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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 6 U 577/05
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 242 Abs. 2 Satz 2
AktG § 249
AktG § 249 Abs. 1
Die Feststellungsklage einer GmbH und eines Gesellschafters dieser GmbH, die gegen einen anderen Gesellschafter der GmbH gerichtet ist und mit der die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung festgestellt werden soll, ist unzulässig.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 6 U 577/05

Verkündet am 17.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Oberlandesgericht Grünewald auf die mündliche Verhandlung vom 13.10.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29.03.2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer -3. Kammer für Handelssachen- des Landgerichts Mainz abgeändert wie folgt:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen fünf Beschlüsse, die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) vom 23.11.2004 gefasst wurden.

Der Kläger zu 1) und der Beklagte sind die Gesellschafter der Klägerin zu 2). Der Beklagte lud mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 21.09.2004 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 15.10.2004. Als in der Gesellschafterversammlung festgestellt worden war, dass diese nicht beschlussfähig war, lud der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom selben Tage zu einer weiteren Gesellschafterversammlung am 23.11.2004, auf welcher dann die mit der Klage bekämpften Beschlüsse gefasst wurden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beschlüsse der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.11.2004 zu TOP 1 (Abberufung Geschäftsführer M... A...), TOP 2 (Kündigung Anstellungsvertrag Geschäftsführer M... A...), TOP 3 (Abberufung Geschäftsführerin H... A...), TOP 4 (fristlose Kündigung Dienstverhältnis Geschäftsführerin H... A...) und TOP 5 (Kaduzierung der Geschäftsanteile des Klägers zu 1)) für unwirksam und nichtig zu erklären.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Kläger erklärt, dass ihre Klage als Feststellungsklage zu verstehen sei.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und der Klageänderung, welche er in dem Feststellungsbegehren sieht, widersprochen.

Das Landgericht hat der Klage durch Feststellungsurteil stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung u. a. vor, die Klage sei unzulässig, da sie nicht gegen die Gesellschaft gerichtet sei. Überdies sei die Klage unbegründet, da die angegriffenen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wirksam zustande gekommen seien.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen; für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Sie tragen vor, die Feststellungsklage sei die richtige Klageart. Die Klägerin zu 2) habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung. Es sei ihr nicht zuzumuten, als Beklagte einer erfolgreichen Nichtigkeitsklage die damit verbundene Kostenfolge zu tragen. Die Klage sei auch begründet, da die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 23.11.2004 nicht in gesetzlicher Weise zustande gekommen seien.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden (bis Bl. 115 GA) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist nicht zulässig. Es besteht kein rechtliches Interesse der Kläger an einer gegen den beklagten Gesellschafter gerichteten Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Die Feststellungsklage des Klägers zu 1) ist unzulässig, weil er die Gesellschafterbeschlüsse mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG in entsprechender Anwendung angreifen kann.

Eine Feststellungsklage ist nach allgemeiner Rechtsprechung grundsätzlich nicht zulässig, wenn eine speziellere Klageart zur Verfügung steht, mit welcher das angestrebte Ziel durch eine endgültige und umfassende Erledigung des Streits erreicht werden kann. Für die hier verlangte Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen einer GmbH-Gesellschafterver­samm­lung sieht § 249 AktG, der auf die GmbH entsprechende Anwendung findet, die Nichtigkeitsklage vor, die zu einer Feststellung mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter und Geschäftsführer führt (§§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG in entsprechender Anwendung). Zur Erreichung dieses Zieles steht deshalb einem Gesellschafter neben der Nichtigkeitsklage die gewöhnliche Feststellungsklage nicht zur Verfügung (vgl. BGH NJW 1978, 1325). Denn an einer nur zwischen den Prozessparteien wirkenden Feststellung besteht jedenfalls für solche Beschlüsse kein schutzwürdiges Interesse, die alle Gesellschafter und nicht nur die Rechtsverhältnisse einzelner Personen betreffen (vgl. BGH aaO. S. 1326). Alle Gesellschafter sind betroffen, wenn - wie hier - die angegriffenen Beschlüsse die Abberufung und Kündigung von Geschäftsführern zum Gegenstand haben. Aber auch der Beschluss über die Kaduzierung des Anteils eines Gesellschafters (TOP 5) bezieht sich nicht lediglich auf ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten, sondern betrifft die GmbH als Ganzes, da diese ggf. Inhaberin des kaduzierten Anteils wird.

Daraus, dass die GmbH vorliegend aus nur zwei Gesellschaftern besteht, die beide am Rechtsstreit beteiligt sind, ergibt sich nichts anderes (vgl. dazu OLG Hamburg NJW-RR 1996, 1065). Denn das angestrebte Feststellungsurteil hätte auch in diesem Fall nicht die umfassende Wirkung eines nach § 249 AktG ergangenen Urteils. So würde im Verhältnis der Gesellschaft zu den Geschäftsführern keine rechtskräftige Feststellung erreicht. Die Geschäftsführerin H... A... ist nicht am Rechtsstreit beteiligt. Rechtskraftwirkung würde ein Feststellungsurteil aber auch nicht zwischen der Gesellschaft, nämlich der Klägerin zu 2), und dem Kläger zu 1) entfalten, da diese einander nicht als Parteien gegenüberstehen, sondern nur einfache Streitgenossen sind (vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 922; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 325 Rdnr. 5). Außerdem bietet die Nichtigkeitsklage insofern weiter gehenden Rechtsschutz, als nur sie verhindert, dass durch die Eintragung eines nichtigen Gesellschafterbeschlusses in das Handelsregister die Nichtigkeit geheilt wird (§§ 242 Abs. 2 Satz 2, 249 Abs. 1 AktG in entsprechender Anwendung; vgl. dazu OLG Hamburg aaO.). Der Kläger zu 1) hat daher kein rechtliches Interesse daran, statt einer Nichtigkeitsklage eine Feststellungsklage zu erheben.

Ein rechtliches Interesse an einem Feststellungsurteil ist auch bei der Klägerin zu 2) zu verneinen.

Für den Feststellungsantrag der Klägerin zu 2) gilt ebenfalls, dass dadurch im Gegensatz zur Nichtigkeitsklage kein umfassender Rechtsschutz zu erreichen ist. Auch hier würde ein Feststellungsurteil weder eine Rechtskraftwirkung im Verhältnis der Gesellschaft zu den Geschäftsführern und dem klagenden Gesellschafter noch eine heilungshemmende Wirkung haben.

Zwar wäre die GmbH nicht in der Lage, eine Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG zu erheben, da eine solche stets gegen die Gesellschaft zu richten ist (§§ 246 Abs. 2 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG). Daraus folgt aber nicht, dass die GmbH in anderer Form gegen die für nichtig gehaltenen Gesellschafterbeschlüsse vorgehen könnte. Ein rechtliches Interesse der GmbH an einer solchen Klage könnte nur dann bejaht werden, wenn dem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnet werden müsste, im Namen der GmbH die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu verlangen. Dazu besteht aber bereits deshalb kein Bedarf, weil nach wohl herrschender Meinung der Geschäftsführer entsprechend § 249 AktG befugt ist, in eigenem Namen Nichtigkeitsklage zu erheben (vgl. u. a. Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Anhang Rdnr. 33).

Will man dagegen die Klagebefugnis des Geschäftsführers für den Fall verneinen, dass - wie hier - die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses allein auf formelle Fehler zurückzuführen ist (so Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 47 Anhang Rdnr. 32), so besteht jedenfalls aus folgenden Gründen kein Bedürfnis für eine im Namen der GmbH erhobene Feststellungsklage: Da die Gesellschafter rechtlich im Stande sind, in eigenem Namen Klage nach § 249 AktG zu erheben, ergibt sich aus ihrem Interesse an einer Klageerhebung kein solches der Gesellschaft. Lehnen aber sämtliche Gesellschafter es ab, Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu erheben, so besteht auch kein Bedürfnis für eine vom Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft erhobene Klage. Denn in diesem Fall ist von einer Bestätigung des nichtigen Beschlusses durch stillschweigenden Klageverzicht der Gesellschafter und damit von einer Heilung der - auf Formverstoß beruhenden - Nichtigkeit auszugehen. Wenngleich eine solche Heilung erst mit Wirkung ex nunc eintreten kann, so entfällt damit doch das rechtliche Interesse an einer Klage der Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des ursprünglichen Beschlusses, da durch dessen Aufhebung die Rechtslage nicht mehr geändert würde (vgl. auch OLG Nürnberg NZG 2000, 700, 702).

Die Klägerin zu 2) kann ein Interesse an der Feststellungsklage schließlich auch nicht daraus herleiten, dass sie als Beklagte einer erfolgreichen Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG die Prozesskosten zu tragen hätte, während im Falle ihres Obsiegens mit einer von ihr erhobenen Feststellungsklage die Kosten dem beklagten Gesellschafter auferlegt würden. Vielmehr ist bei einer Feststellungsklage der Gesellschaft das Kostenrisiko für diese nicht höher als bei einer gegen sie erhobenen Nichtigkeitsklage. Denn die Klageerhebung birgt in jedem Fall die Gefahr eines Unter-liegens der Gesellschaft. Etwas anderes würde nur gelten, wenn bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von einer Begründetheit der Klage auszugehen wäre. Folgerichtig müsste eine Feststellungsklage der GmbH im Falle der Unbegründetheit bereits als unzulässig abgewiesen werden. Eine solche Betrachtungsweise aber widerspräche den Grundsätzen des Zivilprozessrechts.

Das angefochtene Urteil war nach allem abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Die Rechtsache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Frage der Zulässigkeit einer auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung gerichteten Klage des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft ist bereits durch Entscheidung des Bundesgerichtshofes geklärt. Die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Klage der Gesellschaft ergibt sich aus den anerkannten Regeln des Prozessrechts.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 155.600,00 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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