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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: 6 U 1553/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB §§ 499 ff.
Die für ein Darlehen einer Aktiengesellschaft, bei der der Ehemann mit 50%- Anteilen Aktionär ist, zur Finanzierung von Betriebsfahrzeugen bürgende, ansonsten mittellose Ehefrau, kann sich auf die Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages im Sinne des § 138 BGB wegen krasser Überforderung berufen, auch wenn sie selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Aktiengesellschaft ist.

Ein die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ausschließendes wirtschaftliches Interesse der Ehefrau kann allein aus ihrer Stellung als Verwaltungsratsmitglied der Aktiengesellschaft nicht abgeleitet werden.

Dies ist vergleichbar mit den Fällen, in denen Angehörige eines Gesellschafters für ein Darlehen der Gesellschaft gebürgt haben und zugleich Geschäftsführer, aber selbst nicht Gesellschafter der Gesellschaft sind.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 6 U 1553/06

Verkündet am 28.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Metzger auf die mündliche Verhandlung vom 07.02.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das am 27.10.2006 verkündete Teilversäumnis- und Schlussurteil der 2. Kammer für Handelssachendes Landgerichts Bad Kreuznach teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 66.935,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.012.2005 zu zahlen.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 1/2 der Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), der Beklagte zu 1) 1/2 der Gerichtskosten und 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Bürgen für die Restzahlung aus zwei Leasingverträgen in Anspruch.

Die Klägerin schloss in den Jahren 2002 bis 2004 mit der Firma E... Transporte S. A., einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts, zwei Leasingverträge über jeweils einen Sattelauflieger. Der Beklagte zu 1) war Aktionär der Leasingnehmerin mit einem Anteil von 50 %. Die Beklagte zu 2), die Ehefrau des Beklagten zu 1), gehörte zum Verwaltungsrat der Gesellschaft. Ob sie auch Aktionärin war, ist streitig. Die Beklagten verbürgten sich für die Verpflichtungen aus den Leasingverträgen selbstschuldnerisch bis zu einem Höchstbetrag von 18.260,00 EUR bzw. 147.000,00 EUR. Mit Schreiben vom 27.06.2005 kündigte die Klägerin die Leasingverträge wegen Zahlungsrückstandes fristlos.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte zu 2) sei zu 20 % an der E... Transporte S. A. beteiligt gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 66.935,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.012.2005 zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 2) hat dazu u. a. vorgetragen, die Bürgschaften seien wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, da sie mit den übernommenen Verpflichtungen für die Klägerin erkennbar krass überfordert gewesen sei. Sie sei in der fraglichen Zeit nicht Aktionärin der Hauptschuldnerin gewesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 2) Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, sie habe mit der Übernahme der Bürgschaften kein persönliches oder wirtschaftliches Interesse verfolgt, sondern allein aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann gehandelt. Soweit sie Miteigentümerin von Immobilien gewesen sei, seien diese wertausschöpfend belastet gewesen. Die Anteile, die sie an der E... Transporte S. A. besessen habe, habe sie bereits im Jahre 1994 veräußert. Mitglied des Verwaltungsrates sei sie nur pro forma gewesen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

das angefochtene Teilversäumnis- und Schlussurteil teilweise abzuändern und die Klage, soweit die Beklagte zu 2) verurteilt wurde, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Beklagte zu 2) habe ausreichendes Vermögen besessen, um ihre Verpflichtungen aus den Bürgschaften zu erfüllen. Sie sei zu 20 % Aktionärin der Hauptschuldnerin gewesen. Außerdem ergebe sich das wirtschaftliche Interesse der Beklagten zu 2) daraus, dass sie Verwaltungsratsmitglied gewesen sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden (bis Bl. 300 GA) Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Beklagten zu 2) als Partei (vgl. Prot. Bl. 304 ff. GA).

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Begleichung der Verpflichtungen aus den mit der E... Transporte S. A. geschlossenen Leasingverträgen vom 07./26.11.2002 und 01.12.2003/08.01.2004, da die mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Bürgschaftsverträge wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam sind (§ 138 Abs. 1 BGB).

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft i. d. R. anzunehmen, wenn schon bei Vertragsschluss feststeht, dass der Bürge finanziell krass überfordert wird, er insbesondere nicht einmal in der Lage ist, aus seinem pfändbaren Einkommen und Vermögen die laufenden Zahlungen zu leisten, die aufgrund des Hauptgeschäfts zu erbringen sind. Kommt hinzu, dass der Bürge Ehegatte des Hauptschuldners oder diesem durch ein anderes Näheverhältnis emotional verbunden ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kreditgeber die sich daraus ergebende strukturelle Unterlegenheit in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH NJW 2005, 971, 972; Münchener Kommentar / Armbrüster, BGB, 5. Aufl., § 138 Rdnr. 92). Das gilt sowohl im Zusammenhang mit einem Bankkredit als auch für Bürgschaften, die gegenüber einem anderen gewerblichen Kreditgeber i. S. der §§ 499 ff. BGB übernommen werden (BGH NJW 2002, 746, 747), also auch bei einem Finanzierungsleasingvertrag wie hier. Ein solcher Fall der Sittenwidrigkeit ist hier gegeben.

Der Ehemann der Beklagten zu 2) war im Zeitpunkt der Übernahme sowohl der Bürgschaft vom 26.11.2002 als auch derjenigen vom 08.01.2004 Aktionär der Hauptschuldnerin, der E... Transporte S. A., mit einem Anteil von 50 %. Die Beklagte zu 2) war bereits in dieser Zeit finanziell krass überfordert. Sie war nicht in der Lage, auch nur einen Bruchteil der mit der Klägerin vereinbarten Leasingraten von 1.237,16 EUR aus dem ersten Vertrag und 2.062,94 EUR aus dem zweiten Vertrag zu zahlen. Denn die Beklagte hatte in den Jahren 2002 und 2004 unstreitig kein eigenes Einkommen, und es war auch nicht zu erwarten, dass sie in absehbarer Zeit über ein solches verfügen würde. Auch besaß sie kein nennenswertes Vermögen. Zwar war sie hälftige Miteigentümerin von zwei Immobilien in Sensweiler, und zwar eines Hausgrundstücks und von zwei Eigentumswohnungen, die sich auf dem Nachbargrundstück befanden. Diese Immobilien waren jedoch so hoch belastet, dass bei einer Veräußerung kein Erlös bei der Beklagten verblieben wäre.

Der Wert des Hausgrundstücks wurde in einem 2005 angeordneten Zwangsversteigerungsverfahren mit 106.000,00 EUR festgestellt (Gutachten S... K... vom 09.02.2006; Bl. 191 ff. BA - 11 K 91/05 - AG Idar-Oberstein). Das Grundstück wurde im Juni 2007 zum Preis von 150.000,00 EUR freihändig veräußert. Die darauf lastenden Grundschulden beliefen sich in den Jahren 2002 und 2004 jedoch auf insgesamt 306.775,13 EUR. Dass sie voll valutierten, wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Die Belastungen überstiegen den Wert des Anwesens also ganz erheblich. Selbst wenn der Wert des Grundstücks in der hier maßgeblichen Zeit höher anzusetzen gewesen sein sollte, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass er jemals den Betrag der Belastungen erreicht, d. h., mehr als das Doppelte des 2006 festgestellten Wertes betragen hätte. Entsprechendes gilt für die beiden Eigentumswohnungen auf dem Nachbargrundstück. Auf diesen lasteten Grundschulden von insgesamt 357.904,32 EUR. Dass die Eigentumswohnungen auch nur annähernd diesen Wert gehabt hätten, ist - auch angesichts des relativ geringen Wertes des Nachbarhauses - auszuschließen.

Aufgrund dieses Sachverhalts besteht die tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte zu 2) sich bei der Übernahme der Bürgschaften allein von der emotionalen Verbundenheit mit ihrem Ehemann leiten ließ und dass die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausnutzte (vgl. dazu auch BGH FamRZ 2006, 1024). Diese Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt.

Die Vermutung der sittenwidrigen Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen wie hier kann der Gläubiger nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum einen durch den Nachweis seiner Unkenntnis der krassen finanziellen Überforderung oder der emotionalen Verbundenheit ausräumen (BGH aaO.). Hat der Gläubiger allerdings davon abgesehen, sich über die maßgeblichen Tatbestände zu informieren, so ist er so zu behandeln, als hätte er davon gewusst (BGH NJW 2002, 744, 745). Die genannte Vermutung kann zum andern durch den Nachweis eines eigenen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Bürgen an der Kreditaufnahme widerlegt werden (vgl. dazu auch BGH FamRZ 2006, 1024). Das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe der Bürgschaft vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten zu schützen, ist dagegen für sich allein kein die Sittenwidrigkeit ausschließender Umstand (BGH BKR 2003, 288, 290). Die Klägerin hat keinen Sachverhalt bewiesen, welcher der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft entgegenstünde.

Sollte die Klägerin bei Abschluss der Bürgschaftsverträge tatsächlich nicht gewusst haben, dass die Beklagte zu 2) damit finanziell krass überfordert war, so kann doch jedenfalls angenommen werden, dass sie sich der Kenntnis bewusst verschlossen hat. Denn die Klägerin holte keine Informationen darüber ein, ob die Beklagte leistungsfähig war. Dass die Klägerin die Beklagte zu 2) vor Abschluss der Rechtsgeschäfte über ihre Vermögensverhältnisse befragt hätte, wird nicht vorgetragen. Die von der Klägerin vorgelegte Selbstauskunft der Beklagten zu 2) und ihres Ehemannes, des Beklagten zu 1), stammt vom 15.03.2004, wurde also erst nach Übernahme der zweiten Bürgschaft erteilt. Zudem lässt sie nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, welcher Teil des darin angegebenen Vermögens auf die Beklagte zu 2) entfiel. Auf die des Weiteren vorgelegte Auskunft des Verbandes der Vereine C... e.V. durfte die Klägerin sich bereits deshalb nicht verlassen, weil sie am 16.01.2001 eingeholt worden war, also mehr als 1 1/2 Jahre vor der Übernahme der ersten Bürgschaft durch die Beklagte, so dass jedenfalls nicht ohne Rückfrage bei der Beklagten zu 2) davon ausgegangen werden konnte, das die Angaben zu den maßgeblichen Zeitpunkten zutrafen. Überdies bot diese nicht amtliche Auskunft von vornherein keine Gewähr für ihre Richtigkeit, zumal bereits im Jahre 2001 nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass sie auf dem neuesten Stand war. Die Klägerin ist daher so zu behandeln, als sei ihr die krasse Überforderung der Beklagten bekannt gewesen.

Ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse der Beklagten zu 2) an der Übernahme der Bürgschaften ist zu verneinen.

Dass der Betrieb der E... Transporte S. A. bei Abschluss der Bürgschaftsverträge die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines nur mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei Weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (BGH BKR 2003, 288, 290).

Der Klägerin ist auch nicht der Beweis gelungen, dass die Beklagte zu 2) an der E... Transporte S. A. zu 20 % beteiligt gewesen sei. Es bedarf daher keiner Prüfung, ob eine solche, relativ geringe Beteiligung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaften überhaupt entgegenstehen würde. Der Beweis einer Beteiligung der Beklagten an der Hauptschuldnerin ist nicht mithilfe des Vertrages über die Umwandlung der E... Internationale Transporte S. à r. l. in die E... Transporte S. A. vom 06.01.1994 zu führen, in welchem die Beklagte zu 2) als Aktionärin mit 20 % der Anteile aufgeführt ist. Denn daraus ergibt sich nur das Beteiligungsverhältnis zum damaligen Zeitpunkt. Der Senat sieht es aber aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen als bewiesen an, dass diese spätestens seit dem Jahr 1998 nicht mehr Aktionärin war. Aus den Protokollen der Generalversammlungen der Société Anonyme der Jahre 1998 bis 2003 ist zu entnehmen, dass in dieser Zeit, also auch bei Unterzeichnung der Bürgschaftsverträge, Aktionäre der E... Transporte S. A. zu 50 % der Beklagte zu 1) und zu 50 % die T.. P... S. A., G..., waren. Es ist daher davon auszugehen, dass der Vortrag der Beklagten zu 2) zutrifft, wonach sie ihre Anteile vor 1998 veräußerte.

Dies ist nicht widerlegt durch die Aussage der Beklagte zu 2), welche der Senat auf Antrag der Klägerin als Partei vernommen hat. Die Beklagte hat ausgesagt, dass sie sich zwar erinnere, einmal Aktionärin der E... Transporte S. A. mit einem Anteil von 20 % gewesen zu sein, dass sie aber von ihrem Ehemann wisse, dass sie die Aktien in der Vergangenheit veräußert habe. Die Beklagte konnte nicht angeben, wann diese Veräußerung stattgefunden habe. Sie hat, wie bereits bei ihrer Anhörung durch das Landgericht, bekundet, dass sie keinerlei Erinnerung an die zeitlichen Abläufe habe.

Ein die Sittenwidrigkeit der Bürgschaften ausschließendes wirtschaftliches Interesse der Beklagten zu 2) ergibt sich schließlich nicht aus dem Umstand, dass diese eines von drei Mitgliedern des Verwaltungsrates der E... Transporte S. A. war. Die Parteien sind sich darüber einig, dass es sich bei dem Verwaltungsrat der Société Anonyme luxemburgischen Rechts um ein Organ der Gesellschaft handelt, welches u. a. die Funktionen eines Vorstandes i. S. des deutschen Aktienrechts ausübt. Die Tatsache der Mitgliedschaft der Beklagten in diesem Gremium beweist jedoch nicht, dass sie außer der emotionalen Verbundenheit mit ihrem Ehemann ein wirtschaftliches Interesse zur Übernahme der Bürgschaften bewogen hätte. So ist vom Bundesgerichtshof bereits entschieden worden, dass eine Ehegattenbürgschaft auch dann wegen krasser Überforderung sittenwidrig sein kann, wenn der bürgende Ehegatte Geschäftsführer der Hauptschuldnerin ist (BGH NJW 2002, 2230 f.).

Sofern der Bundesgerichtshof die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eines Ehegatten oder nahen Angehörigen, der Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, verneint hat, handelt es sich durchweg um Fälle, in denen der Bürge zugleich Gesellschafter war (vgl. BGH NJW 1996, 1341, 1344; NJW 1998, 597, 598; NJW 2002, 1337, 1338). Wenn die Bürgschaft eines Sohnes des Gesellschafters der Hauptschuldnerin vom 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in einem Fall als wirksam angesehen wurde, in welchem der Bürge Geschäftsführer, nicht aber Gesellschafter war (BGH NJW 1997, 940), so mag dahinstehen, ob diese Entscheidung mit der nunmehr herrschenden Rechtsprechung vereinbar ist; denn es handelte sich um einen Sonderfall, da die Entscheidung darauf abstellt, dass der Bürge Jurastudent im 6. Semester und geschäftlich sehr erfahren war. Damit ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Zu Unrecht beruft die Klägerin sich auf die in NJW 2002, 1337 ff. abgedruckte Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Der dazu angegebene Leitsatz vermittelt zwar den Eindruck, als solle allein die Geschäftsführerstellung des Bürgen ausreichen, ein wirtschaftliches Eigeninteresse i. S. der Rechtsprechung zu Angehörigenbürgschaften zu begründen. Dies kommt aber in den Entscheidungsgründen nicht zum Ausdruck. Vielmehr befasst sich die Entscheidung mit einer Bürgschaft, die von einem Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer der Hauptschuldnerin übernommen worden war, der geltend machte, nur Strohmann seines Vaters gewesen zu sein. Dazu wird ausgeführt, dass eine Bank die Gewährung eines Kredits davon abhängig machen dürfe, dass "die rechtlich und wirtschaftlich beteiligten Personen" für die entstehenden Forderungen eintreten, da die Bank davon ausgehen dürfe, dass "derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt," dies aus eigenen finanziellen Interessen tue (aaO.S.2231). Eine Beteiligung an der Gesellschaft liegt bei einem Geschäftsführer, der kein Gesellschafter ist, jedoch nicht vor. Ein solcher Geschäftsführer hat kein wesentlich höheres finanzielles Interesse an der Tätigkeit der Gesellschaft als beispielsweise ein Angestellter der Gesellschaft, dessen Arbeitsplatz seine Existenzgrundlage ist. Für Letzteren besteht ein nur mittelbarer geldwerter Vorteil aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens, der das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei Weitem nicht aufwiegt (so BGH BKR 2003, 288, 290). Das gilt auch für einen reinen Geschäftsführer. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof eine Bürgschaft, die von der Ehefrau des alleinigen Kommanditisten und Alleingesellschafter der Komplementärin einer GmbH & Co. KG für deren Darlehensschuld übernommen worden war, wegen krasser Überforderung als sittenwidrig angesehen, obgleich die Bürgin zur Zeit der Bürgschaftsübernahme Geschäftsführerin der GmbH gewesen war (BGH NJW 2002, 2230 f.). Entsprechendes muss im vorliegenden Fall gelten, in welchem die Beklagte Mitglied des Verwaltungsrats war.

Nach den vorangegangenen Ausführungen sind die Bürgschaften, auf welche die Klage gestützt wird, unwirksam. Das Urteil des Landgerichts war daher teilweise abzuändern und die Klage gegen die Beklagte zu 2) abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 66.935,66 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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