Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 6 U 81/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 823 ff.
BGB § 1004
ZPO § 890 Abs. 2
1. Bestehen objektive Anhaltspunkte dafür, dass ein 9jähriges Kind durch seinen Vater sexuell missbraucht wird, dann greifen die Großeltern des Kindes nicht in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eltern ein, wenn sie gegenüber der Mutter und anderen engen Familienangehörigen ihren Verdacht äußern, um den vermuteten Missbrauch aufzuklären und/oder seiner Wiederholung entgegenzuwirken.

2. Enge Familienangehörige in diesem Sinne sind jedenfalls dann auch die weiteren Großeltern des Kindes, wenn objektive Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die Mutter des Kindes von dem Missbrauch Kenntnis hat und ihn deckt.

3. Eine Mitteilung des Verdachtes an einen familienfremden Dritten ist auch unter den vorbezeichneten Umständen nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, wenn die Äußerung weder in einem formalisierten gerichtlichen oder behördlichen Verfahren (insbesondere einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren) getätigt wird, noch gegenüber Bediensteten einer Behörde oder Einrichtung, der die Sorge für das Wohl von Kindern besonders anvertraut ist, noch in einer in ihrer besonderen Vertraulichkeit gesetzlich geschützten Beziehung wie derjenigen des Mandanten zum Rechtsanwalt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 6 U 81/08

Verkündet am 24.04.2008

in dem Eilverfahren

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Ritter und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Metzger auf die mündliche Verhandlung vom 03.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Verfügungskläger wird das am 13.12.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen,

a) wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, in absehbarer Zeit werde - bezogen auf den Verfügungskläger zu 1 - eine große Sache - sexueller Missbrauch - ans Tageslicht kommen, und/oder

b) wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, der Verfügungskläger zu 1. habe seine Tochter E........ sexuell mißbraucht; und/oder

c) sich mit den Mitarbeitern der Firma B... P........ E..... (H....straße ..., 5.... W..........) - Arbeitgeberin des Verfügungsklägers zu 1 - in Verbindung zu setzen, um von dieser persönliche Daten des Antragstellers zu erfragen und/oder ihn des sexuellen Missbrauchs zu bezichtigen.

Die vorstehend unter a) und b) ausgesprochenen Verbote beziehen sich jedoch nicht

- auf Äußerungen gegenüber dem Verfügungskläger zu 1., der Verfügungsklägerin zu 2., dem Verfügungsbeklagten zu 2., dem Bruder C...... S...... der Verfügungsklägerin zu 2. oder den Eltern M.... und P.... H.... des Verfügungsklägers zu 1., sowie

- auf Äußerungen innerhalb eines formalisierten gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens, insbesondere eines Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens, sowie gegenüber Bediensten einer Behörde oder Einrichtung, der die Sorge für das Wohl von Kindern besonders anvertraut ist.

Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungsbeklagten zu 2. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,- €, ersatzweise 1 Tag Ordnungshaft je 100,- € Ordnungsgeld, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Kosten des Verfahrens haben die Parteien wie folgt zu tragen:

Die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 1. tragen die Verfügungskläger zu je 1/2.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2. tragen die Verfügungskläger zu je 1/4, im übrigen die Verfügungsbeklagte.

Von den außergerichtlichen Kosten der Verfügungskläger und den Gerichtskosten tragen die Verfügungskläger je 3/8, die Verfügungsbeklagte zu 2. zu 1/4.

Gründe:

I.

Die Verfügungskläger sind Eltern der am ......1998 geborenen E........ H.... und des am ......1994 geborenen M...... H..... Die Verfügungsbeklagten sind die Eltern der Verfügungsklägerin zu 2.

Die Verfügungsbeklagten sind der Überzeugung, dass der Verfügungskläger seine Tochter E........ sexuell mißbraucht und hierbei durch die Verfügungsklägerin zu 2. gedeckt wird. In einem Gespräch vom 17.07.2007 hat die Verfügungsbeklagte zu 2. gegenüber einer Lehrerin E........., Frau S....., zumindest einen entsprechenden Verdacht geäußert, wovon Frau S..... die Verfügungskläger am 12.08.2007 unterrichtet hat. Gegen den Verfügungskläger zu 1. ist oder war ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig, in dessen Verlauf die Verfügungsbeklagte zu 2. als Zeugin vernommen worden ist.

Die Verfügungskläger tragen insbesondere vor, die Verfügungsbeklagten hätten bei mehreren Gelegenheiten gegenüber der Verfügungsklägerin zu 2. und gegenüber Dritten, u. a. der Lehrerin und den Eltern des Verfügungsklägers zu 1., die Behauptung aufgestellt oder verbreitet, dieser missbrauche seine Tochter. Die Verfügungsbeklagte zu 2. habe zudem beim Arbeitgeber des Verfügungsklägers zu 1. angerufen und behauptet, in Bezug auf den Verfügungskläger zu 1. werde - bezogen auf den Verfügungskläger zu 1. - demnächst eine große Sache - sexueller Missbrauch - ans Tageslicht kommen.

Die Verfügungskläger haben in erster Instanz beantragt,

1) dem Verfügungsbeklagten zu 1. aufzugeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, der Verfügungskläger zu 1. habe seine Tochter missbraucht;

2) der Verfügungsklägerin zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen,

a) wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten,

- der Verfügungskläger zu 1. habe die Kinder angepackt und die Verfügungsklägerin zu 2. habe dabei Fotos gemacht;

- in absehbarer Zeit werde - bezogen auf den Verfügungskläger zu 1. - eine große Sache - sexueller Missbrauch - ans Tageslicht kommen;

- der Verfügungskläger zu 1. habe seine Tochter E........ sexuell missbraucht;

b) sich mit den Mitarbeitern der Firma B... P........ E..... (H....straße , 5.... W..........) - Arbeitgeberin des Verfügungskläger zu 1. - in Verbindung zu setzen, um von dieser persönliche Daten des Verfügungskläger zu 1. zu erfragen und ihn des sexuellen Missbrauchs zu bezichtigen;

3) den Verfügungsbeklagten für den Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Verfügungsbeklagten haben beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie haben insbesondere geltend gemacht, sie hätten für ihren Verdacht konkrete Anhaltspunkte. Geäußert hätten sie den Verdacht, abgesehen von der polizeilichen Vernehmung, lediglich im engsten Familienkreis, die Verfügungsbeklagte zu 2. darüber hinaus nur gegenüber der Lehrerin und erst nachdem diese selbst die Möglichkeit des sexuellen Missbrauchs angesprochen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit einem am 13.12.2007 verkündeten Urteil hat die Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz den Antrag zurückgewiesen. In Bezug auf das Gespräch mit der Lehrerin fehle es an einem Verfügungsanspruch, da das Gespräch vertraulich gewesen sei und der Aufklärung unstreitiger Verhaltensauffälligkeiten gedient habe, was im Rahmen der Fürsorgepflicht jedenfalls im vorliegenden Fall auch den Großeltern möglich sein müsse; zudem fehle es an der für einen Verfügungsgrund erforderlichen Eilbedürftigkeit. Äußerungen im engsten Familienkreis seien ohnehin nicht rechtswidrig und im Interesse des mutmaßlich betroffenen Kindes nicht zu beanstanden. Das Telefonat mit dem Personalleiter des Arbeitgebers, dem Zeugen T..., schließlich sei nicht bewiesen.

Hiergegen wenden sich die Verfügungskläger mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen und vertiefen. Zur Glaubhaftmachung des Anrufes beim Arbeitgeber legen sie nunmehr auch eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen T... (Bl. 79 GA) vor.

Die Verfügungskläger beantragen,

dem Antrag vom 13.11.2007 stattzugeben.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholen und ergänzen ihre erstinstanzlichen Ausführungen und weisen zudem darauf hin, E........ habe ihnen - was unstreitig ist - berichtet, sie sei von ihrem Vater missbraucht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungskläger hat in der Sache nur im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 2. und auch insoweit nur teilweise Erfolg.

1.

Zu Recht hat die in erster Instanz mit der Sache befasste Richterin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten zu 1. abgelehnt.

Voraussetzung eines Unterlassungsanspruches aus §§ 823, 1004 BGB ist die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff. BGB geschütztes Rechtsgut. Zu diesen Rechtsgütern gehört auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers zu 1., in das die Behauptung eingreift, er missbrauche seine Tochter. Der Unterlassungsanspruch kann im Wege der Unterlassungsklage oder im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden, wenn die ernstliche, auf Tatsachen gründende Besorgnis besteht, dass in Zukunft gegen eine bestehende Unterlassungspflicht erstmals oder wiederholt verstoßen wird. Dies haben die Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht.

Die Besorgnis eines künftigen rechtswidrigen Eingriffs des Verfügungsbeklagten zu 1. in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers zu 1. gründet sich insbesondere nicht auf die Äußerung des Verfügungsbeklagten zu 1. gegenüber der Verfügungsklägerin zu 2. vom 22.10.2007. Er soll seinerzeit zwar behauptet (so die Verfügungskläger) oder den Verdacht geäußert (so die Verfügungsbeklagten) haben, der Verfügungskläger missbrauche seine Tochter. Rechtswidrig war diese Äußerung im konkreten Fall jedoch nicht.

Der Senat vermag zwar der Einschätzung des Landgerichts nicht zu folgen, die Äußerung sei schon deshalb nicht rechtswidrig gewesen, weil sie innerhalb des engsten Familienkreises gefallen sei. Ehrverletzenden, nicht erweislich wahren Behauptungen kann der Betroffene mit einer Widerrufs- oder Unterlassungsklage grundsätzlich auch dann begegnen, wenn sie "im kleinen Kreis" aufgestellt worden sind; solche Beschuldigungen können den Betroffenen unter Umständen sogar nachhaltiger beeinträchtigen als öffentliche Kritik, von der er schneller Kenntnis erlangen und der er deshalb schneller entgegen treten kann (BGH, Urt. v. 20.12.1983 - VI ZR 94/82 -, NJW 1984, 1104). Zwar wird ein dem Ehrenschutz entzogener Freiraum in der Rechtsprechung für Äußerungen im engsten Familienkreis angenommen (BVerfG, Beschl. v. 26.04.1994 - 1 BvR 1689/88 -, NJW 1995, 1015; BGH, a. a. O.). Damit soll jedem ein persönlicher Freiraum gewährt werden, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist und sich mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen aussprechen kann, ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen. In einem solchen Gespräch im engsten Familienkreis könne der Äußernde regelmäßig darauf vertrauen, dass die Vertraulichkeit des Gespräches gewahrt bleibe. Deshalb werden zum Teil auch andere in ihrer besonderen Vertraulichkeit gesetzlich geschützte Beziehungen (Arzt/Patient, Rechtsanwalt/Mandant) der Äußerung im engsten Familienkreis gleichgestellt. Zugunsten des Gespräches des Verfügungsbeklagten zu 1. mit der Verfügungsklägerin zu 2. vom 22.10.2007 greifen diese Erwägungen indes nicht durch. Die Verfügungsklägerin zu 2. stand in einem engen Nähe- und Vertrauensverhältnis nicht nur zum Verfügungsbeklagten zu 1., ihrem Vater, sondern auch zum Verfügungskläger zu 1., ihrem Ehemann, gegen den sich der Vorwurf oder Verdacht des sexuellen Missbrauchs richtete. Schon deshalb und erst recht angesichts des angespannten persönlichen Verhältnisses zwischen beiden Verfügungsklägern einerseits und beiden Verfügungsbeklagten andererseits konnte der Verfügungsbeklagte zu 1. nicht davon ausgehen, seine Tochter werde unter Wahrung der Vertraulichkeit des Gespräches insbesondere ihrem Ehemann nichts hiervon berichten. Letztlich behauptet auch der Verfügungsbeklagte zu 1. selbst nicht, er habe sich an die Verfügungsklägerin zu 2. als einer Person seines Vertrauens gewandt in der Erwartung, diese werde das Gespräch gegenüber ihrem Ehemann vertraulich behandeln.

Angesprochen hat der Verfügungsbeklagte zu 1. die Verfügungsklägerin zu 2. vielmehr als eine der nächsten Bezugspersonen des Kindes in der Hoffnung und Erwartung, diese werde zur Aufklärung der Vorwürfe beitragen und/oder dafür Sorge tragen, dass sich der angenommene sexuelle Missbrauch nicht wiederholen werde. Diese Zielsetzung des Gespräches steht außer Streit, wenngleich die Verfügungskläger den Missbrauch selbst in Abrede stellen. Die so motivierte Äußerung gegenüber der Kindsmutter ist unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gerechtfertigt.

Die Verfügungsbeklagten hatten für ihren Verdacht seit Sommer 2007 gewichtige objektive Anhaltspunkte. Unstreitig hat E........ ihren Großeltern, den Verfügungsbeklagten, geschildert, dass und in welcher Weise sie von ihrem Vater missbraucht worden sei. Die Verfügungsbeklagte zu 1. hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat (§ 141 ZPO) das Gespräch, in dem sich das Kind erstmals den Großeltern anvertraut hat, auf den 25.07.2007 datiert; zwei Wochen später beim nächsten Besuch des Kindes bei den Großeltern habe E........ erneut beteuert, ihre Darstellung entspreche der Wahrheit. Die Angaben des Kindes gegenüber den Großeltern stellen auch die Eltern, die Verfügungskläger, nicht in Abrede; vielmehr hat auch die Verfügungsklägerin zu 2. angegeben, das Kind habe ihr gestanden, den Großeltern gegenüber behauptet zu haben, der Vater missbrauche sie. Mag es nun tatsächlich zum Missbrauch gekommen sein oder nicht: Die Verfügungsbeklagten jedenfalls hatten seinerzeit Grund für die Sorge, die Angaben des Kindes träfen zu. Nach der glaubhaften Schilderung der Verfügungsbeklagten zu 2. hat sich das Kind nicht auf die Behauptung beschränkt, es sei zum Missbrauch gekommen, und diesen nicht nur mit formelhaften Wendungen beschrieben, sondern den - behaupteten - Geschehensablauf detailreich beschrieben und dabei eigene Gefühle bei der Tat selbst ebenso geschildert wie Schuldgefühle und Ängste, die Großeltern könnten sie nun nicht mehr lieb haben. Unstreitig hatte das Kind zudem schon vor dem 25.07.2007 (allerdings nicht näher beschriebene) Verhaltensauffälligkeiten gezeigt. Wie die Verfügungsbeklagte zu 2. weiter geschildert hat, hatte sie deshalb das Kind schon vor dem 25.07.2007 mehrfach gefragt, was los sei, habe das Kind aber jeweils geantwortet, "frag mich nicht, ich darf nichts sagen". Dass vor diesem Hintergrund die Verfügungsbeklagten die Angaben E........, sie sei missbraucht worden, ernst nahmen und nicht von vornherein den Schluss zogen, es handele sich - wie die Verfügungskläger vortragen - um eine erfundene Geschichte des Kindes, mit dem es habe testen wollen, wie die Großeltern reagieren, ist zumindest nachvollziehbar.

Zur Klärung des anhand konkreter Anhaltspunkte verfestigten Verdachtes und zur Vermeidung etwaiger Wiederholungsfälle war der Verfügungsbeklagte zu 1. berechtigt, die Verfügungsklägerin zu 2., neben dem Verfügungskläger zu 1. nächste Bezugsperson des Kindes und Personensorgeberechtigte, zu informieren. Der Verfügungsbeklagte zu 1. war des weiteren berechtigt, sich auch in der Folge - bis zur Klärung der Angelegenheit - mit der Mutter über den Verdacht auseinanderzusetzen. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob der Verfügungsbeklagte sich hierbei (wie er vorträgt) auf die Mitteilung eines Verdachts beschränkt oder (wie die Verfügungskläger geltend machen) den Missbrauch dezidiert behauptet hat. Allein dass nach der Schilderung des Kindes zu befürchten stand, dass die Mutter einen erkannten Missbrauch deckte oder vor einem Verdacht die Augen verschloss, konnte dem Verfügungsbeklagten Anlass geben, seiner Nachfrage die Form eines Vorhaltes zu geben, ohne dass ihm dies als rechtswidrig vorzuwerfen wäre.

Nach alledem hat der Verfügungsbeklagte zu 1. durch die ihm zur Last gelegte Äußerung gegenüber der Verfügungsklägerin zu 2. vom 22.10.1007 nicht rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers zu 1. eingegriffen. Dann fehlt es an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage für die Annahme, er werde es künftig tun; dass er sich zu irgend einem anderen Zeitpunkt gegenüber Dritten, innerhalb oder außerhalb der Familie, über den vermuteten Missbrauch geäußert habe, behaupten auch die Verfügungskläger nicht.

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu 2. hat nur hinsichtlich eines Teils der gestellten Anträge Erfolg, nämlich nur insoweit, als sich eine Wiederholungsgefahr aus dem behaupteten Telefonat der Verfügungsbeklagten mit dem Zeugen T..., Personalleiter des Arbeitgebers des Verfügungsklägers zu 1., ergibt.

a. Auf das Gespräch der Verfügungsbeklagten zu 2. mit der Lehrerin Frau S..... können die Verfügungskläger eine im einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzende Unterlassungsverfügung nicht (mehr) stützen. Insoweit fehlt es bereits an der Eilbedürftigkeit, weil die Verfügungskläger nach eigenen Angaben bereits am 12.08.2007 von dem Gespräch unterrichtet wurden, einstweiligen Rechtsschutz aber erst am 13.11.2007 beantragt haben. Auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils zu dieser Frage wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

b. Aus den vorstehend unter 1. dargelegten Erwägungen geben auch die behaupteten - bestrittenen - Äußerungen der Verfügungsbeklagten zu 2. gegenüber der Verfügungsklägerin zu 1. vom 19.07.2007 ("Dein Mann hat doch die Kinder angepackt. Und Du hast noch Fotos gemacht.") keinen Anlass, der Verfügungsbeklagten entsprechende Äußerungen für die Zukunft zu untersagen.

c. Entsprechendes gilt für das Telefonat der Verfügungsbeklagten zu 2. vom 22.10.2007 mit M.... und P.... H...., den Eltern des Verfügungsklägers zu 1. Dass die Verfügungsbeklagte zu 2. an jenem Tag die Eltern des Verfügungsklägers zu 1. anrief, um sich bei ihr nach der Telefonnummer der Verfügungskläger zu erkundigen, ist unstreitig, begründet aber keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers zu 1. Auf den weiteren, im einzelnen teilweise streitigen Verlauf des Gespräches kommt es nicht an. Die Verfügungskläger tragen hierzu vor, die Verfügungsbeklagte habe behauptet, dass E........ voller blauer Flecken sei, und von sexuellem Missbrauch gesprochen, den der Verfügungskläger begangen haben solle. Die Behauptung, ein Kind sei voller blauer Flecken, berührt nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungskläger, da blaue Flecken, auch in größerer Zahl, verschiedene, auch völlig harmlose Ursachen haben können und allein die Darstellung, ein Kind sei voller blauer Flecken, die Verantwortung der Eltern dafür weder ausdrücklich behauptet noch impliziert. Soweit schließlich von einem sexuellen Missbrauch die Rede gewesen sein soll, den der Verfügungskläger zu 1. begangen haben soll, wäre dies von einem berechtigten Interesse der Verfügungsbeklagten gedeckt gewesen, die Vorwürfe aufzuklären und ggf. einer Wiederholung vorzubeugen. Insoweit wird auf die Ausführungen vorstehend zu 1. Bezug genommen.

Der Senat verkennt nicht, dass die hier in Rede stehenden Äußerungen nicht gegenüber der Mutter gefallen sein sollen, sondern gegenüber den Großeltern des Kindes, die weder personensorgeberechtigt sind noch dem Kind gleich nahe stehen wie die Eltern. Ob es in jedem Fall gerechtfertigt ist, bei Verdacht eines sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes dessen Großeltern zu unterrichten, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls dann, wenn objektive Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die näheren Angehörigen, insbesondere beide Elternteile, an dem Missbrauch beteiligt sind oder aus sonstigen Gründen nicht im gebotenen Maße zum Schutz des Kindes tätig werden, muss es auch den nach den Eltern nächsten Verwandten gestattet sein, untereinander Kontakt aufzunehmen, um zu sensibilisieren und das weitere Vorgehen abzustimmen. Nächste Verwandte in diesem Sinne sind neben den Großeltern jedenfalls diejenigen Verwandten, denen die Eltern als Paten die Sorge für das Wohlergehen des Kindes besonders anvertraut haben.

Auch dem Inhalt nach sind die Mitteilungen der Verfügungsbeklagten zu 2. gegenüber den Eltern des Verfügungsklägers bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen vorläufigen Bewertung nicht zu beanstanden gewesen. Die Verfügungskläger haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. über die - wahrheitsgemäße - Wiedergabe einer auf objektiven Anhaltspunkten gründenden subjektiv sicheren Überzeugung hinausgegangen ist.

d. Anlass zu einer Unterlassungsverfügung gibt indes das Telefonat vom 22.10.2007 mit dem Personalleiter T... der Firma B... P........ E..... GmbH, des Arbeitgebers des Verfügungsklägers zu 1.

Durch die eidesstattliche Versicherung des Personalleiters T... ist glaubhaft gemacht, dass am Vormittag des 22.10.2007 eine weibliche Person unter dem Namen der Verfügungsbeklagten zu 2. dort anrief, vergebens nach persönlichen Daten des Verfügungsklägers zu 1. fragte und sodann sinngemäß erklärte, wenn er, der Verfügungsbeklagte zu 1., umgezogen wäre, würde das die Anruferin sehr beruhigen; denn da werde in absehbarer Zeit eine große Sache, sexueller Missbrauch, ans Tageslicht kommen. - Die eidesstattliche Versicherung ist, obwohl erst im Berufungsverfahren vorgelegt, noch zu berücksichtigen; ihre Vorlage ist erst am Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht notwendig geworden und war im Eilverfahren in erster Instanz nicht mehr möglich. Dass es den Anruf gab, ist durch die Erklärung des Personalleiters glaubhaft gemacht, eines unbeteiligten Dritten ohne jedes erkennbare eigene Interesse am Gegenstand oder Ausgang des Verfahrens.

Es ist auch glaubhaft gemacht, dass der Anruf gerade von der Verfügungsbeklagten zu 2. stammte. Diese bestreitet zwar, mit dem Personalleiter T... telefoniert zu haben, und weist darauf hin, dass - dies ist im übrigen unstreitig - Herr T... die Verfügungsbeklagte zu 2. nicht persönlich kannte, sich also jede andere Frau am Telefon als die Verfügungsbeklagte zu 2. hätte ausgeben können. Dennoch sieht der Senat unter Würdigung der im vorliegenden Verfahren bekannt gewordenen Anhaltspunkte einen Anruf der Verfügungsbeklagten zu 2. als überwiegend wahrscheinlich an, was für den Erlass einer einstweiligen Verfügung genügt.

Zum einen fällt auf, dass der Anruf beim Arbeitgeber des Verfügungsklägers zu 1. in engem zeitlichem Zusammenhang mit unstreitigen Telefonaten der Verfügungsbeklagten steht. Gleichfalls am 22.10.2007, gegen 09.30 Uhr, hat der Verfügungsbeklagte zu 1. wegen des angenommenen Missbrauchs die Verfügungsklägerin zu 2. vor deren Haus angesprochen. Die Verfügungsbeklagte zu 2. schließlich hat unstreitig am gleichen Tag bei den Eltern des Verfügungsklägers zu 1. angerufen, nach dessen angeblich neuer Adresse (so die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers zu 1., Bl. 11 GA) oder Telefonnummer (so die Verfügungsbeklagte zu 2. am 28.11.2007, Bl. 39 GA) gefragt und unter Hinweis auf den angeblichen sexuellen Missbrauch angekündigt, sich andernfalls an den Arbeitgeber zu wenden. Der Anruf bei den Eheleuten H.... (12.00 h) soll zwar nach den unbestrittenen Angaben des Verfügungsklägers zu 1. zeitlich nach dem Anruf beim Arbeitgeber gelegen haben. Gleichwohl fällt der enge inhaltliche Zusammenhang beider Telefonate auf; ein Irrtum in Bezug auf die Uhrzeiten ist ebenso denkbar wie ein Versuch der Verfügungsbeklagten zu 2., ihre Gesprächspartnerin zu "bluffen", nachdem der vorangegangene Anruf beim Arbeitgeber nicht zum Ziel geführt hatte. Beide Möglichkeiten erscheinen dem Senat jedenfalls näher liegend als die dritte, theoretisch denkbare Variante, dass ein Dritter beim Arbeitgeber anrief und sich als die Verfügungsbeklagte zu 2. ausgab.

Die Verfügungsklägerin zu 1. selbst hatte - auch und gerade wenn man den Vortrag der Verfügungsbeklagten unterstellt, sie wisse von dem Missbrauch und decke ihn - kein Interesse daran, den Arbeitgeber zu informieren. Die Verfügungsbeklagte zu 2. hat zwar die Möglichkeit angedeutet, die Verfügungsklägerin zu 2. habe sie - ihre Mutter - dadurch in einem schlechten Licht erscheinen lassen wollen. Dabei übersieht sie jedoch, dass nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten der Wille der Verfügungsklägerin vor allem darauf gerichtet gewesen wäre, gar nicht erst die Aufmerksamkeit Dritter auf den Missbrauchsverdacht zu lenken.

Eher fernliegend erscheint dem Senat schließlich, dass der Anruf auf eine völlig unbeteiligte Dritte, etwa aus dem Wohnort der Verfügungskläger, zurückzuführen ist. Es ist bereits fraglich, woher diese Unbekannte die Arbeitsstelle des Verfügungsklägers zu 1. und den genauen (Vor- und Familien-)Namen der in einem anderen Ort wohnhaften Verfügungsbeklagten zu 2. gekannt sowie Kenntnis von dem Umstand gehabt haben soll, dass die Verfügungsbeklagten nicht wussten, wie die Verfügungskläger telefonisch zu erreichen waren, und deshalb soeben bei den Eheleuten H.... angerufen hatten oder dies in Kürze tun würden. Zudem ist auch kein Grund ersichtlich, warum eine Dritte, selbst wenn sie anonym bleiben wollte, sich ausgerechnet als die Verfügungsbeklagte zu 2. hätte ausgeben sollen.

Entscheidend gegen eine "Urheberschaft" der Verfügungsbeklagten zu 2. spricht schließlich auch nicht, dass der Personalleiter T... an Eides statt versichert hat, die Anruferin habe nach der Adresse gefragt, während der Verfügungsbeklagten zu 2. unstreitig zumindest die bisherige Adresse des Verfügungsklägers zu 1. bekannt, lediglich die Telefonnummer unbekannt war. Zum einen ist ohne weiteres denkbar, dass der Personalleiter T..., dem all dies nicht bekannt war, etwa eine Frage nach der Erreichbarkeit als Frage nach der Adresse verstanden hat. Die Frage kann aber auch tatsächlich auf die Adresse gezielt haben, nachdem gegenüber dem Personalleiter T... - wie nach Darstellung des Verfügungsklägers zu 1. auch gegenüber der Mutter des Verfügungsklägers zu 1. - von einem angeblichen Umzug des Verfügungsklägers zu 1. die Rede war.

Nach alledem geht der Senat aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden beschränkten Erkenntnisquellen davon aus, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. am 22.10.2007 beim Arbeitgeber des Verfügungsklägers zu 1. angerufen und dem dortigen Personalleiter angekündigt hat, in Bezug auf den Verfügungskläger zu 1. werde in absehbarer Zeit eine große Sache, sexueller Missbrauch, ans Tageslicht kommen. Die Mitteilung greift massiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers zu 1. ein. Ein rechtfertigender Grund hierfür ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kindes nicht ersichtlich; weder war der Arbeitgeber für das Wohl des Kindes verantwortlich, noch konnte er in irgendeiner Weise zur Sachaufklärung beitragen oder Wiederholungen entgegenwirken.

e. Der erstmalige rechtswidrige Eingriff indiziert die Gefahr seiner Wiederholung, der durch eine entsprechende Unterlassungsverfügung zu begegnen ist. Der Verfügungsbeklagten zu 2. waren die im Tenor aufgeführten Äußerungen einstweilen zu untersagen.

Hiervon auszunehmen waren Äußerungen im engeren Familienkreis (§ 193 StGB, s. o.), im Rahmen eines formalisierten gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens (Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 823 Rn. 104) oder gegenüber Bediensteten einer Behörde oder Einrichtung, der die Sorge für das Wohl von Kindern besonders anvertraut ist (wiederum: § 193 StGB), insbesondere des Jugendamts.

Nicht zuletzt im Lichte der familiengerichtlichen Vereinbarung vom 02.06.2006, mit der die Verfügungsbeklagten zugesagt haben, ohne Wissen und Zustimmung der Verfügungskläger keinen Kontakt mit der Schule aufzunehmen, und um zum Wohle der Kinder dem Versuch einer Instrumentalisierung der Lehrkräfte durch die eine oder andere Seite vorzubeugen, hält es der Senat hingegen für angezeigt, Äußerungen gegenüber der Schule und den Lehrerinnen und Lehrern in die Unterlassungsverfügung einzubeziehen. Zwar strahlt die Pflicht der staatlichen Gemeinschaft, über die Betätigung der elterlichen Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder zu wachen (Art. 6 Abs. 2 GG), auch auf die Aufgaben einer Schule in staatlicher Trägerschaft aus. Im Kern und in erster Linie liegt der gesetzliche Auftrag der Schule aber in der Bildung und Erziehung der Kinder (§ 1 SchulG RP), nicht in der Sorge für deren körperliches und seelisches Wohl, insbesondere soweit Gefährdungen hierfür aus dem privaten Bereich herrühren. Der Senat legt Wert auf die Feststellung, dass hiermit der Schule nicht das Recht und die Aufgabe abgesprochen werden soll, auf erkannte Gefährdungen für das Wohl eines Kindes adäquat zu reagieren. Ansprechpartner für die Verfügungsbeklagten aber sind bei berechtigtem Verdacht auf sexuellen Missbrauch die eigens für solche Fälle eingerichteten Behörden und Stellen.

III.

Grundlage für die Androhung von Zwangsmitteln ist die Bestimmung des § 890 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert wird, entsprechend dem von den Parteien nicht beanstandeten Ansatz erster Instanz, auf 5.500,- € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück