschuldens infolge unterbliebener Weitergabe kritischer Pressestimmen nicht zu berücksichtigen sind (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 13 U 10/05; OLG München, Urteil vom 28. April 2004 - 15 U 3505/03; OLG Hamm, Urteil vom 20. Juli 2004 - 4 U 37/04; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Oktober 2004 - 13 U 243/03; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. November 2004 - 3 U 5/04; OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2004 - 8 U 258/04).

Für diese Sichtweise spricht die Erwägung, dass angesichts des Umfangs von Wirtschaftsinformationen von einem Anlageberater oder -vermittler nicht verlangt werden kann, dass er alle Wirtschaftspublikationen kennt. Insofern können Negativtatsachen oder Meinungsäußerungen in einzelnen Publikationen nur dann ein Beratungsverschulden begründen, wenn es sich dabei um herausragend wichtige Publikationen für die Wirtschaftswelt handelt. Wollte man jedem Anlageberater oder -vermittler eines Massenbeteiligungsproduktes wie der streitgegenständlichen Publikums-KG die Pflicht aufbürden, jeden potentiellen Anleger über die unterschiedlichsten Elaborate im Einzelnen in Kenntnis zu setzen, würde man das Risiko der Beteiligung faktisch vollständig vom Anleger auf den Berater oder Vermittler verlagern, denn sicherlich fände sich in einer Vielzahl von Fällen irgendein versteckter kritischer Artikel, den man dem Anlagevermittler vorhalten könnte, um damit eine inzwischen unrentable Anlage rückgängig zu machen. Der Senat vertritt deshalb die Auffassung, dass jedenfalls eine gewisse Nachhaltigkeit der kritischen Berichterstattung bestehen muss, die bei dem vorliegenden Artikel, bei dem es sich um den einzigen kritischen Bericht eines Branchendienstes handelt, nicht gegeben ist.

2. Auch wenn man zugunsten der Kläger eine grundsätzliche Hinweispflicht auf die kritische Berichterstattung in "K-MI" annehmen wollte, kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass der Prospektscheck des Brancheninformationsdienstes "K-MI" Risikohinweise enthält, über die der Prospekt selbst nicht aufklärt.

Die Kläger rügen, in dem Prospektscheck werde abweichend von dem Prospekt kritisiert, dass es sich bei den Prospektprognosen um eine so genannte "Rumpf"-Prognoseberechnung handele, da nach Auslaufen der Miet- bzw. Generalmietverträge die gleichen Prämissen unterstellt würden und auf einen Ansatz eines höheren Mitausfallrisikos verzichtet werde. Zudem werde deutlich - im Gegensatz zu den Prospektangaben - auf den Charakter der Spezialimmobilen der C...-Kinoanlagen hingewiesen. Ferner werde auf die Gefahr des Konkurrenzkampfs verwiesen, worüber der Prospekt keine Aussage treffe.

Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.

Auf Seite 73 des Prospekts (Bl. 152 GA) ist unter der Rubrik "Chancen und Risiken" ausdrücklich von einem Szenario nach Ablauf der Festmietzeit die Rede. Es wird davon gesprochen, dass eine Reduzierung der Mieteinnahmen eintreten kann und sich "natürgemäß Auswirkungen auf die Ertrags- und Vermögenssituation der Beteiligungsgesellschaft ergeben...dasselbe gilt selbstverständlich bei einem vorzeitigen Ausfall des Mieters". Ferner wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Objekten in W... und G..., den Standorten der C...-Kinoanlagen um Spezialimmobilien handelt und eine anderweitige Verwendung dieser Immobilien zum Beispiel nach dem Auslaufen der bestehenden Mietverträge oder auch bei einer eventuellen vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses "sicher mit erheblichen Aufwendungen für Umbaumaßnahmen verbunden (wäre)".

Bezüglich der Investition des Fonds in den USA kritisieren die Kläger, dass auf eine Risikostreuung verzichtet werde und es an einer Exit-Strategie fehle. In dem Prospekt-Check heißt es hierzu (Anlage K 12 zum Schriftsatz der Kläger vom 14. Juli 2004, Bl. 219 f. GA): "Bei dem Investitionsteil in den USA fällt negativ auf, dass durch die Investitionen in eine Nutzungsart an einem Ort auf die in den USA besonders wichtige Risikostreuung verzichtet wird, eine überzeugende Exit-Strategie fehlt". In dem Prospektcheck fehlen allerdings Ausführungen dazu, warum in den USA eine Risikostreuung besonders wichtig sein soll und wann eine überzeugende Exit-Strategie vorliegt. Auch die Kläger legen solches nicht dar. Im Prospekt (S. 71, Bl. 151 f. GA) wird demgegenüber u.a. ausgeführt, dass eine sich verändernde Nachfrage in den USA ungleich schneller als in Deutschland zu sinkenden Mieteinnahmen oder zu erhöhten Leerstandsraten führen könne. Ferner könne bereits durch den Bau von einigen hundert Wohneinheiten das Nachfrageverhalten und damit die Mietpreisentwicklung eines Stadtviertels teilweise negativ beeinflusst werden. Diese Aufklärung hält der Senat für ausreichend; eine darüber hinausgehende Risikoaufklärung ist nicht geschuldet.

Ergänzend ist auf die Ausführungen in der Verfügung vom 26. Oktober 2006 hinzuweisen, wonach auch der Verfasser des Prospekt-Checks die Meinung des Prospektherausgebers teilt, wonach "eine Vorhersage oder Garantie über die zu erwartenden Ergebnisse unmöglich (ist) und .... auch in einzelnen Jahren auftretende Verluste nicht ausgeschlossen werden (können)".

Der Senat verweist unter Hinweis auf die Fundstellennachweise der landgerichtlichen Entscheidung zudem darauf, dass zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen ergangen sind, die die Geeignetheit des Prospekts zur umfassenden Aufklärung bejaht haben.

3. Der Senat bleibt auch bei seiner Einschätzung, dass eine "nachwirkende Informationspflicht" nach Zeichnung der Beteiligung, von Ausnahmefällen aufgrund besonders gelagerter Fallgestaltungen abgesehen, von der Rechtsprechung nicht gefordert wird.

Die von den Klägern zitierten Entscheidungen (BGH NJW 1998, 448 f. sowie BGH Urteil vom 13. Juni 2002 - III ZR 166/01) betreffen von dem Streitfall abweichende Sachverhalte. In den dortigen Fällen ging es darum, dass unter Einzelfall spezifischen Umständen vom BGH eine nachwirkende Informationspflicht nach Beendigung des Auskunftsvertrages aber vor der Anlageentscheidung angenommen wurde. Im Streitfall geht es hingegen um die Frage, ob nach dem Beitritt noch eine "nachwirkende Informationspflicht" besteht bzw. ob die für die Annahme eines Schadensersatzanspruchs erforderliche Kausalität zwischen dem unterlassenen Hinweis auf eine negative Berichterstattung und einer bereits zeitlich davor getroffenen Anlageentscheidung bestehen kann. Diese Frage ist, bezogen auf die Besonderheiten des Streitfalls, aus den Gründen der Verfügung vom 26. Oktober 2006 zu verneinen.

4. Den Klägern hilft schließlich nicht weiter, ihren Vortrag insoweit als zutreffend unterstellt, dass die Finanzierung der Beteiligung nach Abgabe der Beitrittserklärung noch nicht gestanden habe und deshalb ein Finanzierungsrisiko gegeben gewesen sei, für welches der Beklagte hafte. Durch den Hinweis auf die kritische Berichterstattung hätte zwar die Beitrittserklärung nicht mehr widerrufen, aber eine Finanzierung der Beteiligung verhindert werden können. Insoweit greife zu ihren Gunsten für den kausalen Zusammenhang zwischen Aufklärungsmangel und Beteiligungsentschluss der Grundsatz des aufklärungsrichtigen Verhaltens.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Nach dem eigenen Vortrag der Kläger handelt es sich im Streitfall grade nicht um ein verbundenes Geschäft, weil die Streithelferin, die ...bank ... eG, mit dem Fondinitiator und der V...- GmbH keinerlei Kontakt dahin gehabt habe, dass diese Anleger am DLF 97/22 oder gar sie, die Kläger selbst, finanziere (Schriftsatz der Kläger vom 18. Januar 2005, S. 5 IV. Bl. 331 ff., 335 GA). Für diesen Fall erschließt sich dem Senat aber nicht, wieso die Kläger bei Annahme einer nachwirkenden Informationspflicht des Beklagten dahin, sie über den kritischen Beitrag zu unterrichten, besser stünden, als sie tatsächlich stehen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bindung an ihre Beteiligungsentscheidung und die entsprechende Zahlungsverpflichtung hätten die Kläger nicht mehr ungeschehen machen können. Andererseits wären sie aber der Finanzierung dieser Beteiligung verlustig gegangen.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nach mündlicher Verhandlung, § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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