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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 6 U 1309/01
Rechtsgebiete: AktG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AktG § 93
AktG § 93 Abs. 2
AktG § 93 Abs. 6
BGB § 198 Satz 1 a.F.
BGB § 852 a.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 U 1309/01

Verkündet am: 19. Dezember 2002

In dem Rechtsstreit

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwarz und Wünsch auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 12. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 12.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Beklagte war als Mitglied des Vorstands der D.... Hypothekenbank AG (künftig: Hypothekenbank) in B..... für das Realkreditgeschäft zuständig. Die Klägerin nimmt ihn aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus dem Kreditengagement H.... F.... in Anspruch.

Anfang der 90er Jahre weitete F.... seine Geschäftstätigkeit auf die neuen Bundesländer aus und gründete die T.. GmbH mit Sitz in M......... Nach aufgetretenen persönlichen Zahlungsschwierigkeiten wandte sich F.... an die Treuhandanstalt, um sein Interesse am Erwerb der aus volkseigenen Betriebenen hervorgegangenen Firmen Holzbau S.......... GmbH (künftig: H... GmbH) und L.. - und B......... C..... Metallbau GmbH T..... (künftig: L.. GmbH) anzuzeigen.

Am 23. Dezember 1991 kam es zum Kaufvertrag zwischen der I....... und K........... S........ GmbH und F.... über den Verkauf der Geschäftsanteile an der H... GmbH zum Kaufpreis von 2 Millionen DM. Zu dem Betriebsvermögen der H... GmbH gehörte auch das in ihrem Eigentum stehende Grundstück in S......... B...... C........

Mit Kaufvertrag vom 14. April 1992 kaufte F.... von der Treuhandanstalt die Geschäftsanteile der L.. GmbH zum Kaufpreis von 1,1 Millionen DM. Zu dem Betriebsvermögen der L.. GmbH gehörten deren Betriebsgrundstücke in H......... und T......

Wegen der Finanzierung der Kaufpreise hatte sich F.... an die Hypothekenbank gewandt und um Gewährung von Krediten nachgesucht. Vor Bewilligung der beantragten Kredite über insgesamt 3,1 Millionen DM erhielt die H.........bank über F.... eine Schufa-Auskunft vom 21. Mai 1992, wonach dieser die eidesstattliche Versicherung am 9. April 1991 abgegeben hatte und eine Forderung von 178.007 DM uneinbringlich sei. Nachdem Rechtsanwalt R...... für F.... mit Schreiben vom 3. Juni 1992 mitgeteilt hatte, dass die aus der Schufa-Auskunft ersichtlichen Altlasten sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung vom 16. Februar 1988 inzwischen bereinigt seien, schlössen die H.........bank und F.... am 10. Juni 1992 Kreditverträge über die Gewährung von Krediten in Höhe von 3,1 Millionen DM. Zur Absicherung der Kredite wurden auf den Betriebsgrundstücken der H... GmbH und der L.. GmbH Gesamtgrundschulden über 2 Millionen und 1,1 Millionen DM bestellt. Am 24. Juni 1992 wurden die Valuta an die I....... und K........... S......... GmbH (1.957.557,22 DM) und an die Treuhandanstalt (1.076.638,47 DM) ausgezahlt.

Im Dezember 1992 bewilligte die H.........bank einen weiteren Kredit an F.... in Höhe von 2,9 Millionen DM zur Finanzierung von Bau- und Umbaukosten. Von diesem Darlehen wurde am 1. März 1993 ein Teilbetrag von 999.643,33 DM an F.... ausgezahlt.

Nachdem F.... bis Anfang 1994 seine Darlehensverbindlichkeiten erfüllt hatte, teilte die .........kasse S........ der H..........bank am 17. März 1994 mit, dass die Hausbank des F.... mangels Kontodeckung die fälligen Leistungsraten nicht mehr einlösen werde. Seitdem sind keine Zins- und Tilgungsleistungen des F.... mehr erfolgt.

Am 20. Februar 1995 wurde F.... festgenommen und am 15. Mai 1996 wegen Betrugs, Untreue, Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

Die H.........bank war nach Kündigung des Kreditsengagements F.... am 30. September 1995 in die Objektverwertung eingetreten und hat die Zwangsversteigerung der Grundstücke beantragt. Mit Beschluss vom 13. Mai 1996 hat das Amtsgericht Sternberg den Verkehrswert des Grundstücks der H... GmbH in S........ auf 1.590.000 DM festgesetzt. Mittlerweile ist das Objekt versteigert, der Erlös von 30.000 DM wurde durch vorrangige Forderungen verbraucht.

Für das Objekt T..... wurde ein Verkehrswert von 511.456 DM festgesetzt; ein erster Versteigerungstermin verlief ergebnislos. Offen steht noch die Verwertung des Objekts H......... Der Beklagte schied gemäß Aufhebungsvertrag vom 21. Juli 1998 mit Ablauf des 31. Juli 1998 als Vorstandsmitglied der H.........bank aus. Am 26. Juli 2000 trat die H.........bank die ihr gegen den Beklagten im Zusammenhang mit dem Kreditengagement F.... zustehenden Rücksgriffsansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab. Diese reichte am 31. August 2000 Klage ein, die dem Beklagten am 7. Oktober 2000 zugestellt wurde.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe gröblichst die ihm als Vorstandsmitglied obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt. Er habe die Darlehen bewilligt ohne ausreichende Prüfung der Werthaltigkeit der Sicherheiten und an einen nach den vorliegenden Auskünften absolut unzuverlässigen und vermögenslosen Schuldner. Bereits jetzt stehe nach dem teilweisen Ausfall der Grundschulden ein Mindestschaden von 1 Million DM fest.

Die Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, weil frühestens mit der Verkehrswertfestsetzung für das Grundstück S........ am 13. Mai 1996 die Entstehung eines Schadens klar gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zur Zahlung von 1 Million DM zu verurteilen

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der H.........bank bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin allen Schaden zu ersetzen, der aus der Kreditgewährung an Horst F.... in den Jahren 1992 und 1993 entstand.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Er hat jegliche Pflichtverletzung als Mitglied des Vorstands der H.........bank in Abrede gestellt und sich auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, Ansprüche aus § 93 AktG seien verjährt; Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Anstellungsvertrages und unerlaubter Handlung bestünde nicht bzw. seien verjährt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Sie ist der Ansicht, frühestens mit der Festsetzung des Verkehrswertes für das Grundstück S........ am 13. Mai 1996 habe die H...-..bank erstmals mit der Entstehung eines Schadens rechnen können. Davor habe kein Grund für die Annahme bestanden, dass durch die Verwertung der Immobilien die Restverbindlichkeiten nicht getilgt werden könnten. Der Schaden liege in der verfehlten Auszahlung an einen bonitätsmäßig als schlecht einzustufenden Darlehensnehmer bei gleichzeitiger Täuschung des Aufsichtsrates über die Bonität des Schuldners. Konkreter Schaden sei - wie der Beklagte selbst eingeräumt habe - schon mit der ersten Darlehensauszahlung am 24. Juni 1992 entstanden.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Beide Parteien wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und ergänzen es.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Urkunden sowie das angefochtene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der Kreditgewährung an F.... geltend machen. Derartige Ansprüche sind - soweit sie überhaupt bestehen - verjährt. Dies hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt. Das Vorbringen der Berufung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

I. Ansprüche aus § 93 AktG sind verjährt.

Die fünfjährige Verjährungsfrist aus § 93 Abs. 6 AktG beginnt im Hinblick auf die Vorschrift des § 198 Satz 1 BGB a.F. im Zeitpunkt der Entstehung des aus § 93 Abs. 2 AktG hergeleiteten Schadensersatzanspruchs. Auf die Kenntnis vom Anspruch kommt es dabei nicht an. Entstanden im Sinne des § 198 Satz 1 BGB a.F. ist der Anspruch dann, wenn er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Anspruch bereits beziffert werden und Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Um die Verjährungsfrist in Lauf setzen zu können, genügt vielmehr die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben. Es genügt für die Entstehung des Schadensersatzanspruches, wenn ein Schäden dem Grunde nach entstanden ist. Ein Schadensersatzanspruch ist auch dann entstanden, wenn durch die Verletzungshandlung eine - als Schaden anzusehende - Verschlechterung der Vermögenslage entsteht, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, ob der Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist hingegen noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist die Voraussetzung des Entstehens eines Anspruchs im Sinne des § 198 Satz 1 BGB a.F. nicht erfüllt (vgl. BGH NJW 1987, 1887, 1888 = BGHZ 100, 228; BGH NJW 1994, 323, 325; Hopt in AktG Großkommentar, 4. Auf., § 93 Rdnrn. 433 f.; Hüffner AktG, 4. Aufl., § 93 Rdnr. 37; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 93 Rdnr. 161).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Verjährung spätestens mit der Einstellung der Zins- und Tilgungsraten durch F.... im März 1994 begonnen. Angesichts der nicht ausreichenden Sicherheiten für die verauslagten Kredite konnte ein Schaden der H...-......bank nur noch ausbleiben, wenn F.... seine schuldrechtlichen Verbindlichkeiten aus den Kreditverträgen erfüllte und die Zins- und Tilgungsraten weiter gezahlt wurden. Mit der Einstellung der Leistungsraten im März 1994 stand damit spätestens ab diesem Zeitpunkt der Eintritt eines bleibenden Schadens bei der H..........bank fest.

Demgegenüber geht der Einwand der Klägerin ins Leere, die H...-......bank habe frühestens mit dem Bekanntwerden des Verkehrswertfestsetzungsbeschlusses vom 13. Mai 1996 für das Grundstück in Sternberg mit der Entstehung eines Schadens rechnen können. Wie dargelegt kommt es für den Beginn der Verjährung gemäß §§ 93 Abs. 6 AktG, 198 Satz 1 BGB a.F. auf die Kenntnis von dem Anspruch nicht an. Der Beginn der Verjährung richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien. Eine Kenntnis des Berechtigten ist nicht erforderlich.

Dass die Verjährung beginnend mit der Zahlungseinstellung des F.... bei Einreichung der Klage abgelaufen war, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen.

Nach alledem kommt es auch nicht weiter darauf an, dass die Klägerin den Eintritt des Schadens bei der H.........bank sogar schon in der verfehlten Auszahlung des Kredits und damit noch vor der Zahlungseinstellung des F.... sieht.

3. Eine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung ist nicht ersichtlich.

Desgleichen fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, dass der Beklagte noch in nicht verjährter Zeit (nach 31. August 1995) weitere Pflichtverstöße begangen hat und deshalb ein späterer Verjährungsbeginn anzunehmen sei oder die Berufung des Beklagten auf die eingetretene Verjährung treuwidrig wäre. Hierzu fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Allein die Behauptung, der Beklagte habe laufend seine Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Berichterstattung an den Aufsichtsrat verletzt, genügt hierfür nicht.

4. Soweit Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Anstellungsvertrages überhaupt in Betracht kommen, sind diese gemäß § 93 Abs. 6 AktG verjährt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Da in der Regel in jeder Pflichtverletzung gemäß § 93 AktG zugleich eine positive Vertragsverletzung des Anstellungsvertrages liegt, würde stets die 30-jährige Verjährungsfrist gelten. Die vom Gesetzgeber gewollte kurze Verjährungszeit von fünf Jahren käme damit nicht zum Tragen.

5. Es kann dahinstehen, ob deliktische Ansprüche der H..........bank gegenüber der Beklagten überhaupt bestehen. Derartige Ansprüche sind jedenfalls gemäß § 852 BGB a.F. verjährt. Bei Klageerhebung im August 2000 war die dreijährige Verjährungsfrist auch dann abgelaufen, wenn man mit der Klägerin auf die Kenntnis des Verkehrswertgutachtens vom 13. Mai 1992 abstellt.

II. Die Nebenentscheidungen beruht auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert und Wert der Beschwer der Klägerin betragen 766.937,82 EUR (= 1.500.000 DM: Zahlungsantrag: 1 Million DM; Feststellungsantrag: 500.000 DM).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin von 04.12.2002 gibt keine Veranlassung die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Ende der Entscheidung

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